Volkes Stimme erhebt sich

»MVgida«, der Pegida-Ableger in Mecklenburg-Vorpommern, zieht hauptsächlich Neonazis an. Bürgerliche Dialogangebote gibt es trotzdem.

»Einträchtig marschierte der Hamburger NPD-Chef Wulff neben dem ehemaligen Blood & Honour-Anführer Torben Klebe aus der Hansestadt. Der NPD-Abgeordnete Tino Müller erschien mit Delegation in Schwerin (…). Sie hielten das Transparent der Neonazi-Tarninitiative ›Schöner und sicherer Wohnen‹ mit der Parole: ›Wir lassen uns nicht länger belügen! Heimat und Identität bewahren – Asylbetrug stoppen‹.«

So beschrieb die Journalistin Andrea Röpke in der Internetpublikation »Blick nach rechts« die Aufmärsche der »MVgida« vom Januar, des Pegida-Ablegers in Mecklenburg-Vorpommern. Mehr als zwei Monate später gehen dort noch immer wöchentlich Funktionäre der NPD und der »Freien Kameradschaften« abwechselnd in Schwerin und Stralsund auf die Straße. Nach Recherchen örtlicher Antifaschisten sind bei den Aufmärschen Kameradschaften aus Wismar, Schwerin, Bützow und Anklam ebenso vertreten wie Neonazis des »Germanischen Bollwerks Mecklenburg«, der »Arian Warriors Ueckermünde«, der »Nationalen Revolution Güstrow«, der »Nationalen Offensive Teterow« und des »Rings Nationaler Frauen MV«.

Die Parolen, die auf den Aufmärschen von »MVgida« gerufen werden, sind NS-Propaganda. »Antisemiten kann man nicht verbieten!«, »Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen«, »9mm für linkes Gesocks«, »Antifa – Hurensöhne« und »Palästina, helft uns doch, Israel gibt’s immer noch« lauteten einige Sprüche.

Allerdings gibt es in diesem Mikrokosmos durchaus Reibungen. So kritisierten die Kameradschaften die starke Präsenz der NPD. Seitdem sind eher NPD-Funktionäre aus der zweiten Reihe vertreten. Schließlich will die Partei die Straßenmobilisierung für die Landtagswahlen im kommenden Jahr nutzen. Dann wird sich entscheiden, ob sie aus dem letzten Landesparlament verschwindet, in dem sie noch vertreten ist. Ihre Erfolgsausichten sind nicht schlecht. Anders als in Sachsen ist die Konkurrenzpartei Alternative für Deutschland (AfD) im Norden noch schwach vertreten. Deren Mitglieder halten mehrheitlich Abstand zu »MVgida«, weil die Beteiligung der Neonazis nicht zu übersehen ist. Allerdings nehmen einzelne AfD-Mitglieder nach Beobachtung von Antifaschisten an den Aufmärschen teil.

Dass die extreme Rechte sich nicht nur rege an den sogenannten Montagsspaziergängen beteiligt, zeigte sich am 14. März in Bützow. Dort nahmen über 100 Neonazis und Wutbürger an einer Demonstration der Bürgerinitiative »Bützow wehrt sich« gegen Flüchtlingsunterkünfte teil. Einen Angriff auf eine kleine Gruppe von Nazigegnern konnten Beamte nur durch den Einsatz von Pfefferspray verhindern. Zuvor hatte sich die Po­lizei noch aggressiv vor den Gegendemonstranten aufgebaut, während in ihrem Rücken die Neonazis den Angriff vorbereiteten.

»Ein großes Problem ist das zunehmend repressive Vorgehen der Polizei gegen die Gegendemonstrationen«, monieren Antifaschisten im Gespräch mit der Jungle World. So seien in den vergangenen Wochen Mahnwachen verboten, Einzelpersonen festgenommen und Blockadeversuche gewaltsam unterbunden worden. Doch selbst in Mecklenburg-Vorpommern gibt es Erfolgsmeldungen. »Manchmal klappt es jedoch auch ganz gut, den Nazis den Abend mit Blockaden etwas zu vermiesen, wie am 16. März in Stralsund«, berichtet ein Antifaschist.

Neben den Protesten bürgerlicher und antifaschistischer Gruppen gibt es auch Versuche, »MVgida« zu »Volkes Stimme« zu erklären, der gelauscht werden müsse. So organisierte die Vorsitzende des Schweriner Stadtteilvereins »Die Platte lebt«, Hanne Luhdo, mit anderen eine Dialogrunde, zu der auch Vertreter der »MVgida« eingeladen waren. Dass ein Redner »Schutzhaft für Syrien-Rückkehrer« forderte, wollte Luhdo auf Nachfrage des Nordkurier nicht als NS-Vokabular verstanden wissen: »Inhaltlich ging es im Gespräch um ein konsequentes Vorgehen gegen Terroristen.« Das ist ein Politikfeld, bei dem offensichtlich »Volkes Stimme« und Nazipropaganda häufig nicht zu unterscheiden sind.

http://jungle-world.com/artikel/2015/13/51674.html

Peter Nowak