Medizin ohne Kommerz


Europäische Organisationen fordern gemeinsam eine andere Gesundheitsversorgung
Verschiedene europäische Organisationen aus dem Gesundheitsbereich wollen sich künftig gegen die zunehmende Kommerzialisierung des Gesundheitswesens zusammentun.

»Die Organisation des Gesundheitswesens ist eine öffentliche Aufgabe. Als Gesundheitsprofessionelle sind wir damit betraut, die Krankheiten unserer Patienten zu diagnostizieren, zu behandeln und nach
Möglichkeit zu verhüten. Wir sollten diese Aufgabe ohne Ansehen der Person wahrnehmen.“ Diese Erklärung unterzeichneten 19 europäische Organisationen des Gesundheitspersonals, der Krankenschwestern, Ärzte und Studierender der Medizin. Sie ist Teil eines Manifests des eines europäischen Gesundheitsnetzwerkes, das gegen die zunehmende Kommerzialisierung des Gesundheitswesens länderübergreifend aktiv werden will. Im Oktober Am 5. Oktober hat sich diese Kooperation erstmals praktisch bewährt. An diesem Tag beteiligten sich Vertreter der in dem Gesundheitsnetzwerk vertretenen Organisationen aus mehreren europäischen Ländern an einer Demonstration in Warschau, mit der die polnische Gewerkschaft der Krankenschwestern und Hebammen (OZZ PiP) unterstützt werden sollte, die eine wichtige Rolle bei der Entstehung des europäischen Netzwerkes gespielt hat. Vor fünf hatte ein wochenlanger Streik der polnischen Krankenschwestern, die in Warschau Zelte, das sogenannte „Weiße Städtchen“ errichteten, wesentliche Impulse für die polnische Gewerkschaftsbewegung und die europaweite Zusammenarbeit gegeben. Im Anschluss an die Demonstration fand am 5. Oktober in Warschau ein Kongress des europäischen Gesundheitsnetzwerkes statt. Obwohl das Manifest von 7 Organisationen aus Deutschland unterzeichnet wurde, ist das Netzwerk hierzulande bisher noch kaum bekannt. Dazu gehört die Göttinger Basisgruppe Medizin, die Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie, der Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten und der Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte (VdÄÄ). „Wir merken, dass Ärztinnen und Ärzte in der Öffentlichkeit nach wie vor eine sehr hohe Akzeptanz haben und versuchen diese zu nutzen, um für eine bedarfsgerechte und sinnvolle medizinische Versorgung einzutreten, die nicht wieder nur den „Leistungserbringern“ und der Gesundheitsindustrie noch mehr Geld in die Taschen spült“, beschrieb die Leiterin der VdÄÄ-Geschäftsstelle Nadja Rakowitz die Pläne ihrer Organisation. Die europäische Vernetzung hat auch große Bedeutung, weil die gegenwärtige Krise unterschiedliche Folgen für das Gesundheitssystem der verschiedenen Länder hat. Besonders in der europäischen Peripherie, vor allem in Spanien und Griechenland, gibt es in einigen Städten Notlagen auf medizinischem Gebiet. In Deutschland hingegen ist in vielen Bereichen eine Überversorgung aus ökonomischen Gründen zu beobachten, betont Rakowitz. Als Beispiel führt sie überflüssige individuelle Gesundheitsleistungen im ambulanten Sektor, die vom Patienten selber bezahlt werden müssen, oder die medizinisch nicht erklärbaren Fallzahlensteigerungen bei Operationen in den Krankenhäusern an. Die Verschlechterungen bei den Arbeitsbedingungen des Gesundheitspersonals hingegen sind in allen europäischen Ländern zu beobachten. Dabei könnte das Gesundheitsnetzwerk eine zentrale Rolle bei einem europaweiten Widerstand bekommen.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/808686.medizin-ohne-kommerz.htm
Peter Nowak