Zoff um Sanierung

Mieter der Wilhelmstraße 7 wehren sich gegen drohende Mieterhöhung

Claudia Walter gibt sich kämpferisch. Sie wohnt in der Wilhelmstraße 7 in Kreuzberg. Seit der neue Eigentümer das Haus sanieren will, fragt sie sich, wie lange noch. Walter hat sich mit weiteren betroffenen Mietern zusammengesetzt und eine Initiative gegründet. Sie hat den langen Namen »MieterInnen, der 23 an die GSW verschenkten Häuser«.

Im Jahr 1993 hatte das Land Berlin der Gemeinnützigen Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft (GSW) das Haus kostenlos übertragen. Sie wurden verschenkt, sagen die Kritiker, der juristische Begriff lautet Einbringung. Auch über die Konsequenzen gehen die Ansichten auseinander. Der auf dem linken Internetportal Indymedia veröffentlichte Einbringungsvertrag verpflichtete die GSW zum Verzicht auf Luxusmodernisierung und zur Unterstützung der allgemeinen Ziele der Stadtentwicklung.

»Diese Bedingungen sind auch für die neuen Eigentümern bindend«, betont Walter von der Mieterinitiative. »Der Vertrag ist bereits 1999 erloschen«, erklärt dagegen der GSW-Pressesprecher Thomas Rücker gegenüber ND. Zu Mietervorwürfen, die GSW habe sich nicht um die Sanierung der Häuser gekümmert, wollte sich Rücker nicht äußern. Über den Zustand der Gebäude zur Zeit des Verkaufs habe er keine Kenntnis. Dieser sei aber beim Kaufpreis berücksichtigt worden.

Zu den Kritikern der GSW gehört auch der Kreuzberger Bürgermeister Franz Schulz (Grüne). Innerhalb von zehn Jahren nach der Übertragung an die GSW hätten die ausstehenden Modernisierungsmaßnahmen an den Gebäuden und Wohnungen durchgeführt werden sollen, bestätigt der Kommunalpolitiker. »Gerade hinsichtlich des letzten Punktes haben die städtischen Wohnungsgesellschaften, damit auch die GSW, am meisten zu Lasten der Mieter gespart«, so Schulz. Er bestätigt auch die Mieterposition, dass der Einbringungsvertrag umfangreiche Mieterschutzrechte einschloss.

Der Verwalter der Wilhelmstraße 7, Jörg Weißenborn, betont im Gespräch mit Neues Deutschland, dass in dem Gebäude keine Luxusmodernisierung geplant sei. Die vorgesehene energetische Sanierung entspreche den wohnungspolitischen Zielen des Senats. Allerdings kann Weißenborn nicht ausschließen, dass sich manche Mieter nach der Sanierung die Wohnungen in der gegenwärtigen Größe nicht mehr leisten können. Man werde sich bemühen, in solchen Fällen kleinere Wohnungen anzubieten, erklärt der Verwalter.

Für die Mieter ist das keine Beruhigung. »Wir haben in den vergangenen Jahren die Erfahrung gemacht, dass die Häuser systematisch leer gezogen werden und selbst die notwendigen Instandhaltungen unterbleiben«, beschreibt Walter die Erfahrungen vieler Mieter der ehemaligen GSW-Häuser. Durch den Austausch der Betroffenen seien jetzt aber viele aus ihren »Frustnischen rausgekrabbelt und haben sich zu wehren begonnen«. Die Initiative ruft deshalb auch zu der berlinweiten Mieterdemonstration auf, die unter dem Motto »Gegen Mieterhöhung, Verdrängung und Armut« am kommenden Sonnabend für 14 Uhr am Herrmannplatz in Neukölln geplant ist.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/205769.zoff-um-sanierung.html?sstr=GSW-H%E4user

Peter Nowak

„Wer mit einem Messer Polizisten angreift, muss damit rechnen, erschossen zu werden“

Am 24. August wurde eine als geistig verwirrt klassifizierte Frau von einem Polizisten tödlich verletzt

Die 53jährige Frau sollte in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden und hat nach einer Pressemeldung von Polizei und Bundesstaatsanwaltschaft Berlin () die Beamten mit dem Messer attackiert.

Die Internationale Liga für Menschenrechte befasst sich in einer Mitteilung kritisch mit dem Umgang von Staatsanwaltschaft und Polizei mit dem tödlichen Vorfall. So kritisiert die Organisation eine Stellungnahme des Sprechers der Berliner Staatsanwaltschaft Martin Steltner: „Wir prüfen im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens, ob der Beamte aus Gründen der Notwehr oder Nothilfe gehandelt hat“, erklärte er. Auch ein Statement des Landesvorsitzenden der Berliner Polizeigewerkschaft Bodo Pfalzgraf wird von den Menschenrechtlern moniert. „Wer mit einem Messer Polizisten angreift, muss damit rechnen, erschossen zu werden. Allein die Tatsache, dass es eine geistig verwirrte Person war, rechtfertigt nicht, dass sich der Polizist hätte erstechen lassen müssen“, so der Polizeigewerkschafter. Letzteres ist unstrittig. Doch hatte die Polizei keine Möglichkeit, eine laut Presseberichten 1,60m große und maximal 40kg schwere, also als zierlich zu bezeichnende Frau anders als durch einen tödlichen Schuss abzuwehren, zumal auch noch eine Einsatzhundertmannschaft angerückt war? Diese Frage stellt sich in diesen Tagen nicht nur die Liga für Menschenrechte.

Wird die Polizei falsch ausgebildet?

Eine Initiative, die vor dem Wohn- und Sterbeort der Frau eine Gedenkkundgebung organisierte, hat sich mit dem Tathergang beschäftigt und stellt die Notwendigkeit des Schusswaffengebrauchs in Frage Sie beruft sich dabei auf den Kriminologen Thomas Feltes von der Ruhr-Uni Bochum. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hat der Polizeibeamte eine Pflicht zum Ausweichen, wenn der Angeklagte offensichtlich im schuldausschließenden Zustand handelt, so Feltes. Er kritisiert, dass die Polizeiausbildung in Deutschland zu wenig berücksichtige, dass die Beamten es immer häufiger mit Drogenkranken, psychisch kranken oder dementen Menschen zu tun haben.

Er hätte noch hinzufügen können, dass auch der polizeiliche Umgang mit Menschen in Stresssituationen einer besonderen Ausbildung bedürfte. So wurde in einem Jobcenter der Stadt Frankfurt/Main die 39-jährige Erwerbslose Christy Schwundeck von einer Polizistin erschossen. Weil Schwundeck vergeblich die Auszahlung eines Geldbetrags ihrer schon bewilligten Hartz IV-Leistungen einforderte und sich nicht abwimmeln lassen wollte, riefen Jobcenterverantwortliche die Polizei. Danach eskalierte die Situation und die Frau verletzte mit einem Messer einen Polizisten, bevor der tödliche Schuss fiel. Eine Verurteilung der Polizistin ist nicht zu erwarten. Der Fall im Märkischen Viertel erinnert auch an den Tod des Musikstudenten Tennesee Eisenberg, der im April 2009 in Regensburg von der Polizei erschossen wurde. Auch in seinen Fall fühlten sich die Polizisten von dem Mann bedroht. Die Ermittlungen gegen den Schützen wurden eingestellt.

Der Tod im Märkischen Viertel wirft auch die Frage nach den gesellschaftlichen Umgang mit als geistig verwirrt klassifizierten Personen auf. Auf einer internationalen Fachkonferenz psychiatriekritischer Gruppen wird darüber am Wochenende in Berlin beraten.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/150400

Peter Nowak

Wächst jetzt die Angst?

Bilge Gecer über Zwangsexmatrikulationen an der Universität Köln / Bilge Gecer ist Referentin für die Hochschulpolitik und Bildung beim AStA der Universität Köln

ND: Vor einigen Tagen sorgte die Exmatrikulation von 32 Studierenden an der Kölner Universität für Aufsehen. Warum wurden die Kommilitonen exmatrikuliert?

Gecer: Die Studienordnung der 32 Diplom- und Magisteranwärter war ausgelaufen. Sie hatten die Frist für die Magisterzwischenprüfung zum Ende Wintersemester 2010 / 2011 nicht eingehalten. Die Universitätsverwaltung war nicht bereit, diese Frist zu verlängern. Die Universitätsleitung hatte schon im Frühjahr die Exmatrikulationen angekündigt und in den vergangenen Tage die Bescheide rausgeschickt.

Im Frühjahr war noch von bis 1600 Kommilitonen die Rede, die von der Exmatrikulierung betroffen sind. Ist es da nicht ein Erfolg, dass sie jetzt nur bei 32 Studierenden umgesetzt wurde?

Darin kann ich keinen Erfolg sehen. Studierende sind keine Nummern. Es kommt uns auf jeden einzelnen Fall an. Zudem werden über die unmittelbar Betroffenen hinaus alle Kommilitonen unter Druck gesetzt. Die Angst vor einem Versäumen der Fristen wächst. Unter diesen Umständen erhöht sich die Gefahr, bei wichtigen Prüfungen und Klausuren zu versagen, noch zusätzlich.

Warum konnten die Studierenden die Fristen nicht einhalten?

Die Gründe dafür sind sehr unterschiedlich. Einige haben sich hochschulpolitisch engagiert, das heißt, sie haben sich für andere Kommilitonen eingesetzt; das kostet Zeit. Andere mussten nebenbei arbeiten, um sich überhaupt ein Studium leisten zu können. Auch Studierende mit Behinderungen oder mit Kind gehören zu den Exmatrikulierten.

Was bedeutet das für die Betroffenen?

Sie sind erst einmal aus der Hochschule raus. Einige von ihnen haben es vielleicht geschafft, sich an anderen Hochschulen zu bewerben, wo sie ihr Studium fortsetzen können. Aber dann müssen sie aus der Stadt wegziehen, und ob das als die beste Lösung bezeichnet werden kann, ist sehr fragwürdig. Schließlich haben sich die Studierenden zum Studienbeginn für die Universität Köln entschieden, mit der Absicht ihr Studium hier erfolgreich abzuschließen. Es wird wohl bitter: Einigen Betroffene droht wahrscheinlich die Arbeitslosigkeit als Perspektive.

Wie können sich die Gemaßregelten wehren?

Wenn die Exmatrikulation erst einmal ausgesprochen ist, ist das schwierig. Aber: Juristisch mag die Maßnahme einwandfrei sein, trotzdem ist der Umgang mit den Studierenden nicht hinnehmbar. Es handelt sich hier schließlich nicht um Daten, die einfach so aus der Kartei genommen werden können, sondern um Menschen. Wir sind weiterhin bemüht, einen politischen Druck gegen die Exmatrikulationen aufzubauen.

Gibt es schon konkrete Projekte?

Mittlerweile wurde unter exmatrikulation.blogsport.de eine Internetseite eingerichtet, auf der Informationen zum Thema zusammengetragen werden, um eine Solidaritätserklärung zu verfassen, die online unterschrieben werden kann. Es haben sich neben verschiedenen studentischen Initiativen auch gewerkschaftliche Gremien gegen die Exmatrikulationen ausgesprochen.

Drohen an anderen Universitäten ähnliche Maßnahmen?

Köln ist keine Ausnahme. Es gibt Befürchtungen von Studierenden, dass auch an anderen Hochschulen solche Restriktionen geplant sind. Auch aus diesem Grund setzen wir uns für die Rücknahme der Exmatrikulationen in Köln ein. Wir wollen verhindern, dass daraus eine Pilotprojekt wird.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/205676.waechst-jetzt-die-angst.html

Interview: Peter Nowak

Soliaktionen für Kurdistan

Bei türkischen Angriffen auf kurdische Gebiete sind in den letzten Tagen zahlreiche Zivilisten ums Leben gekommen. Darauf weist die Kampagne »Tatort Kurdistan« in einer aktuellen Pressemeldung hin. Das bundesweite Bündnis, in dem Flüchtlings- und Friedensinitiativen, Landesverbände der LINKEN, die Linksjugend [solid] und kurdische Vereinigungen mitarbeiten, mobilisiert zum 1. September in elf Städten zu einem Aktionstag.

In Erfurt ist ein Infostand am Anger und in Jena eine »farbenfrohe Aktion am Unicampus« geplant. In Berlin, Düsseldorf und Hamburg sind Kundgebungen angekündigt. Neben den Angriffen von türkischen und iranischen Militärs auf kurdische Gebiete wird auch die Rolle deutscher Unternehmen und der Bundesregierung an der militärischen Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung zur Sprache kommen. Dazu zählen Rüstungsexporte in die Türkei ebenso wie Verurteilungen von kurdischen Aktivisten in Deutschland nach dem Paragrafen 129 b wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland.

tatortkurdistan.blogsport.de

http://www.neues-deutschland.de/artikel/205628.soliaktionen-fuer-kurdistan.html

Peter Nowak

Nehmen die Atlantiker Rache an Westerwelle?

Die EU-Krise stärkt die Atlantiker aller Parteien
„Wer gibt zuerst auf – Gaddafi oder Westerwelle?“, titelte die taz am Montag. Tatsächlich steht der Außenminister in diesen Tagen von allen Seiten unter Beschuss. Der Mann, der noch vor gar nicht so langer Zeit als der Politiker gefeiert wurde, der die FDP an ihr „Traumziel 18 Prozent“ herangeführt hat, wird nun für den tiefen Fall der Partei in Umfragen verantwortlich gemacht.

Das ist Politik und Westerwelle hat diese Methoden beim Ausbooten seiner Vorgänger selbst angewandt. Nach seinem Abgang als Parteivorsitzender war es nur eine Frage der Zeit, bis auch sein Außenministerposten zur Disposition stehen würde. Umso mehr als es Westerwelle nie gelang, das Ministeramt wie viele seiner Vorgänger als Trumpfkarte auszuspielen. Seine Vorgänger im Außenministeramt überrundeten mit guten Umfragewerten in der Regel ihre Parteifreunde. Das lag aber weniger an persönlichen Eigenschaften, sondern vielmehr an einem außenpolitischen Konsens über alle Parteigrenzen hinweg. Und der ist mittlerweile zerbrochen.

So kann der aktuelle Furor gegen den Außenminister als Revanche der Altantiker aller Parteien interpretiert werden, die mit der Enthaltung der Bundesregierung in der Libyen-Krise von Anfang an unzufrieden waren. Nachdem die willigen Nato-Staaten ihre libyschen Verbündeten mit wochenlangen Einsätzen an die Macht gebombt haben, geht es um die Verteilung der Kriegsbeute in Form von Konzessionen für die Öl-und Gasförderung und andere lukrative Verträge im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau.

Da könnte Deutschland gegenüber Frankreich und Italien das Nachsehen haben. Die dortigen Regierungen haben sich rechtzeitig von ihrem engen Bündnispartner bei der Flüchtlingsabwehr, Gaddafi, abgewandt. In ihrer Wendigkeit gleichen sie führenden Figuren des libyschen Anti-Gaddafi-Bündnisses, die lange Zeit hohe Posten im alten Regimes besetzen und nun das neue Libyen repräsentieren wollen. Ob sich die libyschen Alt-Oppositionellen, vor allem Monarchisten und Islamisten, damit abfinden werden, ist fraglich. Innerlibysche Konflikte sind vorprogrammiert.

Regimeachange nach irakischen Muster

Dabei bestätigt der Ablauf der Nato-Intervention eigentlich die Kritiker. Ein Regimechange mit Hilfe der Nato-Kriegstechnik wurde als humanitärer Eingriff zum Schutz der Bevölkerung vor den Bomben des alten Regimes verkauft. Über die Opfer der Nato-Bomben redet kaum jemand.

Ein außenpolitischer Kommentar der Wochenzeitung Freitag weist auf die Parallelen zwischen dem Irak und Libyen hin:

„Das kann nur goutieren, wer nach den bitteren Erfahrungen allein der vergangenen zwei Jahrzehnte im Nahen Osten und in Mittelasien weiter der Vorstellung anhängt, Krieg sei in diesen Regionen ein legitimes und erfolgversprechende Mittel der Politik. Wo bitteschön wurde der Beweis dafür erbracht?“

Diese Frage interessiert weder Westerwelle noch seine Kritiker. Unter denen sind erstaunlich viele Sozialdemokraten und Grüne, die in der Causa Irak noch vehement für eine gewisse, wie wir heute wissen, sehr begrenzte Enthaltung beim Kriegführen eingetreten waren und diese Positionierung auch nach dem militärischen Sieg der Willigen im Irak verteidigten. Dass viele von ihnen heute als Atlantiker gegen Westerwelle auftreten, liegt nicht nur an ihrer Oppositionsrolle, sondern auch an der EU-Krise.

Die Kritiker des Irakkrieges wollten die EU als scheinbar weniger bellizistische Alternative zur USA in Stellung bringen, wobei vor allem viele osteuropäische Staaten nicht mitmachten. Fast ein Jahrzehnt später ist diese EU als Alternative zu den USA nur mehr eine Schimäre. Daher flüchten sich manche einstweilen wieder zu vermeintlich soliden atlantischen Gewissheiten. Beim nächsten internationalen Konflikt, möglicherweise im Fall Syrien, kann sich das schon wieder ändern.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/150388

Peter Nowak

Solidemo für Roma

KREUZBERG Kundgebung gegen Forderung nach schneller Räumung des Görlitzer Parks

Mit einer Videokundgebung wollen sich antirassistische Gruppen am heutigen Montagabend mit den Roma solidarisieren, die seit einigen Wochen im Görlitzer Park leben. Sonja Wissel vom Protestbündnis erklärte, mit der Kundgebung wolle man auf den Druck von PolitikerInnen und Kreuzberger BewohnerInnen reagieren, die eine schnelle Räumung fordern. „Statt punktuell zu helfen, nötigen einige potenzielle WählerInnen das Bezirksamt Kreuzberg, aktiv zu werden“, kritisiert Wissel die Haltung mancher NachbarInnen. Das Bezirksamt Kreuzberg schiebe wiederum die Verantwortung an den Nachbarbezirk Mitte ab. Dort mussten die Roma ihre Wohnungen räumen.

Die Bezirke Mitte und Kreuzberg sind nach Gesprächen mit dem Senat seit gut zehn Tagen auf der Suche nach Alternativ-Wohnungen für die Familien – bislang ohne Erfolg.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2011%2F08%2F29%2Fa0146&cHash=799f27b8dd

Peter Nowak

Demo 19.30 Uhr, Eingang Görlitzer Park an der Skalitzer Straße

Wer nicht schnell studiert, fliegt

Die Kölner Universität will Studierende aus Diplom- und Magisterstudiengängen exmatrikulieren, weil sie ihre Studienzeit überzogen haben. Studentenvertreter fürchten, dass das Beispiel Schule macht

Die Universität Köln will 32 Studierende aus Diplom- und Magisterstudiengängen exmatrikulieren, weil sie ihre Studienzeit überzogen haben. Damit hat die Universitätsverwaltung vor, eine Drohung umzusetzen, die schon seit Monaten im Raum stand. Im Frühjahr war noch von bis zu 1.600 Studierenden die Rede, denen die Exmatrikulation droht, wenn sie sich nicht mit dem Studium beeilen.

Hintergrund ist die Umstellung auf das Bachelor- und Mastersystem, das im Zuge des Bologna-Prozesses die bisherigen Studiengänge ersetzen soll. Dort sind klare Termine für den Studienablauf festgelegt. Daran sei nicht zu rütteln, sagt ein Sprecher der Uni gegenüber der Süddeutschen Zeitung.

„Die meisten Studenten könnten ja in einen Bachelor-Studiengang wechseln.“

Studierendenverbände schlagen Alarm und sehen sich in ihrer grundsätzlichen Kritik an der Bachelor- und Masterregelung bestätigt. Der Freie Zusammenschluss von StudentInnenschaften (fzs) sieht in der Maßnahme der Kölner Universität eine neue Eskalationsstufe.

„Dass die Umstellung auf das Bachelor-/Mastersystem zu Lasten der Studierenden abläuft, ist nichts Neues. Mit den Zwangsexmatrikulationen ist nun jedoch eine Stufe erreicht, die Studierendenvertretungen nicht hinnehmen werden.“

Die Aktivsten weisen darauf hin, dass von der drohende Exmatrikulation Gruppen besonders betroffen sind, die schon bisher geringere Chancen hatten. „Studierende mit chronischen Krankheiten, mit Kindern, Studierende, die Angehörige pflegen oder auch gesellschaftlich engagierte Studierende müssen von den Hochschulen gefördert und nicht herausgeworfen werden“, heißt es in der Erklärung des fzs. Mehrere politisch aktive Studierende befinden sich in der von der Exmatrikulation bedrohten Gruppe.

Damit werde gesellschaftliches Engagement mit Füßen getreten, moniert die Berliner Landesastenkonferenz. Tatsächlich dürfte mit den Exmatrikulationsdrohungen die schon bisher nicht besonders stark ausgeprägte Bereitschaft zum politischen Engagement an der Hochschulen, nicht gefördert werden.

Daher ist auch der Protest von aktiven Studierenden bundesweit groß. Selbst mitten in den Semesterferien haben sich sofort die AstAs einiger Hochschulen mit Kritik an der Kölner Maßnahme zu Wort gemeldet. „Hier geht es nicht um die Frage, in welcher Ordnung welche Regeln wie angewendet werden können, sondern um etwas Grundlegendes. Die Lehrenden haben nicht zu entscheiden, ob Studierende weiterstudieren dürfen oder nicht. Die Studierenden maßen sich auch nicht an, den Lehrenden das Lehren zu verbieten“, so Hannah Eberle, Referentin für Bildungspolitik im AStA der TU Berlin.

Pilotprojekt Köln?

Manche Studierende fürchten, dass die Kölner Entscheidung, wenn sie Bestand haben sollte, ein Pilotprojekt sein könnte, das auch an anderen Hochschulstandorten Nachahmer finden könnte. So hatte bereits im Mai 2011 der Brandenburger Landesausschusses der Studierenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft vor Zwangsexmatrikulationen an der Potsdamer Universität gewarnt.

4.300 Studierende und damit ein Fünftel aller derzeitigen Studierenden der Uni sei vom Auslaufen der traditionellen Abschlüsse Magister und Diplom ab dem Jahr 2012 betroffen. Die Potsdamer Hochschuöleitung hatte diese Befürchtungen sofort zurückgewiesen.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/150380

Peter Nowak

Der Neuköllner Patriarch und der unseriöse, spaßige Wahlkampf


Die etablierten Parteien tun sich schwer mit den Aktionen der Buschkowsky-Jugend und der Titanic-Partei

Die Buschkowsky-Jugend hatte in den letzten Tagen etwas Spaß in den trögen Wahlkampf in Neukölln und damit sogar ihren Namensgeber, den Neuköllner SPD-Bürgermeister Heinz Buschkowsky, zum Schmunzeln gebracht. Als der vor einigen Tagen in einem Britzer Bioladen Brotdosen für Schüler füllte, bekam er Besuch von einer Gruppe junger Fans, die ihm garantiert deutsche Erdäpfeln überreichten. „Wir freuen uns, wenn Sie in jede dieser Brotdosen auch mal eine Kartoffel tun“, erklärten sie dem Bürgermeister.

„Ich staune, dass die Piraten sich zu meiner Anhängerschaft dazugesellt haben“, nahm Buschkowsky den Auftritt mit Humor und hieß seinen selbsternannten Fanclub willkommen. Doch seit gestern ist Schluss mit lustig und der Bürgermeister möchte über seine ungezogene Jugend nicht mehr lachen. Gegenüber Telepolis erklärte er:

„Ich halte es nicht für erstrebenswert, einen Wahlkampf mit verdeckt und namenlos agierenden Agitprop-Trupps salonfähig zu machen. Das erinnert ein bisschen an die Weimarer Republik. Ich halte die Demokratie für eine seriöse Gesellschaftsordnung, die auch eine seriöse Auseinandersetzung verdient.“

Nachdem das rbb-Politikmagazin Klartext mit Stefan Gerbing, einen Mitarbeiter der Linken-Bundestagsabgeordneten Katja Kipping, als Sprecher der Buchkowsky-Jugend enttarnt hatte, sind auch von der SPD andere Töne zu hören. „Nach guter alter Stasi-Manier – unter falschem Namen und im Dunkeln – agiert der Agitprop-Wahlkampf-Störtrupp aus dem Dunstkreis der Linken gegen die SPD in Neukölln“, heißt es in einer Pressemitteilung der Neuköllner SPD.

Dabei betonte Kipping, die innerhalb der Linken der DDR-kritischen Strömung angehört, gegenüber Telepolis, die Tätigkeit bei der Spaßguerilla falle in die Freizeit ihres parteilosen Mitarbeiters und werde von ihr nicht kommentiert.

„Die Zeiten, in denen sich ArbeitgeberInnen ins Privatleben ihrer Beschäftigten einmischen, sind ja zum Glück vorbei.“

Mustafa Müller, der neue Sprecher der Buschkowsky-Jugend, bestätigte Kippings Aussage. „Wir haben mit der Linken sowenig zu tun wie mit anderen Parteien.“ Die Buschkowsky-Jugend müsse sich einen neuen Pressesprecher suchen. Zudem sei ihre Facebookseite gesperrt. Trotzdem wolle sie bis zum Wahltermin weiter an ihren Zielen arbeiten, die sie in ihrem Manifest niedergelegt hat. Danach soll Buschkowsky zum Neuköllner Patriarchen erklärt werden, ein Hartzschutzgesetz in Neukölln eingeführt und alle Satellitenschüsseln von Migranten demontiert werden. Als Entschädigung für seine Anfeindungen in Kreuzberg solle Buschkowsky-Freund Thilo Sarrazin die Möglichkeit gegeben werden, seine Thesen von der Sehitlik-Moschee am Columbiadamm „aus dem weltoffenen Neukölln ins intolerante Kreuzberg“ zu rufen.

Viele Beobachter sehen in der Buschkowsky-Jugend eine Nachfolge der Aktion Pink Rabbit gegen Deutschland, mit der die Berliner Naturfreudejugend vor zwei Jahren für viele LacherInnen sorgte.

Gas geben mit Haider

Der Humor der Buschkowsky-Jugend wird von der Titanic-Partei übertroffen, die mit der Persiflage eines NPD-Plakats viel Zustimmung erhielt. Nur gibt auf den verfremdeten Plakaten nicht der NPD-Chef auf dem Motorrad, sondern Österreichs Rechtspopulist Jörg Haider Gas.

Zu sehen ist das Wrack des Wagens mit dem er tödlich verunglückt ist. Wahlkampf kann also Spaß machen, die meisten Politiker haben aber keinen Humor, lautet das Fazit der lustigen Wahlkampfinterventionen. Unter den „seriösen Parteien“ gelang der Piratenpartei, die inhaltlich zwischen FDP und Grünen steht, mit humoristischen Plakaten ein Umfragenhoch.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/150371

Peter Nowak

Deutsche Kartoffel in der Schülerbrotbox


WAHLKAMPF II In Neukölln treibt eine „Buskowsky-Jugend“ die populistischen Thesen des Bürgermeisters auf die Spitze. Die SPD glaubt nun, die Gruppe sei von der Linken gesteuert, und zieht Stasi-Vergleiche

Die Neuköllner SPD zieht alle Register: „Nach guter alter Stasi-Manier – unter falschem Namen und im Dunkeln – agiert der Agitprop-Wahlkampf-Störtrupp aus dem Dunstkreis der Linken gegen die SPD“, heißt es in einer Erklärung. Der Hintergrund: Das rbb-Magazin „Klartext“ hatte Stefan Gerbing, Mitarbeiter der Linken-Bundestagsabgeordneten Katja Kipping, als Sprecher der „Buskowsky-Jugend“ enttarnt. Die Gruppe hatte zuletzt etwas Spaß in den Bezirkswahlkampf gebracht – sogar für Neuköllns Bürgermeister Buschkowsky. Als der in einem Britzer Bioladen Schüler-Brotdosen füllte, überreichten ihm Mitglieder der „Jugend“ Erdäpfel aus deutscher Ernte. „Wir freuen uns, wenn Sie in diese Dosen auch mal eine Kartoffel tun“, hieß es. Der SPD-Mann nahm es mit Humor und hieß den vermeintlichen Fanclub willkommen.

Nach der „Enttarnung“ des Sprechers kamen nun die feindlichen Töne von SPD und Bezirksamt. Katja Kipping dagegen sagte der taz, sie habe mit der Bus-kowsky-Jugend nichts zu tun. „Während der Arbeitszeit fallen für meine MitarbeiterInnen andere Aufgaben an“, so die Politikerin vom undogmatischen Flügel der Linken. Mustafa Müller, der neue Sprecher der Buskowsky-Jugend, wählte deutlichere Worte. „Dass wir jetzt in die Ecke der Linken gesteckt werden, behagt uns gar nicht.“ Man habe mit keiner Partei etwas zu tun. Zudem sei Gerbing, der mittlerweile nicht mehr Pressesprecher sei, parteilos und habe nur seinen Arbeitsplatz bei Kipping.

Die Buskowsky-Jugend werde bis zur Wahl weiter an den Zielen arbeiten, die sie in einem „Manifest“ niedergelegt hat, sagte Müller. Danach soll Buschkowsky zum Neuköllner Patriarchen erklärt, ein Hartzschutzgesetz eingeführt und alle Satellitenschüsseln von MigrantInnen demontiert werden. Als Entschädigung für die in Kreuzberg erlittenen Anfeindungen solle Buschkowsky-Freund Sarrazin die Möglichkeit gegeben werden, seine Thesen von der Sehitlik-Moschee am Columbiadamm zu rufen.

„Wir halten Ironie für ein Mittel, Buschkowkys Aussagen zu Erwerbslosen, MigrantInnen und Minderheiten zu überspitzen und das Gesellschaftsmodell dahinter deutlich zu machen“, so Müller. Ob der Stasi-Vergleich der Neuköllner SPD selbst Satire war, bleibt offen: Eine angekündigte Stellungnahme des Bezirksamts traf bis Redaktionsschluss nicht

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2011%2F08%2F27%2Fa0181&cHash=e440505ab8

Peter Nowak

Gemeinsam gegen Islamismus

DEMO Verschiedene Gruppen organisieren Proteste gegen islamistische Al-Quds-Demonstration

Es ist wieder so weit: Wie jedes Jahr mobilisieren islamistische Gruppen „im Zeichen der islamischen Befreiungsbewegungen in der arabischen Welt“ zur Demonstration am Al-Quds-Tag am Samstag. „Gemeinsam gegen Zionismus und Antisemitismus“, heißt es auf der Homepage. Dass sich die Organisatoren inzwischen zumindest verbal von offenem Judenhass abgrenzen, entspringt für Jörg Fischer Aharon vom Bildungsverein haKadima eher taktischen Erwägungen. So würden TeilnehmerInnen des Al-Quds-Tags KritikerInnen den Hitlergruß zeigen und offen zur Vernichtung Israels aufrufen.

Fischer Aharon ist Anmelder einer Kundgebung am Joachimstaler Platz, mit der ein Bündnis zivilgesellschaftlicher Gruppen am Samstag gegen den islamistischen Aufmarsch protestieren will. Zu den UnterstützerInnen gehören auch die Amadeu-Antonio-Stiftung, die Jüdische Gemeinde Berlin, die Deutsch-Israelische Gesellschaft Berlin und Potsdam und der Bund der Verfolgten des Naziregimes Berlins. Das Bündnis fordert ein Ende der wirtschaftlichen Beziehungen Deutschlands mit Iran, die Reduzierung der diplomatischen Kontakte auf ein Minimum und die Unterstützung der demokratischen Opposition im Iran.

Mit einem eigenen Aufruf mobilisieren antifaschistische Gruppen zum Wittenbergplatz. Es handele sich aber um keine Konkurrenzveranstaltung, betont Fischer Aharon. Zu den Grundlagen beider Gruppen gehöre nebem dem Kampf gegen den Islamismus auch die Solidarität mit Israel. In der Vergangenheit hatten iranische Oppositionsgruppen öfter Kritik an dieser Verknüpfung geübt. Für Fischer Aharon stellt sich der Zusammenhang jedoch dadurch her, dass sich der Al-Quds-Tag explizit gegen Israel richtet. Dennoch hätten die einzelnen Gruppen zur israelischen Politik sehr unterschiedliche Ansichten. „Sie eint das Bekenntnis zum Existenzrecht und dem Recht auf Selbstverteidigung des israelischen Staates“, betont Fischer Aharon.

Viele der am Bündnis gegen den Al-Quds-Tag beteiligten Gruppen wollen sich auch an Protesten gegen Veranstaltungen von Parteien wie „Die Freiheit“ oder der „Pro-Bewegung“, den bekanntesten Exponenten einer rechten Islamkritik, beteiligen.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2011%2F08%2F26%2Fa0140&cHash=1120718c55

Peter Nowak

Kein Al-Quds-Tag! Gegen Antisemitismus und Islamismus, Samstag, 12 Uhr, Wittenbergplatz; sowie Kundgebung 14.30 Uhr, Ecke Joachimstaler Str./Kurfürstendamm

Scheitert die deutsche Regierung an der EU?

Bundeskanzlerin Merkel muss mit einem Aufstand in Teilen der Union und der FDP gegen den geplanten EU-Rettungsplan rechnen

Sollte Bundeskanzlerin Merkel mit der Sondersitzung der Unionsfraktion am 23.August die Hoffnung verbunden haben, die Debatte um den EU-Rettungsplan zu beenden, so ist sie damit gescheitert. Vielmehr ist das Gegenteil eingetreten. Nicht nur in der Union, auch in der FDP melden sich weiterhin Politiker zu Wort, die beim gegenwärtigen EU-Rettungsfonds die deutschen Interessen zu wenig gewahrt sehen.

Bricht Wulff oder die EZB die EU-Verträge?

Die Kritiker haben Unterstützung von Bundespräsident Christian Wulff bekommen, der in einer Rede vor Nobelpreisträgern auf der Insel Lindau die Europäische ZentralbankY beschuldigt hat, mit dem Aufkauf von Staatsanleihen von einzelnen EU-Staaten die EU-Verträge zu brechen. Dabei bezog er sich auf Artikel 123 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, in dem der Erwerb von Schuldtiteln durch die EZB verboten wird.

Mittlerweile wird freilich Wulff selber beschuldigt, mit seiner Rede den Artikel 130 des EU-Vertrags verletzt zu haben, in dem sich die Mitgliedstaaten verpflichten, „nicht zu versuchen, die Mitglieder der Beschlussorgane der Europäischen Zentralbank oder der nationalen Zentralbanken bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beeinflussen“.

Unterschiedliche Kritik am Demokratiedefizit der EU

Die Kritik am Demokratieabbau im Rahmen des EU-Prozesses wird von unterschiedlichen Akteuren formuliert. So haben Zeitungen in Griechenland und Portugal, aber auch soziale Initiativen in den letzten Wochen immer wieder moniert, dass verschuldete Länder unter EU-Protektorat gestellt und ihre Parlamente bei wirtschafts- und finanzpolitischen Entscheidungen entmachtet werden. In einen viel beachteten Aufsatz in den Blättern für Deutsche und Internationale Politik hat das Mitglied des IG-Metall-Vorstands Heinz Jürgen Urban vor einer „postdemokratischen Krise in der EU“ gewarnt.

„Im Zuge dieser Strategie ist die Europäische Union zu einem abgehobenen ‚Elitenprozess‘ mutiert, in dem die Institutionen der Demokratie äußerlich intakt blieben, dem europäischen Demos aber immer offensichtlicher die Beteiligung am ‚Europäischen Projekt‘ verweigert wurde“, lautet eine zentrale These des Gewerkschafters, der befürchtet, dass aus der EU „ein autoritäres Regime prekärer Stabilität“ entstehen könnte, dass Parlamente und Gewerkschaften in den Ländern der europäischen Peripherie entmachtet.

Die Kritik, wie sie von Politikern aus Union und FDP geäußert wird, zielt auf mehr Druck auf diese Länder. So erklärte Unions-Vize Johannes Singhammer: „Bevor die deutschen Steuerzahler zur Haftung herangezogen werden, müssen Länder wie Italien oder Portugal zunächst einmal ihre beträchtlichen Goldreserven einsetzen.“ Damit unterstützte er die Vorschläge der stellvertretenden CDU-Vorsitzende und Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen. Sie regte am Dienstag an, die europäischen Institutionen sollten sich ihre Kredite von den notleidenden Ländern künftig über Goldreserven oder Industriebeteiligungen absichern lassen.

Wirtschaftsnahe Kritiker inner- und außerhalb der Union werfen der bisher als Merkel-Vertrauten geltenden Politikerin vor, das Vertrauen in den EU-Rettungsplan zu untergraben. Zudem besäßen Länder wie Griechenland gar nicht mehr so viele Reserven, die sie als Sicherheit anbieten könnten. Zu den Verteidigern des Vorstoßes von der Leyens gehört der CDU-Bundesabgeordnete Philipp Missfelder. Er verwies auf Sondervollmachten, die Finnland am EU-Sondergipfel zu den Griechenlandhilfen zugestanden wurden: „Es gibt keinen Grund zu sagen, (…) Finnland darf das in Anspruch nehmen und Deutschland darf das nicht in Anspruch nehmen“, sagte Missfelder.

Finnland hatte mit Verweis auf die EU-kritische Stimmung in dem Land, die sich in dem Überraschungserfolg der rechtspopulistischen Wahren Finnen manifestierte, die Zugeständnisse erhalten, weil das Land wegen der geforderten Einstimmigkeit den gesamten Rettungsplan hätte blockieren können. Was damals als absolute Ausnahme gehandelt wurde, wird nun von den EU-Skeptikern im deutschen Regierungslager Exempel interpretiert.

Positionierung in der Nach-Merkel-Ära

Dabei geht es auch um die Positionierung der deutschen Konservativen und Liberalen in der Nach-Merkel-Ära. Mit dem Pochen auf deutsche Interessen in der EU-Politik wollen diese Parteien ein Thema besetzen, das in der Bevölkerung durchaus eine Rolle spielt und kampagnenfähig werden könnte. Eine Union und eine FDP, die sich im Wahlkampf als Wächter der Stabilität des Euro gerieren und die Oppositionsparteien der Nachlässigkeit zeihen, könnten aus dem Umfragetief herauskommen.

Dabei haben diese Politiker des Regierungslagers allerdings ein Problem. Die Parteien müssen Maßnahmen mittragen, die dem angestrebten Image als Hüter der Währungsstabilität zuwiderläuft. Während FDP- und Unionspolitiker deutsche Interessen in der EU pointieren und die nationale Karte spielen wollen, vermeldet das Handelsblatt, dass in der Schublade von Finanzminister Schäuble, der als Oppositionspolitiker übrigens auch zu den EU-Skeptikern gerechnet wurde, ein Geheimpapier liege, das EU-Gremien gegenüber dem nationalen Parlament weitere Handlungsvollmachten einräumen soll.

In dem 41 Seiten umfassenden Geheimpapier erläutert Schäuble seine Pläne für die konkrete Ausgestaltung der erweiterten Befugnisse des Rettungsschirms, der von 440 auf 770 Milliarden Euro aufgestockt werden soll. Danach soll der Deutsche Bundestag dem EFSF eine Art Generalbevollmächtigung erteilen, um Rettungsmaßnahmen für Schuldenstaaten durchführen zu können. Das Direktorium des Fonds soll künftig drei zusätzliche finanzpolitische Handlungsinstrumente erhalten und dafür Richtlinien erlassen, die keiner direkten parlamentarischen Kontrolle unterliegen.
Handelsblatt

Sofort haben Politiker beider Regierungsfraktionen Protest erhoben und erklärt, das Finanzministerium habe vor einer solchen Entmachtung des Parlaments gewarnt. Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums hat mittlerweile erklärt, das Parlament sei über die Pläne informiert worden.

FDP-Politiker reden vom Koalitionsbruch

Der Spagat zwischen Realpolitik und dem Propagieren von deutschen Interessen in der EU ist die Ursache des heftigen Streits in der Regierung. Demnächst gibt es zwei Termine, die ihn zu einer Regierungskrise ausweiten könnte.

Am 7. September will das Bundesverfassungsgericht sein lange erwartetes Urteil über die Rechtmäßigkeit der Milliardenhilfe für Griechenland verkünden. Zu den Klägern gegen die Währungspolitik der Bundesregierung gehört auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Gauweiler. Sollte das Gericht den Klägern Recht geben, wäre nicht nur die Regierung, sondern auch die EU in der Krise. Aber auch wenn das Gericht, wie die meisten Beobachter erwarten, die Klage ablehnt, ist die Bundesregierung nicht außer Gefahr.

Am 23. September sollen Bundestag und Bundesrat über die Beschlüsse der EU-Staats- und Regierungschefs vom Juli abstimmen. Sollte die Bundesregierung dann keine eigene Mehrheit zusammenbringen, könnte die Regierung am Ende sein. Die FDP-Bundestagsabgeordnete Sylvia Canel war nicht die Einzige, die offen einen Koalitionsbruch über die EU-Frage ins Gespräch gebracht hat. Sie bekam in ihrer Partei Unterstützung. Dann könne die Post-Merkel-Ära, auf die einige Bundestagsabgeordnete mit ihrer Kritik an der EU-Politik zielen, schneller als erwartet beginnen.

http://www.heise.de/tp/artikel/35/35368/1.html

Peter Nowak

Kampf um Jugendzentrum in Zwickau

Rund 30 junge Menschen besetzten am 20. August das Gebäude eines ehemaligen Internats in der Zwickauer Innenstadt. Sie wollten in dem seit Jahren leer stehenden Gebäude ein Autonomes Jugendzentrum (AJZ) einrichten. Die Polizei räumte das Haus nach wenigen Stunden. Eine Besetzerin bezeichnete die Aktion als Höhepunkt des Kampfes um ein AJZ in Zwickau. Seit über zwei Jahren verhandeln Vertreter der Zwickauer Ortsgruppe der Initiative »Roter Baum«, um in Zwickau ein AJZ zu etablieren. Als die Stadt Anfang des Jahres die Gespräche abbrach, wuchs der Widerstand unter den aktiven Jugendlichen. Sie initiierten eine Unterschriftensammlung für ein AJZ und organisierten Mitte Mai unter dem Motto »Stürmt das Schloss« eine Demonstration mit mehreren hundert Teilnehmern. Die Initiative will den Kampf um ein AJZ in Zwickau verstärken.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/205099.bewegungsmelder.html

 

Peter Nowak

Naxalitenbewegung

In mehreren indischen Bundesstaaten hat sich in der letzten Zeit die Situation enorm verschärft. Die Zahl der ermordeten Bäuerinnen und Bauern wächst. Die indischen Behörden erklären offiziell, dass es sich um Naxaliten handele, eine bewaffnete kommunistische Bewegung mit maoistischen Wurzeln. Jetzt hat der Frankfurter Politologe Lutz Getzschmann eine umfangreiche Untersuchung über Geschichte und Praxis der Naxaliten vorgelegt. Ihr Name stammt von der indischen Provinz Naxalbari, wo 1967 ein Bauernaufstand ausbrach, der zu einem Weckruf für die indische Linke jenseits der damals schon sozialdemokratisierten kommunistischen Parteien wurde. Auch viele junge Linke aus den indischen Metropolen begannen sich für die Kämpfe auf dem Land zu interessieren. Die studentischen Linken und die bäuerlichen KämpferInnen sind noch heute die beiden Säulen, die die Naxalitenbewegung tragen. Dabei musste die Bewegung auch wegen gravierender politischer Fehler schmerzhafte Niederlagen verkraften. Das Buch zeichnet sich dadurch aus, dass es die Naxaliten weder verdammt noch heroisiert. Getzschmann skizziert den politischen Kontext, in dem sich die Bewegung entwickelte, und zeigt ihre Grenzen auf. So gelang es ihr nicht, sich auch in den Metropolen festzusetzen. In mehreren Provinzen, wo die Naxaliten stark sind, finden sich wichtige Bodenschätze, die sich profitabel verwerten lassen. Bei diesen Plänen stören BewohnerInnen und soziale Bewegungen, die sich gegen die kapitalistische Durchdringung dieser Provinzen wehren, weil die ihnen ihre Existenzgrundlagen raubt. Unter dem Deckmantel der Naxalitenverfolgung könnte die indische Aufstandsbekämpfung gegen die gesamte soziale Bewegung weiter zunehmen. Getzschmann hat damit zur richtigen Zeit die Naxalitenbewegung in den Fokus der deutschsprachigen Linken gerückt.

http://www.akweb.de//ak_s/ak563/17.htm

Peter Nowak

Lutz Getzschmann: Naxaliten – Agrarrevolution und kapitalistische Modernisierung. Neuer ISP-Verlag, Köln 2011. 415 Seiten, 32 EUR

Polizisten unter Druck

Von 2013 an müssen Polizisten in Brandenburg einem Beschluss des Landtags zufolge Namensschilder tragen oder durch eine andere Kennzeichnung identifizierbar sein. Neben der FDP-Fraktion stimmte auch Jürgen Maresch, ein Landtagsabgeordneter der Linkspartei, gegen die Einführung von Namensschildern für Polizisten in dem Bundesland. Zuvor hatte der Politiker, der selbst im Polizeidienst tätig war, sich in einer persönlichen Erklärung dagegen ausgesprochen.
Fast jede Kassiererin an der Supermarktkasse trägt ein Namensschild. Warum soll das bei Polizisten anders sein?

Die Berufsbilder sind nicht vergleichbar. Ich war 20 Jahre Polizist, bevor ich in die Politik gegangen bin, und ich habe zeitweise freiwillig ein Namensschild im Dienst getragen.

Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?

Ich war bei Kontrollen im Grenzgebiet eingesetzt und habe Straf­taten zur Anzeige gebracht. Weil mein Namensschild zu sehen war, wurde ich mit SMS konfrontiert und war psychologischem Druck ausgesetzt. Ich will nicht weiter ins Detail gehen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Kriminelle die Namensschilder nutzen, um Polizisten unter Druck zu setzen, auch durch die Drohung mit Gegenanzeigen.

Viele zivilgesellschaftliche Organisationen sehen in den Namensschildern eine Möglichkeit für betroffene Bürger, sich leichter gegen Übergriffe der Polizei zu wehren, beispielsweise durch eine Anzeige.

Ich bestreite nicht, dass so etwas vorkommt. Die Polizei ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Aber ich wehre mich dagegen, dass alle Polizeibeamten unter Generalverdacht gestellt werden und ihre ­informationelle Selbstbestimmung aufgehoben wird.

Würden die Namensschilder nicht die Aufklärung von polizeilichen Übergriffen erleichtern?

Unsere Justiz und unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaft sind stark genug, um solche Fälle aufzuklären. Das ist bisher auch immer geschehen. Ich habe es während meiner 20jährigen Tätigkeit bei der Brandenburger Polizei noch nie erlebt, dass ein gesuchter Polizist nicht identifiziert werden konnte. Zudem wende ich mich nur gegen eine namentliche Kennzeichnung der Polizei, nicht aber gegen eine Nummerierung. Auch damit wäre eine Identifizierung möglich.

Wie wird Ihre Position in Ihrer Partei aufgenommen?

Dort wird meine Meinung nicht geteilt, aber respektiert. Eine generelle Kritik an meiner Position ist bisher nicht an mich herangetragen worden. Aber das kann sich noch ändern.

http://jungle-world.com/artikel/2011/33/43814.html

Small Talk von Peter Nowak

Hausverbot im Jobcenter

47-Jähriger wegen Bedrohung seines Fallmanagers vor Gericht
»Ich werde mir mein gesundes Oppositionsempfinden bewahren, will meinen Status als Erwerbsloser beenden und hoffe dabei auf Unterstützung vom Jobcenter«, lautete das Schlusswort von Peter B. am Freitagnachmittag vor dem Berliner Amtsgericht. Der 47-jährige Neuköllner Erwerbslose stand wegen Bedrohung seines Fallmanagers vor Gericht. Er soll bei einem Termin im November 2010 mit dem Hinweis auf den Amoklauf in einer Erfurter Schule erklärt haben, so etwas könne auch im Jobcenter passieren. Der genaue Wortlaut konnte nicht geklärt werden. Dafür wurde deutlich, wie viele Hoffnungen von Erwerbslosen tagtäglich im Jobcenter enttäuscht werden. »Sie erhoffen sich als Kunden Unterstützung und werden als Antragssteller behandelt und oft abgewiesen«, so der Berliner Rechtsanwalt Jan Becker, der B. vertrat.

Der seit einem Autoanfall zu 70 Prozent arbeitsunfähige Mann bemühte sich um die Förderung einer Ausbildung als Veranstaltungsfachwirt. Von einem Neuköllner Jobcenter-Mitarbeiter hatte er eine mündliche Zusage. Deshalb ging nicht nur B. davon aus, dass bei dem Termin nur noch über letzte Details der Maßnahme geredet wird. Auch seine Begleiterin sagte am Freitag als Zeugin aus, sie sei erstaunt gewesen, dass der Fallmanager erklärte, Baltsch sei für die Qualifizierungsmaßnahme nicht geeignet, und ihm stattdessen eine Arbeitserprobungsmaßnahme anbot.

»Je engagierter B. auf ihn einredete, desto ablehnender reagierte der Fallmanager«, erinnert sich die Begleiterin. In diesem Zusammenhang sei B. auf den Amoklauf zu sprechen gekommen. Er habe den Mitarbeiter sensibilisieren und keineswegs bedrohen wollen, beteuerte er. Dieser Lesart wollte der Richter nicht folgen. Er sprach eine Verwarnung und eine einjährige Bewährungsstrafe aus. Sollte Baltsch in dieser Zeit wegen ähnlicher Vorwürfe erneut vor Gericht stehen, müsse er eine Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen à 15 Euro bezahlen. B., der einen Freispruch anstrebte, ist mit der Verurteilung ohne Strafe, wie Anwalt Becker die Verwarnung bezeichnete, unzufrieden. Er muss für die Gerichtskosten aufkommen und seine Aussichten auf eine erfolgreiche Klage gegen das vom Neuköllner Jobcenter ausgesprochene Hausverbot sind nicht gewachsen. Bis November dieses Jahres darf B. das Gebäude nur auf Aufforderung des Jobcenters betreten.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/204856.hausverbot-im-jobcenter.html

Peter Nowak