Willkür gegen Migranten

UN-Arbeitsgruppe kritisiert deutsche Abschiebehaft und pychiatrische Zwangseinweisungen
Eine Delegation des UN-Menschenrechtsrates besuchte Gefängnisse, Polizeidienststellen und psychiatrische Einrichtungen in Deutschland, um Fälle von willkürlicher Inhaftierung aufzudecken.

Georgien, China, Iran, das sind nur einige der Länder, die einem sofort einfallen, wenn es um die willkürliche Inhaftierung von Menschen geht. Aber Deutschland doch nicht. Schließlich würde dort nach weit verbreiteter Meinung eine unabhängige Justiz solche Willkürmaßnahmen verhindern.

Dass es sehr wohl auch in Deutschland ein Problem mit willkürlichen Inhaftierungen gibt, wurde jüngst durch die Debatte um die Sicherungsverwahrung einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Sie war eines der Themen auf einer Pressekonferenz, die Delegationsmitglieder der »UN-Arbeitsgruppe zu willkürlicher Haft« am gestrigen Mittwoch im Auswärtigen Amt gaben. Es handelt sich dabei um eine von 33 Sondergruppen des UN-Menschenrechtsrates.

Wie die Delegationsmitglieder Hadji Malick Sow aus Senegal und Shaheen Sardar Ali aus Pakistan berichteten, haben sie in der Zeit vom 26. September bis zum 5. Oktober dieses Jahres Gefängnisse, Polizeidienststellen und psychiatrische Einrichtungen besucht. Ebenfalls auf der Agenda der zehntägigen Deutschlandvisite standen Treffen mit staatlichen Stellen und mit Nichtregierungsorganisationen. Die Kooperation mit den staatlichen Stellen in Deutschland sei gut gewesen, betonten die beiden UN-Delegierten. Gewünschte Informationen hätten sie erhalten.

Ausführlich ging Malick Sow auf die Entstehung und die Tätigkeit der Arbeitsgruppe ein. Sie ist 1991 entstanden und untersucht weltweit Fälle, in denen Menschen ohne rechtliche Grundlage die Freiheit entzogen wurde. Hierzu zählt behördlich angeordnete Haft, die nicht gerichtlich überprüft werden kann. Zudem schaut sich die Arbeitsgruppe an, ob Inhaftierungen auf diskriminierender Grundlage erfolgten und ob in Strafverfahren der Grundsatz der Fairness so schwerwiegend verletzt wurde, dass die Inhaftierung als willkürlich einzustufen ist.

Besonderes Augenmerk richtet die Arbeitsgruppe zunehmend auf die langfristige Inhaftierung von Flüchtlingen und Migranten. Das ist auch in Deutschland ein zentrales Problem, betonten die Mitglieder der Untersuchungskommission. Damit gingen sie auch kritisch auf die Praxis der Abschiebehaft in Deutschland ein. Hier werden Flüchtlinge inhaftiert, ohne dass sie eine Straftat begangen haben. Der Kommission seien bei Gesprächen mit Flüchtlingsorganisationen zahlreiche Fälle bekannt geworden, in denen sich Migranten über einen langen Zeitraum in Abschiebehaft befinden.

Ein weiterer Kritikpunkt ist für die Kommission die Zwangseinweisung von Menschen in psychiatrische Anstalten. Dagegen wenden sich nicht nur Betroffenenorganisationen, sondern zunehmend auch Menschenrechtsgruppen, die darin eine Willkürmaßnahme sehen. Mit dieser Kritik sind sie bei der Kommission auf offene Ohren gestoßen. Die Delegationsmitglieder wollen in ihren Empfehlungen an die Bundesregierung Änderungen der bisherigen Praxis anregen. Die Ergebnisse ihrer Untersuchung der Situation in Deutschland wird in den Bericht einfließen, den der UN-Rat für Menschenrechte im nächsten Jahr präsentieren wird.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/208234.willkuer-gegen-migranten.html

Peter Nowak