Doppelte Miete für Senioren

Bewohner sammeln Unterschriften für Milieuschutz im Wohngebiet

»Meine Miete beträgt jetzt 400 Euro, ab November 2012 könnte sie auf 700 Euro steigen«, rechnet Eva Maria John vor. Diese Befürchtungen teilen viele der 148 Bewohner des Seniorenwohnhauses in der Palisadenstraße 41-46 in Friedrichshain. Vor einigen Wochen haben die Eigentümer für die Sozialwohnungen massive Mieterhöhungen nach Wegfall der Anschlussförderung des Landes zum 1. November angekündigt.

Als John die Wohnung 1997 bezog, betrug die Kaltmiete umgerechnet 4,25 Euro pro Quadratmeter, heute sind es 6,15 Euro. Sollte die angekündigte Mietsteigerung zum kommenden November nicht noch verhindert werden, läge der Quadratmeterpreis bei zwölf Euro.

Doch die Senioren wehren sich und gehen an die Öffentlichkeit. In ihrer Nachbarschaft finden sie dafür viel Verständnis. Denn nicht nur in der Seniorenwohnanlage steigt die Angst vor Verdrängung, seit der Kiez zwischen Frankfurter Allee und Richard-Sorge-Straße bei Immobilienfirmen interessant geworden ist.

Für den Großteil der Bewohner ist die Entwicklung ein massiver Einschnitt. Viele Menschen leben dort seit Jahrzehnten, wie eine auf Bewohnerbefragungen basierenden Studie des Stadtteilbüros Friedrichshain ergeben hat. »Im Vergleich zu anderen Quartieren in Friedrichshain zeichnet die Richard-Sorge-Straße eine »sozial- und generationsübergreifend gewachsene Nachbarschaft« aus, heißt es dort. Ein großer Bevölkerungsaustausch habe dort bisher nicht statt gefunden.

Viele Bewohner wollen verhindern, dass sich das ändert. In der vergangenen Woche trugen sie ihren Protest im Seniorenparlament des Abgeordnetenhauses vor. Zuvor waren zwei gut besuchte Bewohnerversammlungen organisiert worden, an denen auch Mieterorganisationen und Bezirkspolitiker teilnahmen. Dort wurden nicht nur die Veränderungen im Stadtteil beklagt, sondern Gegenaktionen geplant. In einem an die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain-Kreuzberg gerichteten Einwohnerantrag werden die Verordneten aufgefordert, die Voraussetzungen für die Einrichtung eines Milieuschutzes im Richard-Sorge-Kiez und in Teilen der Frankfurter Allee zu prüfen, um dadurch die Möglichkeiten zur Mietsteigerung zu begrenzen.

Die Unterschriftensammlung dafür startete am vergangenen Samstag auf einem Straßenfest in der Richard-Sorge-Straße. In den nächsten Wochen wollen die Aktivisten an verschiedenen Plätzen im Stadtteil die Listen zum Unterschreiben auslegen. Beteiligen können sich Menschen mit erstem Wohnsitz in Friedrichshain-Kreuzberg. Insgesamt 3000 Unterschriften müssen in den nächsten Wochen zusammenkommen, damit der Bürgerantrag in die BVV eingebracht werden kann.

Eine Forderung des Einwohnerantrags ist auch der Schutz der Mieter in den noch unsanierten Wohnblöcken Frankfurter Allee 5 bis 27. Dort haben Bewohner mittlerweile nach mehreren Versammlungen einen Mieterrat gegründet. Sie sind empört darüber, dass sich in den letzten Monaten die Schikanen und Abmahnungen häufen. Auch mehrere Kündigungen seien schon ausgesprochen worden.

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Peter Nowak