Kein Tag für Deutschland

Linke mobilisieren gegen die Einheitsfeiern in Bremen

Was haben der Bundesvorsitzende der Jusos Sascha Vogt, die Europaabgeordnete der LINKEN Gaby Zimmer und der Intendant am Berliner Maxim-Gorki-Theater Armin Petras gemeinsamen? Alle drei haben in der taz vom vergangenen Sonnabend die Frage verneint, ob der zwanzigste Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung Grund zum Feiern sein soll. Sie stehen mit ihrer Meinung nicht allein. Unter dem Motto »Etwas Besseres als die Nation« ruft ein linkes Bündnis zu einer bundesweiten Demonstration auf, die am 3. Oktober um 16.30 Uhr am Bremer Hauptbahnhof beginnt.

Das Bundesland Bremen richtet in diesem Jahr die Einheitsfeierlichkeiten aus. Bundespräsident Wulff und Bundeskanzlerin Merkel werden dort Reden halten und zum Kulturprogramm gehören der Auftritt von Silly aus der DDR und Nena aus der BRD. »Superdeutschland begießt 20 Jahre Einheit, mit Angela, Christian und Nena. Es gibt zwar kein Freibier, aber wir kommen trotzdem«, kommentieren die Antinationalisten das Programm ironisch. Die Ausrichter des Einheitstages werden von Alex Schneider, einem Mitorganisator der Gegendemo, mit Spott bedacht: »Ursprünglich war geplant, eine Mauer aus weißen Laken zu errichten, die gemeinschaftlich bemalt und anschließend symbolisch eingerissen werden sollte. Doch noch nicht mal das haben die Bremer Feiertagsbürokraten hingekriegt.« In dieser Unbeholfenheit sieht er keinen Grund für eine Entwarnung. »Der nationale Burgfrieden braucht kein von oben verordnetes Kulturprogramm, er gründet im spontanen Alltagsnationalismus der Bürger«, warnt Schneider.
Kein Frieden mit »Schland«

Genau an diesem Punkt setzt die Kritik der Antinationalisten an. Auch der scheinbar heitere Partynationalismus der Fußballweltmeisterschaft, in dem Deutschland zu »Schland« zusammenschrumpfte, sei nicht so harmlos, wie es scheint, betont Schneider. Auf einer Veranstaltung des Berliner Bündnisses gegen die Wendefeierlichkeiten, das zur Bremer Demonstration mobilisiert, wurde auf verschiedene Facetten des von ihnen kritisierten Alltagsnationalismus eingegangen. Thematisiert wurde dabei auch der Flaggenstreit im Berliner Stadtteil Neukölln. Während der Fußball-WM waren dort häufig Läden und Wohnungen von Menschen mit migrantischem Hintergrund mit schwarz-rot-goldenem Stoff verziert, was bei linken Gruppen im Stadtteil auf Kritik stieß. Kritisch sehen die Veranstalter auch die um ihren Arbeitsplatz kämpfenden Opel-Arbeiter, die einem bestimmten Investor Lohnverzicht anboten und damit ein Beispiel für »betrieblichen Standortnationalismus« darstellten.

Eine zentrale Rolle bei den Protesten spielt das 2006 gegründete »Ums-Ganze!«-Bündnis, in dem sich Ablehnung von »Staat, Nation und Kapital« mit avantgardistischer Attitüde verbindet. Schon im letzten Jahr hat sich am 8. November das Bündnis kritisch mit den Wendefeierlichkeiten beschäftigt. Mehrere tausend Menschen beteiligten sich an einer Demonstration in Berlin unter dem Motto »Es gibt kein Ende der Geschichte«. Auch in Bremen rechnet Alex Schneider mit einigen tausend Teilnehmern. In zahlreichen Städten habe es gut besuchte Vorbereitungsveranstaltungen gegeben und ein Jugendbündnis ruft zu einem eigenen Block auf der Demonstration auf.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/180632.kein-tag-fuer-deutschland.html

Peter Nowak