Am Wochenende tagte das Bündnis »Wir zahlen nicht für Eure Krise« / Christina Kaindl aus Berlin ist Mitbegründerin des bundesweiten Anti-Krisen-Bündnisses
ND: Sie haben am vergangenen Samstag eine bundesweite Aktionsberatung in Wiesbaden durchgeführt. Was war der Inhalt dieser Konferenz?
Kaindl: An dem Treffen haben mehr als 80 Personen teilgenommen. Es gab Referate zu den ökonomischen Aspekten der Krise und zur Stimmung in der Bevölkerung. Ein weiterer Schwerpunkt war die Vorbereitung der beiden bundesweiten Anti-Krisen-Demonstrationen, die am 12. Juni in Stuttgart und Berlin stattfinden werden.
Unter welchem Motto werden die stehen?
Wir haben uns darauf verständigt, das Motto »Wir zahlen nicht für Eure Krise«, unter dem bereits die bisherigen Demos standen, beizubehalten. Der Untertitel wird lauten: »Gemeinsam gegen Erwerbslosigkeit, Kopfpauschale und Bildungsabbau«. Damit wollen wir uns auf die Bildungsproteste beziehen, die Anfang Juni geplant sind. Auch der Protest gegen die geplante Kopfpauschale soll in die Mobilisierung zu den Demonstrationen einfließen. Wie schon im vergangenen Jahr werden auch zum 12. Juni regionale Bündnisse mit eigenen Aufrufen mobilisieren. So heißt das Motto des Berliner Bündnisses »Die Krise heißt Kapitalismus«.
Ist angesichts der vielen Meldungen von einem Ende der Wirtschaftskrise eine Anti-Krisendemo nicht anachronistisch?
Die Probleme der Kapitalverwertung, die zu der Krise geführt haben, sind nicht gelöst; die Regulation der Finanzmärkte ist unterblieben. Auf den Wirtschaftsseiten mancher Zeitungen wird vor neuen Spekulationsblasen gewarnt. Bernd Riexinger von ver.di Stuttgart hat sich auf der Konferenz ausführlich mit den ökonomischen Hintergründen der Krise auseinandergesetzt und beschrieben, dass auch in den Belegschaften die Unruhe wächst. Die Probleme von Erwerbslosigkeit, Kurzarbeit und Sozialabbau brauchen Widerstand von unten.
Aber hat sich nicht ein großer Teil der Bevölkerung mit den von der Bundesregierung favorisierten Maßnahmen wie der Kurzarbeit abgefunden?
Mit diesen Maßnahmen wurde das Problem nur verschoben, aber nicht gelöst. In Zukunft können Firmenzusammenbrüche, die mit Entlassungen verbunden sind, nicht mehr ausgeschlossen werden. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung ist ja in vielen Umfragen belegt. Verlängerung der Kurzarbeit geht für die Betroffenen auch mit der Befürchtung einher, nie wieder das frühere Lohnniveau erreichen zu können.
Eine weitere Folge der Krise ist die immense Verschuldung der Kommunen. Mehreren Städten im Ruhrgebiet droht die Insolvenz. Sie können dann keinen eigenen Haushalt mehr beschließen. Gebührenerhöhungen und Schließungen von städtischen Einrichtungen drohen ebenso wie weitere Privatisierungen. Das wird die Spaltung in diejenigen, die sich die privatisierten Dienstleistungen leisten können, und diejenigen, die es nicht können, verschärfen.
Muss nicht trotzdem damit gerechnet werden, dass die Demonstrationen eher klein werden?
Ich bin nach der Aktionskonferenz wieder optimistischer. Die Demonstrationen stehen ja auch im Zusammenhang mit den Klimaprotesten am 5. Juni in Bonn und den Bildungsprotesten am 9. Juni. In Süddeutschland haben sich viele Gewerkschafter gegen eine Verschiebung der Proteste auf den Herbst mit den Worten gewandt, wie lange wir noch warten sollen. In den nächsten Wochen wird viel von der Mobilisierung vor Ort abhängen. Demnächst wird es Mobilisierungsmaterial und eine Autobusbörse auf der zentralen Homepage kapitalismuskrise.org geben.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/169530.warum-noch-krisen-proteste.html
Fragen: Peter Nowak