Retro bei der Mitbestimmung

Beim Betriebsrat hört für einen Online-Händler der Spaß auf

Computerspiele boomen und das Berliner Unternehmen Konsolenkost gehört zu den Firmen, die alles liefern können, was das Gamerherz begehrt. Spezialisiert hat sich der Online-Händler auf den Verkauf von Retrokonsolen. In der Vergangenheit scheint die Geschäftsführung aber auch in der Frage der gewerkschaftlichen Mitbestimmung zu leben. Im Herbst letzten Jahres ergriffen Mitarbeiter der Firma die Initiative und wollten einen Betriebsrat gründen. Am 21. Oktober 2015 fand die Betriebsratsversammlung in Anwesenheit des zuständigen verdi-Sekretärs Sebastian Triebel statt. Doch ein Betriebsrat wurde bis heute nicht gewählt. Sechs der sieben Mitglieder des Wahlvorstandes sind heute nicht mehr im Betrieb. Ihnen wurde aus unterschiedlichen Gründen gekündigt. Einige haben mittlerweile Abfindungen bekommen, bei anderen sind die gerichtlichen Verfahren noch nicht abgeschlossen.

Patrick Neuhaus war einer der Initiatoren des Betriebsrates. Insgesamt zweieinhalb Jahre arbeitete er bei Konsolenkost. Dass die Initiative für mehr Mitbestimmung bei der Geschäftsführung auf so viel Widerstand stieß, kann Neuhaus bis heute nicht verstehen. Man dürfe den Wunsch nach einem Betriebsrat nicht mit einem Misstrauensvotum verwechseln. »Wir wollten schlicht und einfach dazu beitragen, dass die Belegschaft in Fragen der Arbeitsorganisation, der Arbeitszeit und des Arbeitsschutzes mitbestimmen kann, wie es der Gesetzgeber vorsieht«, betont Neuhaus das Anliegen. »Ein Betriebsrat ist gelebte Demokratie.«

Doch nach Angaben der Mitarbeiter hat die Mitbestimmungsinitiative das Klima im Betrieb extrem verschlechtert. Die Arbeitszeit, der in dem Betrieb beschäftigten Werkstudenten sei gedrosselt worden, mündliche Absprachen über die Arbeitszeiten seien widerrufen, berichten ehemalige Mitarbeiter, die nicht namentlich genannt werden wollen. Eine Woche nach der Betriebsversammlung seien die Arbeitsrechner von zwei Mitgliedern des Wahlvorstands im laufenden Betrieb abgebaut und entfernt worden. Vor der Einsetzung des Wahlvorstands habe ein lockerer Umgangston in dem Unternehmen geherrscht. Privatgespräche seien kein Problem gewesen. Doch nach der Betriebsversammlung habe sich das geändert. Zunächst seien die Mitarbeiter von der Geschäftsführung aufgefordert worden, die Privatgespräche zu minimieren. Mittlerweile seien sie während der Arbeitszeit untersagt. Es habe gegen Mitarbeiter Abmahnungen gegeben, weil sie gegen die Anweisung verstoßen haben sollen.

Der zuständige verdi-Sekretär Triebel bestätigte gegenüber »nd« die vergeblichen Versuche bei Konsolenkost im Herbst 2015 einen Betriebsrat zu installieren. Wegen noch laufender Verfahren wollte er sich zu den Vorwürfen gegen das Unternehmen nicht im Detail äußern. Die Geschäftsführung von Konsolenkost reagierte nicht auf eine Anfrage.

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Peter Nowak