Zum Internationalen Frauentag am 8. März ruft die Gefangenengewerkschaft (GG/BO) zu einer Demonstration zum Chemnitzer Frauengefängnis auf. Unter dem Motto »Solidarität mit den inhaftierten Frauen und Gewerkschafterinnen« will die GG/BO mehrere Frauen unterstützen, die sich in der Justizvollzugsanstalt gewerkschaftlich organisiert haben. In dem Aufruf zur Demo geht die Sprecherin der GG/BO in Chemnitz, Nancy Rheinländer, auf die besonderen Unterdrückungsverhältnisse ein, denen Frauen hinter Gittern ausgesetzt sind. Sie bezeichnet das Gefängnis als »Ort strenger Geschlechtertrennung«, unter den »Menschen, die nicht in die starre Geschlechterordnung von Mann und Frau passen« besonders leiden. »Der 8. März ist nicht dazu da, Frauenquoten in Aufsichtsräten zu fordern«, erklärt ein Sprecher der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft FAU Dresden, die die Demo unterstützt. Man wolle stattdessen an Orte gehen, wo Grundrechte wie Gewerkschaftsfreiheit nicht gewährleistet sind. Die Demo beginnt um 15 Uhr am Hauptbahnhof Chemnitz.
Jobcenter kooperieren mit Wohnungseigentümern, vernachlässigen aber ihre Pflicht zur Mietübernahme. Berichte von Betroffenen zeigen, dass hinter skandalösen Wohnungsräumungen System steckt.
Eigentlich müsste das Jobcenter Meißen mit Stefan Klausner* zufrieden sein. Der Mann musste nach einem längeren Auslandsaufenthalt ALG-II-Leistungen beantragen, wollte sich aber schnell im Internetbereich selbstständig machen. Zur Vorbereitung stellte er eine Website online, die dazu dienen sollte, sich potentiellen Kunden vorzustellen. Doch schon nach wenigen Tagen meldete sich das Jobcenter und unterstellte Klausner, er generiere durch die Website Einkünfte, die er nicht gemeldet habe. Daraus erwuchs eine mehrjährige Auseinandersetzung, die Klausner mittlerweile als Fortsetzungsgeschichte in sechs Akten auf dem Internetportal Erwerbslosenforum.de dokumentiert. Klausner wurden im Verlauf des Konflikts mit dem Jobcenter immer wieder die finanziellen Leistungen gekürzt oder ganz gestrichen. Auf umfangreichen Fragebögen sollte er detaillierte Auskünfte über sämtliche Ausgaben geben, darunter die Finanzierung seiner Hochzeit. »Im März dieses Jahres wollte das Jobcenter die Telefondaten bei meinem Provider einsehen und drohte bei Weigerung mit den Einstellungen der Leistungen«, berichtet Klausner im Gespräch mit der Jungle World. Solche Informationen könne das Amt verlangen, wenn es um die Mitwirkungspflichten eines Arbeitslosen geht, sagte ein Mitarbeiter des Meißener Jobcenters.
Auch Erfolge auf dem Rechtsweg halfen Klausner wenig. »Durch Vorlage aktueller Kontoauszüge sowie eidesstattlich versicherter Erklärungen ist hinreichend glaubhaft gemacht worden, dass der Antragsteller über keine nennenswerten Vermögenswerte oder Einkommen verfügt, aus denen er seinen Lebensunterhalt und den seines Sohnes zunächst vollständig bestreiten kann«, begründete das Dresdner Sozialgericht seine verpflichtende Aufforderung an das Jobcenter Meißen, die Leistungssperre gegen Klausner aufzuheben. Doch schon wenige Tage später erreichte den Erwerbslosen ein neues Schreiben vom Jobcenter, in dem er erneut bei Androhung des Leistungsentzugs zur Beantwortung eines Fragenkatalogs aufgefordert wurde.
»Kaum hast du einen gerichtlichen Erfolg gegen das Jobcenter errungen, kommt der nächste Brief und die Auseinandersetzung beginnt von Neuem. Es ist wie eine Dampfwalze, die dich überrollt«, beschreibt ein Mann, der ehemals im Finanzsektor beschäftigt war, seine Erfahrungen mit dem Meißener Jobcenter. Ute, eine Frau Ende 40, nickt zustimmend. Auch ihr warf das Jobcenter Vernachlässigung ihrer Mitwirkungspflichten vor und strich die finanziellen Leistungen. Sie konnte ihre Miete nicht mehr zahlen und erhielt die Kündigung, der vom Amtsgericht Meißen stattgegeben wurde. Einen Räumungsaufschub lehnte es mit der Begründung ab, Ute und ihre Mitbewohnerin hätten Passivität bei der Wohnungssuche gezeigt und ihre Ansprüche zu hoch geschraubt. Erst als sie das Berliner Bündnis gegen Zwangsräumung einschalteten, konnten die beiden Frauen eine neue Wohnung beziehen und die Obdachlosigkeit abwenden.
Auch Stefan Klausner bekommt Unterstützung von außerhalb. Bei einem Treffen der unzufriedenen Kunden des Meißener Jobcenters boten die FAU Dresden und die Berliner Erwerbsloseninitiative Basta ihre Unterstützung an. Auch ein Mitarbeiter einer SPD-Bundestagsabgeordneten war gekommen, um sich über die Probleme zu informieren. Die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei in Meißen, Bärbel Heym, hatte hingegen abgesagt und dies damit begründet, dass bei aller notwendigen Kritik an Hartz IV Pauschalisierungen nicht hilfreich seien: »Wir sollten uns in der aufgeheizten politischen Atmosphäre nicht zu Skandalisierungen verleiten lassen, sondern um vernünftige Lösungen kämpfen«, so beschied Heym einem der Koordinatoren des Treffens. Dabei geht es den Organisatoren gerade nicht darum, einzelne Jobcenter als besonders skandalös darzustellen, sondern darum, Selbstorganisierung voranzutreiben und konsequente Interessenvertretung von Erwerbslosen zu ermöglichen.
Die Erwerbslosen betonten auf dem Treffen, das Problem sei das Hartz-IV-System. Es liefert erst den Rahmen, in dem dann Jobcenter besonders restriktiv agieren. In Berlin wurde das Jobcenter Neukölln vor einigen Wochen von Erwerbsloseninitiativen und dem Bündnis gegen Zwangsräumungen mit einen Negativpreis ausgezeichnet. Während der Aktion hielten die Kritiker Schilder mit der Aufschrift »Jobcenter Neukölln ist Verdrängung« hoch. Kurz zuvor hatte eine von der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität erarbeitete Studie mit dem Titel »Zwangsräumungen und die Krise des Hilfesystems« wissenschaftlich bestätigt, was viele Betroffene seit Jahren kritisieren. Das Verhalten der Jobcenter spielt bei Zwangsräumungen eine gewichtige Rolle. So lehnt der Studie zufolge die Neuköllner Behörde in 85 Prozent der Fälle eine Mietschuldenübernahme ab und gibt damit den Weg zur Räumung frei. Das ist in Berlin der absolute Spitzenwert. Auch verursacht das Jobcenter Zwangsräumungen dadurch, dass es Mietzahlungen an ALG-II-Bezieher zu spät leistet, Sanktionen verhängt oder die Mieten auf falsche Konten überweist.
Vor einigen Wochen hat Margit Englert die Zwangsräumung der Rentnerin Rosemarie F. aufgrund der hinterlassenen Dokumente in dem Buch »Rosemarie F. Kein Skandal« akribisch aufgearbeitet. Dabei wird deutlich, wie das Amt, das eigentlich für die Grundsicherung zuständig ist, im Zusammenwirken mit der Wohnungseigentümerin den Hinauswurf der schwerkranken Frau erreichte, die zwei Tage später in einer Obdachloseneinrichtung starb.
»Wenn so ein Fall wie Rosemaries Tod öffentlich als Skandal wahrgenommen wird, geht man in der Regel schnell wieder zur Tagesordnung über. Und auf der Tagesordnung steht halt, Gewinne mit Immobilien zu machen oder sich mit gutem Einkommen in Berlin eine der frei werdenden Wohnungen zu nehmen oder sich vorbildlich um die eigene Altersversorgung zu kümmern – durch Investition in Immobilien«, betont Englert. Sie spricht von einem regelrechten »sozialstaatlich-immobilienwirtschaftlichen Komplex«, der sich da gegen die grundlegenden Interessen und Bedürfnisse von Mietern, die auf Grundsicherung angewiesen sind, zusammenschließt.
Darum, dass genau diese Verschiebung der Aktivitäten der Jobcenter zugunsten der Eigentümer und zuungunsten der Mieter nicht mehr so reibungslos funktioniert und, dass das Systematische dieser Skandale offenkundig wird, geht es Erwerbsloseninitiativen wie Basta, die sich deshalb auch um die solidarische Kooperation der vom Hartz-IV-System Betroffenen über Städtegrenzen hinweg bemühen. Der Besuch in einer Stadt wie Meißen, die viele Linke in Berlin vor allem als Hort von Neonazis und Rassismus wahrnehmen, kann auch für eine differenziertere Sicht sorgen. Schließlich bekommen auch Berliner Mieter, denen Zwangsräumung droht, aus anderen Städten Unterstützung. So informiert die Kölner Initiative »Recht auf Stadt« einmal die Woche über die der 56jährigen Berliner Mieterin Andrea Borschert drohende Zwangsräumung. Die Kündigung ihrer Wohnung wird von den Kölner Wohnungseigentümern vorangetrieben.