Rechte Angriffe haben in den letzten Wochen in Bayern zugenommen

Im Schatten des NSU-Prozesses wächst die Zahl rechter Angriffe in Bayern. Betroffen sind auch Anwälte der Nebenkläger

Eigentlich müsste man denken, dass die rechte Szene angesichts des NSU-Prozesses auf Tauchstation gegangen ist. Schließlich ist der Zusammenhang von rechter Gewalt und rassistischer Ideologie angesichts der NSU-Morde auch für Menschen manifest geworden, die bisher die rechten Umtriebe eher für harmlose Spinnereien gehalten haben. Doch tatsächlich ist die rechte Szene in Bayern nicht abgetaucht, sondern verübt Anschläge, nicht nur trotz, sondern wegen des NSU-Verfahrens. Darauf macht ein Aufruf unter dem Titel „Gemeint sind wir alle“ aufmerksam, der von zahlreichen bayerischen Initiativen und Einzelpersonen unterzeichnet wurde.

„In den letzten Wochen und Monaten nehmen rassistische und faschistische Angriffe in Bayern zu. Die organisierte Neonazi-Szene agiert zunehmend offen und aggressiv“, heißt es dort. In München sei es im April und Mai zu mehreren Attacken von Neonazis gekommen. Zielscheibe seien linke Einrichtungen, die sich gegen rechte Gewalt wehren und Flüchtlinge unterstützen. Die von den Anschlägen Betroffenen kritisierten in einem Fernsehbeitrag die Reaktion der Polizei. So monierte der Vorsitzende des Bayerischen Flüchtlingsrats, Matthias Weinzierl, dass nach der Anzeige der Anschläge ein Rückruf der Polizei erst nach zwei Wochen erfolgt sei.

Auch die Fenster des Wohnprojekts „Ligsalz 8“ seien eingeworfen, Nazi-Parolen in die Fenster eingeritzt und die gesamte Fassade mit Farbbeuteln beworfen worden. Die Geschäftsstelle des Bayerischen Flüchtlingsrats sei ebenso Ziel solcher Angriffe gewesen wie die Münchner Büros des Kurt-Eisner-Vereins, bei dem vier Fensterscheiben eingeworfen wurden. Vom Münchner EineWeltHaus seien zweimal Vermummte vertrieben werden.

Anwältin der Nebenklage im Visier

Auch die Kanzlei Münchner Rechtsanwältin Angelika Lex, die im NSU-Prozess die Witwe des NSU-Opfers Theodoros Boulgarides als Nebenklägerin vertritt, wurde in den letzten Wochen mehrmals Ziel von rechten Attacken. Sie monierte, dass die Polizei zunächst bestritt, dass es sich um eine Serie von Anschlägen gehandelt hat, diese Einschätzung aber später revidierte – mittlerweile wird gegen drei Münchner Neonazis ermittelt. Die Organisatoren des Aufrufs halten eine solche Haltung der Polizei nach dem Aufdecken der NSU-Morde für besonders fatal:

„Die erneute Leugnung eines organisiert agierenden Neonazi-Netzwerks in München zeigt, dass die Polizei nichts aus der folgenreichen Verharmlosung rechter Strukturen der vergangenen Jahre gelernt hat. Angesichts jahrelanger Untätigkeit ist das nicht nur zynisch gegenüber den betroffenen Initiativen und Einzelpersonen der jüngsten Angriffe, sondern auch gegenüber den Opfern des NSU, deren Angehörigen und gegenüber 173 weiteren Todesopfern rechter Gewalt seit 1990.“

„Wir wollen die da weghaben“

Aber nicht nur die in dem Aufruf pointierten Neonaziangriffe gehen im Schatten des NSU-Prozesses weiter. Wenn man sich manche Reaktionen auf die Zuwanderung von Menschen aus Osteuropa ansieht, könnte man zu dem Schluss kommen, auch die Rechtspopulisten agieren weiter wie im Stil der frühen 90er Jahre. Im Vorfeld des Kommunalwahlkampfes in NRW verschärfen sie die Angriffe gegen diese Menschen, in dem sie reale Probleme ethnisieren.

Das erinnert an ähnliche rechte Kampagnen in den frühen 1990er Jahren in Rostock und anderen Städten. Man wolle sich den „Problemen mit der Zuwanderung aus Osteuropa“ annehmen, so der im Wortlaut seriöse daher kommende Titel einer rechtspopulistischen Unterschriftensammlung zur Begrenzung der Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien. Bei der Sammlung der Unterschriften hörten Ohrenzeugen dann ganz andere Töne. „Wir wollen die da weg haben, alles andere interessiert uns nicht mehr“, habe ein O-Ton gelautet.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/154392
Peter Nowak