Verkürzte Medienkritik

Eine Initiative stellt jährlich eine Liste in den Medien vernachlässigten Themen zusammen, bleibt aber mit ihrer Kritik an der Oberfläche.
Was haben die mangelhafte Deklarierung von Jodsalz in Lebensmitteln, die Zwangseinweisung von Menschen in die Psychiatrie und der Notstand im Krankenhaus miteinander zu tun? Sie gehören zu den 10 Themenfeldern, die nach Meinung der Initiative Nachrichtenaufklärung im letzten Jahr in deutschen Medien kaum oder mangelhaft behandelt worden sind.

Die INI war im Jahr 1997 nach dem Vorbild des US-amerikanischen Project Censored gegründet worden. Sie wird von der TU-Dortmund und der Jakocs University Bremen getragen.

Die nach Meinung der Initiative vernachlässigten Medienthemen werden jährlich von einer Jury aus den Vorschlägen ausgewählt, die von Wissenschaftlern, Medienschaffenden und interessierten Einzelpersonen eingereicht worden sind. Bei der Auswahl spielt die gesellschaftliche Relevanz der Themen eine wichtige Rolle. Kritisch könnte man einwenden, dass man dadurch eine Fülle von Themen vor sich hat, die medial völlig unterschiedlich behandelt werden. Auch die Gründe für eine mögliche Vernachlässigung sind unterschiedlich. So kommt der als Top 1 auf der Liste genannte Pflege-Notstand durchaus in den Medien vor. Allerdings wird er oft auf ein individuelles Problem abgehandelt. Die Verbindung zu einer Sozialpolitik, die den Pflegekräften ihre Arbeit immer schwerer macht, wird dagegen seltener gezogen.

Dagegen wird in den wenigsten Medien thematisiert, dass die seit einem Jahr auch für Deutschland verbindliche UN-Behindertenkonvention in Widerspruch zur weiterhin praktizierten zwangsweisen Einweisung von Menschen psychiatrische Kliniken steht. Das steht auf Punkt 2 der Liste. Die Proteste von Betroffeneninitiativen werden weitgehend ignoriert und erst aufgegriffen, wenn die Anliegen von Gerichten oder der Politik getragen werden. Die Gründe liegen weniger in einer direkten Zensur sondern in gesellschaftlichen Konventionen, denen auch Medienvertreter ausgesetzt sind. Eine Aneinanderreihung von angeblich vernachlässigten Themen bleibt unbefriedigend, wenn nicht die Zusammenhänge in jedem einzelnen Fall aufgezeigt werden. Zudem stellt sich die Frage, wie weit auch das Internet in die Medienanalyse einbezogen worden ist. 
 

http://www.heise.de/tp/blogs/6/147009
Peter Nowak