»Hetze gegen die Antifa«

Nach über drei Jahren endete der Rechtsstreit zwischen der FPÖ und dem Erfurter Videokollektiv ­»Filmpiratinnen und Filmpiraten« mit einem Vergleich. Die FPÖ muss dem Thüringer Verein etwa 6 100 Euro überweisen und sich schriftlich verpflichten, dessen Videomaterial künftig nicht mehr zu verwenden. Der Filmpirat Jan Smendek im Gespräch.

Was war der Hintergrund des Rechtsstreits mit der FPÖ?

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Filmpiraten ohne Kamera

Linkes Medienprojekt aus Erfurt sucht Ersatz für bei Blockupy zerstörte Kamera

Eine Dokumentarfilmgruppe aus Erfurt kann ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen: Ein Polizist hat auf der Blockupy-Demonstration am 1. Juni in Frankfurt das Kameramikro zerstört. Jetzt sammelt die Gruppe Spenden.

Ob Flüchtlingsproteste, Antifademonstrationen oder Solidaritätsaktionen mit dem Streik im Einzelhandel – wenn in Thüringen Menschen auf die Straße gehen, sind seit 2006 die Filmpiraten mit der Kamera dabei. 70 Videos hat das Erfurter Medienprojekt seitdem produziert.

Einige der Filmbeiträge sorgten für große politische Aufmerksamkeit. So ist in einem Kurzbeitrag aus dem Jahre 2006 dokumentiert, wie in Wismar ein Polizist die Pistole zieht, um mit Knüppeln und Holzlatten bewaffnete Neonazis zu stoppen, die eine Antifademonstration angreifen wollen.

Im Film »Topfgang« wird ein Rundgang über das Gelände der Krematoriumsfirma Topf und Söhne in Erfurt gezeigt, die auch die Vernichtungsöfen für Auschwitz baute. Erst nachdem linke Gruppen ein Haus auf dem Gelände besetzt hatten, wurde ein Gedenkort für die Opfer auf dem Gelände errichtet. Der jahrelange Kampf um den Erhalt des Hauses wie auch die Räumung im Jahr 2008 sind in mehreren Videos auf der Homepage der Filmpiraten zu finden.

Im Beitrag »Der Mythos von der unschuldigen Stadt« wird der Protest gegen den Neonaziaufmarsch am Jahrestag der Bombardierung Dresdens im Jahr 2006 gezeigt. Außerdem wird kritisch auf die offiziellen Gedenkrituale eingegangen und damit an die Vorgeschichte der Bombardierung erinnert.

»In den letzten Jahren sehen wir unsere Arbeit verstärkt unter journalistischen Aspekten und nicht nur als Dokumentation linker Aktionen«, meint Fipi, der das Medienprojekt mitbegründet hat und seinen richtigen Namen nicht preisgeben möchte. Obwohl es Pläne für weitere Filme gibt, ist die Arbeit stark eingeschränkt. Ein Polizist hat während der Blockupy-Aktionstage am 1. Juni in Frankfurt am Main die Kamera der Filmpiraten schwer beschädigt: Er brach das Mikrofon der Kamera ab.

»Unsere Anwältin fordert vom hessischen Innenministerium Schadenersatz. Doch das kann Jahre dauern.« Fipi weiß, wovon er spricht. Schließlich wurde schon 2006 bei einem Polizeieinsatz in Erfurt eine Kamera der Filmpiraten schwer beschädigt. Damals erstattete der Kameramann erfolglos Anzeige, und das Team blieb auf den Kosten sitzen. Daraus haben die Filmpiraten gelernt. Nach dem Zwischenfall im Juni gründeten sie einen Unterstützerverein und initiierten eine Spendenkampagne für den Kauf einer neuen Kamera. Bisher sind etwa zehn Prozent der anvisierten 5000 Euro auf dem Konto eingegangen.

Spendenkonto:

Filmpiratinnen e.V.
Kontonummer 60 27 81 94 00
BLZ 430 609 67
GLS Bank

www.neues-deutschland.de/artikel/829521.filmpiraten-ohne-kamera.html

Peter Nowak

Erfurt mit Naziproblem?

In der Landeshauptstadt Thüringens mehren sich die rechten Übergriffe

MICAHEL KLEINERT ist Mitglied des Bildungskollektivs Biko, das seit zehn Jahren in Erfurt Bildungsarbeit und Veranstaltung gegen Rechts organisiert. Über Naziübergriffe in Erfurt und polizeiliche Versäumnisse sprach mit ihm für »nd« PETER NOWAK.

nd: In den letzten Wochen gab es in Erfurt vermehrt rechte Übergriffe. Hat die Stadt ein Naziproblem?
Kleinert: In den 90er Jahren war die Stadt eine Nazihochburg. Zwei Menschen sind durch rechte Gewalt gestorben. In den letzten Jahren war es gelungen, zumindest in der Innenstadt von Erfurt die Rechten zurückzudrängen. In den letzten Monaten gab es aber eine besorgniserregende Entwicklung. Seit Frühjahr diesen Jahres hatten wir eine Reihe von Neonaziüberfällen mitten im Erfurter Zentrum, die von der Mitte der Gesellschaft ignoriert wurden.

Können Sie Beispiele nennen?
Während einer öffentlichen Übertragung der Fußball-EM skandierte eine Gruppe von Rechten abwechselnd Sieg und heil. Die Mehrheit der Fußballfans ignorierte das. Eine Gruppe von Antifaschisten, die daraufhin »Nazis raus« rief, wurde physisch angegriffen und auch das führte nicht dazu, dass die Fußballfans eingegriffen hätten.

Ist das eine Ausnahme?
Durchaus nicht. Wer gegen Nazis aktiv wird, wird misstrauisch beäugt. Davon betroffen sind Punks, alternative Jugendliche, aber auch Studierende. So sind uns auf und um den Campus der Erfurter Universität in den letzten Monaten mehrere Übergriffe auf Studierende bekannt geworden.

Wie reagiert die Polizei auf die rechten Übergriffe?

Wir haben Fälle protokolliert, bei denen die Polizei Opfern rechter Gewalt von einer Anzeige abgeraten hat. In einem Fall wurde ein Betroffener, der aussagte, von einem Neonazi angegriffen worden zu sein, von einen Polizisten zurecht gewiesen. Er sollte nicht Neonazi sagen, dass würde provozieren.

War das Bildungskollektiv Biko, in dem Sie Mitglied sind, auch von rechter Gewalt betroffen?

Besucher unserer Jubiläumsfeier im Juni zum zehnjährigen Bestehen von Biko wurden auf dem Heimweg von 20 Neonazis angegriffen. Mehrere Menschen wurden durch Faustschläge und Flaschenwürfe verletzt. Im Anschluss geriet ein Mitarbeiter des Biko ins Visier der Polizei, nachdem er von den Rechten beschuldigt wurde, sie angegriffen zu haben.

Ihr kritisiert auch die Reaktion der Polizei auf den Angriff auf eine Veranstaltung im Erfurter Kunsthaus im Zentrum Erfurt.
Am 13. Juli wurden mehrere Besucher des Kunsthauses durch Neonazis teilweise schwer verletzt. Die Polizei negierte zunächst den Neonazihintergrund und sprach in einer Pressemeldung von einer Auseinandersetzung zwischen zwei Gruppen. Nachdem der Überfall bundesweit Schlagzeilen machte, räumte ein Pressesprecher der Polizei den rechten Hintergrund ein, erklärte aber, es werde zu oft die Antifakarte gezogen, wenn Alkohol im Spiel war.

Gibt es auch Strategien gegen die Rechten in der Innenstadt?
Im Rahmen des lokalen Aktionsplans wurden Anwohner der Erfurter Kneipenmeile zu einem Gespräch eingeladen. Dort gibt es Lokalitäten, in denen die Rechten regelmäßig verkehren. Ein Kneipenbesitzer hat mittlerweile Hausverbote für erkennbare Neonazis verhängt. Wir hoffen, dass dieses Beispiel Nachahmer findet

http://www.neues-deutschland.de/artikel/237415.erfurt-mit-naziproblem.html

Interview: Peter Nowak

Satirisch gegen Sarrazin in Erfurt

»Zwangssterilisation für Erwerbslose und MigrantInnen« forderten am 5. April Demonstranten vor dem Erfurter Jobcenter. Nach wenigen Minuten formieren sich Gegner dieser Forderung. Nach einiger Verwirrung wurde den Passanten klar, dass sich die Aktion gegen den Auftritt des ehemaligen Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin in Erfurt richtet. Sarrazin will am 9. Mai in der Alten Oper aus seinem Buch »Deutschland schafft sich ab« lesen. Doch gegen den Auftritt wächst der Protest in der Thüringer Landeshauptstadt. Mehr als 200 Einzelpersonen und Organisationen fordern die Absage der Lesung. »Die weite Verbreitung rassistischer, biologistischer und sozialchauvinistischer Einstellungen in der Gesellschaft zeigen, wie wichtig es ist, entschieden gegen all deren Erscheinungsformen vorzugehen«, heißt es in der Begründung. Sarrazin trage »entschieden zur Stärkung und Verbreitung rechter und rassistischer Thesen in der Mitte der Gesellschaft« bei.
Sollte die Lesung stattfinden, will das Bündnis zu einer Protestkundgebung vor der Alten Oper aufrufen. Mit dabei sein wird auch die in Erfurt neu gegründete »Sarrazinjugend«, die mit der Aktion vor dem Jobcenter erstmals an die Öffentlichkeit getreten ist. Schon im vergangenen Herbst hatte im Berliner Stadtteil Neukölln eine Sarrazinjugend für Aufmerksamkeit gesorgt.
https://sarrazinabsagen. wordpress.com/
http://www.neues-deutschland.de/artikel/223735.bewegungsmelder.html
Peter Nowak