Mafia – Gewinnerin in der Krise?

Wie eine Meldung des italienischen Handelsverbandes in der EU-Krise propagandistisch benutzt wird

„Die Mafia ist die solideste Bank Italiens“, titelte die Bild-Zeitung und stützte sich dabei, wie viele andere Medien auch, auf den Jahresbericht des italienischen Handelsverbands Confesercenti.

Demnach ist die Mafia in Italien – die „Mafia AG“ – „die einzige Struktur, die über liquide Mittel für Investitionen verfügt“, wie sich der Confesercenti-Chef Marco Venturi dazu äußert. Haupeinahmequellen sind ihm zufolge nicht etwa heikle Devisen- oder Börsengeschäfte, sondern illegale Müllentsorgung, illegaler Geldverleih, Schutzgelderpressung, Betrug und Schmuggel. Auch im Bausektor soll die Mafia im vergangenen Jahr erfolgreich im Geschäft gewesen sein. Der Confesercenti-Bericht spricht von zehn Milliarden Euro Umsatz mit behördlich nicht genehmigen Bauten. Auch der Lebensmittelsektor ist laut Bericht eine Wachstumsbranche der Mafia.

Wenn auch der Jahresbericht des italienischen Handelsverbandes die Grundlage für die Medienberichte war, so darf doch nicht übersehen werden, dass der Mafiabegriff ganz bestimmte negative Assoziationen hervorruft, die sich politisch instrumentalisieren lassen. So wird vor allem Süditalien und Sizilien mit der Mafia identifiziert. Der Begriff wirkt dann ebenso als Klischee wie das der „Pleitegriechen“. Es gibt Studien, die sich mit dem Zusammenhang von kapitalistischer Ethik und der Mafia befassen und die sich dabei gegen solche Klischees wenden. Doch auf den öffentlichen Diskurs haben sie nur einen begrenzten Einfluss.

Deutschland als Anführer der EU-Intoleranz

So ist die breite Rezeption, die der Jahresbericht des italienischen Handelsverbandes in deutschen Medien fand, nicht zufällig mit dem Deutschlandbesuch des italienischen Ministerpräsidenten verbunden. Mario Monti war mit der Forderung aufgetreten, auf Augenhöhe mit Merkel und Sarkozy zu verhandeln.

Mit einer Drohkulisse, die das Bild von Demonstrationen gegen die EU heraufbeschwört, und der Akzentuierung der Rolle Deutschlands in der Gemeinschaft, versuchte Monti, größere Mitspracherechte für Italien zu erreichen. Wenn er mit seiner Politik keinen Erfolg habe, würde es in Italien zu einer antieuropäischen Bewegung kommen, mahnte Monti. Der Protest würde sich dann auch gegen Deutschland richten, „das als Anführer der EU-Intoleranz gilt, und gegen die Europäische Zentralbank“, sagte er. In seinem Interview mit der „Welt“ verwies er zugleich auf eigene Erfolge bei der Modifikation des Rentensystems sowie bei anderen sozialen Sicherungssystemen – und darauf, dass es nur wenige Streiks gegeben habe.

Natürlich wurde Monti im Interview auch auf die Mafia angesprochen. Die sei aber, so betonte er, kein typisch italienisches Problem. Welches Druckmittel im EU-internen Streit mit dem Thema „Mafia“ aufgebaut werden kann, zeigt sich an der wachsenden Los-von Rom-Bewegung in Südtirol. In den konservativen Kreisen wird ein Anschluss an Österreich diskutiert, begründet wird das mit dem Unwillen, weiter die armen Regionen zu alimentieren. Natürlich darf auch das Mafia-Klischee dabei nicht fehlen.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/151207
Peter Nowak