„Murks ist Teil der Logik der Produktion“

AUSSTELLUNG Stefan Schridde sammelt im Murks-Showroom für die Mülltonne gemachte Gegenstände

taz: Herr Schridde, in Ihrem Showroom versammeln Sie alte Schuhe, kaputte Waschmaschinen und gebrauchte Zahnbürsten. Warum soll man sich das ansehen?

Stefan Schridde: Wir wollen auf die sogenannte geplante Obsoleszenz aufmerksam machen. Das ist der Oberbegriff für Strategien und Methoden, die Lebensdauer eines Produkts zu verringern, um durch einen Neukauf den Profit zu steigern. Es geht uns um Ursachen und Methoden einer Produktion, die am Markt vorbeizielen.

Wie sehen solche Methoden aus?

Eine kleine Kohlebürste am Elektromotor von Staubsaugern sorgt etwa dafür, dass die Geräte kaputtgehen. Wir alle kennen auch das Problem von Schuhsohlen, die so schnell abgetreten sind, dass die Schuhe nicht mehr getragen werden können. Wir rufen dazu auf, solche abgetretenen Schuhsohlen im Murks-Showroom vorbeizubringen. Am Ende soll ein Kunstwerk der geplanten Obsoleszenz entstehen.

Die Ausstellung findet im Haus der IG Metall statt. Viele Unternehmen, die in der Gewerkschaft organisiert sind, dürften ebenfalls ihren Teil zur Wegwerfproduktion beitragen.

Wir haben mit der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen eine Partnerschaft geschlossen, um auch in den Betrieben über die geplante Obsoleszenz aufzuklären und Alternativen zu entwickeln. Denn der Murks, der produziert wird, ist nicht die Schuld der Beschäftigten, sondern Teil der herrschenden Produktionslogik.

Was hat Sie zu der Kampagne „Murks? Nein Danke!“ bewogen?

Es waren vor allem ethische Gründe. Ich bin Vater zweier Kinder. Bei meinen Besuchen in Afrika habe ich gesehen, wie Kinder auf Müllhalden herumklettern, die aus ausrangierten Waren aus Europa bestehen. Da wurde mir klar, dass wir den AfrikanerInnen nicht nur ihre Ressourcen entwenden, sondern bei ihnen auch unseren gesundheitsschädlichen Müll abladen.

INTERVIEW: PETER NOWAK

Der Showroom im Haus der IG Metall, Alte Jakobstr. 149, ist bis zum 25. April geöffnet. Mo.-Do. 9-18 Uhr, Fr. 9-14.30 Uhr. Eintritt frei. Immer mittwochs von 17 bis 19 Uhr gibt es vertiefende Fachvorträge

Stefan Schridde

Jahrgang 1961, ist Betriebswirt und Initiator der 2012 gegründeten Bürgerbewegung „Murks? Nein danke!“, die sich für Ressourceneffizienz einsetzt.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2014%2F04%2F02%2Fa0139&cHash=a5ce9f2c62b987b7612835512626fe41

Murks? Nein, danke!

Wer hat sich nicht schon geärgert, wenn ein Gerät kurz nach dem Ende der Garantie kaputt gegangen ist? In der Regel ist dann die Reparatur so teuer, dass eine Neuanschaffung fällig ist. Mittlerweile gibt es dafür sogar ein Fachwort: geplante Obsoleszenz. Das bedeutet, Produkte werden so konstruiert, dass sie nur eine bestimmte Zeit halten (bis kurz nach Ende der Garantie) und schwer zu reparieren sind. Dass der Begriff in der letzten Zeit durch die Medien ging, ist auch dem in Berlin-Weißensee lebenden Betriebswirt Stefan Schridde und seinem Blog www.murks-nein-danke.de zu verdanken. Damit hat er ein Thema, das immer wieder Grund für privaten Ärger bietet, zu einem öffentlichen Problem gemacht. Allerdings ist die Homepage bisher vor allem eine Art virtuelle Beschwerdestelle, auf der Kunden Produkte melden können, die vorzeitig kaputt gegangen sind.
Vermögenssteuer

Schridde hat in einem Interview gesagt, er wünsche sich, dass die Hersteller »mit ihren Kunden in ein kreatives Gespräch über die Verbesserung einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Produktentwicklung« kommen. Er spricht von einem »modernen Kundenbeschwerdemanagement«, das ihm vorschwebt. Immer wieder betont Schridde auch die ökologische Komponente seiner Kampagne. Im Zeitalter der Ressourcenverknappung wären langlebige Produkte eine sinnvolle Sache.

Da ist nur ein Problem: Es entspricht der kapitalistischen Logik, Produkte nicht allzu haltbar zu machen. Denn ohne Neuanschaffungen kein Wachstum, kein Profit. Dieser Aspekt kommt bei der »Murks? Nein, danke!«-Kampagne zu kurz. Trotzdem kann sie mit dazu beitragen, dass kritische Kunden nicht mehr nur über zu hohe Preise meckern, sondern sich auch für die Haltbarkeit und Qualität der Produkte interessieren. Demnächst soll eine Murks-Ausstellung eröffnen und im Netz kann man zwei Petitionen unterzeichnen, in denen verlangt wird, die Hersteller gesetzlich auf die Kennzeichnung lebensdauerverkürzender Eigenschaften und die Austauschbarkeit von Akkus zu verpflichten.

ttp://www.neues-deutschland.de/artikel/235955.murks-nein-danke.html
Peter Nowak