Gesponserte Demokratieforschung

Auch in die Geisteswissenschaften fließt wie im Fall des Göttinger Instituts für Demokratieforschung Geld von Unternehmen. Geprägt wurde in einer von BP geförderten Studie der „Wutbürger“

Verbindungen zwischen Wirtschaft und Hochschulen sind in der letzten Zeit transparenter geworden. Dafür sorgt die Seite Hochschulwatch, die von der taz gemeinsam mit der NGO Transparency International und Studierendenorganisationen gegründet wurde.

Dabei stellte sich schnell heraus, dass die Verflechtungen noch umfassender als vermutet sind. Nicht nur im naturwissenschaftlichen Bereich sind im Rahmen der Drittmittelforschung mittlerweile Finanziers aus der Wirtschaft an der Tagesordnung. Im geisteswissenschaftlichen Bereich scheint eine solche Kooperation vor allem deshalb für ungewöhnlich gehalten zu werden, weil sich diese Fakultäten gerne als besonders kritisch gaben und der Gegensatz zwischen Bildung und Wirtschaft gerne besonders herausgestellt wird. Daher gab es einige Schlagzeilen, als sich herausstellte, dass auch das Institut für Demokratieforschung an der Universität Göttingen vom Mineralölkonzern BP gesponsert wird.

Wie LobbyControl herausfand, gab der Konzern beim Demokratieinstitut eine Studie zu den Bürgerprotesten in Auftrag. „Ziel der Untersuchung war es herauszufinden, welche Einstellungen und Motivlagen in typischen Gruppen engagierter Bürgerinnen und Bürger vorherrschen. Dazu gehörten auch die Einstellungen der Aktivisten gegenüber Unternehmen, soweit es um deren Mitwirkung an Infrastrukturprojekten geht“, erklärte ein BP-Sprecher gegen LobbyControl.

Das Institut betont seine Unabhängigkeit auch gegenüber BP: „Bei uns lag die völlige Forschungsfreiheit. BP hat zu keiner Zeit Einfluss auf das Projektdesign oder die Konzeption genommen.“ Das Institut habe darauf bestanden, dass die Studie als Grundlagenforschung angelegt worden sei. Dabei sei rechtsverbindlich festgelegt worden, dass BP als Förderer keinen Einfluss auf Inhalte und Konzeption gehabt habe.

Studienteilnehmer zu spät informiert?

Unklar blieb, wann die protestbewegten Teilnehmer der Studie über Proteste in Deutschland von dem BP-Engagement erfahren haben. Gegenüber der taz erklärte der Institutsleiter Franz Walter, die Interviewer seien angewiesen gewesen, „den Befragten und Studienteilnehmern zu keiner Zeit die Förderer der Untersuchung zu verheimlichen“. Spätestens nach dem Ende der Studie seien sie über das BP-Engagement informiert worden. Das sei zu spät, eine Information hätte am Anfang erfolgen müssen, moniert LobbyControl und dokumentiert einen Brief, mit dem das Demokratieinstitut eine Bürgerinitiative gegen die CCS-Technologie für die Teilnahme an der Studie gewinnen wollte. BP ist dort nicht erwähnt.

Dabei ist gerade das Verhältnis zwischen Umweltinitiativen und dem BP-Konzern alles andere als spannungsfrei. Schließlich gehört er zu den Unternehmen, die auch im CCS-Geschäft mitmischen wollen. Zudem hat Walter betont, dass die Kontakte zwischen BP und dem Institut über das kmw outrage Management erfolgten. Zu deren Aufgaben gehört es laut Darstellung auf der Homepage: „Ihr Unternehmen daraufhin zu überprüfen, welche Risiken es hat und welche Krisen daraus entstehen können, Ihr etabliertes Krisenmanagement daraufhin zu überprüfen, ob es einer realen Krise standhält, ein Krisenmanagement in Ihrem Unternehmen zu implementieren. Wir sind dabei auf Prävention spezialisiert, helfen aber auch beim echten Krisenmanagement“, heißt es dort.

Zu einer solchen Krise gehören aber auch Bürgerproteste, die ein vom Konzern geplantes Projekt behindern oder vielleicht sogar für längere Zeit lahmlegen, was für den Konzern mit finanziellen Verlusten verbunden ist. Aus seiner Sicht geht es darum, solche Risiken zu minimieren. Dafür gibt es verschiedene Wege. Eine Integration möglicher Protestpotentiale im Vorfeld ist eine Variante, eine Denunzierung von Protestgruppen oder diese unglaubwürdig zu machen eine andere.

Wutbürger gesponsert durch BP?

In diesem Zusammenhang kann auch von dem Inhalt der Studie nicht ganz ausgeblendet werden, die von BP in Auftrag gegeben und vom Demokratieinstitut erarbeitet wurde. Schließlich sorgte auch die Studie dafür, dass sich der Begriff Wutbürger für die Charakterisierung der neueren Proteste durchsetzte. Und es wird noch nachgelegt, dass die Protestakteure alt und egoistisch seien.

Hier zeigt sich auch, wie man mit Fakten auch unterschiedliche Stimmung machen kann. Die Tatsache, dass viele Akteure der neuen Proteste teilweise im Rentenalter und gut ausgebildet sind, kann man so interpretieren, dass heute viele Menschen im Rentenalter noch rüstig sind und sich dann politisch engagieren und damit etwas nachholen, wofür es oft im Arbeitsleben weder Raum noch Zeit gab. Welche Folgen könnte eine solche Entwicklung für eine Protestbewegung haben, die bisher immer jugendbewegt war? Doch solche Fragen stellen sich nicht. Statt dessen wird der egoistische Wutbürger als neues Protestsubjekt eingeführt. Bei der Vorstellung der Studie äußert Walter auch den Verdacht, dass direkte Demokratie nicht die Herzensangelegenheit der Aktivisten ist, weil sie diese Forderung leidenschaftslos vortragen würden. Hier wird ein Bild und eine Stimmung über die Protestbewegung erzeugt, die auch BP gefallen dürfte. Kritische Fragen in diese Richtung scheinen bei den Institutsverantwortlichen nicht besonders beliebt.

„Der Kritiker raunt, wir hätten Auftragsforschung betrieben. Natürlich ist nichts daran richtig. Implizit wie explizit meint man jedenfalls auf Seiten der selbsterklärten Anti-Lobbyisten, dass drittmittelfinanzierte Forschung grundsätzlich interessengeleitet ist. Nun wird man nicht verhehlen können, dass die Frage nach den Interessen von Finanziers in der Forschung unzweifelhaft ihre Berechtigung habe. Das Ganze überschreitet aber dann eine Grenze, wenn wider besseren Wissens auch den ausführenden Forschern unterstellt wird, sie hätten Forschungsdesign, Interpretationen, Konzeptionen und Ergebnisse den Bedürfnissen ihrer Mittelgeber angepasst.“ Genau das soll hier nicht unterstellt werden. Es besteht vielmehr der begründende Verdacht, dass das Institut seine Schlussfolgerungen ganz ohne Einflussnahme zur Zufriedenheit von BP erarbeitet hat. Eine direkte Einflussnahme ist gar nicht nötig, wenn die Macher der Studie ganz ohne Druck die passenden Stichworte liefern. Das Problem besteht also eher darin, dass die gesellschaftlichen Vorstellungen des Instituts und vo BP ganz ohne Druck und Beeinflussung fast komplementär sind.
http://www.heise.de/tp/blogs/10/153729
Peter Nowak