Müssen Geflüchtete hilflos und schutzsuchend sein?

Die Opfer als Täter

In Berlin zog das »Flüchtlingstribunal« eine bittere Bilanz des deutschen Rassismus

Bunte Transparente flattern am Mariannenplatz in Berlin-Kreuzberg. »Residenzpflicht abschaffen«, »Oury Yalloh, das war Mord«, lauten einige der Parolen. Andere prangern den Kolonialismus an. Das waren auch die Themen, die in den letzten vier Tagen beim Internationalen Flüchtlingstribunal gegen die Bundesrepublik Deutschland am Mariannenplatz verhandelt wurden.

»Die Opfer deutscher Flüchtlingspolitik haben eine Stimme bekommen«, lautete der Tenor der Abschlussveranstaltung am Sonntag. »Wir haben über unsere Erfahrungen gesprochen, weil wir selber Experten der deutschen Flüchtlingspolitik sind«, erklärte ein Mitorganisator. Dabei sei Unterstützung auch von Juristen, Ärzten und zivilgesellschaftlichen Organisationen willkommen. Im Mittelpunkt habe aber die Selbstermächtigung gestanden, so der Sprecher Rex Osa. Längerfristig sollen die gesammelten Erkenntnisse auch für juristische Schritte genutzt werden.

Am Mariannenplatz konnte man in den letzten Tagen ergreifende Geschichten von Menschen hören, die oft nur mit Glück überlebten. So berichtete ein heute in Hamburg lebender Mann, wie er in Libyen nach dem Sturz des Regimes von Milizionären aus seiner Wohnung entführt, in die Wüste verschleppt und dort ausgesetzt wurde. Als er zurück auf eine belebte Straße gefunden hatte, wurde er abermals von Milizen bedroht. Er bestach sie – und floh nach Europa. Mittlerweile gehört er zu den Initiatoren der Flüchtlingsproteste, die seit Frühjahr letzten Jahres Zulauf bekommen.

Nicht nur Flüchtlinge, sondern auch Staatsbürger, die für Flüchtlinge gehalten werden, haben einen harten Alltag in Deutschland. Das betonte ein Frankfurter Aktivist am Beispiel von Christy Schwundeck. Die dunkelhäutige Frau war vor zwei Jahren von einer Polizeibeamtin nach einem Streit in einem Frankfurter Jobcenter erschossen worden. Die Polizistin habe in »Notwehr« gehandelt, hieß es hinterher.

Dass nicht erst bei den NSU-Morden die Opfer rassistischer Gewalt zu Tätern gemacht wurden, zeigte eine Initiative am Beispiel der in Ägypten geborenen Marwa al Sherbini. Sie war 2009 im Dresdner Landgericht von einem Rassisten erstochen worden, den sie verklagt hatte. Die Polizei hielt ihren Ehemann, der sich schützend vor sie gestellt hatte, für den Täter und schoss auf ihn.
»Wir haben von diesen Fällen gehört. Aber die kompakte Vorstellung auf dem Tribunal war beeindruckend«, meint auch ein Berliner Aktivist. Er zeigte sich enttäuscht, dass die Zahl der Gäste eher gering war. Dass sich auch die Zahl der Flüchtlinge in Grenzen hielt, sei aber auch die Folge von Einschüchterung. So seien mehrere Flüchtlinge wegen der Residenzpflicht an der Anreise gehindert worden.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/824607.die-opfer-als-taeter.html

Peter Nowak

Flüchtlinge geben nicht klein bei


Tribunal im Juni in Berlin geplant
Im September 2012 errichteten Flüchtlinge aus ganz Deutschland in Berlin eine Zeltstadt, um gegen die Einschränkung ihrer Rechte zu protestieren. Bis heute dauert der Protest an. Osaren Igbinoba von der Flüchtlingsselbstorganisation »The Voice Refugee Forum« stellte die Pläne der nächsten Monate vor.

Selbstbewusst formulieren die Flüchtlinge am Berliner Oranienplatz ihre Forderungen. Unterstützung von Antirassisten sei willkommen; das von manchen humanitären christlichen Organisationen gezeichnete Bild von angeblich hilf- und wehrlose Personeen allerdings behagt ihnen ganz und gar nicht: Osaren Igbinoba: „Wir müssen alle zusammenarbeiten, um die koloniale Ungerechtigkeit zu brechen. Teilweise über Jahre kämpfen die Aktivisten gegen Abschiebung und Residenzpflicht. Teilweise auch erfolgreich. n Thüringen wurden bereits mehrere der kritisierten Flüchtlingslager geschlossen.
Schon seit Monaten bereiten sie ein Internationales Flüchtlingstribunal vor, das vom 13. Bis 16. Juni 2013 in Berlin stattfinden soll. Angeklagt wird die Bundesrepublik Deutschland. Dabei wollen sich die Flüchtlingsorganisationen nicht nur auf die Kritik der Asylgesetzgebung beschränken. So wird in der Anklageschrift des Tribunals darauf verwiesen, dass die deutsche Wirtschaft mit der Arbeitskraft von Millionen „Gastarbeitern“ aufgebaut wurde und für die Ausbeutung der Länder vor allem in Afrika mit verantwortlich ist. Damit werde Not und Elend geschaffen, das dazu geführt hat, dass viele Menschen ihre Länder verlassen und in Europa ein besseres Leben erhoffen. Mit der Parole „Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört“, haben Flüchtlinge diesen Zusammenhang immer wieder in der deutschen Öffentlichkeit dargestellt. Auf dem Tribunal sollen die persönlichen Geschichten von Flüchtlingen über Flucht, Repression und Widerstand dokumentiert werden. Sie bilden die Grundlage für die Anklage vor dem Tribunal.
Ein Schwerpunkt des Flüchtlingswiderstands soll der Kampf gegen das europäische Grenzregime sein, das vielen Flüchtlingen das Leben kostete. Igbinoba wies darauf hin, dass die Überwachungstechnologie ein profitables Geschäft auch für deutsche Unternehmen ist. Dieser Aspekt soll stärker in den Mittelpunkt der Kampagne gegen das Grenzregime gerückt werden. Der Workshop und die vorgestellte Protestagenda machen deutlich, dass die Flüchtlinge an den Aufbruch vom letzten Jahr anzuknüpfen wollen. Und sie sehen sich nicht nur als Menschen, die Solidarität brauchen. Sondern sie betrachten ihre Aktionen als Teil einer solidarischen Bewegung von unterdrückten und Ausgebeuteten.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/813165.fluechtlinge-geben-nicht-klein-bei.html
Peter Nowak

Konferenz der Unsichtbaren

Es gibt viele weibliche Flüchtlinge, doch bei Protesten sind sie kaum präsent – das soll sich ändern
Weibliche Asylbewerber leiden nicht nur unter der allgemeinen Diskriminierung von Flüchtlingen, sondern zudem unter sexistischer Behandlung – bei Ämtern, in Heimen und innerhalb der Flüchtlingsbewegung. Zum ersten Mal widmet sich nun eine Konferenz ausschließlich ihren spezifischen Problemen. Das soll Frauen ermutigen, sich stärker zu engagieren.

»Jede von uns trägt den Schmerz der Vergangenheit. Wir haben Armut, Elend, Krieg, politische Verfolgung, sexuelle Gewalt und Erniedrigung erlebt. Wir sind einen langen, beschwerlichen Weg gegangen und gemeinsam befinden wir uns hier in der Migration im Exil.« Mit diesen eindringlichen Worten beginnt der Aufruf für die erste Flüchtlingsfrauenkonferenz in Deutschland, die vom 19. bis 21. April in Hamburg stattfinden soll. Die Initiative steht im Kontext des wachsenden Widerstands von Flüchtlingen. 2012 gilt als Jahr ihres Aufbruchs, Höhepunkte waren ein Marsch von Würzburg nach Berlin, der Hungerstreik am Brandenburger Tor und die Errichtung eines Flüchtlingscamps im Bezirk Kreuzberg. Doch dieser Widerstand scheint männlich zu sein – Frauen sind dabei kaum sichtbar. Aus diesem Befund ist im vergangenen Jahr beim Flüchtlingssommercamp in Erfurt die Idee für die Konferenz entstanden.

»In den letzten Jahren ist uns aufgefallen, dass gerade in unserem selbstorganisierten Kampf die Beteiligung von Frauen sehr gering ist«, erklärt eine Aktivistin vom Vorbereitungskreis. Dabei sind Frauen nicht weniger von den Problemen betroffen. Die Residenzpflicht schränkt ihre Bewegungsfreiheit ein, sie müssen abgeschottet in Heimen leben, und immer wieder droht die Abschiebung. Im Gegensatz zu Männern sind sie aber zudem mit sexistischer Unterdrückung konfrontiert, nicht nur in ihrer Heimat, sondern auch hierzulande, auf Ämtern und in Heimen. »Frauen erfahren Ausgrenzung, Erniedrigung und Ausbeutung in ihrem Alltag besonders stark, deshalb haben sie kaum Kraft, sich am Widerstand zu beteiligen«, meint die Konferenzorganisatorin.

Der Erfahrungsaustausch soll deshalb auf der Konferenz viel Raum bekommen. Dabei werden Frauen nicht nur vom Kampf für ihre Rechte in ihren Herkunftsländern und von sexuellen Belästigungen bei Festnahmen berichten. Auch Übergriffe in deutschen Flüchtlingsunterkünften von männlichen Flüchtlingen und Mitarbeitern sollen zur Sprache kommen, genauso wie sexistische Einstellungen deutscher Behörden. Die Frauen wollen darüber hinaus beraten, wie sie mit sexistischem Verhalten innerhalb der Flüchtlingsstrukturen umgehen können. Zu Opfern wollen sie sich allerdings nicht stilisieren lassen, betont die Aktivistin des Vorbereitungskreises.

Sie hofft, dass die Konferenz Frauen ermutigt, sich in der Flüchtlingsbewegung stärker einzubringen. Deshalb wird im Rahmen der Veranstaltung auch das Internationale Flüchtlingstribunal vorbereitet, das im Juni in Berlin stattfinden soll. Dann wollen Flüchtlingsorganisationen Anklage gegen die deutsche Regierung erheben. Ihr wird zur Last gelegt, mitverantwortlich zu sein für die Fluchtursachen, die Toten an den europäischen Außengrenzen und »für das psychische und physische Leid, das Flüchtlinge und MigrantInnen hierzulande tagtäglich erleben«. Für die Flüchtlinge sind solche Aktivitäten ein finanzieller Kraftakt. Die Organisatorinnen der Frauenkonferenz haben daher ein Spendenkonto eingerichtet.

Spendenkonto: Förderverein Karawane, Kto-Nr. 40 30 780 800, GLS Gemeinschaftsbank, BLZ 430 609 67, Stichwort: Flüchtlingsfrauenkonferenz

http://www.neues-deutschland.de/artikel/811433.konferenz-der-unsichtbaren.html
Peter Nowak

Flüchtlingsrechte statt Titten

Flüchtlinge, die seit dem 24. Oktober am Pariser Platz in Berlin den winterlichen Witterungsverhältnissen schutzlos ausliefert sind, sind in Hungerstreik getreten

„Menschenrechte statt Titten“ stand auf den T-Shirts, mit dem sich weibliche Mitglieder der Berliner Piratenpartei in der Nähe des Brandenburger Tors in Berlin-Mitte fotografieren ließen.

Die Aktion sollte, so die Erklärung der Initiatorinnen, die Aufmerksamkeit auf den Hungerstreik von Flüchtlingen lenken, die seit dem 24. Oktober am Pariser Platz den winterlichen Witterungsverhältnissen schutzlos ausliefert sind. Sie fordern mit ihrer Nahrungsverweigerung die Abschaffung von Heimen und Residenzpflicht, jenen gesetzlichen Instrumenten, mit denen in Deutschland die Bewegungsfreiheit der Flüchtlinge in Deutschland massiv eingeschränkt wird. Viele haben diese Rechte in einem Akt des zivilen Ungehorsams verletzt, indem sie in einem mehrwöchigen Marsch von Würzburg nach Berlin die Rechte von Flüchtlingen wieder auf die Tagesordnung setzen.

Der seit Jahren größte Flüchtlingsaufbruch in Deutschland hat seine Ursache in der Neuzusammensetzung der Migranten. In der letzten Zeit kamen zahlreiche Iraner nach Deutschland, die in ihrem Land gegen das islamistische Regime kämpften, verfolgt wurden und das Land verlassen mussten. Sie sind nicht bereit, in Deutschland als Menschen zweiter Klasse zu leben und fordern auch hier ihre Rechte ein. Unterstützt werden sie dabei von schon länger existierenden Flüchtlingsstrukturen, wie die Initiative The Voice.

Sorgte der Flüchtlingsmarsch noch für ein Medieninteresse, so hat die Berichterstattung schnell nachgelassen, nachdem sich die Menschen in einem von den Behörden tolerierten Zeltdorf in Berlin-Kreuzberg niedergelassen haben. Die Flüchtlinge wollen aber nicht überwintern, sondern ihre Rechte einfordern. Daher hat sich eine 20-köpfige Gruppe mit dem Hungerstreik in der Nähe des Brandenburger Tors zu einer offensiven Strategie entschlossen.

Keine Zelte – keine Schlafsäcke – keine Isomatten

Dort waren sie sofort mit den Tücken des deutschen Versammlungsrecht und Polizisten, die es penibel durchsetzten, konfrontiert. Da die Aktion lediglich als Mahnwache angemeldet werden konnte, waren trotz der winterlichen Temperaturen Zelte, Schlafsäcke und Isomatten, ja selbst Pappe als notdürftiger Schutz vor der Winterkälte verboten. Immer wieder kontrollierten Polizisten mit Taschenlampen, ob nicht doch die inkriminierten Gegenstände eingeschmuggelt wurden. Zu allen Tageszeiten, auch mitten in der Nacht wurden den Flüchtlingen Schlafsäcke und Kartons entrissen. Wenn sich die aus dem Schlaf geschreckten Menschen dagegen wehrten, wurden sie festgenommen. So war es nicht verwunderlich, dass es schon wenige Tage nach dem Hungerstreik bei einem Beteiligten zu einem Kollaps gekommen ist.

Die Aussetzung der durch den Hungerstreik schon geschwächten Menschen den Unbilden des Winterwetter fand mitten im touristischen Zentrum Berlins statt und führte zu keiner größeren Reaktion der immer wieder beschworenen Zivilgesellschaft. Selbst an der Teilnahme an der Eröffnung des Mahnmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Roma und Sinti in der Nähe des Brandenburger Tor wurden die hungerstreikenden Flüchtlinge gehindert. Während die Politiker ein Denkmal lobten, das sie größtenteils lange verhindern wollten, sollte wohl nicht daran erinnert werden, dass populistische Kampagnen und Einreiseverschärfungen gegen osteuropäische Roma geplant sind und nur wenige Meter entfernt eine Gruppe von Menschen ihrer Rechte beraubt werden.

„Die Unterdrückung und Missachtung der Rechte von einzelnen Gruppen ist nur dann möglich, wenn die Mehrheitsgesellschaft ihre Augen verschließt“, heißt es in einer Erklärung der Flüchtlinge.

PR-Aktion der Piraten?

Das ZDF hat die Diskussion über die Frage, ob der Protest von 20 Menschen vor dem Brandenburger Tor berichtenswert ist, öffentlich gemacht und dabei auch verdeutlicht, dass auch bei öffentlich rechtlichen Sendern kritische Berichterstattung immer mehr zum Fremdwort wird. „Sind Journalisten dazu da, auf Missstände aufmerksam zu machen?“ lautet eine Frage, die dann verneint wird.

Der Unterschied zwischen einer engagierten kritischen Berichterstattung und einer blinden Solidarisierung mit Protestbewegungen scheint nicht bekannt zu sein. In diesem Sinne war die Aktion „Menschenrechte statt Titten“ ein Erfolg, wie die Medienresonanz zeigte. Allerdings bleibt doch auch die Frage, ob es sich auch um eine PR-Aktion der in die Krise geratenen Partei handelte. Schließlich stand natürlich auch hier die PR-Aktion der Piratinnen im Vordergrund und die hungerstreikenden Flüchtlinge blieben oft nur Staffage.

Die Frage, wie der Kampf der Flüchtlinge angesichts der widrigen Bedingungen weitergehen soll, bleibt weiter offen. Wahrscheinlich wäre es dafür erforderlich, dass sich zivilgesellschaftliche Initiativen eigenständisch in die Auseinandersetzungen einschalten wie vor 21 Jahren. Als damals in der Folge der rassistischen Angriffe auf Unterkünfte für nichtdeutsche Vertragsarbeiter und Flüchtlinge in zahlreichen meist ostdeutschen Städten zahlreiche Flüchtlinge in Berlin Schutz suchten, besetzten sie gemeinsam mit antirassistischen und zivilgesellschaftlichen Gruppen einige Räume an der Mathematikfakultät der Technischen Universität Berlin, wo sie nicht den unmittelbaren Witterungsbedingungen ausgeliefert waren und neben der Unterkunft für einige Wochen auch einen politischen Gegenpool bilden konnten.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/153088
Peter Nowak

Wände streichen ist keine Lösung

Flüchtlinge aus ganz Deutschland trafen sich zum Aktionstag in Zella-Mehlis

 
»Wir sind Menschen und wir haben Rechte!« Darauf beharren Flüchtlinge auch im Thüringer Zella-Mehlis. Sie trafen sich am Ostersonntag zum Aktionstag.

 Musik und Trommeln waren am Sonntagnachmittag im Industriegebiet von Zella Mehlis zu hören. Vor dem Gebäude der Industriestraße 29 haben sich knapp 100 Menschen versammelt. Viele sind Flüchtlinge aus der gesamten Republik, die über  Ostern an einer antirassistischen Konferenz in Jena teilgenommen hat. Im Anschluss sind wir nach Zella Mehlis gefahren, um die Bewohner in diesem Lager zu unterstützen“, meint Salomon Wantchoucou, der sich seit Jahren im Rahmen des Netzwerks The Voice für die Rechte        von Flüchtlingen einsetzt. Ein besonderes Anliegen ist für ihm der Kampf gegen die Residenzpflicht, die Flüchtlingen verbietet, den ihnen zugewiesenen Landkreis ohne Erlaubnis der Ausländerbehörde zu verlassen. Für Wantchoucou ist das eine klare Verletzung des Grundrechts auf Bewegungsfreheit. Die Aktion am Sonntag sei auch ein Akt des zivilen Ungehorsams betont er. Schließlich hat sich ein Großteil der Teilnehmer über die Residenzpflichtregeleung  hinweggesetzt, um die Flüchtlinge in Zella Mehlis zu unterstützen.     Die hatten im März in einen Offenen Brief auf unhaltbare hygienische Zustände im Lager hingewiesen. So sei es an vielen Wänden zu Schimmelbefall gekommen. „Die Behörden sind nach unseren Protesten verwirrt, aber geändert hat sich bisher wenig“, meint Heimbewohner Miloud El Cherif aus Algerien. Allerdings wäre es auch keine Lösung für ihn, wenn die Wände des Heims bunt angestrichen würden,  betont er. „Das Problem ist die Enge, die isolierte Lage zwischen Fabrikgebäuden, Autobahn und Wald und die ständige Kontrolle“, meint El Cherif und zeigt auf den Eingang. Dort achtet Wachpersonal darauf, dass keine Unbefugte das Heim betreten. Einmal kommt es zu einem Wortgefecht zwischen Bewohnern und den Wachdienst. Nach wenigen Minuten ist der Konflikt entschärft. Es wird aber deutlich, wie gespannt die Situation in dem Heim ist. Lahal Sharif kommt aus dem Irak und lebt schon mehrere Jahre in dem Heim am Rande von Zella Mehlis. „Wichtige Jahre meines Lebens lebe ich wie im Gefängnis“, klagt er. Ihm seinen alle Möglichkeiten genommen worden. Bevor er nach Deutschland floh, war er erfolgreicher Boxer.           Heute hat er keine Perspektive und sein Aufenthaltsstatus ist noch immer ungeklärt. „Die Ungewissheit und die Lebensumstände macht vielen Menschen auch psychisch zu schaffen“, betont Selam Shenam. Die syrische Oppositionelle lebt ebenfalls in Zella Mehlis und beteiligt sich am Kampf für die Schließung des Heims. Einige Bewohne schauen aus dem Fenster und signalisieren durch Applaus Zustimmung, als die Kundgebungsteilnehmer die                Parole „Das Heim muss weg“ skandieren. Doch sie trauen sich nicht  an der Aktion  teilzunehmen. Dazu trägt auch die Präsenz der Sicherheitsleute und der Sozialarbeiter bei, die schließlich auch für die Bewilligung von Eingaben und die Verteilung von    Gutscheinen zuständig sind.  „Daher befürchten manche Heimbewohner Nachteile, wenn sie sich offen an den Protesten beteiligen“, befürchtet  Shenam.
Am Ostersonntag unterstützten  nur einige junge Menschen aus Suhl die Kundgebung. Doch es Kontakte in die Region, unter Anderem zu evangelischen Kirche und zur Linkspartei, betont El Cherif.      Die Kontakte werden weiter gepflegt und werden sicher auch noch gebraucht. Die Flüchtlingsaktivisten kündigten an, die Proteste vor dem Heim fortzusetzen, bis es geschlossen wird und die Bewohner in eigenen Wohnungen leben können.   Dass diese Forderungen keine Utopie bleiben müssen, zeigt sich in der Nachbargemeinde Suhl, die  knapp 200 Meter neben dem Heim beginnt. Während in Suhl Flüchtlinge in eigenen Wohnungen leben können, hält die Ausländerbehörde von Schmalkalden-Meiningen, der für  Zella Mehlis zuständig ist, weiter an dem Heim fest.      Viele Flüchtlinge sehen darin eine bewusste Politik. „Wir sollen an den Rand gedrängt und aus der Gesellschaft ausgegrenzt werden“, beklagt Wantchoucou. Doch ans Aufgeben denken weder er noch seine Mitstreiter. „Wir sind Menschen und wir haben Rechte“, rufen sie und sie wirken sehr entschlossen, diese auch zu erkämpfen.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/196167.waende-streichen-ist-keine-loesung.html

Peter Nowak

»Der Schimmel ist überall«

Flüchtlingsinitiativen organisieren Konferenz in Jena, um auf ihre Lebenssituation hinzuweisen

 Auf einer Konferenz wollen Flüchtlinge ihre Forderungen bündeln, um gegen ihre menschenunwürdige Unterbringung in deutschen Flüchtlingslagern zu kämpfen.

Unter dem Motto »Brecht die Isolation aus den Lagern heraus« organisieren Flüchtlingsinitiativen vom 22. bis 24. April eine Konferenz im Internationalen Zentrum in Jena. Zu den Organisatoren gehört das Flüchtlingsnetzwerk »The VOICE« und die »Flüchtlingsinitiative Möhlau Sachsen-Anhalt«. »In jedem Lager wehren sich Flüchtlinge gegen die Lebensbedingungen, mit denen sie konfrontiert sind. Um erfolgreich zu sein, muss eine politische Position definiert werden«, beschreibt ein Mitglied der Vorbereitung das Konferenzziel.

Ein zentrales Thema soll die Ausbeutung und Diskriminierung der Flüchtlinge durch staatliche Reglementierungen sein. Als Beispiel führt der Aktivist das Asylbewerberleistungsgesetz »sowie die daraus resultierenden alltäglichen Repressionen und Bedrohungen durch staatliche Behörden« an. Zur Konferenz werden Delegierte von Flüchtlingslagern aus ganz Deutschland erwartet. Für den 24. April ist eine Kundgebung vor dem Flüchtlingslager Zella-Mehlis geplant.

Damit sollen die rund 170 BewohnerInnen unterstützt werden, die in den letzten Monaten mehrmals öffentlich auf ihre Situation aufmerksam gemacht, die Auflösung des Lagers und den Umzug in eigene Wohnungen gefordert haben. In einem Brief der Heimbewohner vom März 2011 heißt es: »Wir leben in einem alten Lager mit veralteten Türen, kaputten Fenstern, Schimmel in den Zimmern, Duschen, Toiletten und Fluren – der Schimmel ist überall. Die Menschen werden krank und ihr Zustand verschlimmert sich, viele Familien und Babys leben unter so schrecklichen Umständen.« Im Rahmen eines bundesweiten Aktionstages für die Rechte von Flüchtlingen hatten die Bewohner von Zella-Mehlis am 22. März in Meiningen für die Schließung des Flüchtlingslagers demonstriert. Bisher halten die zuständigen Behörden im Landkreis Zella-Mehlis an dem Lager fest. Mit der Kundgebung, die am Ostersonntag um 10 Uhr vor dem Lager beginnt, sollen die Forderung der Flüchtlinge unterstützt und der Druck auf die Behörden verstärkt werden. www.thevoiceforum.org/node/2083

http://www.neues-deutschland.de/artikel/195880.der-schimmel-ist-ueberall.html

Peter Nowak