Zweimal Frankfurt und zurück


Für den Frühling planen verschiedene linke Gruppen Krisenproteste in Frankfurt am Main. Ein Bündnis will weg von der Bankenkritik und stellt die europäische und deutsche Krisenpolitik in den Vordergrun
d.

»Friedliche Evolution« stand auf einem gelben Banner, auf einem weißen prangte der Slogan: »Neoliberal ist asozial«. Auch eine Tafel mit dem Spruch »Wir sind das Volk« durfte nicht fehlen, als am vergangenen Samstag die »Occupy«-Bewegung in Dresden auf die Straße ging. Mit knapp 150 Teilnehmern lag die Demonstration in der Stadt durchaus im Trend, denn an ihrem dezentralen Aktionstag brachte die »Occupy«-Bewegung auch in den mehr als 40 anderen Städten – von Ansbach bis Würzburg – selten mehr Menschen auf die Straße. In der Regel lag die Beteiligung im zweistelligen oder unteren dreistelligen Bereich. Dass die Bewegung auch im neuen Jahr noch ein Faktor ist, daran durfte bereits gezweifelt werden, als in der vergangenen Woche, bei der Räumung des »Occupy«-Camps in Berlin-Mitte gerade einmal 15 Menschen passiven Widerstand leisteten. Nach einer Phase des Aufstiegs stagnierte die Bewegung zunächst und tritt nun offenbar in das Stadium des Verfalls ein – eine Entwicklung, wie sie viele Bewegungen schon zuvor durchgemacht haben.

Die Medien, die die »Occupy«-Bewegung im vergangenen Herbst noch als unideologische, pragmatische Kritiker des »Neoliberalismus« gefeiert haben, schreiben dieselbe nun nieder. Was vor einigen Monaten noch in der großen Presse als »Schwarmintelligenz« gelobt wurde, wird der Bewegung mittlerweile als Schwarmdummheit angekreidet.

Wenn Bewegungen zerfallen und sich viele Aktivisten zurückziehen, spielen immer auch interne Differenzen eine Rolle. Das war bei den »Occupy«-Protesten in Deutschland nicht anders. Hier kommt jedoch noch hinzu, dass das Leben in einem öffentlichen Camp im Winter eher ein körperlicher denn ein politischer Härtetest ist – oder auch ein sozialer. Vor allem in Frankfurt am Main wurde das Camp zunehmend zu einem Zufluchtsraum für Wohnungslose, die dort einen gewissen Schutz vor der Polizei, Sicherheitsdiensten und »Aktivbürgern« fanden. Dieses Sichtbarmachen von Armut und Obdachlosigkeit in einem reichen Land könnte durchaus ein Politikum sein, spielte aber in der Außendarstellung der Bewegung kaum eine Rolle. Stattdessen erging sich auch der zen­trale Aufruf zum Aktionstag in Platitüden – nach dem Motto: »Die Zeit ist reif für einen Politikwechsel« –, die häufig wirken, als wolle man die Politik lediglich beraten.

Viele radikale Linke in Deutschland standen der »Occupy«-Bewegung ohnehin skeptisch gegenüber. Nun mobilisieren sie jenseits von Occupy zu einem eigenen Protesttermin am 31. März, »M31« heißt die Kampagne. Für diesen Tag rufen linke Gruppen und Basisgewerkschaften in verschiedenen Ländern zu einem europaweiten Aktionstag »gegen den Kapitalismus« auf. An dem europaweiten Bündnis sind Gruppen aus Griechenland, Belgien, Österreich, Italien, Frankreich und Polen beteiligt. In Deutschland wiederum ist eine zen­trale Demonstration in Frankfurt am Main geplant, unter anderem organisiert vom »sozialrevolutionären und antinationalen Krisenbündnis« aus Frankfurt und dem bundesweiten, kommunistischen »Ums-Ganze«-Bündnis. Obwohl die Europäische Zentralbank ein Ziel der Demonstration sein soll, ist nicht Bankenkritik das Anliegen. In dem zentralen Mobilisierungsaufruf steht die Krisenpolitik der EU-Staaten im Mittelpunkt der Kritik.

»Die neoliberale Transformation der vergangenen Jahrzehnte hat auch die Finanzmärkte überkochen lassen. Ob Dotcom-Boom, Immobilienfonds oder Derivatehandel – seit Jahren platzen die Spekulationsblasen, auf jeden Boom folgt ein Einbruch«, heißt es in dem Aufruf zum »M31«. Und weiter: »Schuld daran sind nicht die vermeintliche Gier und Korruption einer kleinen Elite, wie viele glauben. Schuld ist die alltägliche Profitlogik, der wir alle unterworfen sind, ob wir wollen oder nicht.«

In den Stellungnahmen der initiierenden Gruppen und Bündnisse ist eine klare Ablehnung nationaler Interessenpolitik und nationalistischer Krisenideologien zu erkennen. Auch die Vorschläge zur Krisenregulierung, wie sie von Attac, aber auch einem Großteil der »Occupy«-Bewegung propagiert werden, finden bei ihnen, denen es erklärtermaßen um eine grundlegende Kapitalismuskritik geht, offenbar wenig Zustimmung. »Die europäische Krisenpolitik ist so spekulativ, wie es der Kapitalismus immer war. Denn schärferes Sparen gefährdet die ökonomische Stabilität genau so wie Wachstum auf Pump. Es gibt im Kapitalismus keinen sicheren Weg, nur permanentes Krisenmanagement«, ist in dem Aufruf weiter zu lesen.

Die Initiatoren schlagen darüber hinaus eine fortwährende europaweite Mobilisierung von »nicht staatstragenden« Linken und Basisgewerkschaften über den 31. März hinaus vor. Dass sie sich gerade auf diese Akteure stützen möchten, dürfte auch als Kritik an den etablierten deutschen Gewerkschaften zu verstehen sein. Große Teile des Bündnisses hatten zumindest in den vergangenen Jahren immer wieder auf deren Verantwortung bei der Errichtung eines Niedriglohnsektors verwiesen, auf dem die deutsche Krisenpolitik wesentlich basiert, und ihre Rolle im europäischen Unterbietungswettbewerb bei den Löhnen scharf kritisiert.

Die Aktionsfähigkeit über den einen Tag hinaus unter Beweis zu stellen, wird auch für das neue Bündnis die große Herausforderung sein. Zur Diskussion dürfte dann zudem stehen, ob es eineinhalb Monate später wieder zum Protest in Frankfurt auffordert. Denn Mitte Mai soll erneut in der Stadt – und wieder im Rahmen eines internationalen Aktionstags – demonstriert und blockiert werden. Dazu ruft derzeit vor allem die »Interventionistische Linke« auf. In dem Kurzaufruf stehen die »Occupy«-Bewegung und die Aufstände im arabischen Raum als Bezugspunkte wahllos nebeneinander. Etwas nebulös wird von »einer weiteren Agora der Bewegungen« gesprochen, die um den 15. Mai herum in Erscheinung treten soll.

Am kommenden Wochenende sollen nun weitere Details der geplanten Proteste besprochen werden – selbstverständlich in Frankfurt. Während die M31-Aktivisten für den Samstag zu einem Vorbereitungstreffen laden, tagt die »Interventionistische Linke« einen Tag später im Frankfurter Gewerkschaftshaus. Obwohl beide Bündnisse vereinbart haben, sich gegenseitig zu bewerben und zu unterstützen, gibt es auch Kritik daran, dass innerhalb weniger Wochen gleich zu zwei Großaktionen mobilisiert werden soll. Aus dem Umfeld der M31-Initiatoren wird etwa darauf verwiesen, dass die Bereitschaft zum Widerstand in der deutschen Bevölkerung nicht gerade gewachsen sein dürfte. Schließlich stritten auch die Gewerkschaften und die Oppositionsparteien mit der Bundesregierung nur darum, wer sich besser um den deutschen Standort kümmere. Ob die Besinnung auf die eigene Rolle als linke Minderheit dazu taugt, über den 31. März hinaus handlungsfähig zu sein, wird sich zeigen. Immerhin wirkt es schon einmal reflektierter, sich nicht auf eine diffuse Stimmung gegen die Banken, gegen »die da oben« oder etwa auf die ominösen 99 Prozent zu beziehen.
http://jungle-world.com/artikel/2012/03/44697.html
Peter Nowak

Was stört die EU-Kommission an Ungarns Rechtsregierung?

In der ungarischen Opposition gibt es unterschiedliche Auffassungen zum Eingriff der EU

Lange Zeit konnte Ungarns Rechtsregierung augenscheinlich schalten und walten, wie sie wollte. Mit einer komfortablen Mehrheit im Rücken machte sie sich an den konservativen Staatsumbau. Die Proteste im Innern waren überschaubar und Kritik vom Ausland schien die Rechtskonservativen in ihrer Bunkermentalität nur zu bestärken. Doch seit sich in Ungarn die Folgen der Wirtschaftskrise bemerkbar machen und das Land dringend neue Kredite braucht, kann Ministerpräsident Viktor Orban die Kritik aus dem Ausland nicht mehr ignorieren.

Jetzt hat die EU-Kommission rechtliche Schritte gegen die ungarische Regierung eingeleitet. Gleich auf drei Feldern sieht sie das EU-Recht verletzt: bei der Unabhängigkeit der Notenbank, beim Pensionseintrittsalter von Richtern und bei der Unabhängigkeit des Datenschutzes.

Politische Beobachter gehen davon aus, dass Orban am ehesten bei der Bankreform zu Kompromissen gezwungen und bereit dafür ist. Er hat auch schon angedeutet, das Bankgesetz im Sinne der EU zu verändern. Am schwersten dürfte es der Regierung vor allem bei der Justizreform, einem Kernstück des Staatsumbaus, fallen, den Brüsseler Kritikern nachzugeben. Schließlich muss die Regierung dem eigenen Anhang gegenüber fürchten, das Gesicht zu verlieren, wenn sie einerseits gegen ausländische Einmischung polemisiert und Oppositionelle als Handlager des Auslands diffamiert, um dann selbst Brüsseler Vorgaben zu erfüllen.

Zumal mit der Jobbik-Bewegung eine rechte Opposition in Ungarn bereitsteht, die bereits Demonstrationen und Aktionen gegen die EU organisiert und Vergleiche zwischen Moskau vor 1989 und Brüssel zieht. Diese rechtspopulistischen Kräfte könnten von einer Schwächung des Orban-Regimes profitieren.

Weder Orban noch EU

Wesentlich schwieriger noch ist es für die liberale und linke ungarische Opposition, sich gegen die EU-Vorgaben zu positionieren. Von den liberalen Kräften wird das Vorgehen Brüssels weitgehend begrüßt. Dort wurde schon längerem ein Eingreifen gefordert. Manche Liberale wünschen sich noch stärkeren Druck aus den USA. Der ungarische Philosoph und Linksoppositionelle Gáspár Miklós Tamás warnt allerdings in einem Beitrag, erschienen in der liberalen ungarischen Zeitung hvg davor, im Kampf gegen Orban auf die EU zu setzen. Tamás warnt:

Das in der Vergangenheit schon so oft enttäuschte ungarische Volk könnte in der „Causa Demokratie“ nur das i-Tüpfelchen auf dem von den westlichen Mächten verordneten Sparmaßnahmenkatalog sehen. Letztere scheinen sich eher um Finanzstabilität zu sorgen. Wenn der Schutz der demokratischen Institutionen zwangsläufig mit einer Verarmung des ungarischen Volkes einhergeht, ist es nicht verwunderlich, dass sich die Bürger nicht für eine Wiederherstellung der liberalen Demokratie begeistern, die ihnen mehr Armut bringt.

Die Stichhaltigkeit seiner Argumente kann man an der EU-Kritik am ungarischen Bankengesetz deutlich machen. Die EU-Kommission wirft der ungarischen Regierung Verstöße gegen Artikel 130 des EU-Vertrags vor, der die Unabhängigkeit der nationalen Zentralbanken vorschreibt, sowie gegen Artikel 127, der bei Gesetzesänderungen Konsultationen mit der Europäischen Zentralbank (EZB) verlangt.

Im Detail bemängelt die Kommission, dass der Finanzminister direkt an den Sitzungen des geldpolitischen Rats teilnehmen kann, was der Regierung die Möglichkeit geben könnte, die Notenbank von innen zu beeinflussen. Auch müsse die Bank der Regierung vorab ihre Tagesordnung vorlegen, was vertrauliche Erörterungen behindere. Die Bezahlung des Notenbankpräsidenten werde schon jetzt, statt erst zur nächsten Amtszeit, verändert, was die Gefahr berge, dass auf diese Weise politischer Druck auf ihn ausgeübt werde. Problematisch sei auch, dass der Präsident und die Mitglieder des geldpolitischen Rats auf Ungarn und dessen Interessen vereidigt würden, obwohl der Präsident auch Mitglied des Erweiterten Rats der EZB sei.

Diese Kritik ist auch in dem Sinne zu lesen, dass die EU-Kommission die unabhängige Finanzpolitik eines Landes begrenzen oder gar verhindern will. Jede Regierung, mag sie auch durch Wahlen von der Bevölkerung legitimiert sein, die eine Banken- und Fiskalpolitik einschlägt, die nicht mit den Interessen der EU-Kernländer harmoniert, könnte sanktioniert werden.

Es ist nicht der von EU-Kommissionspräsident Barroso beschworene ominöse Geist der EU, der hier verletzt wird, sondern es sind Interessen von mächtigen Ländern in der EU, die hier tangiert werden. Die EU-Kommission hat nicht protestiert, als der griechischen Bevölkerung im Dezember vergangenen Jahres das Recht genommen wurde, über das Krisenprogramm abzustimmen. Dem griechischen Ministerpräsidenten Papandreous kostete der in populistischer Absicht gestartete Demokratieversuch das Amt.

Wenn Ungarns Liberale jetzt hoffen, dass auch Orban durch Druck aus Brüssel sein Amt verliert, stehen auch nicht Fragen zur Demokratie, sondern wirtschaftliche Interessen im Mittelpunkt. Anders als die Liberalen positioniert sich die kleine, aber in Großbetrieben verankerte Ungarische Kommunistische Arbeiterpartei in einer aktuellen Erklärung Gegen Urban, EU und IWF.
http://www.heise.de/tp/artikel/36/36256/1.html
Peter Nowak

Ein Zeichen gegen den rechten Terror

Initiative erinnert mit Veranstaltungen und Demo an zwei Mordopfer russischer Neonazis

Mit einer Kundgebung vor der russischen Botschaft soll am Donnerstag um 14 Uhr an die russische Journalistin Anastasija Baburowa und den Menschenrechtsanwalt Stanislaw Markelow erinnert werden. Beide wurden vor genaGEDENKEN u drei Jahren, am 19. Januar 2009, in Moskau auf offener Straße von einem russischen Neonazi erschossen. Wegen ihres antifaschistischen Engagements waren sie schon länger im Visier der Rechten.

Markelow hatte als Anwalt Opfer rassistischer Gewalt vertreten. In den letzten Monaten vor seiner Ermordung verteidigte er die Rechte von Tschetschenen, die Opfer von rechtem Terror, aber auch von Polizeigewalt geworden waren. Die für die linksliberale Zeitung Nowaja Gaseta schreibende Journalistin Anastasija Baburowa zog sich wegen ihrer Artikel über die rechte Szene Russlands ebenfalls den Zorn der Neonazis zu.

Im Vorfeld des Jahrestags der rechten Morde hat die Berliner Gruppe „19. Januar“ eine Veranstaltungsreihe auf die Beine gestellt. Unterstützt wird sie von der Naturfreundejugend und der Rosa-Luxemburg-Stiftung. „Wir sind eine kleine Gruppe von Menschen, die ein Zeichen gegen den rechten Terror, den Nationalismus und die Kriminalisierung von AntifaschistInnen setzen wollen“, erklärte eine Aktivistin der Gruppe „19. Januar“ gegenüber der taz.

Mit einer Informationsveranstaltung über die russische Neonazi-Szene am 19. Januar um 19 Uhr im Büro der Naturfreundejugend in der Neuköllner Weichselstraße 13 endet die Reihe. Dort werden mit der Journalistin Nadeschda Prusenkowa von der Nowaja Gaseta und Aleksander Chernykh Freunde der Ermordeten und ExpertInnen für nationalistische Tendenzen in Russland referieren. Kritisch werden sie sich dabei auch mit der russischen Opposition gegen Putin befassen, die aktuell für Schlagzeilen sorgt. Auch in den Reihen der Oppositionellen sind NationalistInnen wie der durch Erklärungen gegen kaukasische MigrantInnen bekannt gewordene Blogger Aleksei Nawalny prominent vertreten.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2012%2F01%2
F18%2Fa0156&cHash=a751f830d3
Peter Nowak

Proteste gegen IWF-Politik in Rumänien

Wie in Ungarn könnte auch in Rumänien die extreme Rechte vom Unmut über der Bevölkerung profitieren

Die Proteste gegen die Sparpolitik der rumänischen Regierung weiten sich aus. Am Sonntagabend kam es in der Hauptstadt Bukarest erstmals zu militanten Auseinandersetzungen, nachdem Demonstranten die Polizeiketten durchbrochen hatten. In den Medien wird von mehr als 50 Verletzten gesprochen, die große Mehrheit waren Demonstranten. 29 Personen wurden festgenommen.

Sofort war irreführend von unpolitischen Fußballfans und Hooligans die Rede. Die Teilnahme von rechtsgerichteten Fußballfans, die nationalistische Parolen wie „Rumänien erwache“ riefen, ist sicher ein Ausdruck davon, dass Parteien und Gewerkschaften in Rumänien bei der Protestbewegung keine große Rolle spielen. Doch schon immer waren Fußballclubs auch in Rumänien mehr als nur eine Freizeitbeschäftigung. Sie haben auch als Ersatz für politische Organisationen gedient. Schon lange ist dort die großrumänische Ideologie auf fruchtbaren Boden gefallen. Die scheinbaren Verlierer der Wende richten ihren Frust gegen Roma, Juden und andere Minderheiten und träumen von einem Großrumänien. Solche Stimmungen wurden in der Vergangenheit von unterschiedlichen rumänischen Regierungen instrumentalisiert und gegen die Opposition eingesetzt.

Schon in den frühen 90er Jahren mobilisierte die als Sozialdemokraten firmierenden Nachfolger der Nationalkommunisten nationalistische Bergarbeiter aus der rumänischen Provinz nach Bukarest, um die Proteste der konservativen und liberalen Opposition niederzuschlagen. Mittlerweile haben diese Kräfte schon lange die Regierungsgewalt in Rumänien inne und bewiesen, dass sie genau so populistisch, machthungrig und bestechlich sind wie die Nachfolger Ceausescus. So lieferten sich im Jahr 2007 monatelang zwei Politiker des konservativ-liberalen Lagers einen Machtkampf ohne Rücksicht auf die staatlichen Institutionen. Dabei setzte sich der rechtspopulistische Präsident Traian Basescu gegen den nicht minder konservativen Ministerpräsidenten Calin Popescu Tariceanu durch. Der Präsident erwies sich als der geschicktere Populist und konnte einen großen Teil der Bevölkerung auf seine Seite bringen und dabei die Vorgaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) erfüllen. Diese Fähigkeit scheint ihm jetzt abhanden zu kommen. Die Proteste der letzten Tage richten sich vor allem gegen den Präsidenten. Sein Rücktritt wird gefordert.

IWF-Diktat in der Kritik

Zu den vom IWF aufoktroyierten Wirtschaftsmaßnahmen gehörte die Einfrierung der Renten, die Erhöhung der Mehrwertsteuer und die Privatisierung des Gesundheitswesens. Der unmittelbare Anlass für die Proteste war die vom Präsidenten geplante Privatisierung des nationalen Rettungsdienstes und die Entlassung eines parteilosen Staatssekretärs, der dagegen opponierte.

Für einen Großteil der Bevölkerung brachte diese Wirtschaftspolitik eine noch stärkere Verschlechterung ihrer Lebenssituation. Schließlich sind in den letzten Jahren die Preise und Lebenshaltungskosten erheblich gestiegen. Bei den Löhnen gehört Rumänien noch immer zu den europäischen Schlusslichtern. Lange Zeit hat die Hoffnung auf einer Besserung der sozialen Situation durch eine EU-Mitgliedschaft einen großen Teil der Bevölkerung von Protesten abgehalten. Die Freude über die EU-Mitgliedschaft war in großen Teilen der Bevölkerung weit verbreitet. Anders als etwa in Polen oder Ungarn hält die rumänische Regierung noch immer an einer baldigen Einführung des Euro fest.

Doch die Geduld der Bevölkerung scheint zu Ende zu gehen. Es wird sich zeigen, ob sich der wendige Präsident noch einmal halten kann und der Aufruf zu einem nationalen Dialog Gehör findet. Eine politische Alternative hat auch die parteipolitische Opposition nicht zu bieten. Daher könnte wie in Ungarn auch in Rumänien die immer schon starke, offen chauvinistische Rechte vom Unmut der Bevölkerung, von der Diskreditierung aller großen Parteien und vom Fehlen emanzipatorischer Perspektiven in der Gesellschaft profitieren.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151234
Peter Nowak

„Kriegstreiber“ versus „Amerikahasser“

Die Linke streitet um einen „Friedensaufruf“ für Syrien und Iran. Der Konflikt hat Tradition und oft ersetzt dabei die schnelle Parteinahme eine reflektierte Analyse

Erneut gibt es Zoff in der Linkspartei um die Nahostfrage. Die Kontroverse entzündete sich dieses Mal an einen Aufruf, der unter den Titel „Kriegsvorbereitungen stoppen! Embargo beenden“ um „Solidarität mit den Völkern Irans und Syriens“ warb. Zu den Unterzeichnern gehören auch fünf Bundestagsabgeordneten der Linken. Ihr Name unter dem Appell stieß in den eigenen Reihen auf deutliche Kritik: Ein Arbeitskreis Shalom, der sich als Plattform jüngerer Linkenmitglieder gegen Antisemitismus, Antiamerikanismus und regressiven Antikapitalismus begreift, sprach von einer zynischen Haltung und forderte die Linken-Politiker auf, ihre Unterstützung „sofort zurück zu ziehen“. Die Diskussion schraubte sich wie üblich in solchen Fragen schnell zur Grundsatzauseinandersetzung hoch, Fraktionskollegen distanzierten sich von dem Aufruf, die Unterzeichner bekräftigten ihre Haltung und das publizistische Umfeld der Linken geriet in Wallung – Tenor: „Kriegstreiber“ versus „Amerikahasser“.

Der Clash zwischen politischen Lagern, die man einerseits als antizionistisch, andererseits als israelsolidarisch bezeichnen könnte, hat Tradition und geht aus unterschiedlichen politischen Grundannahmen hervor. Antiimperialisten, die das Prinzip der Souveränität von Staaten hochhalten, treffen auf Linke, die in der antifaschistischen Bewegung politisiert wurden. „Die Souveränität Syriens und Irans liegt nicht bei den Regimes von Assad und den Ayatollahs, sondern bei den Menschen“, heißt es beim BAK Shalom. „Sie sind es, die ihre Rechte einfordern“. Die Nichteinmischung in die syrischen und iranischen Angelegenheiten, entgegnet das antiimperialistische Lager, sei entscheidende Voraussetzung für die Bewahrung des Friedens in der Region, welcher vom Westen gefährdet werde – nicht zuletzt durch Embargomaßnahmen und ein lauter werdendes Säbelrasseln.

Tatsächlich haben die Kritiker des Friedensappells Recht, wenn sie monieren, dass mit dem Aufruf zur Sicherung des Status Quo in den Ländern beigetragen werden soll. Denn dort wird nur von „ständigen Kriegsdrohungen, dem Aufmarsch militärischer Kräfte an den Grenzen zu Iran und Syrien“, von „Sabotage- und Terroraktionen“ der USA, Israels sowie der Nato-Staaten gesprochen. Mit keiner Zeile jedoch wird erwähnt, dass sich in beiden Ländern gerade eine wachsende Oppositionsbewegung gegen die repressiven Herrscher wehrt. Zwischen einem Aufruf zum Frieden und einer Erklärung für Friedhofsruhe ist da kaum ein Unterschied. Dass eigens eine nachgetragene Erklärung der fünf linken Abgeordneten nötig war, in der sie dann „jeglichen Staatsterror, so auch den iranischer Mullahs und den des Assad-Regimes“ geißelten, macht die Schwäche des Aufrufs sichtbar.

Schlaflose Nächte für Assad

Wenn dessen Kritiker den Machthabern in Syrien und Iran schaflose Nächte wünschen, ist das für Linke zunächst einmal die sympathischere Einstellung. Allerdings verfällt etwa auch der BAK Shalom in ein eher schlichtes Freund-Feind-Schema. So wird zum Beispiel mit keinem Wort erwähnt, dass in Syrien nicht nur wehrlose Demonstranten einer brutalen Staatsmacht gegenüberstehen. Sondern es auch auf Seiten der bewaffneten Opposition regressive Bestrebungen gibt.

Der Berliner Islamwissenschaftler Florian Bernhardt etwa hat darauf hingewiesen, dass die arabischsprachigen Internetseiten der „Deir az-Zor“ und der „Khalid Ibn Walid Brigade“, zweier bewaffneter syrischer Oppositionsgruppen, Symbole verwenden , wie sie sonst nur von Al Quaida bekannt sind. Außerdem wird die „Reinigung jeden Fußbreit Syriens von Assads Hunden“ propagiert und in Kommuniques auf die Konfession des „Verbrechers Assad“ abgestellt. „Mit dem Verweis auf die Zugehörigkeit Assads zur alevitischen Minderheit bewegen sich die Militanten auf bekanntem Terrain“, sagt Bernhardt. „Viele Beobachter hängen der irrigen These an, der Konflikt in Syrien sei eine Auseinandersetzung zwischen der herrschenden alevitischen Minderheit und der unterdrückten sunnitischen Mehrheit“. Der Berliner Forscher beschreibt Szenarien von konfessionellen Konflikten in Syrien, wie sie auch von Teilen der christlichen Minderheit und der städtischen Mittelschicht gefürchtet werden. Deren Angst wird noch verstärkt, wenn islamistische Gruppen in Libyen zum Kampf auf Seiten ihrer Glaubensbürger in Syrien gegen das Assad-Regime aufrufen.

Auch in Israel befürchten Analysten, einen Sturz des antizionistischen, außenpolitisch aber berechenbare Assad-Regime durch islamistische Hardliner. Längst wird in Syrien auch ein Machtkampf zwischen Saudi-Arabien und dem Iran sowie dessen Verbündeten in der Region ausgetragen. Über diese erweiterte Dimension des Konflikt schweigen beide Seiten des linken Streits um den Aufruf. Während die Antiimperialisten ihre alten Feindbilder aufpolieren, setzt die andere Seite ein Vertrauen in die arabischen Massen, welches die jüngeren Erfahrungen mit den Bewegungen in Ägypten und anderen Ländern der Region nicht reflektieren will.
http://www.freitag.de/politik/1202-linke-und-syrien
Peter Nowak

Umweltrecht gegen AKW

Vor allem im Osten Deutschlands wächst der Widerstand gegen polnische Pläne, in die Atomenergie einzusteigen. Schließlich wären bei Störfällen die Nachbarländer von den Folgen betroffen, wie das Beispiel Tschernobyl zeigte. Als Spätfolgen von damals weisen Boden, Pilze und Wild vor allem in Süddeutschland noch immer erhöhte Radioaktivitätswerte auf. Darauf hat das Münchner Umweltinstitut e.V. in einer Stellungnahme zu den polnischen AKW-Plänen hingewiesen.
Die Auswirkungen des polnischen Atomprogramms, vom Uranabbau über den AKW-Betrieb bis zum Rückbau und der Lagerung des Atommülls seien nicht genau untersucht worden, moniert das Umweltinstitut. Die Wissenschaftler zeigen auf, dass das EU-Recht damit eine Handhabe gegen die polnischen AKW-Pläne geben könnte. Dabei beziehen sie sich auf die vom Europäischen Parlament im Juni 2007 verabschiedeten Richtlinie zur Strategischen Umweltprüfung (SUP). Dass das polnische Parlament das Atomprogramm vor einer solchen Umweltprüfung beschlossen hat, wertete das Institut als Formfehler. Zudem sei dadurch eine Beteiligung der Öffentlichkeit nicht mehr möglich. Daher sei das Verfahren in Polen mit der EU-Richtlinie zur Umweltprüfung unvereinbar.

Zudem sei die Umweltverträglichkeitsstudie zum polnischen Atomenergieprogramm veraltet, weil es die Erfahrungen der japanischen Atomkatastrophe von Fukushima nicht berücksichtige. Auch die in der polnischen Studie vertretene Meinung, dass beinahe alle Industriestaaten AKW betreiben, ist mittlerweile veraltet.

Allerdings muss man daran erinnern, dass weltweit wohl kein einziges AKW hätte gebaut werden dürfen, wenn die vom Umweltinstitut genannten Kriterien für die Folgenabschätzung im Vorfeld berücksichtigt worden wären. Das ist wichtig zu betonen, weil sich in die Proteste gegen den polnischen AKW-Bau vor allem in Mecklenburg-Vorpommern von rechts geschürte antipolnische Ressentiments mischen.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/215661.umweltrecht-gegen-akw.html
Peter Nowak

»Auf und hinter der Bühne«

Vergangene Woche fand die Theaterpremiere von »Dantons Tod« am Berliner Ensemble statt. Die Initiative »Das Grollen im Zuschauermagen« nutzte die Aufführung für eine künstlerisch-politische Intervention. Die Jungle World sprach mit einem Mitglied der Initiative.

Small Talk von Peter Nowak

Wie seid ihr auf die Idee zu dieser Intervention gekommen?

Wir hatten vor einigen Wochen auf einer Demonstration zur Unterstützung des Streiks an der Berliner Charité erfahren, dass sich Theatermitarbeiter von der Bühnentechnik und den Requisiten des Ensembles organisiert haben und einen Tarifvertrag fordern, um ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern. Es war uns wichtig, eine Öffentlichkeit für diese »unsichtbaren Mitarbeiter« herzustellen. Deshalb haben wir uns für eine Intervention am Ensemble entschieden, die Kunst und Politik miteinander verbindet.

Kannst du die Aktion schildern?

Nach der Pause stürmten wir einen der Gänge im ersten Rang, sangen die Marseillaise und riefen gemeinsam einen Sprechchor. Dafür hatten wir aus Georg Büchners Danton-Text eine Collage erarbeitet. Damit wollten wir auf die Diskrepanz zwischen dem, was auf der Bühne vorgetragen wird, und dem, was hinter ihr passiert, aufmerksam machen. Die Aktion dauerte ungefähr zwei Minuten. Am Ende ließ jemand aus dem zweiten Rang Flugblätter ins Parkett regnen, auf denen die Zusammenhänge erklärt wurden.

Gab es Reaktionen aus dem Publikum?

Bis auf wenige Ausnahmen gab es Zuspruch und Applaus. Das Publikum stürzte sich regelrecht auf die Flugblätter. Teilweise wurde unsere Intervention allerdings als Teil der Theaterinszenierung missverstanden.

Und wie hat Claus Peymann, der Regisseur des Stücks und Intendant des Ensembles, reagiert?

Er hat die Aktion in der Presse als Kampfansage bezeichnet, hinter der er Verdi vermute, womit er sich irrt. Zudem hat er mit einer Anzeige gedroht. Wir finden diese Reaktion albern. Schließlich ist es nicht verboten, in der Theaterpause seine Meinung zu sagen. Wenn sich Peymann zudem in der Bild-Zeitung selbst als »größter Ausbeuter überhaupt« bezeichnet, spricht das für seine Ignoranz gegenüber den Forderungen der Beschäftigten.

Sind weitere Aktionen geplant?

Wir werden die Situation im Ensemble und die bald beginnenden Verhandlungen beobachten. Sollte in naher Zukunft kein Tarifvertrag mit deutlichen Verbesserungen für die Beschäftigten abgeschlossen werden, könnten wir, entgegen unseren Vorlieben, zu Stammkunden im Ensemble werden.
http://jungle-world.com/artikel/2012/02/44662.html
Interview: Peter Nowak

Von Occupy bis „Helft Heinrich“


Auch 2012 wird es Krisenproteste geben. Heute geht es
los!
Um die Occupy-Bewegung war es in Deutschland in den letzten Wochen merklich ruhiger geworden. Als vor einer Woche das Camp in der Nähe des Regierungsviertels geräumt wurden, leisteten gerade mal 15 Personen passiven Widerstand.

In Frankfurt/Main ist das Camp im Bankenviertel rechtlich für die nächste Zeit noch gesichert. Dass ist eine gute Nachricht für die Obdachlosen, die dadurch in diesem Jahr vielleicht etwas besser durch den Winter kommen. Diese Funktion und auch die Sichtbarmachen des Problems der Wohnungslosigkeit durch das Camp in exponierter Lage ist eine politische Botschaft, die aber bisher weder von der Occupy-Bewegung noch von den Medien richtig gewürdigt werden.

Wenn sich in der „tageszeitung“ unter der Überschrift „Solidarität oder Suppe“ ein Korrespondent darüber mokiert, dass die Campteilnehmer der Essensausgabe mehr Aufmerksamkeit schenkten als den warmen Grüßen von Occupy New York, wird eben verkannt, dass Suppe, anders als die Grüße, den Hunger beseitigen kann.

Heute wird in verschiedenen Städten zu einem dezentralen Aktionstag aufgerufen. Damit will man die Occupy-Proteste im neuen Jahr fortsetzen. Im Aufruf ist die Rede davon, dass Europa reif für einen Systemwechsel und die ökonomische Krise noch längst nicht vorbei ist. Das ist zwar richtig, geht aber an ein paar drängenderen Fragen vorbei. Denn für die meisten der Dauercamper ist die Krise nicht zuallererst bei den Börsenkursen zu spüren, sondern bei der Frage, wo sie die nächste Nacht verbringen und einige Euro für ein warmes Essen herkriegen können. Der Widerspruch der Occupy-Bewegung, wonach alle Teilnehmer zwar nur für sich selber sprechen können, aber gleichzeitig beansprucht wird, die 99 % zu repräsentieren, zeigt sich an der Ausrichtung des Aktionstages.

Statt über Wohnungslosigkeit und den ständig wachsenden Zulauf zu reden, den die Essenstafel seit der Einführung von Hartz IV bekommt, also über Probleme, die einen Großteil der Aktivisten existentiell berühren, bleibt der Aufruf zum Aktionstag bei beliebigen und daher harmlosen Forderungen. Selbst wenn für Sonntag in vielen Städten in Deutschlands, von Arnsbach bis Würzburg, Aktionen angekündigt sind, dürfte die Resonanz insgesamt bescheiden ausfallen. Und schon werden Schuldige für einen möglichen Mobilisierungsflop gesucht.

So wird bereits kolportiert, dass der globale Aktionstag vor allem eine Erfindung von Attac Deutschland ist, auf den die hiesigen Medien reingefallen sind (deren Berichterstattung sich allerdings in bescheidenem Rahmen hält) – im Ausland wisse überhaupt niemand davon. Dabei war es seit dem Auftreten der Occupy-Bewegung üblich, dass Termine für Aktionstage via Internet global gestreut werden, die Aktionstage aber immer nur von kleinen Gruppen konzipiert worden. Was beim Aufstieg der Bewegung als Schwarmintelligenz gelobt wurde, wird nun als Schwarmdummheit niedergeschrieben.

Der europäische Aktionstag am 31. März

Von vielen Basisgewerkschaften und linken Gruppen in Europa wird denn auch nicht der 15. Januar, sondern der 31. März als Datum für einen euroweiten Aktionstag beworben. Mit einer zentralen Aktion vor der EZB in Frankfurt/Main soll auch die Politik Deutschlands in der EU kritisiert werden. Basisgewerkschafter aus verschiedenen europäischen Ländern kritisieren Deutschlands Rolle als Niedriglohnland, das mit dafür sorgt, dass auch in anderen Ländern die sozialen Rechte gekappt werden.

Damit knüpfen sie an gewerkschaftlichen Initiativen aus Holland und Belgien an, die unter dem Titel „Helft Heinrich“ für kämpferische und durchsetzungsfähigere Gewerkschaften in Deutschland als Beitrag zur europäischen Solidarität eingetreten sind.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151220

Peter Nowak

Ist Zeitungsverkauf Terrorismus?

Kundgebung für türkische Aktivistin am Sonntag geplant
Für diesen Sonntag planen Antirassismusgruppen eine Kundgebung vor der Justizvollzugsanstalt für Frauen in Berlin-Lichtenberg. Dort sitzt seit Ende Oktober 2011 Gülaferit Ünsal in Untersuchungshaft. Die Justizbehörde beschuldigt die Frau, »Rädelsführerin« der in der Türkei und in Deutschland verbotenen marxistischen »Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front« (DHKP-C) zu sein. Diese in den 70er Jahren gegründete Organisation hatte in den Armenvierteln großer türkischer Städte und in den Universitäten ihre Basis.

Nach dem Vorbild von Che Guevara propagierte sie eine Kombination von legaler politischer Arbeit und militanten Aktionen. Mittlerweile wurden mehrere angebliche DHKP-C-Aktivisten in Deutschland zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Die juristische Handhabe liefert der Paragraf 129 b, der die strafrechtliche Verfolgung von ausländischen Organisationen in Deutschland ermöglicht. Auch gegen Ünsal wird nach diesem Paragrafen ermittelt. Die Bundesanwaltschaft beschuldigt sie, für den Verkauf von Zeitschriften und die Organisation kommerzieller Veranstaltungen zuständig gewesen sein und Spendenkampagnen der DHKP-C koordiniert zu haben. Aus ermittlungstechnischen Gründen gibt die Bundesanwaltschaft keine weiteren Auskünfte.

Ünsal lebte in den letzten Jahren in Griechenland, von wo sie auf Betreiben der deutschen Generalbundesanwaltschaft ausgeliefert wurde. Ein Bündnis zivilgesellschaftlicher Gruppen hatte im Sommer 2011 dagegen protestiert. Im Mittelpunkt ihrer Kritik stand der Paragraf 129 b. So heißt es in einer Stellungnahme der griechischen Juristenorganisation »Gruppe der Anwälte für die Rechte der Flüchtlinge und Migranten«: »Auf Grundlage eines Haftbefehls der deutschen Behörden wird Gülaferit Ünsal der Mitgliedschaft in einer ›terroristischen Organisation‹ beschuldigt.

Die einzige Grundlage dafür ist ihre legale politische Aktivität, der Verkauf von Zeitschriften und ihre Teilnahme an Solidaritätskampagnen für türkische politische Gefangene.« Auch Karin Wegener vom Berliner Initiativkreis Gülaferit Ünsal kritisiert, dass mit den Paragrafen 129 a und b legale politische Aktivitäten in einen terroristischen Kontext gesetzt werden. Deshalb soll auf der Kundgebung die Abschaffung von genau diesen Paragrafen gefordert werden.

Wegener rechnet auf Unterstützung durch Teilnehmer der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration, die ganz in der Nähe der JVA Lichtenberg endet. Um 13 Uhr treffen sich LL-Demonstranten, die auch an der Kundgebung teilnehmen wollen, am U-Bahnhof Lichtenberg (Ausgang Siegfriedstraße). Die Kundgebung beginnt um 13.30 Uhr vor der JVA-Lichtenberg in der Alfredstraße 11.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/215637.ist-zeitungsverkauf-terrorismus.html
Peter Nowak

„Kunstaktion“ mit Sarrazin-Büchern

Auf der Berliner Biennale sollen Sarrazins Bestseller ausgestellt und anschließend „recycelt“ werden

Der ehemalige Senator und Bankdirektor Thilo Sarrazin hat mit seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ in den letzten Monaten den innenpolitischen Diskurs wesentlich mit beeinflusst. Mit über 1,3 Millionen verkauften Exemplaren zählt es zu den erfolgreichen Sachbüchern. Jetzt wird Sarrazin zum Gegenstand einer Kunstaktion, die dem Bestsellerautor nicht gefallen dürfte. Der Künstler Martin Zet ruft dazu auf, sich der Bücher zu entledigen.

Dazu haben zahlreiche Galerien, Kunstvereine, Buchläden und Museen unterschiedliche Behältnisse aufgestellt, in denen die Bücher gesammelt werden können. In Berlin beteiligen sich so unterschiedliche Institutionen wie das Haus der Kulturen der Welt, der Kunstraum Kreuzberg, der Buchladen Pro qm, das Theater Hebbel am Ufer und das Theater an der Parkaue an der Sammelaktion.

Mittlerweile wurden auch in Leipzig, München, Frankfurt/Main, Hamburg und Hannover Buchsammelstellen eingerichtet. Es werden noch weitere Orte dazu kommen, bestätigte Denhard von Harling von der Berlin Biennale gegenüber Telepolis. Auf der am 27.April beginnenden Veranstaltung, die vom polnischen Künstler Artur Żmijewski zusammen mit den Kuratorinnen Voina und Joanna Warsza vorbereitet wird, sollen die bundesweit gesammelten Sarrazin-Bücher ausgestellt und anschließend recycelt werden.

Entgiftung der Gesellschaft

Martin Zet sieht die Kunstaktion als Kritik an den im dem Buch vertretenen Thesen von Sarrazin, wie er erklärt:

„Ab einem bestimmten Moment ist es nicht mehr wichtig, was die Qualität oder die wahre Intention eines Buches ist, sondern welchen Effekt es in der deutschen Gesellschaft hat. Das Buch weckte und förderte anti-migrantische und hauptsächlich anti-türkische Tendenzen in diesem Land. Ich schlage vor, das Buch als aktives Werkzeug zu benutzen, welches den Menschen ermöglicht, ihre eigene Position zu bekunden.“

Denhard von Harling spricht gegenüber Telepolis auch von einer „Entgiftungsaktion“. Schließlich habe das Buch dazu beigetragen, Ressentiments gegen Minderheiten in der Gesellschaft zu schüren und Menschen in „wertvoll“ und „nicht wertvoll“ einzuteilen.

Martin Zet hat sich das Ziel gesetzt, bis zum Biennale-Beginn 60.000 Bücher eingesammelt zu haben. Dabei steht er vielleicht vor dem Problem, dass sich von der Aktion eher die Sarrazin-Kritiker angesprochen fühlen dürften, die aber oft das Buch gar nicht erworben haben. Dass die Kunstaktion das Geschäft von Sarrazin sogar noch ankurbeln könnte, an diesen Effekt glaubt von Harling nicht. Schließlich können auch Zeitschriften oder Schriften mit Thesen, die denen von Sarrazin ähnlich sind, eingesammelt werden. Auch Kommentare in den Büchern sind ausdrücklich erwünscht und sollen bei der Biennale-Ausstellung berücksichtigt werden.
http://www.heise.de/tp/blogs/6/151208
Peter Nowak

Mafia – Gewinnerin in der Krise?

Wie eine Meldung des italienischen Handelsverbandes in der EU-Krise propagandistisch benutzt wird

„Die Mafia ist die solideste Bank Italiens“, titelte die Bild-Zeitung und stützte sich dabei, wie viele andere Medien auch, auf den Jahresbericht des italienischen Handelsverbands Confesercenti.

Demnach ist die Mafia in Italien – die „Mafia AG“ – „die einzige Struktur, die über liquide Mittel für Investitionen verfügt“, wie sich der Confesercenti-Chef Marco Venturi dazu äußert. Haupeinahmequellen sind ihm zufolge nicht etwa heikle Devisen- oder Börsengeschäfte, sondern illegale Müllentsorgung, illegaler Geldverleih, Schutzgelderpressung, Betrug und Schmuggel. Auch im Bausektor soll die Mafia im vergangenen Jahr erfolgreich im Geschäft gewesen sein. Der Confesercenti-Bericht spricht von zehn Milliarden Euro Umsatz mit behördlich nicht genehmigen Bauten. Auch der Lebensmittelsektor ist laut Bericht eine Wachstumsbranche der Mafia.

Wenn auch der Jahresbericht des italienischen Handelsverbandes die Grundlage für die Medienberichte war, so darf doch nicht übersehen werden, dass der Mafiabegriff ganz bestimmte negative Assoziationen hervorruft, die sich politisch instrumentalisieren lassen. So wird vor allem Süditalien und Sizilien mit der Mafia identifiziert. Der Begriff wirkt dann ebenso als Klischee wie das der „Pleitegriechen“. Es gibt Studien, die sich mit dem Zusammenhang von kapitalistischer Ethik und der Mafia befassen und die sich dabei gegen solche Klischees wenden. Doch auf den öffentlichen Diskurs haben sie nur einen begrenzten Einfluss.

Deutschland als Anführer der EU-Intoleranz

So ist die breite Rezeption, die der Jahresbericht des italienischen Handelsverbandes in deutschen Medien fand, nicht zufällig mit dem Deutschlandbesuch des italienischen Ministerpräsidenten verbunden. Mario Monti war mit der Forderung aufgetreten, auf Augenhöhe mit Merkel und Sarkozy zu verhandeln.

Mit einer Drohkulisse, die das Bild von Demonstrationen gegen die EU heraufbeschwört, und der Akzentuierung der Rolle Deutschlands in der Gemeinschaft, versuchte Monti, größere Mitspracherechte für Italien zu erreichen. Wenn er mit seiner Politik keinen Erfolg habe, würde es in Italien zu einer antieuropäischen Bewegung kommen, mahnte Monti. Der Protest würde sich dann auch gegen Deutschland richten, „das als Anführer der EU-Intoleranz gilt, und gegen die Europäische Zentralbank“, sagte er. In seinem Interview mit der „Welt“ verwies er zugleich auf eigene Erfolge bei der Modifikation des Rentensystems sowie bei anderen sozialen Sicherungssystemen – und darauf, dass es nur wenige Streiks gegeben habe.

Natürlich wurde Monti im Interview auch auf die Mafia angesprochen. Die sei aber, so betonte er, kein typisch italienisches Problem. Welches Druckmittel im EU-internen Streit mit dem Thema „Mafia“ aufgebaut werden kann, zeigt sich an der wachsenden Los-von Rom-Bewegung in Südtirol. In den konservativen Kreisen wird ein Anschluss an Österreich diskutiert, begründet wird das mit dem Unwillen, weiter die armen Regionen zu alimentieren. Natürlich darf auch das Mafia-Klischee dabei nicht fehlen.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/151207
Peter Nowak

Peymann geriet sich als Ausbeuter

Bei einer Premiere gibt es Protest gegen Arbeitsbedingungen. Der Intendant ist sauer

Bei der Premiere von Claus Peymanns Inszenierung von „Dantons Tod“ am Berliner Ensemble (BE) gab es kürzlich eine Sondervorstellung: Eine Gruppe stürmte in der Pause einen der Gänge, sang die Marseillaise und trug eine Collage aus dem Dramentext und aktuellen Forderungen vor. Es gab Applaus. Dabei ging es der Initiative, die sich „das Grollen im Zuschauermagen“ nennt, nicht um Unterhaltung. Sie wollte auf die Arbeitsbedingungen der 110 BE-Beschäftigten in Technik und Requisite aufmerksam machen, die sich in den letzten Monaten gewerkschaftlich organisierten haben, um einen Tarifvertrag zu erstreiten.

„Es war uns wichtig, Öffentlichkeit für diese unsichtbaren MitarbeiterInnen zu schaffen“, erklärte eine Teilnehmerin, die ihren Namen nicht nennen will. Die AktivistInnen fürchten eine Kriminalisierung. BE-Intendant Peymann hat die Pauseninszenierung in verschiedenen Medien als Kampfansage von Ver.di bezeichnet und mit Anzeige gedroht. Die Initiative stellte mittlerweile klar, dass sie aus „solidarischen TheaterbesucherInnen“ besteht und sich nicht mit der Gewerkschaft abgesprochen hat.
Die Entlohnungspraxis am BE bewerten Gewerkschaft und Theater ganz unterschiedlich. So erklärte Peymann nach der Aktion kokett: „Ich bin der größte Ausbeuter überhaupt, aber verglichen mit anderen Theatern zähle ich Spitzengagen.“ Ver.di-Sekretär Frank Schreckenberg sagte der taz: „Das BE ist eines der wenigen öffentlich geförderten großen Theater in Berlin ohne Tarifvertrag.“ Vor allem in den letzten Jahren eingestellte Beschäftigte verdienten oft erheblich weniger als ältere MitarbeiterInnen. Durch den Tarifvertrag solle daher dem Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ wieder Geltung verschafft werden.

Seine Gewerkschaft sei von der Protest-Performance überrascht worden, gab Schreckenberg zu. Ver.di hatte alle Aktionen gestoppt, weil für den 23. Januar die ersten Gespräche vereinbart sind.
http://www.taz.de/Berliner-Ensemble-/!85309/
Peter Nowak

Rückschlag in Kalifornien

Zu Zeiten von George W. Bush galt Kalifornien als ökologischer Hoffnungsträger. Denn dort setzte man zahlreiche umweltpolitische Maßnahmen um, die von der Zentralregierung in Washington blockiert wurden. Das Gesetz, welches den Schadstoffausstoß bei Pkw begrenzte, wurde zum Vorbild für ähnliche Regelungen in anderen US-Bundesstaaten.

Ein Kernstück der kalifornischen Umweltgesetzgebung wurde jetzt gerichtlich außer Kraft gesetzt: der zwei Jahren eingeführte »Low-Carbon-Fuel-Standard«, der den CO2-Ausstoß bis 2020 um zehn Prozent senken sollte. Die US-Ölkonzerne und Ethanolhersteller aus mehreren Bundesstaaten hatten eine Klage wegen Benachteiligung eingereicht und damit Erfolg.

Der juristische Hebel war ein Detail in dem Umweltgesetz. Weil die Berechnung des CO2-Ausstoßes der Kraftstoffe auch die Transportkosten beinhalte, hätten Firmen in Kalifornien einen Heimvorteil gegenüber der Konkurrenz aus anderen Bundesstaaten, wurde moniert. Damit verstoße Kalifornien gegen eine Klausel, die es US-Bundesstaaten verbietet, Unternehmen außerhalb ihrer Grenzen gegenüber solchen aus dem eigenen Bundesstaat zu diskriminieren.

Energieexperten zufolge hat das Gesetz aus ökologischer Sicht gewirkt, weil es Firmen in anderen Bundesstaaten beeinflusste. Sie hätten ebenfalls ökologische Kriterien anwenden können, um der Benachteiligung zu entgehen. Das hätte aber unter Umständen zu einer vorübergehenden Schmä᠆lerung der Profite geführt. Daher beschritten die Konzerne den Rechtsweg und hatten vorerst Erfolg. Die kalifornische Regierung will demnächst aber die Umweltverordnung gerichtsfest verändern. Allerdings dürfte es auch dagegen wieder Klagen der Konzerne geben. Denn das Torpedieren dieser Gesetze hat für sie einen wichtigen Effekt. Wenn Kalifornien nämlich seine umweltpolitische Vorreiterrolle nicht mehr ausfüllen kann, kommen andere Bundesländer gar nicht erst in Versuchung, ähnliche Gesetze zu erlassen. Nur wenn die Profitmarge stimmt, ist für diese Kapitalfraktionen die Welt in Ordnung.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/215026.rueckschlag-in-kalifornien.html
Peter Nowak

FDP als Chaostruppe

Mit der Jamaica-Koalition ist es im Saarland nun Schluss

Schlechter hätte für die FDP das Timing gar nicht ausfallen können. Da wird seit Wochen das Dreikönigstreffen der Partei mit der Erwartung befrachtet, dass es die Wende zum Besseren bringen muss. Dann kommt am Vorabend die Meldung, dass die Liberalen in Form der FDP mittlerweile bei Umfragen bei bundesweit 2 % liegen. Und dann scheitert noch die saarländische Landesregierung, weil die dortige FDP sich als reine Chaostruppe diskreditiert hat.

Dabei ist das westliche Bundesland wahrlich nicht der Nabel der deutschen Politik. Eine dortige Regierungskrise hat nicht mehr oder weniger Auswirkungen, als wenn es in den Stadtstaaten Bremen oder Hamburg kriselt. Was die saarländische Krise für die FDP dennoch so unangenehm macht, ist neben dem Termin vor allem die Art, wie sich die Partei dort selber zerlegt hat.

Der Höhepunkt dieser parteiinternen Zerstörungslust bestand darin, dass der Vorsitzende der Saar-FDP Christian Schmitt im Dezember 2011 gleich in die CDU-Fraktion übergetreten ist. Als dann mit Ach und Krach mit Christoph Kühn ein neuer Kandidat zur Verfügung stand, wurde der von seinen „Parteifreunden“ mittels einer Debatte über seine Fahrzeugsteuer gleich wieder demontiert.

„Ich nutze ein Auto der FDP-Landtagsfraktion, das diese bei dem Hersteller BMW geleast hat. Dieser Wagen ist ein BMW X3. Bei diesem Auto handelt es sich nach Aussage meines Steuerberaters – und diese Aussage liegt mir auch schriftlich vor – um keinen Dienstwagen“, verteidigte sich Kühn in einer persönlichen Erklärung gegen seine parteiinternen Kritiker. In dieser Erklärung wird die ganze Banalität der Auseinandersetzung deutlich. Statt Streit um politische Programme und Ziele ging es um Mobbing und Intrigen.

FDP-NPD-Monopoly

Die Entwicklung kommt keineswegs überraschend. Schon im Juli wurde deutlich, wie tief die Gräben bei den saarländischen Liberalen sind. Der als Rechtsausleger bekannte Kreisvorsitzende des Saarpfalzkreises musste zurücktreten, nachdem sein Monopolyspiel mit einen NPD-Aktivisten bekannt wurde. Schnell wurde die Vermutung geäußert, dass er von „Parteifreunden“ bewusst in diese kompromittierende Situation gebracht wurde. Schon damals fragte man sich bei der CDU, wie lange man mit der liberalen Chaostruppe noch regieren kann. Seit heute ist die Frage beantwortet.

„Die nunmehr seit Monaten anhaltenden Zerwürfnisse innerhalb der FDP Saar stellen dieses notwendige Fundament aus Vertrauen, Stabilität und Berechenbarkeit in einem Maße in Frage, das aus Sicht der CDU Saar nicht mehr länger hinnehmbar ist“, erklärte die zurückgetretene saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer. „Die FDP-Landtagsfraktion, aber auch der Landesverband der FDP Saar befinden sich im Zustand der Zerrüttung. Hinzu kommen die bekannten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen im Umfeld der FDP sowie weitere personelle Unwägbarkeiten und Risiken. Eine nachhaltige Befriedung und eine Rückkehr der FDP Saar zu geordneten Verhältnissen ist aus meiner Sicht in absehbarer Zeit nicht mehr zu erwarten. Damit ist auch eine stabile, verlässliche und vor allem sachorientierte Regierungsarbeit in dieser Konstellation nicht mehr voll umfänglich gewährleistet.“

Kramp-Karrenbauer hat bereits der SPD das Angebot einer großen Koalition gemacht. Die aber war vor den letzten Landtagswahlen zu einer Koalition mit der Linkspartei unter Oskar Lafontaine bereit.

Auch Saar-Grüne gehören zu den Verlierern

Diese Kooperation scheiterte schließlich an den Grünen, die es an innerparteilichen Intrigieren und Zerstrittenheit durchaus mit der FDP aufnehmen können. Allerdings hat der dortige Vorsitzende Hubert Ulrich, der von dem grünen Urgestein Daniel Cohn Bendit als „Mafiosi“ bezeichnet worden war, die Partei besser im Griff. Nach nie widerlegten Medienberichten hat Ulrich die FDP-Grünen-Connection durch berufliche und private Beziehungen zu führenden FDPlern kräftig befördert. Ulrich ließ sich und die Parteibasis seine Kooperation mit den Konservativen mit politischen Konzessionen versüßen.

So sind neben der FDP nun auch die Grünen die Verlierer des Koalitionsbruches. Kommt es zur großen Koalition werden sie in der Opposition neben der im Saarland verankerten Linkspartei kaum auffallen. Kommt es aber zu Neuwahlen, falls die SPD nicht zu einer großen Koalition bereit ist, dürften beide liberalen Formationen aus dem Landtag fliegen.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151171
Peter Nowak

Soli-Demo für inhaftierte deutsch-türkische Linke


PARAGRAF 129 B Linke Aktivistin seit Monaten wegen politischer Aktivitäten in der Türkei in U-Haft

Ein kürzlich gegründeter Initiativkreis setzt sich für die linke Aktivistin Gülaferit Ünsal ein, die seit 21. Oktober in der Justizvollzugsanstalt für Frauen in Lichtenberg in Untersuchungshaft sitzt. Die Gruppe bereite eine Kundgebung vor der JVA am 15. Januar vor, sagt Mitorganisatorin Karin Wegener. Man wolle der Gefangenen im Anschluss an die Rosa-Luxemburg-Demo Grüße vorbeibringen.

Ünsal war auf Betreiben der Bundesanwaltschaft aus Griechenland nach Deutschland ausgeliefert werden. Die Justizbehörde beschuldigt die 38-jährige Frau, „Rädelsführerin“ der in der Türkei aktiven marxistischen „Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front“ (DHKP-C) zu sein. Diese in den 70er Jahren gegründete Organisation hatte in den Armenvierteln der großen Städte sowie an den Universitäten der Türkei ihre Basis. Nach dem Vorbild von Che Guevara propagierte die Organisation eine Kombination von legaler politischer Arbeit und militanten Aktionen. Sie ist sowohl in der Türkei als auch in Deutschland verboten.

Mittlerweile wurden zahlreiche DHKP-C-Mitglieder in Deutschland zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Die juristische Handhabe liefert der Paragraf 129 b, der die strafrechtliche Verfolgung von im Ausland aktiven Organisation in Deutschland ermöglicht. Auch gegen Ünsal wird nach diesem Paragrafen ermittelt.

„Die Beschuldigte soll von Oktober 1999 bis August 2008 an der Spitze der Organisation in Europa gestanden haben“, heißt es in einer Erklärung der Bundesanwaltschaft. Danach soll sie vor allem für den Verkauf von Zeitschriften und die Organisation kommerzieller Veranstaltungen zuständig gewesen sein und Spendenkampagnen der DHKP-C koordiniert haben. Aus ermittlungstechnischen Gründen gibt die Bundesanwaltschaft derzeit keine weiteren Auskünfte.

In Griechenland hatte ein Bündnis zivilgesellschaftlicher Gruppen monatelang gegen Ünsals Auslieferung nach Deutschland mobilisiert. So heißt es in einer Stellungnahme der griechischen Juristenorganisation „Gruppe der AnwältInnen für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnnen“: „Die einzige Grundlage dafür ist ihre legale politische Aktivität, das heißt der Verkauf von Zeitschriften und ihre Teilnahme an Solidaritätskampagnen für türkische politische Gefangene.“

Auch in Deutschland kritisieren Bürgerrechtsorganisationen, dass mit den Paragrafen 129 a und b legale politische Aktivitäten in einen terroristischen Kontext gesetzt werden.
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=
bl&dig=2012%2F01%2F06%2Fa0145&cHash=5802a53f8a
Peter Nowak