Zensusgegner bleibt ohne Strafe

In Niedersachsen verzichten die Behörden auf die weitere juristische Verfolgung eines Mannes, der sich geweigert hatte, im Rahmen der Zensus genannten Volkszählung Auskünfte zu erteilen. Er gehörte zu den Bürgern, die im Rahmen der so genannten 10-%-Haushalte-Stichprobe zur Auskunft persönlicher Daten über sich und sein
Lebensumfeld aufgefordert worden war. Nachdem er sich beharrlich weigerte, wurde ihm sowohl mündlich als auch schriftlich sogar mit Zwangshaft gedroht. Jetzt sind die Behörden zurück gerudert.
„Die Erhebungen auf Grundlage des Zensus 2011 sind inzwischen
abgeschlossen. Damit hat die Zwangsgeldfestsetzung ihren Zweck verloren“, heißt es in dem Schreiben, dass eine Erhebungsstelle in Niedersachsen dem Mann geschickt hat. Doch einen kleinen Betrag fordern die Behörden vom dem Zensusgegner doch ein.
Die Vollstreckung der Zwangsgelder wird einstellt, die entstandene Verwaltungsgebühren dennoch habe der Mann dennoch zu entrichten, heißt es in dem Behörden. Diese
betragen je nach Bundesland und Befragungsfall zwischen weniger als 30
Euro und bis zu über 100 Euro für jeden einzelnen Zwangsgeldbescheid.
Michael Ebeling vom Arbeitskreis Zensus sieht in diesem Schreiben einen Erfolg der Volkszählungsgegner mit bundesweiter Wirkung.
„Ob, in welchem Umfang und zu welcher Zeit landes- oder bundesweit mehr solcher Fälle bekannt werden, ist zwar unklar. Allerdings zeigt dieser Bescheid, dass ein Ende der Datenerfassung in Sicht ist und laufende Verfahren praktisch gegenstandslos werden“, so Ebeling. Damit werden den Betroffenen langwierige juristische Auseinandersetzungen erspart. Juristen kamen schon vor einigen Monaten zu der Einschätzung, dass die Strafbefehle keinen Bestand haben werden. Der AK Zensus hatte sich unter dem Dach des AK Vorratsdatenspeicherung mit dem Ziel gegründet, gegen den Zensus zu mobilisieren. So sei der Anteil der falsch, unvollständig oder gar nicht ausgefüllten Auskunftsböigen hoch. Der AK Zensus spricht von einem „nicht zu unterschätzendes Verweigerungspotenzial der Bevölkerung gegenüber den per Gesetz verankerten Auskunftspflichten“
https://www.neues-deutschland.de/artikel/226594.
zensusgegner-bleibt-ohne-strafe.html

Peter Nowak

Mit Marx für die Unimaut?

Die Einführung der Studiengebühren hat sich bewährt und trägt zur Verbesserungen der Lehr- und Studienbedingungen an den Hochschulen bei. Zu diesem wenig überraschenden Fazit kommt ein 257-seitiger »Bericht zur Evaluation der Studienbeiträge«, den das niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur veröffentlichte. Überraschender ist schon, dass in dem Bericht mit einem Marx-Zitat auch der linke Theoriegeber als Anhänger der Unimaut reklamiert wird. »Wenn höhere Unterrichtsanstalten unentgeltlich sind, so heißt das faktisch nur, den höheren Klassen ihre Erziehungskosten aus dem allgemeinen Steuersäckel zu bestreiten«.

Die Autoren des Berichts geben das Zitat von Marx allerdings sinnentstellend wieder, den dieser hat sich in seiner »Kritik des Gothaer Programm« 1875 lediglich gegen unentgeltliche Unterrichtsanstalten für die höheren sozialen Klassen gewandt.

Die Argumentation der Studienbefürworter macht aber deutlich, dass sie sich keineswegs in der Defensive sehen. So weist der Evaluationsbericht darauf hin, dass durch die Gebühren mehr Personal eingestellt und zusätzliche Lehr- und Lernmittel angeschafft worden sind. In der Tat verbessern in einem unterfinanzierten Bildungssystem zusätzliche Gelder die Lern- und Lehrbedingungen. Entscheidend aber ist, dass diese Unterfinanzierung politisch gewollt ist. Wird das ausgeblendet, besteht die Gefahr, dass die Unimaut als am Ende als kleineres Übel hingenommen wird.

Solche Tendenzen zeichnen sich bei Studierenden in Bayern ab, die derzeit darüber debattieren, ob statt 500 auch 300 Euro ausreichen, um den Lehrbetrieb aufrecht zu erhalten. Hier wird aus einer Sachzwanglogik heraus akzeptiert, dass der Student Kunde ist und für seine Bildung selbst aufkommen muss. Es wäre höchste Zeit, dass Bundesländer, die keine Studiengebühren erheben, deutlich machen, dass die Finanzierung von Bildung eine gesellschaftliche Aufgabe ist, die ohne zusätzliche Gebühren gewährleistet werden kann.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/178809.mit-marx-fuer-die-unimaut.html

Peter Nowak