In Berlin gab es Proteste gegen den Rüstungskonzern Rheinmetall

Bombengeschäfte für die Aktionäre
Ausgerechnet am 8. Mai, dem Tag der Niederlage Nazideutschlands, veranstaltete der Rüstungskonzern Rheinmetall in Berlin seine Jahreshauptversammlung. In der NS-Zeit hatte das Unternehmen Tausende Zwangsarbeiter ausgebeutet.

»Rheinmetall rechnet 2018 mit einem starken Wachstum und erhöht die ­Dividende im dritten Jahr in Folge«, schrieb das Handelsblatt vergangene Woche. Die Leser der wirtschaftsnahen Zeitung dürften es mit Freude vernommen haben. Auf der Jahreshauptversammlung des Rüstungskonzerns am Dienstag vergangener Woche in Berlin stand die Frage im Mittelpunkt, mit welchen Geschäften der Konzern seine Gewinne so kräftig erhöhen konnte. So veranlassten die Geschäfte der Unternehmenstochter RWM Italia Menschenrechtsorganisationen in verschiedenen Ländern dazu, Strafanzeige zu erstatten. Die NGOs werfen RWM Italia Mittäterschaft beim Mord an Zivilisten vor. Am 8. Oktober 2016 schlug in einem Dorf im Nordwesten des Jemen eine Bombe ein. Sechs Menschen kamen ums Leben. Mitarbeiter der jemeni­tischen Menschenrechtsorganisation Mwatana fanden unter den Trümmern Splitter mit einem Code, der nahelegt, dass RWM den Sprengkörper hergestellt hatte.

Dass Rheinmetall Bomben an Saudi-Arabien liefert, ist bekannt. Bereits 2015 berichtete das ARD-Politikmagazin »Report München«, dass sie im Krieg im Jemen eingesetzt und dort damit auch zivile Ziele wie Krankenhäuser, Schulen und Wohnviertel bombardiert worden waren. Nach deutschem Recht müssten die Waffenlieferungen an Saudi-Arabien daher sofort beendet werden. Doch Rheinmetall lässt die Bomben von der Konzerntochter RWM Italia in Italien produzieren. Die Bundes­regierung folgt der Behauptung von Rheinmetall, wonach RWM Italia ein ­eigenständiges Unternehmen sei, für das die deutschen Exportregeln nicht gelten. Der Gewinn allerdings fließt am Ende in die deutsche Konzernkasse.

Lange Zeit hat sich die Öffentlichkeit nur in geringem Maß für die todsicheren Gewinne deutscher Waffenproduzenten interessiert. Zu den Kritikern gehört die Stiftung Ethecon, die bereits im vergangenen Jahr dem Rhein­metall-Vorstandsvorsitzenden Armin Papperger und dem Aufsichtsratsvor­sitzenden Ulrich Grillo sowie den Großaktionären Larry Fink und Paul Man­duca den Negativpreis »Black Planet Award« verlieh. In der Begründung verwies Ethecon auf das Geschäftsmodell von Rheinmetall, das nicht nur im Jemen tödliche Folgen habe: »In ­geschäftlich für Rheinmetall wichtigen Ländern hat der Konzern Tochter- und Gemeinschaftsunternehmen aufgebaut, um von dort aus alle Krisenregionen der Welt beliefern zu können, für die er in Deutschland keine Exportgenehmigung bekommen würde. Mittlerweile macht das Geschäft außerhalb Europas über die Hälfte des jährlichen Umsatzes aus.« Besonders problematisch ist es nach Auffassung von Ethecon, dass es zur Strategie von Rheinmetall gehöre, Ländern in Krisenregionen beim Aufbau eigener Rüstungsindustrien bereitwillig zu helfen und im Ausland Rüstungsgüter herzustellen, für die dann keine Genehmigungen aus Deutschland nötig seien.

Dieses Jahr protestierten nicht nur Menschenrechtsorganisationen gegen die Geschäfte von Rheinmetall. Bereits am Vorabend der Jahreshauptversammlung demonstrierten mehrere Hundert Menschen gegen die Rüstungsgeschäfte des Konzerns mit der Türkei, da die gelieferten Waffen auch im Krieg gegen die kurdische Region Rojava in Nordsyrien eingesetzt worden seien. An der von der »Interventionistischen ­Linken« (IL) organisierten Demonstration beteiligten sich viele Kurden. Im niedersächsischen Unterlüß blockierte die Gruppe »Solidarische Interventionen gegen menschenrechtswidrige Angriffskriege und Rüstungsexport«, kurz Sigmar, am Dienstagmorgen voriger Woche mehrere Stunden den Zufahrtsweg zum dortigen Rheinmetall-Werk.

Zu Beginn der Jahreshauptversammlung in Berlin fand vor dem Tagungs­hotel eine weitere Demonstration statt. Zu den Rednern auf der Kundgebung gehörte neben Vertretern von Ethecon, Bündnis 90/Die Grünen, der Links­partei und antimilitaristischen Gruppen auch der Bundessprecher der ­»Ver­einigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten« (VVN-BdA), Ulrich Schneider. Er erinnerte auch an die ­Geschichte des Konzerns während der Nazizeit: Tausende Zwangsarbeiter aus vielen Ländern waren damals bei Rheinmetall in der Rüstungsproduktion eingesetzt worden. 1966 hatten Abgeordnete des US-amerikanischen Kongresses gegen einen Rüstungsauftrag des Pentagon an Rheinmetall im Wert von 200 Millionen DM protestiert. Auch die jüdische Organisation B’nai B’rith hatte Protest eingelegt: Das Unternehmen habe während des Zweiten Weltkriegs »Sklavenarbeiter aus den Konzentrationslagern« beschäftigt und »wiederholt jegliche legale und moralische Verantwortung abgelehnt«.

Das Magazin Der Spiegel war Rheinmetall beigesprungen und hatte nicht mit antisemitischen Untertönen gespart. »Der ehemalige Rechtsanwalt der Jewish Claim Conference (…) hielt die Gelegenheit für günstig, Rheinmetall über eine massive öffentliche Kampagne doch noch zu Zahlungen zu bewegen, die weder rechtlich noch moralisch begründet sind«, hatte der Spiegel schon damals den Ton vorgegeben, der bei der Abwehr von Ansprüchen ehemaliger Zwangsarbeiter immer wieder zu hören war. Im Jahr 2018 erinnerte die Taz an die NS-Geschichte von Rheinmetall: Als »geschichtsvergessene, historische ­Geschmacklosigkeit« bezeichnete es der Autor Daniel Kretschmar, dass der Konzern am 8. Mai, dem Tag, an dem die letzten noch lebenden Zwangsarbeiter befreit wurden, seine Hauptversammlung abhielt und die Dividenden für seine Geschäfte in aller Welt verteilte.

https://jungle.world/artikel/2018/20/bombengeschaefte-fuer-die-aktionaere

Peter Nowak