Marktwirtschaft menschlich gestalten?

Einige Ökonomen wollen mit mehr Ethik die Krise überwinden

In Zeiten der Krise melden sich Ökonomen der unterschiedlichen Couleur mit ihren Anliegen zu Wort. Jetzt hat eine Gruppe von Wirtschaftsethikern das Memorandum „Für eine Erneuerung der Ökonomie“ veröffentlicht und fordern eine grundlegende Wende in der ökonomischen Wissenschaft. Ulrich Thielemann, einer der Mitverfasser des Memorandums, geht mit seinen Kollegen hart ins Gericht: „Über Jahrzehnte haben sich die Wirtschaftswissenschaften eingekapselt und so die Ökonomisierung aller Lebensverhältnisse vorangetrieben“, moniert er in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Ökonomen aller Lager hätten das Kapital stets hofiert, so Thielmanns Einschätzung, die hier fast Ansätze von linker Wirtschaftskritik enthält. Doch der Eindruck täuscht. Thielemann rekurriert mit seiner Kritik unter anderem auf den wirtschaftsliberalen Ökonomen Thomas Straubhaar und seine Abrechnung mit dem Wirtschaftsimperialismus.

Abkehr vom homo oeconomicus?

Wie Straubhaar rügt auch Thielemann das Modell des homo oeconomicus, das lange Zeit in der klassischen Ökonomie vorherrschte. „Es gibt seit Jahren neuere Forschungszweige wie die Verhaltensökonomie, die nicht von einem abstrakten Homo oeconomicus ausgeht, sondern vom realen Menschen. Das Problem ist, dass diese Erkenntnisse bisher zu wenig in wirtschaftspolitisch relevante makroökonomische Modelle eingebaut worden sind. Da ist noch viel zu tun“, so Straubhaar.

Das Me’M, das sich als „Denkfabrik für eine menschliche Marktwirtschaft“ begreift, widmet sich dieser Aufgabe schon länger. Bereits 2009 forderte Thielemann, die Marktwirtschaft weniger kapitalistisch zu gestalten. Diese Intention teilt auch das Baseler Manifest für mehr Wirtschaftsethiker, das ebenfalls zu den Referenzpunkten des neuen Memorandums gehört. Dort werden zahlreiche mehr oder weniger bekannte Ökonomen aus aller Welt genannt, die ebenfalls das Ziel einer menschlichen Marktwirtschaft teilen sollen.

Spätestens seit der Wirtschaftskrise wird viel von einer Erneuerung der Wirtschaft geredet und da sind Ethiker immer sehr gefragt. „Bei guter Witterung findet die Religion im Wort zum Sonntag und auf der Lohnsteuerkarte statt. Zieht aber ein Gewitter auf, fliegen die Pfaffen tief“, diese Erkenntnis des Konkret-Herausgebers Hermann Gremliza gilt auch in der Ökonomie. Hier nehmen die Wirtschaftsethiker die Rolle der Geistlichen ein. Sie reden viel von den Fehlern, die gemacht wurden, fordern eine Umkehr, wollen aber andererseits auch, dass sich möglichst wenig am System ändert. Das ist ihnen freilich nicht anzulasten. Schließlich richten sich der Markt und die Börse eben nicht nach Moral und Ethik, sondern suchen sich die besten Möglichkeiten zur Kapitalverwertung. Daher werden wir auch in den nächsten Jahren noch viele Aufrufe und Memoranden für eine moralische Ökonomie lesen.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151755
Peter Nowak