Null-Toleranz als Regierungsziel

Rechtsruck mit Seehofer und Spahn: Unter Druck geraten nicht nur Migranten, sondern auch Menschen mit abweichendem Verhalten und Einkommensarme

Der parlamentarische Rechtsruck, der sich bei den letzten Bundestagswahlen zeigte, wird nun auch in der Regierung deutlich. Es ist natürlich die gleiche Parteienkonstellation aus SPD und Union. Doch die Kräfteverhältnisse haben sich nach rechts verschoben.

Das wird deutlich mit dem Einzug des Orban-Spezis Seehofer ins nun um den schillernden Begriff Heimat aufgewertete Innenministerium. Auch auf anderer Ebene markiert Seehofer als Minister eigentlich eine politische Zäsur. Man sollte sich nur noch einmal erinnern, dass Seehofer vor knapp 2 Jahren Merkels Flüchtlingspolitik als Herrschaft des Unrechts bezeichnete.

Friendly Fire von rechts

Wortwörtlich sagte Seehofer der Passauer Neuen Presse: „Wir haben im Moment keinen Zustand von Recht und Ordnung. Es ist eine Herrschaft des Unrechts.“

Nun ist es sicher richtig, dass Politiker ihre Rolle als aggressive Opposition spielen und danach geht man gemeinsam ins Restaurant. Auch die Attacke von Seehofer auf Merkel soll nicht unter dem in der politischen Berichterstattung häufigen Modus untersucht werden, dass hier der damalige bayerische Ministerpräsident gegen die angeblich liberale Merkel kämpft. Es geht hier nicht in erster Linie um Befindlichkeiten von Personen.

Es gab durchaus eine faktische Arbeitsteilung in einer Partei, die das Interesse großer Teile der deutschen Industrie nach Arbeitskräften mit dem Abgrenzungsbedürfnis großer Teile ihrer Basis im Einklang bringen muss. Merkel steht für die Interessen der Industrie und setzte in ihrer Amtszeit auch zahlreiche Verschärfungen im Flüchtlingsrecht durch.

Seehofer machte sich zum Sprachrohr all derer in der Union, die vor einem Ausverkauf des konservativen Markenkerns der Partei warnten. Er stellte sich an die Spitze dieser rechten Opposition und machte vor den letzten Bundestagswahlen den Eindruck, als wolle er die Rolle des rechten Oppositionsführers übernehmen, obwohl er Teil der Regierung war.

Das Ziel, damit die AfD klein zu halten misslang. Seehofer hat nun seine Rolle als rechter Oppositionsführer an Gauland, Weidel und Co. abgeben müssen. Dadurch geriet er auch in der CSU unter Druck. Nun muss sich Seehofer als Innenminister ans Werk machen, die „Herrschaft des Rechts“ respektive das, was er dafür hält, wieder herzustellen. Seine Berufung als Innenminister ist ein klares Signal, auch an den rechten Flügel der Union und potentielle AfD-Wähler.

Erste Duftmarken setzte Seehofer bereits vor seinen offiziellen Amtsantritt. Mit seinem Grundsatz „Null-Toleranz“ und seiner Ankündigung für schnelle Asylverfahren und konsequente Abschiebungen will er nun die Pläne des rechten Flügels umsetzen.

Deutschland solle ein weltoffenes und liberales Land bleiben. „Aber wenn es um den Schutz der Bürger geht, brauchen wir einen starken Staat“, betonte Seehofer. Das würde sicherlich auch sein Freund Orban sagen. Denn Bürger sind in dieser Lesart die Menschen, die täglich ihrer Lohnarbeit nachgehen, Regierung und Staat nicht hinterfragen und höchstens auf die Straße gehen, wenn sie über die Menschen besorgt sind, die als Nichtbürger gelten.

Druck auf Hartz IV-Empfänger

Auch einkommensarme Menschen kommen nach einer solchen Lesart schnell unter Druck und werden beschuldigt, selbst an ihrer Situation Schuld zu sein. Schließlich müsse niemand hungern, schließlich leben wir im besten Sozialsystem der Welt. Diese Position bekräftigte Spahn auch nach der Kritik an ihm von verschiedenen Seiten.

Selbst bei der Union monieren manche, es sei unklug, wenn hochdotierte Politiker den Hartz IV-Empfängern sagen, was sie zu denken und zu fühlen haben. Dafür sind schließlich die Jobcenter und Arbeitsagenturen zuständig. Die sind durch das Hartz IV-Gesetz damit beauftragt, den Beziehern dieser Gelder vorzuschreiben, wie sie zu leben haben, wenn sie Leistungen beziehen.

Das geht bis zum Einsatz von Sozialdetektiven. In den letzten Jahren ist zu Hartz IV viel geschrieben und auch von Betroffenen geäußert worden. Sie betonten immer, dass es dabei nicht nur um die Verarmung geht, sondern dass auch die Demütigung und Gängelung durch die Ämter das große Problem sind.

Die meisten, die Spahn jetzt wegen seiner Äußerungen zu Hartz IV kritisieren, stellen das System Hartz IV keineswegs in Frage, sondern monieren nur, dass man es doch einfach durch die Ämter verwalten lassen und nicht selber eingreifen soll. Mittlerweile bekommt Spahn für seine Äußerungen auch Zustimmung, unter anderem vom CSU-Politiker Dobrindt.

Regierung der besorgten Bürger

Seehofer und Spahn werden sicherlich noch eine tragende Rolle in der neuen Regierung spielen. Sie stehen für einen Rechtsruck im Establishment. Das Wort Null-Toleranz bringt auf den Punkt, was der Kern dieser Politik ist. Unter Druck geraten nicht nur Migranten, sondern auch Menschen mit abweichendem Verhalten und einkommensarme Menschen.

So hofft die Regierung, die besorgten Bürger wieder auf ihre Seite zu ziehen. Von der SPD werden die neuen Konservativen kaum Gegenwind bekommen. Die Partei hat schließlich kaum Möglichkeiten, mit einen Austritt aus der Regierung zu drohen, wo sie doch gerade mit viel internen Streit die Entscheidung für die Fortsetzung der Koalition getroffen hat.

Schon mahnen SPD-Politiker mehr Realismus bei der Migrationsdebatte an. Schließlich weiß man, dass die SPD mit besonders flüchtlingsfreundlichen Positionen kaum neue Wähler gewinnt.

In einer weiteren Frage hat die SPD auch schon mal Konfliktstoff beseitigt. Sie wird keine Initiative für die Streichung des Paragrafen stellen, der Werbung für Abtreibungen unter Strafe stellt. In den letzten Monaten hatte ein großes Bündnis genau das gefordert.

Noch vor wenigen Stunden stand die SPD hinter dieser Initiative. Nun hat die SPD ihren Antrag zurückgezogen. So wird deutlich, wie schnell die Sozialdemokraten Positionen räumen, um an der Macht zu partizipieren.

Weitere Rückzüge werden folgen. Derweil machen die Kräfte rechts von der Union Druck und fordern, Seehofer solle nicht nur Ankündigungen machen, sondern diese auch umsetzen. Ob er damit nicht die AfD eher stärkt als überflüssig macht, werden die nächsten Landtagswahlen zeigen.
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Peter Nowak
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[1] https://www.tagesschau.de/inland/orban-csu-105.html
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[3] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-02/csu-horst-seehofer-bahnunglueck-fluechtlingspolitik
[4] http://www.pnp.de
[5] http://www.sueddeutsche.de/politik/innenpolitik-seehofer-kuendigt-null-toleranz-gegenueber-straftaetern-an-1.3900772
[6] http://www.jens-spahn.de/
[7] https://www.welt.de/politik/deutschland/article174410375/Erfolgreiche-Integration-Franziska-Giffey-SPD-offenbart-ihr-Rezept.html
[8] https://www.heise.de/tp/features/Gesicht-zeigen-fuer-das-Recht-auf-Abtreibung-3902895.html?seite=all
[9] http://www.fr.de/politik/groko-spd-will-werbeverbot-bei-abtreibung-streichen-a-1466373
[10] https://www.welt.de/politik/article174507544/Werbeverbot-fuer-Abtreibungen-GroKo-vertagt-Streit-um-Paragraf-219a-SPD-zieht-Antrag-zurueck.html