Ein aufgebauschter Skandal

vom 23 Oktober 2024

Nicht dass Affen und Menschen im Labor Tests über die Schädlichkeit von Abgasen unterzogen werden, ist das Problem, sondern die alltäglichen Menschenversuche der Autoindustrie auf unseren Straßen

„Tests in keiner Weise zu rechtfertigen“: Das war am Montag der Tenor, als durch einen Artikel der New York Times bekannt wurde, dass die deutsche Automobilindustrie Untersuchungen in Auftrag gegeben habe, um die angebliche Unschädlichkeit der Dieselmotoren zu belegen.

Von Angela Merkel bis Katja Kipping gab es bald keinen Politiker und keine Politikerin mehr, der oder die nicht Empörung über diese Versuche äußerte. Doch meistens kam die Kritik nicht über eine moralische Verurteilung hinaus. „Unangemessen“ und „menschenverachtend“ waren die Vokabeln.

Dabei wäre es doch sinnvoller, erst einmal zu schauen, was da eigentlich passiert ist und wie sich die Versuche von den vielen anderen unterscheiden, die tagtäglich gemacht werden.

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Glyphosat-Streit: Profit gegen Gesundheit

vom 23 Oktober 2024

In einer Gesellschaft, in der der Profit das Maß aller Dinge ist, stehen eben nicht Gesundheitsfragen an erster Stelle

Ein CSU-Minister macht in Brüssel einen Alleingang und sorgt so dafür, dass Unkrautmittel Glyphosat erst einmal weiter verwendet werden kann. Nun blicken alle politischen Beobachter auf die Folgen für die neuen Sondierungsgespräche zwischen der SPD und der Union. „Glyphosat-Streit: Profit gegen Gesundheit“ weiterlesen

Krankmeldung als Waffe in einer „kranken Arbeitswelt“?

vom 23 Oktober 2024

Viele Beschäftige in Deutschland könnten sich an den Piloten ein Beispiel nehmen. Sie sollten eher auf ihre Gesundheit achten, als krank zur Arbeit zu gehen. Ein Kommentar

Sie hätten fehlenden Anstand, seien feige und könnten sich nicht auf das Arbeitsrecht berufen. So wurden im Deutschlandfunk[1] die Air-Berlin-Piloten beschimpft, die sich in den vergangenen Tagen vermehrt krank gemeldet hatten. Der Wirtschaftsjournalist Thomas Weinert machte auch gleich deutlich, warum er sich so darüber echauffiert. „Jeder Investor wird sich fragen, ob er sich so ein Betriebsklima leisten kann.“

Und immer an den Standort denken

„Eine kollektive Krankmeldung in der jetzigen Situation ihres Arbeitgebers „Krankmeldung als Waffe in einer „kranken Arbeitswelt“?“ weiterlesen

Die besseren Manager

Um für Mitglieder attraktiver zu werden, wollen die Gewerkschaften ihre Arbeit modernisieren. Dabei setzen sie auf den »Standort« und betriebswirtschaftliche Professionalität.

Haben die DGB-Gewerkschaften noch eine Chance oder sind sie ein Auslaufmodell? Mit dieser Frage beschäftigen sich die zwei größten Einzelgewerkschaften im DGB. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi tagte in der vorigen Woche in Leipzig, die IG Metall lädt vom 9. bis zum 15. Oktober zum 22. Gewerkschaftstag nach Karlsruhe. Es solle über die Herausforderungen der kommenden Jahre diskutiert werden, schreibt der IG-Metallvorsitzende Berthold Huber auf der Homepage der Gewerkschaft und macht sich und den Mitgliedern Mut.

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Betriebswirtschaftliches Denken

Neues Buch zu Gewerkschaften nach der Krise erschienen

Aus der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise sind die Gewerkschaften in den kapitalistischen Zentren geschwächt hervorgegangen. Zu dem Schluss kommt das Buch »Gewerkschaftliche Modernisierung«.

Seit Jahren versuchen sich die Gewerkschaften mit unterschiedlichen Mitteln dem drohenden Bedeutungsverlust durch Mitgliederrückgänge und wachsende tarifvertragsfreie Zonen entgegenzusteuern. In dem im VS-Verlag erschienenen Buch »Gewerkschaftliche Modernisierung« ziehen 15 Gewerkschafter und gewerkschaftsnahe Forscher eine erste Bilanz dieser Erneuerungsbemühungen. Herausgegeben wurde das Buch vom Jenaer Soziologieprofessor Klaus Dörre und Thomas Haipeter, Leiter der Abteilung Arbeitszeit und Arbeitsorganisation des Instituts Arbeit und Qualifikation und Privatdozent an der Universität Duisburg-Essen.

Hoffnungen von Gewerkschaftslinken, die Krise des korporatistischen Gewerkschaftsmodells werde kämpferische Positionen stärken, haben sich kaum erfüllt. Vielmehr nimmt auch unter Betriebsräten und Gewerkschaften das betriebswirtschaftliche Denken zu, so das Fazit von fünf Kapiteln, die sich detailliert mit den gewerkschaftlichen Erneuerungsansätzen in der Metall- und Elektroindustrie von Nordrhein Westfalen befassen. Betriebsräte und Gewerkschaftler wollen dort im Rahmen der »Besser statt billiger«-Kampagne nachweisen, dass sie den Standort besser als die Manager verteidigen können.

Dabei sind Betriebsräte auch bereit, Arbeitszeitverlängerung und Akkorderhöhungen mitzutragen, wie verschiedene Autoren detailliert schildern. Trotzdem sehen die Forscher einen Erfolg dieser gewerkschaftlichen »Besser statt Billiger«-Strategien in der Stärkung des Selbstbewussteins der Belegschaft, die ihr Expertenwissen einbringen kann. Während sich allerdings in den 80er Jahren gewerkschaftliche Aktivisten noch für Strategien der Produktionsumstellung vor allem im Bereich der Rüstungsindustrie einsetzten, rief die IG-Metall im Herbst 2010 zum Widerstand gegen Kürzungen beim Rüstungshaushalt auf.

»Arbeiter und Gewerkschaftsbewegungen gehen zumindest in den kapitalistischen Zentren geschwächt aus der Krise hervor«, so das ernüchternde Fazit des Jenaer Soziologen Klaus Dörre im Abschlusskapitel. Dort zeigt er auf, wie die IG-Metall durch ihre Einbindung in einen »Krisenkorparatismus« in den letzten Jahren die Arbeitsplätze für die Stammbelegschaft in zentralen Betrieben gesichert, aber auch zu einer weiteren Aufspaltung des Arbeitsmarktes beigetragen hat. Durch die enorme Ausweitung der prekären Beschäftigungsverhältnisse in den Krisenjahren drohen Gewerkschaften wie die IG-Metall als Interessenvertreter der Stammbelegschaft den Anspruch zu verlieren, die Interessen der Lohnabhängigen insgesamt zu vertreten.

Hajo Holst und Ingo Matuschek zeigen an Hand einer Untersuchung in einem Betrieb mit rund 6000 Beschäftigten und guter IG-Metall-Verankerung auf, wie ein betriebswirtschaftliches Denken, das sich vor allem um die Rettung des Standorts dreht, zu einer Entsolidarisierung mit Erwerbslosen und Leiharbeitern führt. Die wurden von einer Mehrheit der Befragten nur unter dem Aspekt des Nutzens für den Betrieb gesehen. Dass es auch anders geht, zeigt die Nürnberger Soziologin Ingrid Artus am Beispiel eines von der Gewerkschaft CGT unterstützten Streiks von Papierlosen in Frankreich. Eine differenzierte Bewertung der gewerkschaftlichen Schlecker- und Lidl-Kampagne sowie wie eine Untersuchung des Einflusses von Arbeitskämpfen auf die gewerkschaftliche Mitgliederentwicklung komplettieren ein Buch, das einen ernüchternd realistischen Blick auf den Zustand der Gewerkschaften in Deutschland wirft.

Haipeter, Thomas / Dörre, Klaus (Hg.): Gewerkschaftliche Modernisierung, VS-Verlag, 2011, 304 S., 34,95 Euro.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/205819.betriebswirtschaftliches-denken.html

Peter Nowak