Erneut Verfassungskrise in Rumänien

Der Machtkampf zwischen Anhängern und Gegnern des Präsidenten Basescu spitzt sich zu

Höhepunkt ist die geplante Amtsenthebung des konservativen Präsidenten Basescu durch die sozialliberale Regierungskoalition um Ministerpräsident Ponto. In der letzten Woche waren schon die Präsidenten von Senat und Abgeordnetenhaus ausgetauscht worden. Auch hier waren dem Präsidenten nahestehende Personen abgewählt und durch Parteigänger der Regierung ersetzt worden.

In manchen Medien wird von einem stillen Putsch gesprochen. Vergleiche mit Paraguay wurden gezogen, wo auch kürzlich eine Parlamentsmehrheit einen gewählten Präsidenten absetzte. Während es sich allerdings in Paraguay um einen sozialen Konflikt handelte – für die Grundbesitzer war der Präsident zu sehr der Campesinobewegung verbunden -, hat die Verfassungskrise in Rumänien vor allem machtpolitische Gründe.

Seit Jahren stehen sich zwei Machtblöcke gegenüber, die die Marktwirtschaft bedingungslos verteidigen. Auf der einen Seite stehen die Sozialdemokraten, die sich aus der nominal Kommunistischen Partei gebildet haben, auf der anderen Seite stehen Teile des bürgerlichen Lagers, das sich teilweise aus der Opposition gegen das nominalsozialistische Regime herausgebildet hat. Es ist denn auch eher diese unterschiedliche Herkunft und weniger die konkreten politischen Unterschiede, die den Machtkampf in Rumänien bestimmen.

Verdacht auf Wahlbetrug

Eine Schlüsselrolle spielt dabei der machtbewusste Präsident Traian Basescu, der ebenfalls seit Jahren sein Amt mit allen Mitteln verteidigt. Bei den letzten Wahlen im Jahr 2009 siegte er mit einem hauchdünnen Vorsprung vor den Kandidaten der vereinigten Opposition. Manche Beobachter sprachen sogar von Wahlbetrug. Seit Jahren gab sich der Präsident als Populist, der öfter die Beschlüsse des Parlaments ignorierte und sich dabei auf die Bevölkerung berief.

Weil sich Basescu auch mit Weggefährten aus dem bürgerlichen Lager zerstritten hatte, bildete sich ein Bündnis aus Sozialdemokraten und Nationalliberalen, das einen betont EU-freundlichen Kurs steuerte. Basescu hatte aus taktischen Gründen hingegen mittlerweile EU-kritische Töne angeschlagen, was vor allem in den ländlichen Regionen Rumäniens auf Sympathie stieß.

Die aktuelle Zuspitzung des schon jahrelang schwelenden rumänischen Machtkampfs wurde vom Sturz der konservativen Regierung im Mai durch ein Misstrauensvotum im Parlament ausgelöst. Daraufhin übernahm die Koalition der Präsidentenkritiker die Regierung und machten sich sofort an die Arbeit, den Präsidenten zu entmachten. Eine Zusammenarbeit wie in Frankreich scheint in Rumänien wegen persönlicher Feindschaften der Spitzenpolitiker schwer denkbar.

Endgültige Niederlage des Präsidenten längst nicht sicher

Doch ob nicht am Ende wieder Basescu über seine Gegner triumphiert, ist noch längst nicht ausgemacht. Er könnte wie bei der Wahl 2009 am Ende doch als Verlierer dastehen. Denn nach einer Niederlage im Parlament muss der Präsident sein Amt sofort aufgeben. Allerdings muss innerhalb von 30 Tagen ein Referendum abgehalten werden. Damit könnte Basescu an die Macht zurückkommen.

Allerdings hat die sozialliberale Regierung die Hürden für eine erfolgreiche Ablösung des Präsidenten gesenkt. Jetzt reicht eine Mehrheit der abgegebenen Ja-Stimmen für eine Absetzung des Präsidenten. Vorher mussten die Wahlberechtigten zustimmen. An dieser hohen Hürde ist bereits 2007 ein Abwahlverfahren gegen Basescu gescheitert. Auch die Eingriffsmöglichkeiten des Verfassungsgerichts wurden reduziert. Dieser Machtkampf ist allerdings kein stiller Putsch, wie es auch in einigen Medien hierzulande interpretiert wird. Es ist vielmehr ein relativ normales Prozedere in einer bürgerlichen Demokratie, dass neue Mehrheiten im Parlament auch personelle Konsequenzen nach sich ziehen, zumal in einer Situation wie in Rumänien, wo die innenpolitische Situation so polarisiert ist.

Die zahlreichen Elemente der Volksabstimmung und Referenden, die in der rumänischen Verfassung existieren, werden von manchen Verfechtern der direkten Demokratie gar als Fortschritt gegenüber der Situation in Deutschland gesehen. Allerdings wird am Beispiel der rumänischen Innenpolitik auch deutlich, dass diese Instrumente für populistische Spiele verfeindeter Machtpolitiker und Machtblöcke genutzt werden können. Die Bevölkerung, die vor einigen Monaten mit Protesten auf sich aufmerksam machte, bleibt dabei weitgehend ausgeschlossen.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/152342
Peter Nowak

Proteste gegen IWF-Politik in Rumänien

Wie in Ungarn könnte auch in Rumänien die extreme Rechte vom Unmut über der Bevölkerung profitieren

Die Proteste gegen die Sparpolitik der rumänischen Regierung weiten sich aus. Am Sonntagabend kam es in der Hauptstadt Bukarest erstmals zu militanten Auseinandersetzungen, nachdem Demonstranten die Polizeiketten durchbrochen hatten. In den Medien wird von mehr als 50 Verletzten gesprochen, die große Mehrheit waren Demonstranten. 29 Personen wurden festgenommen.

Sofort war irreführend von unpolitischen Fußballfans und Hooligans die Rede. Die Teilnahme von rechtsgerichteten Fußballfans, die nationalistische Parolen wie „Rumänien erwache“ riefen, ist sicher ein Ausdruck davon, dass Parteien und Gewerkschaften in Rumänien bei der Protestbewegung keine große Rolle spielen. Doch schon immer waren Fußballclubs auch in Rumänien mehr als nur eine Freizeitbeschäftigung. Sie haben auch als Ersatz für politische Organisationen gedient. Schon lange ist dort die großrumänische Ideologie auf fruchtbaren Boden gefallen. Die scheinbaren Verlierer der Wende richten ihren Frust gegen Roma, Juden und andere Minderheiten und träumen von einem Großrumänien. Solche Stimmungen wurden in der Vergangenheit von unterschiedlichen rumänischen Regierungen instrumentalisiert und gegen die Opposition eingesetzt.

Schon in den frühen 90er Jahren mobilisierte die als Sozialdemokraten firmierenden Nachfolger der Nationalkommunisten nationalistische Bergarbeiter aus der rumänischen Provinz nach Bukarest, um die Proteste der konservativen und liberalen Opposition niederzuschlagen. Mittlerweile haben diese Kräfte schon lange die Regierungsgewalt in Rumänien inne und bewiesen, dass sie genau so populistisch, machthungrig und bestechlich sind wie die Nachfolger Ceausescus. So lieferten sich im Jahr 2007 monatelang zwei Politiker des konservativ-liberalen Lagers einen Machtkampf ohne Rücksicht auf die staatlichen Institutionen. Dabei setzte sich der rechtspopulistische Präsident Traian Basescu gegen den nicht minder konservativen Ministerpräsidenten Calin Popescu Tariceanu durch. Der Präsident erwies sich als der geschicktere Populist und konnte einen großen Teil der Bevölkerung auf seine Seite bringen und dabei die Vorgaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) erfüllen. Diese Fähigkeit scheint ihm jetzt abhanden zu kommen. Die Proteste der letzten Tage richten sich vor allem gegen den Präsidenten. Sein Rücktritt wird gefordert.

IWF-Diktat in der Kritik

Zu den vom IWF aufoktroyierten Wirtschaftsmaßnahmen gehörte die Einfrierung der Renten, die Erhöhung der Mehrwertsteuer und die Privatisierung des Gesundheitswesens. Der unmittelbare Anlass für die Proteste war die vom Präsidenten geplante Privatisierung des nationalen Rettungsdienstes und die Entlassung eines parteilosen Staatssekretärs, der dagegen opponierte.

Für einen Großteil der Bevölkerung brachte diese Wirtschaftspolitik eine noch stärkere Verschlechterung ihrer Lebenssituation. Schließlich sind in den letzten Jahren die Preise und Lebenshaltungskosten erheblich gestiegen. Bei den Löhnen gehört Rumänien noch immer zu den europäischen Schlusslichtern. Lange Zeit hat die Hoffnung auf einer Besserung der sozialen Situation durch eine EU-Mitgliedschaft einen großen Teil der Bevölkerung von Protesten abgehalten. Die Freude über die EU-Mitgliedschaft war in großen Teilen der Bevölkerung weit verbreitet. Anders als etwa in Polen oder Ungarn hält die rumänische Regierung noch immer an einer baldigen Einführung des Euro fest.

Doch die Geduld der Bevölkerung scheint zu Ende zu gehen. Es wird sich zeigen, ob sich der wendige Präsident noch einmal halten kann und der Aufruf zu einem nationalen Dialog Gehör findet. Eine politische Alternative hat auch die parteipolitische Opposition nicht zu bieten. Daher könnte wie in Ungarn auch in Rumänien die immer schon starke, offen chauvinistische Rechte vom Unmut der Bevölkerung, von der Diskreditierung aller großen Parteien und vom Fehlen emanzipatorischer Perspektiven in der Gesellschaft profitieren.
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Peter Nowak