Razzia bei der IG Knast

JUSTIZ In Tegel werden Zellen zweier Insassen durchsucht, die eine Gewerkschaft gründen

Die Leitung der Justizvollzugsanstalt Tegel hat die Zellen zweier Häftlinge durchsuchen lassen, die zuvor den Aufruf zur Gründung einer Gefangenen-Gewerkschaft verbreitet hatten. Dies bestätigte Justizsprecherin Lisa Jani am Donnerstag der taz. Auf dem mit einer Unterschriftenliste verbundenen beschlagnahmten Aufruf sei die Einführung des Mindestlohns für Gefangene sowie deren Aufnahme in die Rentenversicherung gefordert worden.

„Gefangene haben bisher keine Lobby. Die schaffen wir uns mit der Gefangenen-Gewerkschaft nun selber“, erklärt ihr Sprecher Oliver Rast in der Presseerklärung zur Gründung. Rast, dessen Zelle durchsucht wurde, war wegen Mitgliedschaft in der linksautonomen militanten gruppe (mg) zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Gemeinsam mit einer kleinen Gruppe Gefangener hatte er die Gewerkschaftsgründung bereits seit mehreren Monaten vorbereitet.

Grundrechte im Knast

Der Rechtsanwalt Sven Lindemann, der Rast juristisch vertritt, kritisierte die Durchsuchung und betonte, dass die gewerkschaftlich engagierten Häftlinge lediglich ihr Grundrecht wahrnehmen: Schließlich sei das in Artikel 9, Absatz 3 des Grundgesetzes verankerte Recht auf Koalitionsfreiheit auch im Gefängnis nicht aufgehoben.

Justizsprecherin Jani erklärte hingegen, dass jedwede politische Aktivitäten, wozu auch das Sammeln von Unterschriften gehöre, zuvor mit der Anstaltsleitung abzusprechen seien, „um der Gefahr vorzubeugen, dass es zu einer Aufwiegelung“ komme. Das Vorgehen gegen die Gefangenen begründete Jani mit dem Verstoß gegen diese Regel. Es sei nicht darum gegangen, die Gründung einer Gefangenen-Gewerkschaft zu verhindern.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2014%2F05%2F30%2Fa0128&cHash=28f7f56f23fcc4491657adb6e3b5706c

Peter Nowak

PETER NOWAK, PLUTONIA PLARRE

Tegeler Gefangene gründen Gewerkschaft

Häftlinge der Justizvollzugsanstalt fordern einen Mindestlohn für Inhaftierte und eine Rentenversicherung

»Gefangene haben bisher keine Lobby. Die schaffen wir uns mit der Gefangenengewerkschaft nun selber«, erklärte Oliver Rast in der Presseerklärung zur Gründung der Gefangenengewerkschaft in der JVA Tegel. Rast war wegen Mitgliedschaft in der linksautonomen militanten gruppe (mg) zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Gemeinsam mit einer Gruppe Gefangener hat er die Gewerkschaftsgründung seit Monaten vorbereitet. Mit der Struktur eines nichtrechtsfähigen Vereins soll der Bestand der Gewerkschaft längerfristig gesichert werden, betont Rast. In der Vergangenheit waren kurzfristige Gewerkschaftsgründungen meist schnell beendet, wenn die Gründer das Gefängnis verließen. Aus diesen Erfahrungen haben die jüngsten Gewerkschaftsgründer gelernt. Den Versuch, so viele Gefangene wie möglich mit einzubeziehen, sieht Rast als erfolgreich an.

Die Gründungserklärung der Knastgewerkschaft sei von zahlreichen Gefängnisinsassen in Tegel unterzeichnet worden. Zu der Unterstützung dürfte beigetragen haben, dass sich die neue Gewerkschaft auf zwei zentrale Forderungen konzentriert: einen Mindestlohn von 8,50 Euro in der Stunde und eine Rentenversicherung für Gefängnisinsassen. Diese Forderungen werden auch von vielen zivilgesellschaftlichen Gruppen außerhalb der Gefängnismauern unterstützt. Damit soll verhindert werden, dass Häftlinge nach einem längeren Gefängnisaufenthalt mittellos und ohne soziale Absicherung entlassen werden.

Doch wie bei Gewerkschaftsgründungen außerhalb der Gefängnismauern stößt auch die Interessenvertretung in der JVA nicht überall auf Sympathie. Nach der Veröffentlichung der Gründungserklärung wurden in den Zellen von Rast und einem weiteren Gewerkschaftsaktivisten bei einer Zellenrazzia zahlreiche Unterlagen zur Gewerkschaftsgründung beschlagnahmt. Der Leiter des Bereichs Öffentlichkeitsarbeit der JVA Tegel, Lars Hoffmann, wollte auf Nachfrage gegenüber »nd« zu der Gewerkschaftsgründung und der Durchsuchung keine Stellungnahme abgeben.

Der Berliner Rechtsanwalt Sven Lindemann, der Rast juristisch vertritt, betont, dass die gewerkschaftlich engagierten Häftlinge nur ihr Grundrecht wahrnehmen. Schließlich gelte das in Artikel 9, Absatz 3 des Grundgesetzes verankerte Recht auf Koalitionsfreiheit auch im Gefängnis. Auch der Gefangenenbeauftragte des zivilgesellschaftlichen Komitees für Grundrechte und Demokratie, Christian Herrgesell, sieht in der Gewerkschaftsgründung die Wahrnehmung eines Grundrechts. Allerdings zeige die Erfahrung immer wieder, dass die Anstaltsleitungen häufig mit der Wahrung von Sicherheit und Ordnung in der JVA argumentieren, um Grundrechte in Bezug auf die politische Willensbildung im Gefängnis einzuschränken. Daher sei es immer wichtig, dass solche Initiativen hinter Knastmauern von außen unterstützt werden.

In der Gründungserklärung der Knastgewerkschaft werden ausdrücklich verschiedene gewerkschaftliche Strukturen angesprochen. »Wir erhoffen uns von DGB-Einzelgewerkschaften und den verschiedenen basisgewerkschaftlichen Initiativen eine konkrete Unterstützung«, heißt es dort. Kritisiert wird in der Erklärung, dass bei der aktuellen Debatte über den Mindestlohn Inhaftierte vergessen werden, »obwohl Zehntausende von ihnen in den Haftanstalten u.a. für externe Konzerne Produkte fertigen und für staatliche Stellen arbeiten.« Die Unterstützung der Knastgewerkschaft könnte so auch verhindern, dass Gefängnisse als gewerkschaftsfreie Zonen zum Lohndumping beitragen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/934432.tegeler-gefangene-gruenden-gewerkschaft.html

Peter Nowak

Merkel-Sieg in Rom

Feindbild Betriebsrat

»Jeder Arbeitskampf wird verleumdet«

In Griechenland findet am 25. Mai nicht nur die Wahl für das EU-Parlament, sondern auch die zweite Runde der Kommunalwahlen statt. Viele Griechinnen und Griechen setzen Hoffnungen auf die Wahlen, doch ein Ende der Krise ist nicht in Sicht. Die Jungle World sprach mit Afrodite Tziantzi über die Durchsetzung der Austeritätspo­litik und den Widerstand dagegen in Griechenland. Tziantzi ist Mitglied des Redak­tionskollektivs der Zeitung der Redakteure, das sich Ende 2012 nach dem durch die Krise bedingten Konkurs der linksliberalen Zeitung Elef­therotypia gegründet hat.

In den vergangenen Wochen wurde in vielen deutschen Medien suggeriert, es gehe mit der griechischen Wirtschaft wieder aufwärts, weil das Land wieder internationale Kredite aufnehmen konnte. Teilen Sie diesen Optimismus?

Nein, ich bin überhaupt nicht optimistisch und ein großer Teil der Menschen in Griechenland ist es auch nicht. Es gibt auch keinen Grund dazu. Denn die von Ihnen genannten Meldungen haben mit der Lebensrealität der meisten Menschen in Griechenland nichts zu tun.

Welche Rolle kann die Zeitung der Redakteure in dieser Situation spielen?

Sie berichtet aus einem Land der Memoranden, der Krise und des alltäglichen Widerstands. Eine wichtige Aufgabe für uns als Redakteurinnen und Redakteure besteht darin, der offiziellen Erzählung über die Krise etwas entgegenzusetzen. Das fängt schon bei den Begriffen an. Da wird immer von »Rettungspaketen« geredet. Wir sollen viele Male gerettet worden sein und werden weiterhin gerettet. Doch die Rettungspakete waren eine Unterstützung für internationale Banken mit dem Zentrum in Deutschland. Zur gleichen Zeit verüben durchschnittlich zwei Menschen täglich in Griechenland Selbstmord, weil sie keinen Ausweg mehr aus der Lage sehen, in die sie von der Politik der Troika und der griechischen Regierung gebracht wurden. Wesentlich höher ist die Zahl der Suizidversuche. Es ist daher lächerlich, von ersten Erfolgen der Wirtschaftspolitik in Griechenland zu sprechen.

arum beteiligen sich so viele Journalistinnen und Journalisten an der Verbreitung der Erfolgsmeldungen?

Unter den Bedingungen der Krise funktioniert die Propaganda in den von Staat und Wirtschaft kontrollierten Medien besonders gut. Schließlich werden die Journalisten schlecht bezahlt und sind immer mit der Angst konfrontiert, entlassen zu werden. Viele werden daher alles schreiben, was von ihnen verlangt wird. Daher begegnen wir in fast allen griechischen Massenmedien der Botschaft, es gebe keine andere Lösung als die Durchsetzung der Austeritätspolitik. Jeder Arbeitskampf wird verleumdet und als Angriff auf die griechische Wirtschaft dargestellt.

Wie sieht es bei der Zeitung der Redakteure aus?

Sie wurde von erwerbslosen Journalisten gegründet und steht auf Seiten der Prekären, Unterbezahlten und Erwerbslosen. Sie steht auch auf Seiten der Menschen, die sich an Streiks und sozialen Kämpfen beteiligen, die es heute in Griechenland ständig gibt, auch wenn der Großteil der Massenmedien nicht darüber berichtet.

Welche Kämpfe waren das bislang?

Wir haben über die Streiks der Lehrer und der Beschäftigten im öffentlichen Sektor berichtet. Wir sind auf Seiten der Putzfrauen des griechischen Finanzministeriums, die jeden Tag demonstrieren und dabei häufig mit Polizeigewalt konfrontiert werden. Wir berichten über die Handelsangestellten im Buchsektor, die sich gegen die Abschaffung des Sonntagsarbeitsverbots wehren. Wir sind auch solidarisch mit den Menschen, die sich gegen Umweltzerstörung wehren. International bekannt wurde der Kampf der Bauern auf der Halbinsel von Chalkidiki, die sich gegen den Goldabbau wehren und dafür wie Terroristen behandelt und ins Gefängnis geworfen wurden.

In deutschen Medien wurde berichtet, dass die Demonstrationen rund um den 1. Mai in Griechenland in diesem Jahr schwach besucht waren. Hat der Widerstand auf der Straße tatsächlich nachgelassen?

Der Rückgang der Massenproteste auf der Straße hat verschiedene Gründe. Ein Teil der Gewerkschaftsführungen setzt auf ein gutes Ergebnis für Syriza bei den Europawahlen. Sie argumentieren gegenüber ihrer Basis, dass diese sich in den vergangenen Jahren an so vielen Protesten beteiligt habe und es jetzt an Zeit sei, ihren Protest bei der Wahl auszudrücken. Diese Argumentation überzeugt auch einen Teil der Gewerkschaftsbasis, weil sie in den vergangenen Jahren viele Niederlagen bei Arbeitskämpfen erlebt hat. So wurde der monatelange Kampf der Stahlarbeiter 2012 beendet, ohne dass die Arbeiter einen Erfolg verzeichnen konnten.

Hat nicht auch der Aufstieg der Partei Chrysi Avgi »Goldene Morgenröte« den Aktivismus gebremst? Schließlich wird die Nazipartei auch von Menschen gewählt, die sich an den Protesten beteiligt haben.

Ich bin sehr vorsichtig mit dieser Einschätzung, schließlich argumentieren die Troika-Parteien ständig damit, dass die Massenproteste zum Aufstieg der Neonazis geführt hätten. Dabei hat die »Goldene Morgenröte« noch 2011 die Proteste der Bewegung der Empörten verurteilt. Es ist allerdings richtig, dass die unklaren Parolen dieser Bewegung ein Nährboden für die Rechten waren. Die Proteste gingen über allgemeine Parolen gegen das Memorandum der Troika nicht hinaus, klassenkämpferische Inhalte fehlten. Die »Goldene Morgenröte« versuchte, an den populistischen Parolen und dem diffusen Nationalismus anzuknüpfen, der sich in der Bewegung der Empörten auch durch die vielen griechischen Fahnen ausdrückte. Sie versucht, Stimmen aus dem Arbeitermilieu zu bekommen, und bedient sich dazu auch Anti-Memorandum-Parolen. Doch ihre zentrale Kampagne richtet sich gegen die Migranten in Griechenland.

Vor einigen Wochen musste ein hoher Regierungsbeamter und enger Vertrauter des rechtskonservativen Ministerpräsidenten Antonis Samaras wegen enger Kontakte mit der »Goldenen Morgenröte« zurücktreten. Was bedeutet das für den vermeintlichen Kampf der Regierung gegen rechts?

Eigentlich hätte es einen großen Aufschrei geben und die Regierung hätte zurücktreten müssen. Aber die griechischen Medien, die den Regierungsparteien nahestehen, haben sofort erklärt, es sei ein individuelles Fehlverhalten des Regierungsbeamten gewesen, von dem sonst niemand in der Regierung gewusst habe. Von diesem Vorfall kann die »Goldene Morgenröte« profitieren.

Spielt die Nazipartei politisch weiterhin eine wichtige Rolle?

Ja, denn sie profitiert von der Zersplitterung der linken Kräfte. Es gab keine geschlossene Gegenwehr gegen die Faschisten. Sicher gibt es in einigen Städten Antifagruppen, die viel Zeit und Kraft in den Kampf gegen die Rechten investiert haben. Doch diese Gruppen sind immer noch klein, werden von der Justiz kriminalisiert und von den regierungsnahen Medien angegriffen. Auch die antirassistische Bewegung in Griechenland ist zersplittert. Verschiedene linke Gruppen und Parteien haben eigene antirassistische Organisationen, aber zu einem gemeinsamen Vorgehen ist es nicht gekommen. Der Staat hat dadurch die Ge­legenheit, sich als Hüter der Gerechtigkeit zu inszenieren, der vermeintlich gegen die »Goldene Morgenröte« vorgeht. Die rassistische Flüchtlingspolitik in Griechenland, die mittlerweile europaweit bekannt ist, wird dabei völlig ignoriert.

In der jüngsten Zeit wurden erste Proteste gegen Zwangsräumungen in Griechenland bekannt. Könnte sich hier ein neuer Alltagswiderstand entwickeln?

In Griechenland besitzen viele Menschen Eigentumswohnungen oder Häuser, statt dass sie zur Miete wohnen. Sie haben daher monatlich hohe Ausgaben für Kredite und Hypotheken. In der allgemeinen Krise des Landes können viele Menschen diese Kosten nicht mehr aufbringen. Bisher gab es ein Räumungsmoratorium in Griechenland. Vor einigen Wochen hat es aber erste Zwangsräumungen gegeben. Durch Proteste konnten jedoch einige verhindert werden. In Athen gibt es wöchentliche Kundgebungen vor Gebäuden, in denen Zwangsräumungen durchgeführt werden sollen. Ob sich daraus eine größere Bewegung entwickelt, wird auch davon abhängen, ob die Zahl der Räumungen steigt. Das ist bislang offen. Die Regierung möchte verhindern, dass sich hier ein neues Kampffeld entwickelt.

http://jungle-world.com/artikel/2014/21/49918.html

Interview: Peter Nowak

Basis blockiert Bosse

In Italien kämpfen die Logistikarbeiter

«Vor zwei Jahren hatte unsere Gewerkschaft in Rom drei Mitglieder. Heute sind es dreitausend», erklärt Karim Facchino. Er ist Lagerarbeiter und Mitglied der italienischen Basisgewerkschaft S.I. Cobas. Eine Delegation italienischer Gewerkschafter aus der Logistikbranche und Unterstützern aus der außerparlamentarischen Linken reiste vorige Woche durch Deutschland. Die Gruppe berichtete bei Veranstaltungen in Esslingen, Köln und Berlin über Arbeitskämpfe in der italienischen Logistikbranche, die sich schon über vier Jahre hinziehen und hierzulande bisher kaum bekannt sind.

Diese Auseinandersetzungen sind auch der Grund für den rasanten Mitgliederzuwachs der S.I. Cobas, in der sich die Logistikbeschäftigten organisiert haben. «Die Gewerkschaft hat keine bezahlten Funktionäre, nur einen Koordinator, doch sein Platz ist nicht am Schreibtisch eines Büros sondern auf der Straße und vor der Fabrik», sagt Facchino.

Träger der Auseinandersetzungen beispielsweise waren schlecht bezahlte Lagerarbeiter großer Warenhäuser, die aus vielen europäischen, arabischen und nordafrikanischen Staaten angeworben worden waren. Sie sind oft nicht direkt bei den Warenhäusern sondern bei Subunternehmen angestellt. «Die Bosse haben gedacht, wir können uns nicht wehren, doch da haben sie sich getäuscht», so Facchino, der in Marokko geboren wurde.

Die Beschäftigten fordern die Verkürzung der Arbeitszeiten und höhere Löhne. Ein zentrales Mittel im Arbeitskampf waren Blockaden, wenn Waren angeliefert worden sind. Die Polizei ging oft mit brutaler Gewalt gegen die Beschäftigten vor. Die Bilder von Arbeitern, die von der Polizei blutig geschlagen wurden, sorgten in ganz Italien für Empörung. Dadurch wurde die Unterstützung für die Forderungen der Beschäftigten größer. Die Unterstützergruppen nutzten auch Filme und Videos, um den Kampf der Beschäftigten bekannt zu machen. «Damit bekamen viele Menschen, die bisher wenig von dem Arbeitskampf wussten, eine Ahnung von der Entschlossenheit der Beschäftigten, für ihre Forderungen zu kämpfen und von der Staatsgewalt, der sie ausgesetzt waren, berichte ein Mitglied der Initiative Clash City Workers. Darin haben sich außerparlamentarische Linke organisiert, die die Arbeitskämpfe unterstützen und die Verbindung zwischen den Beschäftigen, linken Gruppen und sozialen Zentren in Italien aufrecht erhalten.

Die Unterstützungsarbeit ist vielfältig. Öffentlichkeitsarbeit mit Zeitungen, Videos und Filmen gehört ebenso dazu wie die Beteiligung an einer Blockade oder einen Streikposten. Aber auch die Verbindung verschiedener Bewegungen ist den Unterstützern wichtig. So wurde bei einem Streik der Müllarbeiter Kontakt zu ökologischen Gruppen hergestellt, die ein neues Recyclingkonzept entwickelt hatten. Ein Ziel der Rundreise durch Deutschland war für die Delegation auch die bessere Koordination der Arbeitskämpfe. Sie beteiligte sich auch an der Protestaktion vor einer IKEA-Filiale in Berlin.

Denn in den letzten Tagen war der Arbeitskampf des zentralen südeuropäischen IKEA-Logistikzentrums in Piacenza wieder aufgeflammt. Nachdem die Geschäftsführung 70 gewerkschaftliche Aktivisten mit Disziplinarmaßnahmen belegte und 30 Gewerkschafter entließ, blockierten die Beschäftigen mehrere Tage die Zufahrtswege zu dem Werk. Am 9. Mai wurde ein Arbeiter schwer verletzt, als ein Auto in die Blockade raste.

Infos und Filme: de.labournet.tv

https://www.neues-deutschland.de/artikel/933873.basis-blockiert-bosse.html

Peter Nowak

Wirtschaft ohne Werte

»Grenzenlos solidarisch – für eine Demokratie von unten!«, »There is an Alternative – Kommunismus supergeil«. So unterschiedlich waren die Parolen bei einer Demonstration mit mehr als 3 000 Teilnehmern, die am Samstagnachmittag vom Berliner Oranienplatz zum Gendarmenmarkt zog. Sie war Teil der europaweiten »Block­upy«-Aktionstage, mit denen eine Woche vor den Europawahlen Widerstand unterschiedlichster Art unterstützt werden sollte. In Hamburg war die Baustelle der Elbphilharmonie Ziel der Demons­tranten. In Frankfurt am Main wurde eine Wahlveranstaltung der rechtskonservativen »Alternative für Deutschland« gestört. In Berlin stellten die Flüchtlinge vom Oranienplatz einen großen Block der Demonstration, mit der Aktion begann auch ihr Protestmarsch nach Brüssel. Ort und Datum waren gezielt gewählt, wenige Tage vor der Europawahl wurden so in der EU-Hauptstadt jene europäischen Werte eingefordert, die bei Wahlveranstaltungen und in den Medien derzeit Konjunktur haben. Die passende Musik kam von Tocotronic-Sänger Dirk von Lowtzow, der seinen Song »Fuck You Frontex« spielte. In den Städten wurde vorgeführt, wie schnell Grundrechte außer Kraft gesetzt werden, wenn Menschen ihren Protest auf die Straße tragen. In Brüssel wurden am vergangenen Donnerstag 240 Menschen bei friedlichen Protesten gegen den »European Business Summit«, ein Lobbytreffen der Wirtschaft, festgenommen. Zu den Protesten hatte die Allianz »D19-20«, ein Zusammenschluss von Gewerkschaften, Umwelt- und Bauernorganisationen aufgerufen. Auch in Berlin griff die Polizei die Demonstration an, mehrere Teilnehmer wurden festgenommen. Die Demonstration wurde daraufhin kurz vor der geplanten Abschlusskundgebung aufgelöst. Mit Repression und Massenfestnahmen sind die Aktivisten von »Blockupy« bereits vertraut. Im vorigen Jahr wurden Tausende Demonstranten in Frankfurt am Main stundenlang in einem Kessel festgehalten.

http://jungle-world.com/artikel/2014/21/49910.html

Peter Nowak

„Kein Unglück, sondern ein Massaker“

Hungern gegen Ignoranz

Nachdem die Flüchtlinge vom Berliner Alexanderplatz ihren Hungerstreik aufgegeben hatten, bemühten sie sich vergeblich um Kirchenasyl.

»Wir sind Menschen, genau wie ihr. Und wir wollen die gleichen Rechte wie ihr. Wir wollen unter den gleichen Bedingungen leben wie ihr.« Diesen »Aufruf an die Zivilgesellschaft« richtete eine Gruppe von Geflüchteten, die sich »Asylum Rights Evolution« nennt. Am 3. Mai begann an der Weltzeituhr auf dem Alexanderplatz in Berlin ihr Hungerstreik, mit dem sie ein Bleiberecht und Korrekturen des Asylrechts einforderten. Doch die Polizei genehmigte nur einen für die Protestierenden ungünstigen Platz vor der Kongresshalle. Der Ort ist zugig und die Zahl der Passanten ist gering. Gravierender aber war, dass die durch ihren Hunger- und Durststreik geschwächten Menschen an einen Ort verwiesen wurden, an dem sie rund um die Uhr dem Lärm und den Emissionen einer vielbefahrenen Straße ausgesetzt waren. Obwohl sich der Gesundheitszustand der Menschen nach Beginn ihres Durststreiks verschlechterte, beteiligten sich an zwei Kundgebungen vor dem Bundesinnenministerium nie mehr als 70 Menschen. Am Sonntag brachen die Flüchtlinge ihren Hunger- und Durststreik ab und wollten im Rahmen des Kirchenasyls weiter für ihre Forderungen kämpfen. In der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche sei ihnen allerdings mit der Polizei gedroht worden, so die Flüchtlinge, die daraufhin vor dem Gebäude ihr Nachtlager aufschlugen.

Der Verlauf des Protests machte deutlich, dass von einer Solidaritätsbewegung für Geflüchtete, wie es sie in den letzten Monaten in Hamburg gab, in Berlin nicht die Rede sein kann. Selbst als sich der Gesundheitszustand einiger Hunger- und Durststreikender verschlechterte, blieb der Kreis der Unterstützer klein. Nach der Räumung des Camps auf dem Kreuzberger Oranienplatz hat das antirassistische Engagement nachgelassen. Am Abriss der Zelte hatten sich einige Flüchtlinge selbst beteiligt und Unterstützer und Aktivisten, die auf dem Platz bleiben wollten, beschimpft und teilweise tätlich angegriffen. Eine Gruppe von Geflüchteten, die seit der Räumung des Camps am 8. April auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes campiert, war erst vorige Woche mit einem Polizeieinsatz konfrontiert worden. Dabei wurden sämtliche Gegenstände beschlagnahmt, die nicht bei einer »Ansammlung unter freien Himmel« erlaubt sind. Lediglich eine Decke, ein Kissen und einen Schirm pro Person durften sie behalten. Wie die Taz berichtete, hatte sich bereits Mitte März ein fünfköpfiges Gremium unter dem Vorsitz der Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann (Grüne), darauf geeinigt, dass eine Inanspruchnahme öffentlicher Grünflächen nicht mehr geduldet wird, wenn sie nicht durch das Versammlungsrecht oder eine Sondernutzungserlaubnis gedeckt ist.

In der Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung monierten Abgeordnete der Linkspartei vorige Woche, damit werde gegen eine »jahrzehntelange Tradition politischen Ungehorsams« in Fried­richshain-Kreuzberg vorgegangen. Herrmann empörte sich über die Weitergabe der »Verschluss­sache«. Die Unterstützer der Geflüchteten sowie die Grünen in Kreuzberg werden nicht nur von der rechten Boulevardpresse angegriffen. Auch der Historiker und ehemalige Linke Götz Aly attackierte sie in einen Kommentar in der Berliner Zeitung für ihre Unterstützung und Toleranz der Flüchtlingsproteste. Die bundesdeutsche Flüchtlingspolitik wird von Aly hingegen nicht kritisiert.

http://jungle-world.com/artikel/2014/20/49869.html

Peter Nowak

Allein im Truck

»Wir Fahrer sind nicht eure Sklaven oder Plagen, sondern eure Versorger«, stand auf dem Transparent an einem der zehn LKW, die am Samstag rund um das Brandenburger Tor postiert waren. Etwa 300 Menschen hatten sich zur Abschlusskundgebung des Trucker-Aktionstags gegen Dumpinglöhne und schlechte Arbeitsbedingungen eingefunden. Die Organisatoren waren über die geringe Resonanz in Berlin enttäuscht, trösteten sich aber damit, dass es im Rahmen des Aktionstages in sieben europäischen Hauptstädten besser besuchte Veranstlatungen gab. Grund genug für Protest haben sie. Stundenlöhne unter fünf Euro und lange Arbeitstage seien für LKW-Fahrer Alltag, monierten mehrere Redner. Während der Vertreter eines mittelständischen Transportunternehmens einer Abschottung gegenüber ausländischen Fahrern das Wort redete, wandten sich andere klar gegen jeglichen Standortnationalismus. Beschäftigte des Kölner Ford-Werks appellierten an die Trucker, aus den schlechten Erfahrungen in der Autobranche zu lernen und sich nicht an einer Konkurrenz der Standorte zu beteiligen. Ihrem Beitrag wurde ebenso applaudiert wie der Grußadresse der japanischen Bahngewerkschaft Doro Chibo. Aus Deutschland beteiligten sich S-Bahnbeschäftigte und die Mitglieder der AG Taxi von Verdi an den Protesten, ansonsten blieb Unterstützung von den DGB-Gewerkschaften aus. Dafür übten Basisgewerkschaften wie die FAU, die Wobblies und das Bündnis »Der klassenkämpferische Block« Solidarität mit den Prekären der Autobahn. Ihre Transparente mit antirassistischen Inhalten prägten die Kundgebung. Von den vorab um Unterstützung gebetenen Bundestagsparteien hatte nur die Linkspartei zustimmend reagiert. Ihr Fraktionsvorsitzender Gregor Gysi hatte die Lacher auch noch auf seiner Seite, als er die Trucker am Schluss seines Redebeitrags launig dazu aufforderte, ein Geschenk zu kaufen, um die Stadt Berlin zu unterstützen. Schließlich sei die auch pleite.

http://jungle-world.com/artikel/2014/19/49828.html

Peter Nowak

Arbeit neu definieren

Ein breites Bündnis von Attac über Naturfreunde bis ver.di will Diskussion zur 35-Stunden-Woche neu beleben.

Die Verkürzung der Vollarbeitszeit auf eine 30-Stunden-Woche ist das Ziel eines eintägigen Kongresses am kommenden Samstag in Hamburg. Weitere Forderungen sind eine neue Definition des Arbeitsbegriffs sowie die Abkehr vom Wachstumszwang. Veranstaltet der Kongress von verschiedenen sozialen Initiativen wie der globalisierungskritischen Organisation Attac, den Naturfreunden, der Rosa Luxemburg Stiftung und mehreren Sozialbündnissen.

Mit verschiedenen Hamburger ver.di-Gruppen, der GEW, dem Vertrauensleutekörper des Haustechnikhersteller Honeywell und der ICE Bergedorf sind auch Gewerkschaften vertreten. Die Hamburger ver.di-Gewerkschafterin Siggi Frieß, eine bekannte Vertreterin der Arbeitszeitverkürzung, ist für einen Vortrag geladen sowie der Wachstumskritiker Nico Paech und die wegen ihrer Kritik an der Hartz-IV-Praxis entlassene Jobcenter-Mitarbeiterin Inge Hannemann. »Das Thema Arbeitszeitverkürzung gehört wieder auf die Tagesordnung. Sie bietet die Möglichkeit, große Probleme wie die Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen«, erklärten ver.di-Mitglied Daria Schönemann und Attac-Mitglied Dirk Schwarzer in der Kongressankündigung.

In den 1980er Jahren gab es in der BRD eine gesellschaftliche Bewegung für die 35-Stunde-Woche, die weit über das gewerkschaftliche Milieu hinausreichte. Dass das heute nicht einmal in den Gewerkschaften der Fall ist, zeigt das Fehlen wichtiger DGB-Gewerkschaften wie der IG-Metall auf dem Kongress. Dabei sorgen die in vielen Branchen umgesetzte Arbeitszeitverlängerung und -verdichtung für Unmut und Krankheiten bei vielen Beschäftigten. Daher kann es fruchtbar sein, dass auch Beschäftigte und Gewerkschafter ihre Teilnahme angekündigt haben, die vor mehr als 30 Jahren in den Kampf um die 35-Stunden-Woche involviert waren.

Kongress »Arbeitszeitverkürung – Ein Weg aus der Krise?«, Gewerbeschule 1, Angerstraße 7, Hamburg. Im Internet unter: www.kongress-azv2014.de/

http://www.neues-deutschland.de/artikel/932400.arbeit-neu-definieren.html

Von wegen Easy Rider auf der Straße

TRUCKERDEMO In Berlin protestieren Lkw-Fahrer gegen ihre Niedriglöhne und den Konkurrenzkampf

Stundenlöhne von zum Teil unter 5 Euro und überlange Arbeitstage – in Berlin haben am Samstag Trucker gegen Lohndumping und schlechte Arbeitsbedingungen protestiert.

„Wir sind nicht eure Sklaven, sondern eure Versorger“, so die Parole. Ingo Schulze vom Kraftfahrerclub Deutschland hatte die Proteste mit vorbereitet. Er beklagt das Sinken der Löhne – aber auch, dass nur zehn Lkws am Samstag am Brandenburger Tor stehen. Allerdings protestierten zeitgleich Fahrer auch in Den Haag, Rom, Stockholm, Oslo, Kopenhagen und Madrid.

Sie fordern einheitliche Ausbildungsstandards und Mindestlöhne – und die Einhaltung der Kabotageregeln. „Kabotage“ nennt man das Erbringen von Transportdienstleistungen in einem Land durch ein ausländisches Verkehrsunternehmen. Eigentlich darf ein ausländisches Fahrzeug in einem EU-Mitgliedsstaat drei Fahrten pro Woche übernehmen. Doch oft seien ausländische Fahrzeuge wochenlang ununterbrochen in Europa unterwegs, monierten verschiedene Redner. Sie stellten aber auch klar: Ihr Protest richtet sich nicht gegen ausländische Kollege, sondern gegen die schlechten Arbeitsbedingungen, von denen alle Trucker betroffen seien.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=in&dig=2014%2F05%2F05%2Fa0048&cHash=35557cf3d0c5248900e9f858c4182cd1

Peter Nowak

Von wegen Easy Rider

Von wegen Easy Rider

In Berlin demonstrieren LKW-Fahrer gegen ihre Arbeitsbedingungen – und den europäischen Konkurrenzkampf auf den Straßen.

Stundenlöhne von zum Teil unter 5 Euro und überlange Arbeitstage – in Berlin haben am Samstag Trucker gegen Lohndumping und schlechte Arbeitsbedingungen protestiert.

„Wir sind nicht eure Sklaven, sondern eure Versorger“, so die Parole. Ingo Schulze vom Kraftfahrerclub Deutschland hatte die Proteste mit vorbereitet. Er beklagt das stetige Sinken der Löhne in den letzten Jahren – aber auch, dass nur zehn LKW am Samstag am Brandenburger Tor, dem Ort der Abschlusskundgebung, stehen. „Wir haben es wieder nicht geschafft, die Masse der LKW-FahrerInnen zu mobilisieren“, so Schulze. Allerdings protestierten zeitgleich Fahrer auch in Den Haag, Rom, Stockholm, Oslo, Kopenhagen und Madrid.

Sie fordern einheitliche Ausbildungsstandards und Mindestlöhne – und die Einhaltung der Kabotageregeln. „Kabotage“ nennt man das Erbringen von Transportdienstleistungen in einem Land durch ein ausländisches Verkehrsunternehmen. Eigentlich darf ein ausländisches Fahrzeug in einem EU-Mitgliedsstaat drei Fahrten pro Woche übernehmen.

Doch oft seien ausländische Fahrzeuge wochenlang ununterbrochen in Europa unterwegs, monierten verschiedene Redner. Sie stellten aber auch klar: Ihr Protest richtet sich nicht gegen ausländische Kollege, sondern gegen die schlechten Arbeitsbedingungen, von denen Trucker in allen Ländern betroffen seien.

In einer Grußadresse bekräftigten Beschäftigte des Kölner Ford-Werkes, dass sich die LKW-Fahrer der verschiedenen Länder nicht spalten lassen dürfen. Unterstützung gab es auch von einer japanischen EisenbahnerInnengewerkschaft, Berliner S-BahnfahrerInnen, dem Klassenkämpferischen Block Berlin und der AG Taxi bei der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. Auch Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzender der Linkspartei, hielt vor den Truckern eine kurze Ansprache.

http://www.taz.de/Truckerproteste-in-der-Hauptstadt/!137852/

Peter Nowak

Berichte vom griechischen Alltag

Eine Delegation griechischer Gewerkschafter bereist um den 1. Mai herum Deutschland, um für eine Abkehr von der Austeritätspolitik zu werben.

Nikos Antoniou, der im Moment mit Gewerkschaftskollegen durch Deutschland reist, hat eine Mission. „Die Regierungen in Deutschland und Griechenland erklärten ihrer Bevölkerung, dass sie gegeneinander konkurrieren müssen“, sagt er. „Wir sagen hingegen zu den Lohnabhängigen in Deutschland: Lasst uns kooperieren gegen die Austeritätspolitik der Troika“.

Antoniou ist aus Griechenland angereist, er ist der Chef der Athener Gewerkschaft Buch und Papier. Es ist ein symbolträchtiger Besuch: Die Delegation aus Griechenland macht Station in Städten wie Berlin, Bremen, Hamburg, Köln oder Salzgitter. Die GewerkschaftsvertreterInnen und ArbeiterInnen wollen aus dem Alltag des krisengebeutelten Landes berichten, um Solidarität werben und Stellung nehmen zu aktueller Politik.

Außerdem nehmen sie an Kundgebungen und Demonstrationen zum 1. Mai teil. Eingeladen hat sie der Arbeitskreis Internationalismus in der IG Metall Berlin und die zivilgesellschaftliche Initiative Real Democracy Now! Berlin/GR. Der Terminkalender der Griechen ist mit Veranstaltungen, Seminaren und Gesprächen vollgepackt.

Die Abkehr von der Austeritätspolitik, die EU-Staaten einen harten Sparkurs vorschreibt, ist nicht nur Antonious‘ Ziel. Auch der IG-Metall-Arbeitskreis hat sich dies auf die Fahne geschrieben, als er die deutsch-griechische Kooperation vor zwei Jahren anbahnte. Zweimal haben deutsche GewerkschafterInnen Griechenland besucht. Jetzt reist ist zum zweiten Mal eine Delegation aus Griechenland durch Deutschland.

„Den Anstoß für die Initiative gab ein Streik in einem griechischen Stahlwerk, den wir unterstützen wollten“, berichtet AK-Mitglied Andreas Hesse. Der Ausstand wurde längst beendet, aber die Kooperation lief weiter. Allerdings hat sich der Diskurs über Griechenland in Deutschland verändert.

Vom „Pleitegriechen“ zum „sensationelle Comeback“

Im letzten Jahr bestimmten Meldungen von „Pleitegriechen“ die Schlagzeilen. Jene, so die Forderung mancher Journalisten, sollten bitteschön den Euro verlassen. In den letzten Tagen vermeldete die Springerpresse unter der Überschrift „Das sensationelle Comeback der Krisen-Griechen“, das Land habe die Kreditfähigkeit wieder erlangt.

„Dieses Bild hat mit der Wirklichkeit eines Großteils der Menschen in Griechenland nichts zu tun“, betont der Gewerkschafter Antoniou. Er schildert die Situation in Griechenland anders. In einem Land mit 10 Millionen Einwohnern gibt es nach offiziellen Angaben 1,5 Millionen. Nur zehn Prozent von ihnen bekommen ein Jahr lang finanzielle Unterstützung von monatlich 369 Euro, wenn sie älter als 25 Jahre sind.

Etwa 800.000 Menschen arbeiteten unbezahlt im Privatsektor. „Rechte für Arbeiter und Arbeiterinnen gibt es nicht mehr. Und die Löhne gleichen Trinkgelder“, lautet Nikos Antonious Fazit. Seine KollegInnen und er wollen in Deutschland allerdings nicht Almosen sondern politische Solidarität. Tarifverträge seien abgeschafft, sagt Antoniou. „Mit der Troikapolitik wurde unser Land zum Experimentierfeld für Niedriglohn und Entrechtung. Bald können auch Länder wie Deutschland davon betroffen sein.“

Doch nicht nur Krisenmeldungen hatten die GewerkschafterInnen zu vermelden. „Wir kommen aus einem Land der Krise, in der das Bildungs- und Gesundheitssystem zusammengebrochen sind. Aber wir kommen auch aus einem Land des Widerstandes und der solidarischen Projekte“, erklärt Dimitris Koumatsiolis. Er arbeitet in dem besetzten und selbst verwalteten Betrieb VIO.ME in Thessaloniki. Die Beschäftigten haben kürzlich die Produktion ökologischer Reinigungsmittel aufgenommen. Ein europäisches Vertriebsnetz ist in Vorbereitung

http://www.taz.de/Gewerkschaftliche-1Mai-Solidaritaet/!137687/

Peter Nowak

Die neue Speerspitze der ArbeiterInnenbewegung

Über die Notwenigkeit gewerkschaftlicher Organisierung im Care-Bereich

Die verstaubten Verhältnisse wegcaren. Aufkleber mit dieser Parole finden sich noch zahlreich im Berliner Stadtbild. Es sind Erinnerungen an die Aktionskonferenz Care-Revolution, die dort Mitte März stattgefunden hatbenutzen. Nicht nur die große Resonanz, auf die der Kongress stieß, macht deutlich, dass es sich hier nicht um eine der vielen Konferenzen handelt, die schnell wieder vergessen sind. Es war bei vielen der meist jungen TeilnehmerInnen fast eine Aufbruchstimmung zu spüren. Ein neues Thema und moderne Slogans, die auch gesellschaftlich im Trend sind wann kann eine linke Bewegung das schon einmal von einer Debatte behaupten? Doch genau hier liegt eine Gefahr. Denn der ganze Hype um das Neue und Moderne, das die Thematik der Care-Revolution ausstrahlt, lässt schnell in Vergessenheit geraten, dass es sich eigentlich um ein sehr altes Thema handelt. Nur lange Zeit wurde es unter dem Begriff Reproduktionsarbeit gefasst. Das klingt manchen dann doch zu altmodisch. Seither gibt es gleich eine ganze Reihe neuerer Begriffe. Care-Revolution steht dabei eindeutig auf dem ersten Platz. Doch auch von Sorgearbeit wird häufig gesprochen.

Daher hat die Berliner Politikwissenschaftlerin Pia Garske in einem Beitrag in der Zeitschrift analyse und kritik den Care-Begriff als beliebig kritisiert: Seine Offenheit und auch die unscharfen Bestimmungen von AkteurInnen und möglichen Interessengegensätzen macht ihn zu einem Containerbegriff, der gbenutzenanz unterschiedlich, auch neoliberal gefüllt werden kann. Ein Beispiel dafür ist die Auslagerung von Care-Arbeit auf Frauen, in seltenen Fällen auch Männern, aus den Krisenländern der europäischen Peripherie aber auch aus Asien sowie Zentral- und Lateinamerika. Deutsche Frauen aus der Mittelschicht erlangen so mehr persönliche Autonomie für ihre berufliche Karriere. Für die CarearbeiterInnen, die oft sogar mit im Haushalt leben, gilt das allerdings nicht.

Es wäre naiv zu glauben, dass der Kapitalismus nicht auch Teile der Care-Revolution-Debatte für seine Modernisierung vereinnahmen kann, so wie es die Umweltbewegung und viele andere neue soziale Bewegungen erleben mussten. Gerade aus einem syndikalistischen Verständnis heraus wäre es wichtig, die Veränderungen in der Arbeitswelt in den letzten Jahren in den Blick zu nehmen, die mit dazu beigetragen haben, dass die Care-Revolution-Debatte nicht nur in Deutschland an Bedeutung gewonnen hat. Diese Veränderungen brachten Jörn Boewe und Johannes Schulten in einem Beitrag in der Wochenzeitung Der Freitag etwas zugespitzt so auf den Punkt: Vor 30 Jahren schrieben Männer im Blaumann Tarifgeschichte: Stahlkocher, Automobilbauer und Drucker erkämpften 1984 in wochenlangen Streiks den Einstieg in die 35-Stunden-Woche. Heute, 30 Jahre später, ist die Speerspitze der Arbeiterbewegung überwiegend weiblich und trägt blaue, grüne und weiße Kittel.

Man kann den Kampf um die Verbesserung der Arbeitsverhältnisse in der Berliner Charité als aktuelles Beispiel heranziehen. Die Beschäftigten waren auf der Care-Revolution-Konferenz vertreten. Zeitgleich fand ebenfalls in Berlin ein Treffen des Netzwerks europäischer BasisgewerkschafterInnen statt. Leider gab es keine Bezugnahme aufeinander, was nicht nur im Bereich Gesundheit möglich und wünschenswert gewesen wäre. Das soll keine Kritik, sondern eine Aufforderung sein, die Care-Arbeit in gewerkschaftlichen Zusammenhängen zu organisieren und nicht erst, wenn der nächste Kongress ansteht.

aus: Direkte Aktion, Mai/Juni 2014


Peter Nowak