Parlamentarische Rückendeckung für Wowereit

Misstrauensvotum wurde abgelehnt, eine Blamage für die Opposition

Heute mussten die Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses eine Sonderschicht einlegen. Am Vormittag wurde über das von der parlamentarischen Opposition eingebrachte Misstrauensvotum gegen den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit abgestimmt. Es wurde abgelehnt. Eine Überraschung war das nicht, nachdem sich beide Partner der großen Koalition, die eine große Mehrheit im Abgeordnetenhaus haben, hinter die durch die ständige Verzögerung des Hauptstadtflughafens unter Druck geratenen Bürgermeister stellten.

Blamage für die Opposition

Doch die Abstimmung wurde am Ende eine Blamage für die parlamentarische Opposition. Denn bei der Abstimmung erhielt Wowereit mindestens eine Stimme aus ihren Reihen. 62 Abgeordnete stimmten mit Ja, 85 votierten gegen den Antrag. SPD und CDU-Fraktion haben 85 Mandate, ein CDU-Abgeordneter aber fehlte. Demnach muss Wowereit eine Stimme bekommen haben, die nicht der SPD oder der CDU-Fraktion zuzurechnen ist, unter der Voraussetzung, dass sämtliche Mandatsträger des Regierungslagers die Vorlage ablehnten. Zuvor hatte die Opposition gehofft, dass zumindest einzelne Abweichler im Regierungslager für das Misstrauensvotum stimmen.

Das Ergebnis der Abstimmung wird nun eher für weiteren Zwist unter den Oppositionsfraktionen sorgten. Dort gibt es noch immer den Wettbewerb, wer die entschiedenste Oppositionspolitik betreibt. Deshalb preschten die Grünen, die Wowereit noch immer nicht verzeihen können, dass der Regierende Bürgermeister nicht sie, sondern die CDU als Koalitionspartner auswählte, mit dem Misstrauensvotum vor. Die Piraten, die bundesweit im Abwärtstrend sind und sich auch in Berlin gegenseitig mit Faschismusvorwürfen belegen, schlossen sich sofort an. Bei der Linkspartei, die ein Jahrzehnt mit Wowereit geräuschlos regierte, dauerte es länger, bis man sich dem Misstrauensvotum anschloss. Schließlich hätte sie ihre Rolle als Oppositionspartei sonst endgültig eingebüßt.

Vor allen im Umfeld der Linkspartei gab es von Anfang an die Kritik, dass ein von vornherein zum Scheitern verurteiltes Misstrauensvotum die Koalition eher zusammenschweißt. Das mag für den Moment auch stimmen. Doch die Diskussion um das Misstrauensvotum hat auch die Schwäche einer SPD offenbart, die in Berlin schlicht keinen Nachfolger für Wowereit hat, nachdem der als Nachfolger vorgesehene Michael Müller parteiintern ausgebremst wurde. Außerhalb der parlamentarischen Opposition hat das Flughafendesaster eher wirtschaftsliberalen Positionen wieder Auftrieb verschafft. So wurde diskutiert, ob der Airport schneller fertig geworden wäre, wenn er privaten Unternehmen gebaut worden wäre. Als hätte es nicht zahlreiche Bauskandale auch mit privaten Unternehmen gegeben.

Neuer Namen für den Flughafen?

Die meisten Bewohner Berlins beteiligen sich nicht an der großen medialen Aufregung um das Winterlochthema BER. Sie reagieren eher sarkastisch und erinnern daran, dass der Kölner Dombau Jahrhunderte dauerte. Derweil gibt es einen Wettbewerb um die Neubenennung des Airport. Satire oder nicht – mit Rückgriff auf preußische Tugenden fordert ein bisher unbekannter „Willy-Brandt-Freundes- und Freundinnenkreis“ eine Umbenennung mit der Begründung „Willy Brandt hat es nicht verdient, dass sein anerkannt guter Name im Zusammenhang mit einem derartigen Desaster bleibend in Verbindung gebracht wird!“ Der für Medien und Kultur beim Neuen Deutschland zuständige Redakteur Jürgen Amendt hat den bekannten Westberliner Kabarettisten Wolfgang Neuss als Alternative in die Diskussion gebracht. Als Begründung schreibt er: „Der Berliner Kabarettist war ein radikaler Pazifist (‚Auf deutschem Boden darf nie mehr ein Joint ausgehen‘). Statt Brandt könnte Neuss die Gäste des BER begrüßen. Man müsste natürlich Neuss die Ehre erweisen und über den Eingang ein großes Schild anbringen, auf dem geschrieben steht: ‚Vom Berliner Boden aus darf nie mehr ein Flugzeug starten.'“
http://www.heise.de/tp/blogs/8/153523
Peter Nowak