Der Film »Das Märchen der Deutschen« ist nicht im TV zu sehen

Ein neuer Film deckt die Mythen von der segensreichen Wirkung der Privatisierung des Sozialsystems auf.

Wie unter dem Dogma der Privatisierung der Sozialstaat demontiert wird, zeichnet der Regisseur Rolf T. Niemeyer in seinem 70-minütigen Film »Das Märchen der Deutschen« faktenreich nach. Hier werden Themen angesprochen, über die in der Republik selbst im Vorwahlkampf kaum gestritten wird. Weil Grüne und SPD wesentliche Weichenstellungen für die Deregulierung und Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen mit betrieben haben, haben auch sie wenig Interesse daran. Die Rolle des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück als Minister der großen Koalition kommt im Film ebenso zur Sprache wie der Umbau des Sozialstaats unter Rot-Grün.

In den Gesprächen, die Niemeyer mit der kürzlich geschassten Hamburger Jobcenter-Mitarbeiterin Inge Hannemann sowie mit Erwerbslosen geführt hat, wird eine soziale Realität deutlich, die im Märchen vom boomenden Wirtschaftswunderland Deutschland ausgespart wird. Die Interviews, die der Filmemacher mit dem Mitbegründer des globalisierungskritischen Internetportals »Nachdenkseiten«, Albrecht Müller und mit Ex-Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) geführt hat, gehören zu den Höhepunkten des Films. Beide äußern sich zur Zerschlagung eines weitgehend solidarischen Rentensystems zugunsten der privaten Versicherung. Müller geht auf die publizistische Vorarbeit nicht nur von Medien des Springer-Konzerns ein, in der das bisherige Rentensystem als überholt und unbezahlbar diskreditiert wurde. So konnte ohne große Opposition eine Politik umgesetzt werden, die Blüm als Anschlag auf die Rentenversicherung bezeichnet. Er legt dar, wie die einst als Zusatz beworbene private Altersvorsorge zur zentralen Säule des neuen Systems wurde. Die Folgen werden im Film nicht ausgespart. Während die privaten Rentenversicherer und ihre Förderer wie Ex-Minister Walter Riester von der Entwicklung profitieren, sind viele ältere Menschen von wachsender Altersarmut und der Heraufsetzung des Rentenalters betroffen. Blüm spricht den simplen Zusammenhang an, dass die Gelder, die in private Versicherungen fließen, einem solidarischen System verloren gehen.

Die wirtschaftsliberalen Mythen, die in den großen Parteien und großen Teilen der Bevölkerung weiterhin hegemonial sind, werden von kundigen Interviewpartnern demontiert. Ob der Film deshalb keine Nische im öffentlich-rechtlichen Fernsehen findet?

Kostenloser Download im Internet unter: »vimeo.com/ 69953698«. Eine DVD ist auf Spendenbasis (mindestens 3 Euro) erhältlich: per Mail unter oder postalisch unter Ralph Niemeyer, Kurze Straße 14, 26382 Wilhelmshaven.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/828454.umbau-des-sozialstaats.html

Peter Nowak

Flüchtlinge als Kofferträger

Für 1,05 Euro beschäftigte Schwäbisch Gmünd Asylsuchende

Der Bahnhof in Schwäbisch Gmünd wird umgebaut, und die Wege für Reisende sind beschwerlich. Um sie zu entlasten hat die Stadt Asylsuchende zum Niedriglohn als Gepäckträger eingesetzt. Nach bundesweiter Kritik wurde das Projekt jedoch am Mittwoch wieder eingestellt.

Für den Oberbürgermeister von Schwäbisch Gmünd Richard Arnold (CDU) sollte es ein Projekt mit bundesweiter Ausstrahlung sein. Stattdessen hagelte es dermaßen Kritik, dass es am Mittwoch wieder eingestellt wurde. Am 4. Juli stellte Arnold gemeinsam mit Stadtrat Klaus Pavel eine Gruppe von Flüchtlingen vor, die am Bahnhof der baden-württembergischen Stadt Koffer und anderes Gepäck von Touristen transportieren sollten. Weil der Bahnhof gerade umgebaut und restauriert wird, müssen Reisende oft lange Wege zu ihren Bussen und Taxen zurücklegen. Vom Bahnsteig muss man außerdem über eine steile Treppe steigen, was insbesondere mit Gepäck mühsam ist. Die Kofferträger bekommen von der Stadt einen Stundenlohn von 1,05 Euro – was diese damit begründet, dass ein höherer Lohn laut Asylbewerberleistungsgesetz nicht erlaubt sei. Zudem erhalten sie ein Ticket zum Bahnhof und ein rotes T-Shirt, auf dem groß das Wort »Service« gedruckt ist. Als Schutz gegen die Sonne werden auch Hüte zur Verfügung gestellt.

»Wir brauchen solche Projekte. Es ist toll, dass Flüchtlinge eingebunden sind. So kann sich gegenseitig geholfen werden und es können Sympathien entstehen,« erklärte Arnold dem Lokalblatt »Gmünder Tagespost«. Das Projekt könne als Vorbild dienen für andere Städte, waren sich Oberbürgermeister und Stadtrat sicher. »Wir haben in Gmünd viele Flüchtlinge, und es werden stetig mehr. Da setzen sich die Bürger natürlich mit dem Thema auseinander. Es ist toll, wenn das durch eine witzige und tolle Aktion geschieht, die beiden Seiten was bringt«, übte sich Arnold im Selbstlob. Das Projekt geht über das Koffertragen hinaus: andere Flüchtlinge helfen im Blindenheim oder bei der Lebenshilfe aus.

Die Kritik vor Ort war lediglich verhalten. Die Schwäbisch Gmünder Linke monierte vor allem die geringe Entlohnung der Kofferträger. »Man wird das Gefühl nicht los, dass die Stadtverwaltung die prekäre Situation dieser Menschen ausnutzt«, so die Sprecherin der Linken Cynthia Schneider. »Es kann nicht sein, dass die Situation der Menschen dafür genutzt wird, Engpässe bei der Stadtverwaltung mit Ein-Euro-Jobs aufzustocken und dann noch von Integration zu sprechen«, moniert der Schwäbisch Gmünder Bundestagskandidat der Linken Jörg Drechsel. In einer Resolution an den Oberbürgermeister wurde ein Mindestlohn für die Kofferträger gefordert. »Das, was zurecht für hier dauerhaft lebende Menschen gefordert wird, muss ja wohl für alle Menschen gelten, sonst entsteht der Eindruck, dass dies Menschen zweiter Klasse sind. Das kann ja wohl niemand wollen«, so das Vorstandsmitglied der Linken in Schwäbisch Gmünd Kai Jünger.

Eine grundsätzlichere Kritik an dem Kofferträger-Projekt kommt vom Berliner Bündnis »Rechtspopulismus stoppen«. Vom »Sklavenmarkt in Schwäbisch Gmünd« spricht Sprecher Dirk Stegemann. Die Flüchtlinge würden als billige Kofferträger für die »weißen« Herren genutzt. Die »Billigarbeiter« seien weiter ohne Rechtsanspruch und Arbeitserlaubnis. Von einer »Freiwilligkeit« auszugehen, sei mit Blick auf ihre prekäre rechtliche, finanzielle und unmenschliche Lebenssituation zynisch und menschenverachtend.

Die Idee von Ein-Euro-Kofferträgern ist nicht ganz neu: Schon 2008 sorgte der Einsatz von Erwerbslosen für bundesweites Aufsehen und Kritik, die für nur einen Euro Stundenlohn am Bahnhof im nordrhein-westfälischen Soest Gepäck schleppen sollten. Auch dieses Projekt wurde bald abgebrochen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/828336.fluechtlinge-als-koffertraeger.html

Peter Nowak

Die Wohnung wird zum „teuren Kulturgut“

Links

[1]

http://www.bertelsmann-stiftung.de

[2]

http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xbcr/SID-8696679E-344F9B0F/bst/xcms_bst_dms_38453_38454_2.pdf

[3]

http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xchg/SID-8696679E-344F9B0F/bst/hs.xsl/nachrichten_117419.htm

[4]

http://mietenstopp.blogsport.de/2013/03/09/sa-16-3-loehne-rauf-mieten-runter

[5]

http://zwangsraeumungverhindern.blogsport.de/

[6]

http://mietenwahnsinn.rechtaufstadt.net/

[7]

http://zrvnrw.wordpress.com/

http://www.heise.de/tp/blogs/8/print/154680

Peter Nowak

Das Märchen von der segensreichen Wirkung der Privatisierung

Links

[1]

http://norbertwiersbin.de/on-tour-das-marchen-der-deutschen-ralph-t-niemeyer/

[2]

http://www.heise.de/tp/blogs/8/154446

[3]

http://www.ingehannemann.de/

[4]

http://www.nachdenkseiten.de/

[5]

http://www.nachdenkseiten.de/?author=2

[6]

http://www.nachdenkseiten.de/?p=3232

[7]

http://www.stephan-lessenich.de/

[8]

http://www.monde-diplomatique.de/pm/2013/06/14.mondeText.artikel,a0006.idx,1

Peter Nowak

http://www.heise.de/tp/blogs/6/print/154647

Kein Sozialpartner im Familienbetrieb

Der Streik bei Neupack bereitete der Gewerkschaft Probleme.

Der Streik beim Verpackungshersteller Neupack war einer der längsten Arbeitskämpfe der jüngeren Vergangenheit, nach acht Monaten ging er Ende Juni zu Ende. Die Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE) sprach von einem großen Sieg und titelte im Streikinfo: »Dieser Kampf hat sich gelohnt. Eine neue Zeit beginnt.« Eva Völpel kommt in ihrem Kommentar in der Taz hingegen zu einem völlig anderen Urteil: »Ein kleines Familienunternehmen, angeführt von einem ausgewiesenen Gewerkschaftshasser, zwang fast die große IG BCE komplett in die Knie.«

Die Eigentümer des Familienunternehmens Neupack Verpackungen GmbH & Co. gehören zu der größer werdenden Zahl von Firmenbesitzern, die Gewerkschaften und Tarife für überflüssig halten. Damit haben sie die IG BCE vor große Probleme gestellt. Diese ist eigentlich darauf eingestellt, auf offene Ohren zu stoßen, wenn sie Unternehmen vorrechnet, wie positiv sich doch ein Tarifvertrag auf die Situation im Betrieb und die Arbeitsergebnisse auswirke. Hinzu kam, dass die Belegschaft von Neupack nicht mit kämpferischer Rhetorik zufriedenzustellen war.

Seit 2003 hatten sich die Beschäftigten in der IG BCE organisiert, um einen Tarifvertrag mit gleichem Lohn für gleiche Arbeit durchzusetzen. Davon konnte bisher bei Neupack keine Rede sein. »Einige Kollegen erhalten für die gleiche Arbeit bis zu 50 Prozent weniger als andere. Sonderzahlungen werden unterschiedlich und teilweise willkürlich gehandhabt«, beschrieben Beschäftigte ihre Arbeitssituation. Am 1. November 2012 traten sie in den beiden Betrieben von Neupack in Hamburg und Rotenburg in einen unbefristeten Streik. Die Unternehmensführung von Neupack ignorierte alle Verhandlungsangebote der Gewerkschaft. Stattdessen versuchte sie im Januar, ein gerichtliches Streikverbot zu erwirken, was aber abgewiesen wurde.

Mit seiner Verweigerungsstrategie blieb das Unternehmen trotzdem nicht erfolglos. Am 23. Januar setzte die IG BCE den unbefristeten Streik mit der Begründung aus, sie wolle damit zur Deeskalation beitragen und die Verhandlungen erleichtern.

Stattdessen wurden punktuelle »Flexi-Streiks« abgehalten. Zu diesem Zeitpunkt habe ein Teil der kampfbereiten Belegschaft den Streik beendet, weil sie sich von der IG BCE über den Tisch gezogen fühlte und nicht mehr an den Erfolg des Ausstands geglaubt habe, beschrieb Dieter Wegner vom Neupack-Solikreis die Situation in den beiden Betrieben Ende Januar. In mehreren Städten hatten sich solche Solidaritätsgruppen gegründet, die die Forderungen der Streikenden unterstützten und vom Vorsitzenden der IG BCE, Michael Vassiliadis, als »linksradikale Störenfriede« bezeichnet wurden, die aus einem Arbeitskampf einen Klassenkampf machen wollten. Dabei war sich in der Ablehnung der »Flexi-Verarschung« ein Großteil der Belegschaft mit den Unterstützern einig. Auch nach dem offiziellen Ende des Streiks dürfte die Kritik an der Gewerkschaft nicht abreißen. Eine Urabstimmung der Belegschaft war nicht erforderlich, weil statt des geforderten kollektiven Tarifvertrags nur individuelle Arbeitsverträge abgeschlossen wurden. Während die IG BCE Lohnerhöhungen, Arbeitszeitverkürzung und verbindlichere Tätigkeitsbeschreibungen als Gewinn für die Belegschaft hervorhebt, moniert diese, dass die Weiterbeschäftigung des entlassenen Betriebsratsvorsitzenden von Neupack, Murat Günes, nicht garantiert sei. Darüber sollen nun die Gerichte entscheiden.

Günes wird beschuldigt, während des Streiks vor dem Betriebstor in eine Rangelei mit Streikbrechern und der Geschäftsführung involviert gewesen zu sein. Seine Verurteilung und Entlassung wären eine Abschreckung, auch über Neupack hinaus. Dass die Gewerkschaft die Forderung nach Einstellung aller Verfahren im Zusammenhang mit dem Arbeitskampf nicht zur entscheidenden Bedingung machte, kann entweder mit mangelndem politischen Willen oder ihrer schwachen Position erklärt werden. Beides ist keine Auszeichnung für eine Gewerkschaft.

http://jungle-world.com/artikel/2013/28/48054.html

Peter Nowak

Politik und Protest in der Krise

„Denn sie wissen nicht: Was tun?“: Die außerparlamentarische Linke machte sich in Berlin Gedanken über autoritäre Krisenlösungen und die Begrenztheit linker Gegenentwürfe

Die Blockupy-Aktionstage Anfang Juni sorgen vor allem wegen des stundenlangen Polizeikessels weiter für Schlagzeilen. Doch wie steht es mit dem Anliegen der Menschen, die am 1.Juni auf die Straße gegangen sind? Muss man wieder ein Jahr, vielleicht gar die Einweihung des Neubaus der Europäischen Zentralbank in Frankfurt/Main, abwarten, bis man hierzulande wieder über Krisenproteste in Deutschland liest?

Auf einem dreitätigen Kongress konnte man Antworten auf die Frage bekommen, was die Aktivisten zwischen den Groß-Events umtreibt. Organisiert wurde er vom 2006 gegründeten Ums-Ganze-Bündnis, in dem sich elf Gruppen aus Deutschland und Österreich der außerparlamentarischen Linken zusammengeschlossen haben. Das Bündnis war in der Blockupy-Vorbereitung aktiv und hat in einem Auswertungspapier die Verbreiterung der Bewegung in die Alltagskämpfe hinein als schweres, aber nicht unmögliches Ziel benannt.

In vier Podiumsdiskussionen und über 20 Workshops wurde über die „autoritäre Wende des Neoliberalismus“, die Krise im Reproduktionsbereich, über Rechtspopulismus, Gesundheit und Krise debattiert. Sowohl im Titel „Politik in der Krise“ als auch im Untertitel „Denn sie wissen nicht: Was tun?“ drückten sich eine „produktive Ratlosigkeit“ aus, wie es ein Kongressteilnehmer formulierte. In der Krise sind auch viele althergebrachte Protestformen. Dabei wird nicht in Abrede gestellt, dass immer wieder Massen auf die Straße gehen und Aktionen oft auch in kurzer Zeit organisieren. Doch genau so schnell verschwinden die Bewegungen oft wieder. Wie die Akteure Lernprozesse und Erfahrungen, die sie in den Auseinandersetzungen sammeln, verarbeiten, ist so oft schwer oder gar nicht mehr feststellbar. Längerfristige Organisierungsansätze sind oft schwer längere Zeit aufrechtzuhalten.


Sind Theorie und Organisationen überholt?

Diese Problematik drückte sich auch im Untertitel „Denn sie wissen nicht: Was tun?“ aus. Natürlich waren damit auch die Regierungen und politischen Institutionen gemeint, die oft Getriebene in der Krise sind, die genug damit zu tun haben, immer neu auftretende Krisenherde in ihrem Sinne einzuhegen. Das Motto richtet so auch gegen verkürzte linke Vorstellungen von staatlichen Institutionen, die alles im Griff haben. Es richtete sich aber auch gegen manche linke Vorstellungen, dass es nur der richtigen Organisation bedarf, um die eigene Krise zu lösen.

Martin Glassenapp von der Interventionistischen Linken vertrat auf der Podiumsdiskussion mit dem Titel „Neue Kämpfe – neue Subjekte“ die These, dass sich am Beispiel der Aufstände vom arabischen Raum bis nach Brasilien zeige, dass die klassischen linken Vorstellungen von Organisation und linker Theorie überholt seien. Die Publizisten Roger Behrens und Jutta Ditfurth betonten hingegen die Notwendigkeit einer linken Organisierung, die sich nicht kritiklos an jeder gerade entstehenden sozialen Bewegung anbiedert. Behrens warnte davor, Massenbewegungen in aller Welt emanzipatorische Absichten zu unterstellen, ohne deren Ziele genauer zu analysieren.

Ein gutes Beispiel dafür hat in den letzten Tagen der langjährige Attac-Aktivist und Bewegungstourist Pedram Shahyar geliefert, der nach dem Sturz des gewählten Präsidenten Mursi in Ägypten von der permanenten Revolution schwärmte, ohne sich die Frage zu stellen, wieso ein Großteil dieser Bewegung den Militärputsch gegen einen gewählten Präsidenten bejubelt, obwohl die Generäle in der Vergangenheit für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich waren. Jutta Ditfurth betonte in ihrem Beitrag, dass die alte Parole „aus der Geschichte lernen“ weiterhin eine Grundbedingung für eine linke Bewegung sei, von den kurzlebendigen sozialen Bewegungen von den Sozialforen bis zu Occupy, aber negiert werde.

Auf dem Abschlusspodium war man sich bei den griechischen Gruppen Alpha Kappa sowie Plan C einig in der Ablehnung eines autoritären Krisenkapitalismus und verkürzter linker Krisentheorien, zur Formulierung konkreter Protestziele kam es allerdings nicht.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/15459
Peter Nowak

Wilder Streik der Migrantinnen


Vor 40 Jahren traten Arbeiterinnen von Pierburg in den Ausstand – ein Buch versammelt Zeitzeugen und Dokumente

Eine Mark mehr Lohn und die Abschaffung der Leichtlohngruppe lauteten die zentralen Forderungen eines Streiks, der vor 40 Jahren die damalige Linke jenseits aller Differenzen mobilisierte. Es waren überwiegend migrantische Frauen, die bei der Autozubehörfirma Pierburg in Neuss in den Arbeitskampf getreten sind ohne auf die Gewerkschaftsbürokratie zu warten und sogar erfolgreich haben. Dabei hat der im Nationalsozialismus wie in der BRD erfolgreiche Unternehmerpatriarch Alfred Pierburg die streikenden Frauen hart bekämpft. Unterstützt wurde er dabei von den Neusser Polizeipräsidenten Günther Knecht, der die Knüppeleinsätze gegen die streikenden Frauen mit dem Satz rechtfertigte. „Wilder Streik, das ist Revolution“.
Dieses Zitat wurde zum Titel für einen Dokumentenband über den Pierburg-Streik, das der damalige oppositionelle Betriebsrat des Unternehmens Dieter Braeg kürzlich im Berliner Verlag „Die Buchmacherei“ herausgegeben hat. Er hat dort zahlreiche zeitgenössische Berichte über den Streik und den 40minütigen Film „Ihr Kampf ist unser Kampf“ erneut zusammengestellt.

Hinter der Einschätzung von Dieter Braeg, der Pierburg-Streik sei ein Beispiel für „eine andere deutsche Arbeiterinnen – und Arbeiterbewegung“ muss allerdings ein großes Fragezeichen gesetzt werden. Mit einer viel größeren Berechtigung könnte der Streik als Beispiel für einen selbstorganisierten Kampf migrantischer Frauen angeführt waren. Die in dem Buch aufgeführten Dokumente machen deutlich, wie die im Nationalsozialismus sozialisierten Vorarbeiter auf den Kampf der Frauen reagierten. „Ihr seit doch das aufsässigste Pack, was mir je untergekommen ist“, ihr Scheißweiber“, schrie einer der Pierburg-Vorarbeiter eine griechische Beschäftigte an und drohte ihr mit Schlägen, weil sie sich bei dem Betriebsrat über die Arbeitsbedingungen beschwert hatte. Die Dokumente zeigen auch, die Ignoranz mancher Betriebsräte, denen die Pflege der Trikots der firmeneigenen Fußballmannschaft wichtiger als die Interessenvertretung der Kolleginnen war. Die IG-Metall-Führung versuchte den Streik in institutionelle Bahnen zu lenken. Nachdem der Ausstand erfolgreich abgeschlossen war, überzog das Unternehmen vier oppositionelle Betriebsräte mit langwierigen Gerichtsprozessen, bei denen sie sich für Solidaritätsbesuche bei anderen Betrieben rechtfertigen mussten. Braeg ordnet den Pierburg-Streik in den politischen Kontext jener Jahre ein. Mit den Septemberstreiks von 1969 begann ein Aufbegehren von Lohnabhängigen, die sich nicht mehr in DGB-konforme Vertretungsinstanzen pressen lassen wollten. Daran waren migrantische Beschäftigte federführend beteiligt. Höhepunkt war der Streik und die Besetzung der Kölner Fordwerke im August 1973. Als die Polizei die Fabrik mit Gewalt räumte, zahlreiche Streikende festnahm und mehrere der migrantischen Aktivisten als angebliche Rädelsführer abschieben ließ, titelte die Springerpresse: „Deutsche Arbeiter kämpfen Ford frei“.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/826492.wilder-streik-der-migrantinnen.html
Peter Nowak

Braeg Dieter, Wilder Streik, Der Streik der Arbeiterinnen bei Pierburg in Neuss 1973, Die Buchmacherei, ISBN 978-3-00-039904-6, 13, 50 Euro
Der Herausgeber stellt das Buch und den Film am Samstag, 06. Juli, um 15 Uhr im Berliner Mehringhof Gneisenaustr. 2a vor

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Auch die Böll-Stiftung leiht sich Arbeit

Die kleine Gewerkschaft FAU kämpft für Festanstellung aller Beschäftigten

»Es tut gut, sich zu wehren und Forderungen zu stellen«, sagte Michael Rocher unter Applaus bei einer Kundgebung am Donnerstagabend vor der Bundeszentrale der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin-Mitte. Er gehört zu den 20 Beschäftigten, die in der Vergangenheit mehrmals von der Leiharbeitsfirma Xenon an die Parteistiftung der Grünen für den Auf- und Abbau von Konferenzen vermittelt wurden.
»Als Festangestellter würde ich 10,58 Euro Stundenlohn bekommen, als Leiharbeiter nur acht Euro«, rechnet er gegenüber »nd« die Lohndifferenz vor. Die will er nicht mehr hinnehmen. Nachdem er von der Kampagne »Leiharbeit abschaffen« der Basisgewerkschaft Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU) erfahren hatte, wandte er sich an diese Organisation und reichte beim Arbeitsgericht Klage auf eine Festanstellung ein. Nachdem die FAU Gespräche mit der Geschäftsführung der Stiftung führte, kam es in der letzten Woche zum Eklat: Zwei FAU-Mitglieder bekamen Hausverbot, als sie an einer Mitarbeiterversammlung teilnehmen wollten, auf der über die prekären Arbeitsverhältnisse gesprochen wurde. Mit der Kundgebung am Donnerstag begann die FAU die Kampagne für die Abschaffung der Leiharbeit bei der Stiftung. Rund 50 Menschen kamen. Ihre Sprechchöre waren auch im Garten der Stiftung zu hören, wo im Rahmen einer Veranstaltung zu Repressionen in Osteuropa ein Theaterstück gezeigt wurde.

Rocher ist besonders sauer, weil er und seine Kollegen ab August nicht mehr bei der Stiftung arbeiten sollen. »Wir fühlen uns wie alte Möbelstücke, die nun ersetzt werden.« Ramona Simon, Sprecherin der Heinrich-Böll-Stiftung, bestätigte, dass seit drei Jahren Dienstleistungen wie Konferenzassistenz und Konferenzumbauten zur Vergabe an einen externen Dienstleister ausgeschrieben werden. Xenon habe den Zuschlag erhalten. Die Kündigung der Beschäftigten habe nichts mit ihrer Kritik an den Arbeitsverhältnissen zu tun: »Der Vertrag mit der Firma Xenon läuft regulär Ende Juli diesen Jahres aus. Die Dienstleistung wird erneut ausgeschrieben. Es handelt sich also nicht um eine personenbezogene Entscheidung.«

Der Zugang zur Mitarbeiterversammlung sei der FAU verwehrt worden, weil sie nur für Beschäftigte bestimmt gewesen sei. »Unbenommen blieb es der Gewerkschaft, in der Stiftung außerhalb der Betriebsversammlung über ihre Position zu informieren. Zudem wurde seitens der Geschäftsführung ein Angebot für ein Gespräch unterbreitet, welches auch stattfand«, betont Simon.

Einen Widerspruch zu Positionen der Grünen sieht sie nicht. »Wir achten darauf, dass diese Firmen ihre Mitarbeiterinnen anständig behandeln und sie nach Tarif bezahlen, soweit es einen gibt.« Livia Cotti, Geschäftsführerin der Stiftung, verweist zudem auf das Zugabe- und Vergaberecht: »Danach müssen alle Dienstleistungen ausgeschrieben werden, und es gilt stets, das wirtschaftlichste Angebot anzunehmen.«

Dieses Argument lässt Stefan Kuhnt, Pressereferent der FAU, mit Verweis auf die Praxis der Rosa-Luxemburg-Stiftung nicht gelten: »Da werden die geforderten Standards bei vergleichbarer Arbeit in einer öffentlich geförderten politischen Stiftung erfüllt.« Die FAU peilt eine Fortsetzung der Kampagne für eine Festanstellung aller Beschäftigten an.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/825930.auch-die-boell-stiftung-leiht-sich-arbeit.html
Peter Nowak

Die Grünen in der Verantwortung

Protest gegen Zeitarbeit
Anarcho-Gewerkschaft protestiert vor der Böll-Stiftung der Grünen gegen prekäre Arbeitsverhältnisse dort im Haus: Zeitarbeit verstoße gegen Parteiprinzipien.

Zur Sozialpolitik und prekären Arbeitsverhältnissen in Deutschland gab es in den letzten Jahren häufiger Vorträge und Seminare in den Räumen der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin. Heute am Donnerstag aber wird die Thematik im wahrsten Sinne vor der Haustür der Stiftung verhandelt. Die Basisgewerkschaft „Freie ArbeiterInnen Union“ (FAU) will ab 18.30 Uhr unter dem Motto „Leiharbeit abschaffen“ in der Schumannstraße 8 vor der Stiftung gegen prekäre Arbeitsverhältnisse dort protestieren.

Die Böll-Stiftung beschäftige seit Jahren MitarbeiterInnen über Outsourcing-Firmen zu prekären Arbeitsverhältnissen, kritisiert die FAU. Einer der Betroffenen ist Michael Rocher. Er arbeitet bei der Zeitarbeitsfirma Xenon und hat bei der Böll-Stiftung Aufarbeiten für Kongresse und das Catering übernommen. „Als Festangestellter würde ich 10,58 Euro Stundenlohn bekommen, als Leiharbeiter nur 8 Euro“, rechnet er gegenüber der taz die Differenz vor. Diese Situation gelte für knapp 20 Beschäftigte, so Rocher.

Nach dem Erhalt von Informationen über die FAU-Kampagne gegen Leiharbeit sei man aktiv geworden und habe eine Klage auf Festanstellung beim Arbeitsgericht eingereicht. Nach Gesprächen mit der Geschäftsleitung der Böll-Stiftung hätten in der vergangenen Woche zwei FAU-Mitglieder, die an einer Betriebsversammlung zu den prekären Arbeitsverhältnissen teilnehmen wollten, von der Geschäftsleitung Hausverbot bekommen. „Wir sehen auch die Grünen in der Verantwortung, da die Stiftung mit ihrer Praxis die Mindestlohnforderungen und Positionen zur Leiharbeit der Partei lächerlich aussehen lässt. Die FAU Berlin hat in den letzten Jahren deutlich gemacht, dass sie nicht konfliktscheu ist“, erklärte der FAU-Pressesekretär Stefan Kuhnt gegenüber der taz.

Anständig behandeln

Die Pressereferentin der Böll-Stiftung, Ramona Simon, bestätigte, dass Dienstleistungen im Bereich der Konferenzassistenz, der Medientechnik und des Empfangs seit drei Jahren von der Firma Xenon Service GmbH getätigt worden seien. Der Vertrag laufe zum 31. Juli aus. Danach werde die Dienstleistung erneut ausgeschrieben.

Weil Betriebsversammlungen dem MitarbeiterInnen vorbehalten seien, habe man die FAU-VertreterInnen nicht eingeladen. Mit den Forderungen der Grünen würden die Arbeitsbedingungen bei der Stiftung nicht kollidieren. „Wir achten dabei darauf, dass diese Firmen ihre MitarbeiterInnen anständig behandeln und, soweit es Tarife gibt, sie danach bezahlen“, betonte Simon.

http://www.taz.de/Protest-gegen-Zeitarbeit/!118843/

Peter Nowak

Tricksen für die Erfolgsbilanz mit sinkenden Erwerbslosenzahlen

Der Bundesrechnungshof wirft der Bundesagentur für Arbeit Manipulation vor. Für Kritiker aus der FDP ist das ein Grund, die Abschaffung der BA zu fordern

Für viele Erwerbslose ist der jüngste Bericht des Spiegel zur Arbeit der Bundesagentur für Arbeit wahrlich keine Überraschung. Das Magazin zitiert aus einem bisher unveröffentlichten Prüfbericht des Bundesrechnungshofs, der der Bundesagentur für Arbeit auf mehreren Ebenen Mängel und Fehler vorwirft. Grundlage der Vorwürfe sind stichprobenartige Untersuchungen in 156 Arbeitsagenturen.

„Die Tatsache, dass wir in allen geprüften Agenturen Fehlsteuerungen festgestellt haben, zeigt, dass es sich um ein grundsätzliches Problem handelt“, zitiert das Magazin aus dem Bericht. Die inkriminierten Praktiken erstrecken sich auf zwei Gebiete, sind aber weder neu noch unbekannt und bedürfen wohl erst einer Aufmerksamkeit durch den Spiegel um wahrgenommen zu werden

Manipulierte Statistiken

Der erste Punkt dreht sich um die Manipulation der Statistik. Da sei getrickst worden, um die Erfolgsbilanz von sinkenden Erwerbslosenzahlen und Jugendlichen, die einen Arbeitsplatz gefunden haben, in der Öffentlichkeit besser verkaufen zu können.

So seien Auszubildende, die ohnehin von ihrer Firma übernommen werden sollten, in der Statistik als erfolgreich vermittelt gezählt wurden. „Die bloße Erfassung von sicheren Übertritten mit dem Ziel einer Zählung stellt aus unserer Sicht eine Manipulation dar“, heißt es in dem Bericht des Bundesrechnungshofes.

Der zweite Vorwurf bezieht sich auf den Umgang der Arbeitsagenturen mit schwer mittelbaren Erwerbslosen. Laut dem Spiegel-Bericht hätten die Prüfer festgestellt, dass die Arbeitsvermittler in den drei Monaten der Untersuchung für mehr als 50 Prozent der Langzeitarbeitslosen keinen Stellensuchlauf gemacht und zu 45 Prozent der Betroffenen keinen ernst zunehmenden Kontakt aufgenommen hatten. Zudem werden im Rechnungshofbericht „diskriminierende Vorgehensweisen“ der Jobcenter moniert, weil es interne Weisungen der Bundesagentur für Arbeit gebe, wonach nur aussichtsreiche Bewerber sofort einen Termin beim Vermittler bekommen sollten.

Munition für neoliberale Argumente

Bei der heftigen und meist berechtigten Kritik an der BA ist man schnell geneigt, die Vorwürfe des Bundesrechnungshofes dem Sündenregister dieser Behörde anzuhängen. Doch die Kritik des Rechnungshofes ist vor allem Munition für die neoliberalen BA-Kritiker, wie sie in der FDP zu finden sind. Sie würden die Behörde am liebsten abschaffen.

Besonders die Kritik daran, dass Langzeiterwerbslose zu wenig vermittelt werden, führt dazu, dass auch diese Erwerbslose noch mehr gefordert werden. Das bedeutet, dass sie noch mehr Bewerbungen schreiben, Bewerbungsgespräche führen, ungeliebte und schlecht bezahlte Jobs annehmen und immer mit der Drohung der Sanktionierung leben müssen.

Manche Langzeiterwerbslosen sind froh, diesen behördlichen Zumutungen nicht ständig ausgesetzt sein und in eine Kategorie eingestuft zu werden, wo sie davon etwas verschont werden. Diese minimalen Freiräume, die es noch im Hartz IV-Regime gibt, will der Bundesrechnungshof mit seiner Kritik beseitigen. Schließlich geht es ihm um die maximale Effizienz im wirtschaftsliberalen Sinne. Erwerbslosengruppen kritisieren im Gegenteil den Druck, den Erwerbslosen heute schon ausgesetzt sind. Sie haben daher keinen Grund, in die Klagen des Rechnungshofes, Spiegel und Handelsblatt mit einzustimmen.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/154505
Peter Nowak

Bummel-Zyprer und Mafia-Kohle


Die Zypernkrise und die sozialen Kämpfe

Ende März war die Zypernkrise in Deutschland das große Thema in den Medien. Die Insel, die bisher vor allem als Urlaubsziel für deutsche TouristInnen bekannt war, nahm im populistischen Krisendiskurs die Rolle Griechenlands ein. Nach dem Gerede von den Pleitegriechen folgte nun die russische Mafia, die angeblich den zypriotischen Bankensektor übernommen hätte. Dabei wird nur einmal mehr deutlich, wie schnell im herrschenden Diskurs kapitalistisches Handeln national aufgeladen wird und umstandslos aus dem allseits hochgelobten unternehmerischen Handeln eine Mafia und kriminelle Seilschaft werden kann.

Wie im populistischen Diskurs üblich, muss man sich um Fakten und Argumente nicht kümmern. Sonst müsste man zuerst feststellen, dass in erster Linie das Diktat der EU-Troika gegenüber Griechenland Zypern in die Krise gestürzt hat. Diese Entwicklung war angesichts der großen wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Griechenland und dem griechischen Teil Zyperns, um den es hier geht, nicht überraschend. Die enge wirtschaftliche Verflechtung mit Griechenland war für die zypriotische Wirtschaft wesentlich wichtiger als die russischen Bankengeschäfte. Auch das Gerede vom aufgeblähten zypriotischen Bankensektor wird von Winfried Wolf hinterfragt.

„Im übrigen ist der Finanzsektor in Zypern nicht wesentlich größer als derjenige in der Schweiz. Er ist bereits kleiner als derjenige in Malta. Er wird von demjenigen in Luxemburg um ein Vielfaches übertroffen“, schreibt der der Linkspartei nahestehende Publizist in der Zeitschrift Lunapark.

Wer hat über die Verhältnisse gelebt?

Besonders häufig liest und hört man, dass Zypern über seine Verhältnisse gelebt habe. Mit solchen reaktionären Ideologemen wird suggeriert, dass die gesamte zypriotische Bevölkerung vom Bankensektor profitiert hat und jetzt bloß nicht auch noch auf die Idee kommen soll zu protestieren, wenn sie den Gürtel enger schnallen muss. Solche sozialchauvinistischen Töne, die auch schon im Fall von Griechenland zu hören waren, werden auch von Lohnabhängigen in Deutschland verwendet und dann noch gerne mit dem Hinweis garniert, welche großen Opfer man selbst für den Standort Deutschland bringt und wie wenig Verständnis man daher aufbringt, wenn jetzt an der europäischen Peripherie protestiert und womöglich auch noch gestreikt wird.

Zypriotisch lernen

Tatsächlich könnten die deutschen Lohnabhängigen von den zypriotischen KollegInnen lernen. Denn dort existierte eine kämpferische Gewerkschaftsbewegung mit einem hohen Organisationsgrad, deren Mitglieder in der Lage waren, erfolgreiche Arbeitskämpfe zu führen. Ihre Wurzeln liegen in den Kupferminen der britischen Kolonie Zypern, als sich die Beschäftigten vor nunmehr fast 80 Jahren gegen die miesen und gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen mit langen Streiks wehrten. Aber auch nach der Unabhängigkeit des Landes blieben die zypriotischen Gewerkschaften ein Machtfaktor und setzten in den 70er Jahren eine automatische Angleichung der Löhne an die Inflationsrate durch, wie er in Italien als „Scala mobile“ bekannt geworden war. Diese Erfolge einer kämpferischen Gewerkschaftspolitik werden mit dem dümmlichen Satz, die Zyprioten hätten über ihre Verhältnisse gelebt, denunziert.

Obwohl die EU-Pläne für Zypern zur Entlassung von tausenden Beschäftigten im Bankensektor führte, findet man kaum deutsche Übersetzungen von Erklärungen der Gewerkschaft der Bankangestellten auf Zypern. Dabei sollte eine linke Antwort auf den deutschen Euronationalismus statt in ethnisierenden und hohlen Parolen a la „Solidarität mit Griechenland“ oder „Solidarität mit Zypern“ in der Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen bestehen, die sich gegen die Verschlechterung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen durch die EU-Politik wehren. Lediglich die FAU Frankfurt/Main hat im Rahmen des M31-Bündnisses einen solchen Vorschlag gemacht, der in einem Großteil auch der außerparlamentarischen Linken ignoriert wird.

Gewerkschaftslandschaft in Zypern

Im griechischen Teil Zyperns gibt es zwei große Gewerkschaftsbünde, die PEO (Gesamtzyprischer Gewerkschaftsbund) und die SEK (Zyprischer Gewerkschaftsbund) sowie einen kleineren Gewerkschaftsbund, die DEOK (Demokratische Arbeiterföderation).

Wichtige Einzelgewerkschaften sind darüber hinaus die der ArbeitnehmerInnen im öffentlichen Dienst, der Bankangestellten und LehrerInnen. In ihren Gründungsgeschichten beziehen sich die Gewerkschaften auf die britische Kolonialgeschichte Zyperns und somit auf die Repression und die Verbote der Gewerkschaften.

Die beiden großen Gewerkschaftsbünde sind ähnlich groß. Laut offiziellen Angaben hat die PEO 81.500 und die SEK 71.600 Mitglieder. Die PEO wurde ursprünglich 1941 gegründet, änderte jedoch ihren Namen im Jahr 1946, als die damalige britische Kolonialregierung die Organisation für illegal erklärte und verbot. Sie ist nach wie vor im linken politischen Spektrum angesiedelt. Die 1943 gegründete SEK steht den Parteien der politischen Rechten und der Mitte näher. Der dritte Gewerkschaftsbund (DEOK) mit 8.800 Mitgliedern hat Verbindungen zur sozialdemokratischen Partei. Gewerkschaften, die keinem Gewerkschaftsbund angeschlossen sind, sind vor allem die Gewerkschaft für den öffentlichen Dienst PASYDY mit 16.400 Mitgliedern, die Gewerkschaft für Bankangestellte ETYK mit 9.700 Mitgliedern, die Gewerkschaft für Sekundarschullehrer OELMEK mit 4.600 Mitgliedern und POED, eine weitere Lehrergewerkschaft mit 4.500 Mitgliedern.

aus Direkte Aktion

http://www.direkteaktion.org/217/bummel-zyprer-und-mafia-kohle

Peter Nowak

Datenschutz für Hartz IV-Empfänger ausgeweitet

Doch jetzt könnten die Betroffenen vor der Alternative stehen, auf die Leistungen zu verzichten oder selbst die Daten offenzulegen

Die Verletzung des Datenschutzes eines Hartz IV-Beziehers hatte erstmals für einen Jobcentermitarbeiter strafrechtliche Konsequenzen. Er musste eine Buße von 600 Euro bezahlen. Im Gegenzug wurde das Verfahren wegen Verletzung eines Privatgeheimnisses eingestellt. Der Jobcentermitarbeiter hatte ohne Einwilligung des Betroffenen mit dessen potentiellen Vermietern telefonisch Kontakt aufgenommen und dabei auch offenbart, dass der Wohnungsinteressent Hartz IV-Leistungen bezieht. Daraufhin hat der die Wohnung nicht bekommen.

In dieser Sache hatte das Bundessozialgericht erstmals den Datenschutz für Bezieher von Hartz IV-Leistungen erheblich gestärkt.

„Der Bezug von Arbeitslosengeld II ist ein Sozialdatum, dessen Offenbarung durch das Jobcenter nur zulässig ist, wenn der Leistungsbezieher eingewilligt hat oder eine gesetzliche Offenbarungsbefugnis vorliegt“, lautet einer der Kernsätze des Urteils, wie der Bundesbeauftragte für den Datenschutz hervorhebt.

Der Betroffene hatte eine Umzugsbeihilfe, die Erstattung der Kosten der Mietkaution und für den Kauf neuer Möbel beantragt. Der Jobcentermitarbeiter hat den Kontakt mit dem Vermieter damit begründet, dass Nachweise fehlten, dass die beantragten Leistungen notwendig seien. Im Rahmen seiner Verpflichtung, den Sachverhalt zu prüfen, habe er den Kontakt mit dem Vermieter gesucht. Während der Jobcentermitarbeiter in zwei Instanzen recht bekam, hat das Bundessozialgericht den Datenschutz auch für Hartz IV-Empfänger in den Mittelpunkt gestellt und das Handeln des Jobcentermitarbeiters verurteilt.

Jobcenter hat Sozialgeheimnis zu beachten

„Das Bundessozialgericht hat in diesem Urteil die Auffassung der Kläger bestätigt, dass der Beklagte als Träger einer Sozialleistung das Sozialgeheimnis zu beachten hat. Danach hat jeder Leistungsberechtigte Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten von den Leistungsträgern nicht unbefugt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden“, hebt der Bundesdatenschutzbeauftragte in der rechtlichen Wertung des Urteils hervor.

Das Jobcenter müsse immer von dem Grundsatz ausgehen, dass die Datenerhebung in erster Linie beim Betroffenen selber erfolgen müsse. Eine Datenübermittlung an Dritte wird vom Gericht nicht völlig ausgeschlossen aber an strenge Bedingungen geknüpft, weil sie einer besonderen Rechtfertigung bedürfe. Diese Kriterien sah das Gericht im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

Drohung mit Leistungsentzug

Ob von der Stärkung des Datenschutzes die Betroffenen wirklich profitieren können, ist allerdings offen. Denn das Gericht hat auch einen Weg aufgezeigt, wie die Ämter den Druck auf Antragssteller erhöhen können, damit diese die Daten offenbaren.

„Sofern rechtliche Befugnisse zur Datenerhebung bei Dritten bzw. zur Übermittlung an Dritte nicht bestehen, bleibt dem Leistungsträger die Möglichkeit, den Betroffenen auf die Rechtslage hinzuweisen und ihn um seine Einwilligung zur Einschaltung eines Dritten zu ersuchen. Diese Bitte um Einwilligung ist gegenüber dem Betroffenen mit dem Hinweis auf die möglichen Rechtsfolgen der Verweigerung, nämlich der Versagung oder Entziehung der Leistung wegen der fehlenden Aufklärungsmöglichkeit, zu verbinden“, heißt es in der Bewertung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/154433
Peter Nowak

Mensa für Alle

Informationsstände vor Universitätsmensen gehören zum Hochschulalltag. Schließlich ist es der beste Ort, um viele Kommilitonen anzusprechen. Doch kürzlich ging es Studierenden an der Goethe-Universität in Frankfurt (Main) mit ihren Informationsstand vor der Mensa um ein Thema, dass auch am Campus selten verhandelt wird. »Mensa für Alle« lautete das Motto, mit denen man auf die Situation an der Universität aufmerksam machen wollte. Die Zahl der Sitzplätze in der Studenten-Kantine sei zu knapp bemessen und die Preise seien zu hoch, lauteten die Kritikpunkte. Von diesen Missständen ist nicht nur die Mensa an der Frankfurter Uni betroffen. Tatsächlich häufen sich auch an anderen Hochschulen die Klagen über die Preise in den Mensen und Cafeterias. Allerdings sollte sich die Kritik nicht nur an die Studentenwerke richten, die die Mensen betreiben. Schließlich kann ökologisch wertvolle Nahrung nicht zu Niedrigpreisen verkauft werden und die Mensa-Beschäftigten sollten nach Tariflohn bezahlt werden. Dass die Preise für viele Studierende zu hoch sind, liegt auch daran, dass sich der Niedriglohnsektor auch unter Studierenden ausbreitet und dass zudem die Bafög-Sätze nicht ausreichen. Daher müsste die Forderung nach einer sozialen Mensa ein Einkommen für Studierende einschließen, das auch ökologische Ernährung einschließt. Sollte der Slogan »Mensa für Alle« ernst gemeint sein, müsste auch die Forderung aufgenommen werden, dass auch Menschen ohne Studienausweis dort essen können. In vielen Städten waren Mensen lange eine günstige Alternative für Einkommensschwache. Dass wird aber immer schwieriger, weil heute der Mensakonsum überwiegend vom Studienausweis abhängt. Eine Mensa für Alle sieht anders aus.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/823638.mensa-fuer-alle.html
Peter Nowak

Wenn der Tarif nicht stimmt

Linke Gewerkschafter fordern ihre Organisationen auf, für die Leiharbeitsbranche keine Tarifverträge mehr abzuschließen.

»Nein zum DGB-Tarifvertrag in der Zeitarbeit«, lautete die Überschrift eines offenen Briefs, der Mitte April an die Bundesvorstände des DGB sowie der Einzelgewerkschaften Verdi, IG Bau, IG Metall und IG Bergbau, Chemie, Energie gerichtet wurde. Unterzeichnet wurde er von zahlreichen Basisgewerkschaftern. Bei Mag Wompel von der Onlineplattform Labournet gehen derzeit weitere Solidaritätserklärungen ein. Es mag überraschen, dass sich Gewerkschafter, die sich gegen Verzichts­ideologie und Sozialpartnerschaft wenden, nun gegen den Abschluss eines Tarifvertrags aussprechen. Schließlich treten immer wieder Beschäftigte in den Streik, weil Unternehmen sich weigern, Tarifverträge abzuschließen. Dabei haben Unternehmen durch geregelte Verträge große Vorteile. Sie erhalten dadurch Rechtssicherheit und mit den DGB-Gewerkschaften als Tarifpartner auch eine Institution, die für Betriebsfrieden sorgt. In Zeiten des Verlustes von Arbeiterautonomie verliert der DGB als Vermittlungsinstanz im Unternehmerlager allerdings an Bedeutung.

Daher gibt es immer häufiger Arbeitskämpfe für einen Tarifvertrag, denn für die Beschäftigten ist er in der Regel mit höheren Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen verbunden. Warum sollten sie Interesse am Abschluss eines Tarifvertrags haben, wenn er mit Lohnverlusten verbunden ist? Genau das wäre aber in der Leiharbeitsbranche der Fall, argumentieren die gewerkschaftlichen Kritiker des Tarifvertrags. Damit würden Dumpinglöhne tarifiert, monieren sie in ihrem offenen Brief. Sie setzen stattdessen allerdings nicht auf die Bereitschaft zum Arbeitskampf, sondern auf das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz.

Arbeitsrechtler weisen bereits seit geraumer Zeit auf den dort festgeschriebenen Grundsatz des »Equal Pay« hin. Danach steht Leiharbeitern der gleiche Lohn wie den Beschäftigten mit Festanstellung zu, es sei denn, es werden durch Tarifverträge andere Vereinbarungen getroffen. Entsprechend sind die Vertreter der Leiharbeitsbranche sehr an einem Tarifvertrag interessiert. Beim Abschluss von Tarifverträgen waren die DGB-Gewerkschaften für die Leiharbeitsbranche nicht die ersten Ansprechpartner, stattdessen schloss sie mit den Christlichen Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) Tarifverträge ab, die seitens der DGB-Gewerkschaften als Sanktionierung von Dumpinglöhnen heftig kritisiert wurden.

Allerdings schlossen die DGB-Gewerkschaften selbst nur geringfügig bessere Tarifverträge ab, gegen die schon damals heftige Kritik auch im Gewerkschaftslager verteidigten sie diesen Schritt mit dem Argument, dass man so verhindern wolle, dass sich die christlichen Gewerkschaften in der Branche etablierten. Dieses Argument steht den DGB-Gewerkschaften mittlerweile nicht mehr zur Verfügung. Denn das Bundesarbeits­gericht hat in mehreren Urteilen ganz in ihrem Sinne entschieden. Ende 2010 stellte es fest, dass die christlichen Gewerkschaften keine Arbeitnehmervertretung sind, später folgte die Entscheidung, dass die mit ihnen abgeschlossenen Verträge daher nichtig sind.

Die derzeitige Auseinandersetzung um Tarifverträge in der Zeitarbeitsbranche könnte zur Profilierung einer neuen politischen Strömung im gewerkschaftlichen Milieu beitragen. Vor einigen Tagen veröffentlichte Labournet ein Posi­tionspapier von »linken Hauptamtlichen bei Verdi«, die sich zu einer »konflikt- und basisorientierten Gewerkschaftsarbeit bekennen« und dem Co-Management, dem Standortnationalismus und der Stellvertreterpolitik eine Absage erteilen. Zudem werden im Positionspapier auch die »Perspektive einer grundlegenden Gesellschaftsveränderung« und »das Eintreten gegen das kapitalistische Gesellschafts- und Wirtschaftssystem« betont. Dort haben sich Gewerkschafter zusammengefunden, die in der außerparlamentarischen Linken und Bündnissen wie der Interventionistischen Linken aktiv waren und darüber zur Gewerkschaftsarbeit kamen.

http://jungle-world.com/artikel/2013/22/47789.html
Peter Nowak

Blockupy reloaded

Am kommenden Freitag und Samstag sind erneut Krisenproteste in Frankfurt/Main geplant. Aber die Resonanz ist ungewiss

Am kommenden Freitag könnte in der City von Frankfurt/Main das Geschäftsleben zum Stillstand kommen. Das zumindest ist der Plan des Blockupy-Bündnisses, in dem zahlreiche linke Gruppierungen und Parteien seit Monaten Krisenproteste in der Main-Metropole vorbereiten.

Die Protestagenda ist zweigeteilt. Am Freitag sind zwei zentrale Blockadeaktionen geplant. Eine soll vor der Europäischen Zentralbank beginnen und sich dann in die Frankfurter Innenstadt ausbreiten. Auf einer Pressekonferenz am Montag erklärten die Aktivisten ihr Konzept:

„Mit Sitz- und Stehblockaden werden wir alle Korridore zum Eurotower dicht machen. Wenn uns die Polizei – wie im letzten Jahr – Gitter und Zäune in den Weg stellt und die EZB dadurch faktisch abriegelt, werden wir diese Absperrungen in unsere Blockaden einbeziehen. Mit kreativen Hilfsmitteln wie Großpuppen oder Absperrbändern, mit Transparenten, klassischen Sitzblockaden, Trommeln oder Straßentheater werden wir die EZB und alles, für was sie steht, ‚einsperren‘.“

Im Anschluss an die EZB-Blockaden soll der Protest vor der Zentrale der Deutschen Bank Artikuliert werden, wo u.a. die Spekulation mit Nahrung kritisiert werden soll. Freitagmittag soll sich der Widerstand sich auch auf der Frankfurter Einkaufsmeile ausbreiten. Dort sollen die prekären Arbeitsbedingungen im deutschen Einzelhandel und die oft mörderischen Verhältnisse der globalen Textilproduktion im Mittelpunkt des Protestes stehen, wie sie bei den Bränden in asiatischen Zuliefererfirmen internationaler Textilketten zum Ausdruck kommen.

Ein zweites Blockadeziel ist der Frankfurter Flughafen, wo der Protest gegen die Abschiebung von Flüchtlingen ausgedrückt werden soll. Am Samstag soll dann eine internationale Großdemonstration stattfinden, auf der auch Aktivisten aus dem europäischen Ausland erwartet werden.


Wer lässt sich mobilisieren?

Bei dem ehrgeizigen Protestprogramm stellt sich natürlich die Frage, ob es genügend Teilnehmer an den Blockupy-Aktionstagen geben wird, damit es auch realisiert werden kann. Im letzten Jahr war die Resonanz an den Blockadetagen zu gering, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Doch da sämtliche Aktionen von den Behörden verboten und von der Polizei rigoros unterbunden wurden, fiel diese Mobilisierungsschwäche nicht besonders ins Gewicht. Durch die rigorose Verbotspolitik setzte eine Mobilisierung bis in linksliberale Kreise ein, wodurch die Abschlussdemonstration von Blockupy im letzten Jahr ein Erfolg wurde.

In diesem Jahr musste das Blockupy-Bündnis bisher ohne eine solche Mobilisierung durch Polizei und Staat auskommen. Statt Totalverbote setzen die Behörden in diesem Jahr auf begrenzte Kooperation und auf Auflagen, die Blockaden verhindern sollen. Anders als im letzten Jahr gibt es jetzt ein Aktivistencamp als Schlafplatz und Anlaufstelle für die Protester, das bereits bezogen wurde.


Erste Verbote

Allerdings scheint in den letzten Tagen die Kooperationsbereitschaft der staatlichen Apparate an die Grenzen zu stoßen. So wurde die geplante Kundgebung am Frankfurter Flughafen verboten. Jetzt muss gerichtlich geklärt werden, ob ein Flughafen entgegen anderer Urteile zum protestfreien Raum werden soll.

Die allgemeine Nervosität im Vorfeld der Protesttage hat auch dazu geführt, dass die Frankfurter Universität eine Diskussionsveranstaltung mit der Linken-Politikerin Sarah Wagenknecht kurzfristig auf dem Unicampus untersagen will. Nur wenige Wochen vorher konnte am gleichen Campus der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück auf Einladung der Jusos ohne Probleme sprechen.

Ein Anziehen der Repressionsschraube würde sicher zur Mobilisierung beitragen. Allerdings würde damit eher verhindert, dass auch einige strittige Fragen geklärt werden können. So kann man feststellen, dass Aktivisten in vielen europäischen Ländern erwarten, dass es auch in Deutschland größere Proteste gegen eine Krisenpolitik gibt, die vor allem in der europäischen Peripherie desaströse Auswirkungen hat. In Deutschland sind aber die Proteste auch deshalb so schwach, weil der Standort Deutschland von der Krise profitiert und ein Teil der Lohnabhängigen daran partizipiert. Der wachsende Teil der Menschen, die in den Niedriglohnsektor gedrängt werden und durchaus auch Leidtragende der Krisenpolitik sind, haben oft weder Zeit noch Geld, sich an solchen Protesten zu beteiligen. Deshalb gibt es Diskussionen darüber, ob nicht der Widerstand gegen Zwangsräumungen, wie er in den letzten Monaten in Berlin bekannt wurde, auch zu einer Form der Krisenproteste werden sollte.

Umstritten ist zudem der Bezug linker Krisenprotestler auf die Occupy-Bewegung, wie er sich im Begriff Blockupy ausdrückt. Schließlich war die Occupy-Bewegung in Deutschland immer eher unbedeutend, zurzeit existiert nur noch ein Camp in Hamburg. Und auch weltweit ist sie schon längst zum Gegenstand für Soziologieseminare geworden.

Jenseits dieser offenen Fragen ist das nächste Protestziel schon klar. Wenn im Frühjahr 2014 die Europäische Zentralbank in Frankfurt/Main in ihr neues Gebäude einzieht, soll es dort abermals internationale Proteste geben.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/154332
Peter Nowak