Abfilmen von Demonstrationen ist rechtswidrig

SPD-Landtagsabgeordneter fordert Datenschutzschulungen für die Polizei

Der bayerische SPD-Landtagsabgeordnete Florian Ritter hat das »rechtswidrige Filmen der Polizei bei Anti-Nazi-Protesten« gerügt. Nachdem er einen Vorfall in München beobachtet hatte, ist der Politiker nun an die Öffentlichkeit gegangen. »Am 29.9.2012 habe ich mich bei den Protesten gegen die Kundgebungen der rechtsextremen NPD-Tarnorganisation ›Bürgerinitiative Ausländerstopp‹ beteiligt. Hierbei musste ich erleben, dass die Polizei engagierte Bürgerinnen und Bürger filmte, die aus den Fenstern eines Hauses ein Transparent hängten, um ihren Protest gegen die menschenverachtende Propaganda der Nazis auszudrücken«, schildert Ritter seine Beobachtungen.

In Bayern gibt es nur dann eine Rechtsgrundlage für Videoaufzeichnungen von Demonstrationen oder politischen Aktionen, wenn eine potenzielle Gefahrensituation vorliegt oder wenn es Anzeichen gibt, dass eine Straftat begangen wird. Ritter betonte, ihm sei sofort klar gewesen, dass bei der von ihm beobachteten Aktion keines dieser Kriterien zutraf. »Der Vorfall zeigt, dass die Ausbildung der mit der Videoaufzeichnung betrauten Beamten dringend verbessert werden muss. Dass die Situation keine Rechtsgrundlage für Videoaufnahmen bot, war auch für juristische Laien erkennbar«, so der Abgeordnete. Auch der Landesdatenschutzbeauftragte Bayerns bezeichnete das Filmen der Transparentaktion als rechtswidrig.

Überzogene polizeiliche Videoaufzeichnungen bei legalem und legitimem Handeln führten zur Einschüchterung der Menschen, die lediglich ihr Recht auf Protest gegen Neonazis wahrnehmen, begründet Ritter sein Engagement. Das deckt sich mit Ergebnissen einer Studie, die der Berliner Soziologe Peter Ulrich über die Folgen von Polizeivideos auf Demos erstellte. Befragte Demoteilnehmer äußerten sowohl Gefühle von »Ohnmacht und Ausgeliefertsein«, als auch »durch Kameras verstärkte Aggression«, was »zu Resistenzverhalten und letztlich einer Ankurbelung der Konfrontation mit der Polizei« führe, heißt es in der Studie von 2011.

Auch mehrere Gerichte haben das unbegründete Filmen von Demonstrationen als Grundrechtseinschränkung bezeichnet. So bewertete das Berliner Verwaltungsgericht das Filmen einer Anti-AKW-Demonstration in Berlin im September 2010 nachträglich als rechtswidrig. In der Begründung erklärten die Richter, dass die Dauerbeobachtung der Versammlung ein Eingriff in die Versammlungsfreiheit war und eine Einschüchterung der Demonstranten nicht auszuschließen gewesen sei. Das Berliner Verwaltungsgericht hatte in mehreren Urteilen erklärt, dass es in Berlin keine rechtliche Grundlage für das Filmen von Demonstrationen gibt.

Rechtzeitig vor dem diesjährigen 1. Mai beschloss daher die in Berlin regierende große Koalition gegen den heftigen Widerstand von Opposition und Bürgerrechtsgruppen ein Versammlungsgesetz, das das polizeiliche Filmen der zahlreichen politischen Manifestationen auch in der Hauptstadt grundsätzlich wieder erlaubt. Der erste Praxistest des neuen Gesetzes stieß auf viel Kritik. Teilnehmer sowohl der Demonstrationen zum 1. Mai als auch der Proteste gegen einen Neonaziaufmarsch am Morgen des gleichen Tages monierten ein unbegründetes Filmen durch die Polizei. Die Kritik wurde auch von der LINKEN im Berliner Abgeordnetenhaus geäußert. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass auch das neue Gesetz in Berlin von den Gerichten wieder kassiert wird. Mehrere Klagen dagegen sind anhängig.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/822083.abfilmen-von-demonstrationen-ist-rechtswidrig.html

Peter Nowak

Einschüchterung durch Polizeivideos?

Der bayerische SPD-Politiker Florian Ritter fordert Schulungen in gesetzeskonformen Verhalten für die Polizei

Der bayerische SPD-Landtagsabgeordnete Florian Ritter hat in einer Pressemeldung „rechtswidriges Filmen der Polizei bei Anti-Naziprotesten“ gerügt. Zuvor hatte der bayerische Datenschutzbeauftragte auf Anfrage Ritters bestätigt, dass Videoaufnahmen in dem von dem SPD-Politiker beobachteten Fall rechtswidrig waren. Ritter schilderte seine Beobachtungen so:

„Am 29.09.2012 habe ich mich bei den Protesten gegen die Kundgebungen der rechtsextremen NPD-Tarnorganisation ‚Bürgerinitiative Ausländerstopp‘ beteiligt. Hierbei musste ich erleben, dass die Polizei engagierte Bürgerinnen und Bürger filmte, die aus den Fenstern eines Hauses in München ein Transparent hängten, um ihren Protest gegen die menschenverachtende Propaganda der Nazis auszudrücken.“

Er habe daraufhin den Kontakt mit den Beamten vor Ort gesucht um zu klären, weshalb sie diese Maßnahme ergreifen, erklärt Ritter. Seine Einschätzung, dass hier weder eine Störung, noch eine potentielle Gefahrensituation, noch die Gefahr der Begehung einer Straftat vorlag, alles Situationen, die eine Rechtsgrundlage für Videoaufzeichnungen geboten hätten, wurde vom bayerischen Datenschutzbeauftragen bestätigt.

„Der Vorfall zeigt, dass die Ausbildung der mit der Videoaufzeichnung betrauten Beamten dringend verbessert werden muss. Dass die Situation keine Rechtsgrundlage für Videoaufnahmen bot, war auch für juristische Laien erkennbar“, erklärt Ritter. Überzogene polizeiliche Videoaufzeichnungen bei legalem und legitimen Handeln führe zu einer Einschüchterung der Menschen, die lediglich ihr Recht auf Protest gegen Neonazis wahrnehmen, so der SPD-Politiker.

Nicht nur in Bayern sind die Videoaufnahmen der Polizei in der Kritik. Auch in Berlin wurde nach einem Neonaziaufmarsch am 1. Mai moniert, dass die Polizei die Kamera zu häufig bediente.

Polizei auch für Rechte immer mehr Feindbild

Laut einer Studie des Berliner Moses Mendelsohn Zentrums hat sich das Bild der Polizei in der rechten Szene in den letzten Jahren verändert. Dort werde die Polizei zunehmend als Feind betrachtet. In den vergangen Jahren hatte die Law- and Ordermentalität vieler rechter Gruppen noch die Polizeifeindlichkeit überlagert. Tatsächlich haben rechte Gruppe versucht, nach dem Motto „Gute Polizei – schlechte Politik“ die Polizei in Schutz genommen.

Während bei der NPD teilweise noch heute so verfahren wird, propagieren vor allem parteiunabhängige Nationalisten zunehmend einen offen polizeifeindlichen Kurs. Einer der Höhepunkte für Polizeifeindlichkeit in der rechten Szene waren Spottlieder gegen den Passauer Polizeipräsidenten Alois Mannichl, der als konsequenter Gegner von Neonaziaufmärschen Opfer einer bis heute nicht aufgeklärten Messerattacke wurde.

Dass das Feindbild Polizei bei den Rechten vor allem dem stärkeren Verfolgungsdruck geschuldet ist, kann man schon daran ablesen, dass sie ansonsten eine harte Hand gegen alle Arten von Kriminalität fordern und der Polizei vorwerfen, sie sei nicht effektiv genug und werde von der Politik im Stich gelassen.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/154289
Peter Nowak

Politisch brandgefährlich

Abgeordnete und Gewerkschafter fordern Ende der Diffamierung antirassistischer Gruppen
Das Extremismuskonzept, dem die Verfassungsschutzbehörden bei der Auswahl ihrer Beobachtungsobjekte folgen, ist Teil eines größeren politischen Problems. Im Vorfeld des Prozesses um die Morde der NSU-Terrorzelle wird dies von links thematisiert.

„Informationen über Extremisten jeder Art“ verspricht der bayerische Verfassungsschutzbericht 2012, der vom bayerischen Innenminister Herrmann (CSU) vorgestellt wurde. Ein eigenes Kapitel ist auch wieder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) gewidmet, die als „bundesweit größte linksextremistisch beeinflusste Organisation im Bereich des Antifaschismus“ vorgestellt wird. Aber auch zahlreiche lokale antifaschistische Initiativen werden im VS-Bericht aufgeführt. Dass diese engagierte Antifagruppen noch immer überwacht und im VS-Bericht erwähnt wird, sorgt zunehmend vor Kritik. Einen Tag vor der Bekanntgabe des aktuellen VS-Berichts sind Politiker der Linken, Grünen und der SPD sowie Gewerkschafter mit einen Aufruf für ein Ende der Diffamierung antifaschistischer und antirassistischer Aktivitäten durch den VS an die Öffentlichkeit gegangen. Zu den Unterzeichnern des Aufrufs gehören die Bundestagsabgeordnete der Linken Eva Bulling-Schröder, der bayerische Jusovorsitzende Philipp Dees, die innenpolitische Sprecherin der Grünen im bayerischen Landtag Susanne Tausendfreund und der bayerische SPD-Landtagsabgeordnete Florian Ritter. Auch die Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle (a.i.d.a), die in den letzten Jahren erheblich dazu beigetragen hat, dass die Praxis des bayerischen Verfassungsschutzes bundesweit in die Kritik geriet, hat den Aufruf unterzeichnet. Sie hat gerichtlich durchgesetzt, dass sie nicht mehr als linksextremistisch beeinflusst bezeichnet werden darf. Entsprechende Stellen im VS-Bericht 2009 – 2011 mussten nachträglich geschwärzt werden.
Die Kritik an der Diffamierung antifaschistischer Aktivitäten hat nach Ansicht von Florian Ritter schon Spuren im aktuellen VS-Bericht erlassen. Dort werde mittlerweile zwischen den demokratischen „guten“ und den „bösen“ linken Antifaschismus unterschieden. „Lange Jahre wurde der Antifaschismus ohne jegliche Anführungsstriche als Problem des Linksextremismus bezeichnet“, so der SPD-Politiker im Gespräch mit dem ND.
Der Aufruf richtet sich aber auch gegen das Extremismuskonzept, das in Bundesländern mit konservativen Innenministern weiterhin die Leitlinie ist. Die in der Erklärung vertretene Einschätzung, das Extremismuskonzept sei „unwissenschaftlich und politisch brandgefährlich“ bekräftigt Ritter im Gespräch mit dem ND. „Der Extremismusansatz ist in meiner Partei eine Minderheitenposition“. Der Aufruf sei bewusst wenige Tage vor dem Beginn des NSU-Prozess veröffentlicht worden. Ein Teil der Blindheit, der deutschen Sicherheitsbehörden, gegenüber der rechten Gewalt könne auf den Extremismusansatz zurück geführt werden. In dem Aufruf wird daran erinnert, dass viele der im VS-Bericht aufführten Initiativen seit Jahren für die Rechte von Flüchtlingen und Migranten eintreten, sich für eine antifaschistische Erinnerungspolitik einsetzen und mit ihren Recherchen erst die extreme Rechte öffentlich problematisiert hätten. Auch an der Großdemonstration im Vorfeld des NSU-Prozesses, die am 17. April in München stattfindet, beteiligen sich viele der unterzeichnenden Gruppen. Auch die Demo dürfte wieder Beobachtungsobjekt des VS werden.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/818634.politisch-brandgefaehrlich.html
Peter Nowak

Hat die Extremismustheorie zum Versagen der Sicherheitsbehörden beim NSU-Terror beigetragen?

Vor dem NSU-Prozess wächst die Kritik am Extremismusansatz

„Informationen über Extremisten jeder Art“ verspricht der bayerische Verfassungsschutzbericht 2012, der vom bayerischen Innenminister Herrmann (CSU) vorgestellt wurde. Ein eigenes Kapitel ist erneut der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) gewidmet, die als „bundesweit größte linksextremistisch beeinflusste Organisation im Bereich des Antifaschismus“ vorgestellt wird. Auch zahlreiche lokale antifaschistische Initiativen werden im VS-Bericht aufgeführt. Das sorgt für Kritik bei der Opposition.

Ende der Diffamierung gefordert

Einen Tag vor der Bekanntgabe des aktuellen VS-Berichts sind Politiker der Linken, Grünen und der SPD sowie Gewerkschafter mit einem Aufruf für ein „Ende der Diffamierung antifaschistischer und antirassistischer Aktivitäten“ durch den Verfassungsschutz an die Öffentlichkeit gegangen. Zu den Unterzeichnern des Aufrufs gehören die Bundestagsabgeordnete der Linken Eva Bulling-Schröder, der bayerische Jusovorsitzende Philipp Dees, die innenpolitische Sprecherin der Grünen im bayerischen Landtag Susanne Tausendfreund und der bayerische SPD-Landtagsabgeordnete Florian Ritter.

Auch die Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle (aida, die in den vergangenen Jahren erheblich dazu beigetragen hat, dass die Praxis des bayerischen Verfassungsschutzes bundesweit in die Kritik geriet, hat den Aufruf unterschrieben. Sie hatte im letzten Jahr gerichtlich durchgesetzt, dass sie nicht mehr als „linksextremistisch beeinflusst“ bezeichnet werden darf. Entsprechende Stellen im VS-Bericht 2009 – 2011 mussten nachträglich geschwärzt werden.

Die Kritik an der Diffamierung antifaschistischer Aktivitäten hat nach Ansicht von Florian Ritter Spuren im aktuellen VS-Bericht erlassen. Dort werde mittlerweile zwischen den demokratischen „guten“ und den „bösen“ linken Antifaschismus unterschieden. „Lange Jahre wurde der Antifaschismus ohne jegliche Anführungsstriche als Problem des Linksextremismus bezeichnet“, so der SPD-Politiker im Gespräch mit Telepolis.

„Extremismuskonzept ist unwissenschaftlich“

Der Aufruf richtet sich aber auch gegen das Extremismuskonzept, das in Bundesländern mit konservativen Innenministern weiterhin die Leitlinie ist. Die in der Erklärung vertretene Einschätzung, das Extremismuskonzept sei „unwissenschaftlich und politisch brandgefährlich“, bekräftigt Ritter gegenüber Telepolis ausdrücklich. „Der Extremismusansatz ist in meiner Partei eine Minderheitenposition“, betont der SPD-Politiker. Der von ihm unterzeichnete Aufruf sei bewusst wenige Tage vor dem Beginn des NSU-Prozess veröffentlicht worden.

Ein Teil der Blindheit der deutschen Sicherheitsbehörden, gegenüber der rechten Gewalt könne auf den Extremismusansatz zurückgeführt werden. In dem Aufruf wird daran erinnert, dass viele der im VS-Bericht aufführten Initiativen seit Jahren für die Rechte von Flüchtlingen und Migranten eintreten, sich für eine antifaschistische Erinnerungspolitik einsetzen und mit ihren Recherchen erst die extreme Rechte öffentlich problematisiert hätten. Auch an der bundesweiten Demonstration, die mit mehreren Tausend Menschen gestern in München stattfand, beteiligen sich viele der unterzeichnenden Gruppen. Für die Teilnehmer ist, anders als die öffentliche Debatte der letzten Wochen in Deutschland suggeriert, nicht die Teilnahme bestimmter türkischer Zeitungen am NSU-Prozess das Problem, sondern die Rolle von Politik und Institutionen, die diese Mordserie möglich machte.

Initiative in Thüringen lehnte Preis ab

Auch in Thüringen hat die Diskussion um das Extremismuskonzept wieder neue Impulse bekommen, nachdem der Antifaschistische Ratschlag Thüringen, ein Bündnis aus über 30 Gruppen, am vergangenen Donnerstag einen mit 4.000 Euro dotierten Preis abgelehnt hat. Dem Ratschlag war die Auszeichnung im Rahmen des bundesweiten Wettbewerbs „Aktiv für Demokratie und Toleranz“ für ihr zivilgesellschaftliches Engagement „im Kampf gegen rechte Gewalt, Antisemitismus und Rassismus“ verliehen worden.

„Einen Preis, der unter dem politischen Kampfbegriff Extremismus vergeben wird, können wir nicht annehmen“, begründete eine Sprecherin des Ratschlags gegenüber Telepolis die Entscheidung. In der Kritik stand auch der für die Preisübergabe vorgesehene Politologe Uwe Backes, der von den Kritikern als „einer der einflussreichsten Propagandisten der Extremismustheorie“ bezeichnet wurde.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/154096
Peter Nowak