»Wir sind bewegungsorientiert«

Almut Woller vom Studierendenverband Die Linke.SDS über die Herbsttagung der Organisation
Am Sonntag ging die 4. Herbstakademie des Studierendenverbandes Die Linke.SDS zu Ende. ND-Autor PETER NOWAK sprach mit Verbands-Geschäftsführerin ALMUT WOLLER über die Ziele des Treffens, kommende Proteste und das Verhältnis zur LINKEN.
ND: Was hat es auf sich mit der SDS-Herbstakademie?
Woller: Die Herbstakademie gehört zu den wichtigsten bundesweiten Terminen für die Reflexion unserer Praxis und die Weiterentwicklung unserer Theorie als sozialistischer Verband. So haben wir uns in Lektüreworkshops mit den Schriften von Marx und Gramsci befasst. Zudem beschäftigten wir uns mit Texten zur linken Organisationsdebatte und diskutieren, wie wir sie auf die Situation an den Hochschulen anwenden können.

Wurde auf der Herbstakademie auch über die Grenzen von Protestbewegungen gesprochen?
Die Auswertung der Bildungsproteste spielt bei uns tatsächlich eine große Rolle. Wir haben festgestellt, dass viele Kommilitonen nach den intensiven Streiks in drei Semestern nicht mehr weiter machen können, weil sie sich wieder um ihr Studium kümmern müssen. Die Studierenden wissen aber auch, dass sich bisher an den Hochschulen nichts zum Besseren verändert hat, sondern dass Schwarz-Gelb die Angriffe auf die Bildung auf Landesebene fortsetzt.

Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus für kommende Proteste?
Wir wollen die Bildungsstreiks in den größeren gesellschaftlichen Zusammenhang der Krisenproteste stellen. Damit wollen wir verhindern, dass Studierende gegen andere von der Sparpolitik betroffene Gruppen ausgespielt werden, da die Bildung von den Kürzungsorgien auf Bundesebene zunächst ausgenommen wurde – übrigens auch ein Erfolg des Bildungsstreiks, der die Regierung massiv unter Druck gesetzt hat. Zudem wollen wir damit Studierende, die sich durch die Bildungsproteste politisiert haben, ermutigen, die gesamtgesellschaftlichen Hintergründe zu hinterfragen. Sarrazins rassistische Äußerungen sind nicht zufällig, sondern stehen im Kontext der Wirtschaftskrise, in der die herrschenden Eliten nun durch Sündenbockpolitik von sozialer Ungerechtigkeit ablenken wollen.

Ein Workshop beschäftigt sich unter dem Titel »SDS-Kontrovers« mit der Demokratie im Verband. Kündigen sich da interne Konflikte an?
Nein, es gibt keinen konkreten Anlass. Wir wollen als noch recht junger Verband unsere Praxis ständig reflektieren und auch unsere Verbandsstrukturen kritisch hinterfragen. Dazu gehört auch die gezielte Förderung von Frauen im Verband.

Welche politischen Schwerpunkte haben Sie neben der Hochschulpolitik?
Wir haben als sozialistischer Verband den Anspruch, Politik an die Hochschulen zu tragen. Wir sind bewegungsorientiert. Deshalb haben wir uns im Februar 2010 an den erfolgreichen Blockaden gegen den Naziaufmarsch in Dresden beteiligt. In den nächsten Wochen steht für uns die Beteiligung an den Aktionen des zivilen Ungehorsams gegen den Castor-Transport ins Wendland und den Krisenprotesten auf der Agenda. Konkret geht es dabei um die von einem großen Bündnis geplanten Bankenblockaden am 18.Oktober und die geplante Umzingelung des Bundestages bei der Verabschiedung des Sparprogramms in Berlin Ende November.

Auf den Workshops wurde auch über die Entwicklung der LINKEN diskutiert. Wie positioniert sich der Verband in der Programm-Debatte?
Wir stehen in einem kritisch-solidarischen Verhältnis zur Partei und sind daran interessiert, dass das klare antikapitalistische Profil erhalten bleibt. Daneben ist uns strikte Ablehnung jeglicher Beteiligung an Militäreinsätzen sehr wichtig. Bei dem bildungspolitischen Teil sehen wir enormen Veränderungsbedarf und das Ziel der Demokratisierung der Gesellschaft bleibt zu vage. Dennoch sind wir insgesamt sehr zufrieden mit dem Entwurf.

Wie stehen Sie eigentlich zur Bildungspolitik von Landesregierungen, an denen die LINKE beteiligt ist?
Wir stehen der Regierungsbeteiligung der LINKEN in Berlin und Brandenburg äußerst kritisch gegenüber. Uns ist wichtig, dass die Partei sich vor allem als Partner für außerparlamentarische Bewegungen versteht. Wir führen allerdings im Verband keine Strömungsdebatten wie in der LINKEN. Die Linke.SDS versteht sich als pluralistischer Verband und ist auch für Menschen offen, die reformistischere Positionen haben.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/180466.wir-sind-bewegungsorientiert.html

Interview: Peter Nowak