Aktionen gegen Flüchtlingslager

PROTESTTAG Heute demonstrieren Aktivisten für eine bessere Behandlung von Flüchtlingen

Für den heutigen Dienstag rufen Initiativen zu einem bundesweiten Aktionstag für Flüchtlinge auf. In Berlin organisiert ein Bündnis, zu dem unter anderem die Initiative gegen das Chipkartensystem und Aktion Sühnezeichen gehören, um 17 Uhr eine Kundgebung auf dem Heinrichplatz in Kreuzberg. Zu den UnterstützerInnen gehört das Spandauer Bündnis gegen rechts sowie die Berliner Verbände von Piraten- und Linkspartei.

Ein Schwerpunkt ist an diesem Tag auch die Situation in Brandenburger Flüchtlingsheimen. Darüber soll mit einer Ausstellung informiert werden, die auf dem Kundgebungsplatz präsentiert wird. Zahlreiche Berliner AntirassistInnen wollen sich zudem mit HeimbewohnerInnen an Aktionen in Brandenburg beteiligen. So wird um 14 Uhr in Herzberg im Elbe-Elster-Kreis für die Schließung des nahe gelegenen Flüchtlingsheims Hohenleipisch demonstriert. Damit soll der Druck auf die rot-rote Brandenburger Regierung erhöht werden, das isoliert in einem Wald befindliche Lager aufzulösen. Interessierte aus Berlin treffen sich um 12 Uhr am Bahnhof Südkreuz zur Fahrt zur Demo.

Auch in Hennigsdorf wird es unter dem Motto „Menschenwürde für alle“ eine Demo gegen. Sie beginnt um 16 Uhr vor dem Flüchtlingsheim in der Ruppiner Chaussee. „Wir wollen den Menschen in Hennigsdorf bewusst machen, dass wir Teil dieser Stadt sind und unter welchen Bedingungen wir hier leben müssen“, benennt Heimbewohner Patricia Boku das Ziel der Aktion. „Als einer der letzten Landkreise in Brandenburg verweigert Oberhavel den Flüchtlingen die Bargeldauszahlung“, ergänzt Tobias Becker von der Hennigsdorfer Initiative United against Racism and Isolation. Es gehe bei den Protesten allerdings nicht um die Abschaffung einiger Missstände. „Wir fordern die Schließung aller Heime“, so ein Organisator.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bt&dig=2011%2F03%2F22%2Fa0144&cHash=f7bfb81eae

Peter Nowak

Langer Weg zur Gleichberechtigung

Flüchtlingsinitiativen gegen Sondergesetze
Im Kampf gegen die Residenzpflicht und das Asylbewerberleistungsgesetz können Aktivisten und Betroffene erste Erfolge verbuchen, müssen aber auch Rückschläge hinnehmen.
Heute wollen Antirassismusgruppen mit Aktionen in mehr als 25 Städten die Aufhebung diskriminierender Gesetze gegen Flüchtlinge einfordern. Im Mittelpunkt steht die Abschaffung des 1993 beschlossenen Asylbewerberleistungsgesetzes. Es ist nach Ansicht der Aktivisten verantwortlich für diskriminierende Lebensbedingungen, denen Flüchtlinge in Deutschland unterworfen sind. Denn in dem Gesetz ist festgelegt, dass sie 35 Prozent weniger bekommen als deutsche Hartz IV-Bezieher. Sie sind zudem auch der Willkür der Behörden ausgeliefert, die statt Bargeld Sachleistungen und Essenspakete verteilen, moniert das Bündnis »Diskriminierende Gesetze gegen Flüchtlinge abschaffen«, das den Aktionstag vorbereitet hat.

Doch das Gesetz könnte bald Makulatur sein. Dafür hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen gesorgt, als es das Asylbewerberleistungsgesetz für verfassungswidrig erklärte und dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Prüfung vorlegte. Die Richter beriefen sich zur Begründung auf das Urteil des (BVerfG) vom 9. Februar 2010 zu den Hartz-IV-Regelleistungen. Dort hatte es ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums formuliert. Das gilt auch für Asylsuchende, Geduldete und Menschen mit einem humanitären Aufenthaltsstatus. Deswegen gehen Rechtsexperten davon aus, dass das (BVerfG) eine Neufestlegung der Regelsätze bei Flüchtlingen anordnen wird.

Das wäre nicht der einzige Erfolg, den es in der jüngeren Vergangenheit im Kampf um mehr Rechte für Flüchtlinge gegeben hat. Auch die Residenzpflicht, die Flüchtlinge verpflichtet, sich in den vom Ausländeramt zugewiesenen Landkreisen aufzuhalten und bei jedem Verlassen eine Genehmigung zu beantragen, wurde in mehreren Bundesländern mit unterschiedlicher politischer Couleur gelockert. Am 15. März beschloss das von einer großen Koalition regierte Sachsen-Anhalt, dass sich Flüchtlinge künftig im gesamten Bundesland frei bewegen können. Der damals zuständige SPD-Innenminister Holger Hövelmann bezeichnete die Maßnahme als »eine Erleichterung für die Betroffenen, aber auch eine Verwaltungsvereinfachung und Entlastung für viele Behörden und die Polizei«. Allerdings endet die Bewegungsfreiheit an den Grenzen des Bundeslands und die Flüchtlinge müssen auch weiterhin in den ihnen von den Behörden zugewiesenen Orten wohnen.

Ein im Dezember 2010 vom Bundesland Bremen eingebrachter Antrag für eine bundesweite Abschaffung der Residenzpflicht hatte im Bundesrat keine Mehrheit gefunden. Im schwarz-gelb regierten Bayern wurde im März 2010 die Residenzpflicht für Flüchtlinge im Asylverfahren gelockert. Menschen mit Duldungsstatus sind davon ausgenommen. Eine ähnliche Regelung gilt auch in Hessen. Dort war im Januar ein Antrag der Grünen, den Flüchtlingen im gesamten Bundesland Bewegungsfreiheit zu gewähren, mit der Mehrheit von CDU und FDP abgelehnt worden.

In Berlin und Brandenburg können Asylbewerber und geduldete Flüchtlinge seit Juli 2010 Dauererlaubnisse für den Aufenthalt in einen der beiden Bundesländer bekommen. Die Flüchtlingsräte kritisieren allerdings, dass ein Teil der Betroffenen weiterhin von diesen Regelungen, die zudem an strenge Auflagen gebunden sind, ausgeschlossen bleibt. Eine zentrale Forderung ist die Schließung des Flüchtlingsheims Hohenleipisch im Landkreis Elbe-Elster. »Wir sind in heruntergekommenen Armeebaracken untergebracht, mitten im Wald, umgeben von Wildschweinen«, erklärten Bewohner einer Besuchergruppe. Am kommenden Dienstag ist abermals eine Besichtigung mit Journalisten geplant.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/193723.langer-weg-zur-gleichberechtigung.html

Peter Nowak