RÄUMUNG MieterInnen des alternativen Hausprojekts Scharni 29 streiten vor dem Landgericht gegen eine Unternehmensgruppe. Die hatte 2010 die Räumung veranlasst, aber Teile des Gebäudes stehen noch immer leer
Der Streit zwischen den MieterInnen der Scharnweberstraße 29 und der Unternehmensgruppe Padovicz beschäftigt erneut die Justiz. Am Dienstag tagte die Zivilkammer des Berliner Landgerichts über eine Räumungsklage gegen MieterInnen des Hauses aus dem Jahr 2007. Der Termin war nötig geworden, weil der Bundesgerichtshof ein Räumungsurteil des Berliner Landgerichts, das Padovicz Recht gegeben hatte, im November 2010 aufhob. Die Karlsruher Richter monierten, das Landgericht habe den Grundsatz auf rechtliches Gehör der MieterInnen verletzt, weil es deren Einlassungen im Räumungsurteil ignoriert habe. Auch in der Sache hatte der BGH den MieterInnen Recht gegeben. Es ging um die Fristen bei Mietzahlungen, die im Grundsatz bis zum dritten Arbeitstag eines Monats überwiesen sein müssen.
Wenn der aber auf einen Samstag fällt, gilt der folgende Montag als Stichtag. In dem strittigen Fall hatte die Richterin den vom Anwalt der MieterInnen, Burkhard Dräger, vorgetragenen Einwand ignoriert und der Räumungsklage zugestimmt, weil die Miete erst am Fünften des Monats überwiesen worden war.
Ein anderer Streitpunkt ist die Frage nach dem Stichtag für den Mietzins, wenn eine Wohnung erst am 27. eines Monats bezogen wird. „Das ist juristisches Neuland. Da gibt es auch wenig Anhaltspunkte in der Literatur“, sagte Dräger gegenüber der taz. Deshalb wird ein Urteil auch erst am 9. August verkündet. Eine gütliche Einigung kam beim Termin im Zivilgericht nicht zustande, weil die Rechtsanwältin des Eigentümers betonte, dass für ihren Mandanten ein Wiedereinzug der gekündigten MieterInnen nicht infrage komme.
Dabei steht der erste Stock des Hauses seit der mit einem großen Polizeiaufgebot durchgesetzten Räumung im Oktober 2010 (taz berichtete) leer. Da die MieterInnen nach der Aufhebung des Räumungsurteils durch den BGH mit ihren Versuchen scheiterten, mittels einer einstweiligen Verfügung die Wohnungen wieder zu beziehen, kann Padovicz die Wohnungen wieder vermieten.
Dass die Räume bislang nicht vermietet wurden, dürfte auch die Bezirkspolitik beschäftigen. Für die Sanierung der Scharnweberstraße 29 hatte Padovicz Fördermittel im Rahmen der Sozialen Stadterneuerung erhalten. Die Vereinbarungen sehen vor, dass das Belegungsrecht für die Wohnungen beim Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg liegt. Daneben gehören eine Mietobergrenze und die Vermietung von Wohnungen an BesitzerInnen von Wohnberechtigungsscheinen zu den Förderbedingungen. Ein Verstoß gegen diese mit der Investitionsbank Berlin (IBB) abgeschlossenen Vereinbarungen kann mit einer Rückzahlung der Fördermittel geahndet werden. Diese Sanktionsmöglichkeiten wurden in der Vergangenheit kaum genutzt. Das hat sich zuletzt geändert: Mittlerweile werden von Padovicz Fördermittel bei anderen sanierten Häusern zurückgefordert, weil dort die in deVereinbarungen festgelegten Mietgrenzen überschritten wurden.
Peter Nowak
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2011%2F07%2F20%2Fa0148&cHash=7b03fde421