Europäischer antikapitalistischer Aktionstag

Nach den 31-Protesten hat die Auseinandersetzung um die politische Bewertung begonnen

In zahlreichen europäischen Ländern haben Menschen am 31. März gegen autoritäre Krisenlösungsstrategien protestiert. Aufgerufen hatte ein Bündnis linker Gruppen und Basisgewerkschaften, die sich bewusst in Abgrenzung zu etablierten, oft staatstragenden Organisationen und Gewerkschaften organisierten. Schließlich kritisierten die Organisatoren nicht nur die ökonomischen Folgen der Krisenpolitik, sondern warnten auch vor wachsenden nationalistischen und antidemokratischen Tendenzen in vielen europäischen Ländern in der Folge der Krise.

In Ländern mit einer starken traditionellen Linken wie in Griechenland war die Beteiligung an den Protesten am Samstag eher klein. Hier stehen die an den M31-Protesten beteiligten Gruppen zu den großen anarchistischen und kommunistischen Gruppen in Opposition, die in den letzten Monaten häufig zu Protesten mobilisierten. In Ländern, in denen es bisher kaum Proteste gab und die verschiedenen linken Organisationen keine große Rolle spielen, waren die M31-Aktionen größer. So legte bereits am 29. März ein von Basisgewerkschaften, die Teil des M31-Prozesses sind, initiierter Generalstreik Spanien lahm. Im holländischen Utrecht gab es am Samstag eine landesweite Antikriesendemonstration, die von den Organisatoren als Erfolg eingeschätzt wurde.

Beginn der diesjährigen Krisenproteste in Deutschland

Auch in Deutschland läutete im Rahmen von M31 eine bundesweite Demonstration in Frankfurt/Main die diesjährigen Krisenproteste ein. Wie immer bei solchen Aktionen gehen die Angaben über die Zahl der Beteiligten zwischen der Polizei, die von 3000, und den Organisatoren, die von 6000 Demonstranten sprachen, weit auseinander. Allerdings war die zweite Zahl für die erste Hälfte der Demonstration nach übereinstimmenden Berichten verschiedener Augenzeugen wesentlich realistischer.

Nachdem es zu einzelnen Farbbeutel- und Steinwürfen gegen die Fassaden der Europäischen Zentralbank und anderer Bankfilialen gekommen war, kesselte die Polizei den hinteren Teil der Demonstration mehrere Stunden ein und verhinderte so, dass sie wie geplant und angemeldet zur Baustelle der EZB zwischen Ostbahnhof und Main ziehen konnte. Nachdem im Internet Aufrufe zirkulierten, im Anschluss an die Demonstration das Areal zu besetzen, war die Baustelle schon vor Tagen mit Stacheldraht eingezäunt worden.

Die Veranstalter, die sich sehr um Deeskalation bemühten und die Demonstranten immer wieder aufriefen, nicht durch Provokationen das Ziel zu gefährden, lösten gegen 19 Uhr schließlich die Demonstration auf. Auf Indymedia brach sofort eine heftige Debatte über die Einschätzung von M31 auf europäischer und deutscher Perspektive an, die natürlich nach politischen Einschätzungen geleitet sind. Während manche Jungakademiker schon ihre mit ihren Adorno-Zitaten gespickten Totalverrisse auf der Demonstration verteilten, äußerte sich die an der Vorbereitung der M31-Proteste beteiligte Publizistin Jutta Ditfurth in ihrer Rede auf der Auftaktveranstaltung sehr optimistisch: „Wo immer wir am Ende dieses Tages stehen – oder sitzen – werden: Es ist großartig, dass es zum ersten Mal gelungen ist, aus eigener Kraft, unabhängig auch von staatstragende Organisationen, diesen ersten ‚Europäischen Aktionstag gegen den Kapitalismus‘ zu organisieren.“

Basisgewerkschafter hingegen verweisen darauf, dass es im Rahmen der M31-Mobilisierung zu einer Annäherung zwischen Aktivisten sozialer Kämpfe in der Arbeitswelt und linken Gruppen gekommen ist. Für sie ist ein Kriterium für den Erfolg des M31-Prozesses, ob sich jenseits von Großdemonstrationen aus diesen Diskussionen eine gemeinsame Praxis im Alltag entwickelt. Das Interesse daran ist gewachsen, weil selbst der linke Flügel der DGB-Gewerkschaften angesichts der EU-Krisenpolitik noch immer in Wartestellung verharrt, während an der Gewerkschaftsbasis die Forderungen nach Widerstandsperspektiven lauter werden.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151727
Peter Nowak