»nd« von 1959 als Kunstobjekt

Frauen des Vereins Endmoräne stellen ihre Werke im alten Gutshaus Heinersdorf aus

Die Kinder können sich kaum beruhigen. Immer wieder gruppieren sie sich um den Spiegel. Wenn sie hineinblicken, sehen sie einen geschrumpften Körper auf elefantenartig verdickten Beinen. »Die sichtbare und unsichtbare Zeichnung« heißt das Kunstwerk von Masko Iso. Auf den Boden hat sie Schritte markiert, mit denen der Betrachter besonders lustige Effekte im Spiegel erzeugen kann.
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Die Installation gehört zur Ausstellung »LineaRES«, organisiert vom Kunstverein Endmoräne, der jedes Jahr im August an wechselnden Orten Arbeiten von Künstlerinnen zeigt. Am kommenden Wochenende ist die aktuelle Ausstellung noch im alten Gutshaus Heinersdorf bei Steinhövel (Oder-Spree) zu sehen.

Die Künstlerinnen arbeiten mit einfachen Hilfsmitteln, die oft gekonnt arrangiert sind. Schon im Garten des Gutshauses fällt die aus Küchenutensilien in weißer und roter Farbe gebaute Plastik von Erika Stürmer-Alex ins Auge. Von Stürmer-Alex finden sich in den Räumen des maroden Hauses weitere Installationen.

Antje Scholz hat einen roten Wollfaden platziert. Dorothea Neumann will mit heruntergelassenen Tapetenrollen auf die Bedrohung des Gebäudes durch den Hausschwamm hinweisen. Angela Lubic brachte an verschiedenen Fenstern mehrfarbige Klebestreifen an. Auf eine Tafel schrieb Christina Wartenberg mit Kreide immer wieder das Wörtchen »ach«. Das Kunstwerk heißt »lineare Litanei«. Die Veranda kann wegen Schäden des Fußbodens nicht betreten werden. Dort hängte Claudia Busching eine Folie wie einen Vorhang auf, der sich im Zugwind bewegt. Im oberen Stockwerk stellt Erika Postler Kissen aus der Heinersdorfer Kleiderkammer aus. Die in altdeutscher Schrift gehaltenen Aufdrucke zeigen: Die Kissen sind alt. Oft stammen sie von Wohnungsauflösungen nach Sterbefällen. In einem Raum sind Gegenstände aufgereiht, die in alten Schränken im Gutshaus entdeckt wurden. Neben Münzen und allerlei Krimskrams befindet sich dort auch eine Ausgabe der Tageszeitung »neues deutschland« aus dem Jahre 1959.

Die wechselvolle Geschichte des im 17. Jahrhunderts erbauten Gutshauses ist oft indirekt Gegenstand der Kunstwerke. Nach 1945 diente das Haus als Schule, Kinderheim und Landambulatorium. Leider geht keine Arbeit auf die verhängnisvolle Nazizeit ein, als in dem Gutshaus eine SS-Nachrichteneinheit stationiert war.

Gutshaus Heinersdorf, Hauptstraße 36c, am 1. und 2. September von 13 bis 18 Uh

http://www.neues-deutschland.de/artikel/236937.nd-von-1959-als-kunstobjekt.html
Peter Nowak

Wo die Kunst beginnt

 

Sind die in einen Steinhaufen platzierten Rosen Kunst? Ist die bunt gemalte Fassade in einem leeren Wohnblock Teil der Ausstellung? Solche Fragen gehen dem Besucher des stillgelegten Militärflughafens Militärflughafens von Neuhardenberg durch den Kopf. Dort hat das Künstlerinnenkollektiv  Endmoräne  in diesem Sommer Halt gemacht. Am 2., 3. 9. und 10. Juli ist die Ausstellung von 10. bis 18  Uhr. Ein Ausflug lohnt, allerdings weniger wegen der Installation allein, sondern wegen dem gesamten Ambiente.  Denn eigentlich ist das gesamte Areal ein Kunstprojekt. Die ehemaligen Kasernengebäude sind größtenteils von der Natur umzingelt. An vielen Stellen haben sich Bäume und Sträucher schon durchgesetzt. An manchen Wänden finden sich noch Wappen, die zur proletarischen Freundschaft mit einem unbekannten Land aufrufen. Und dann sind dann noch die 21 Installationen, die als eine Art Kunst im Kunstwerk auf dem Gelände verstreut zu finden sind. Die wenigstens sind kontrovers oder gar politisch. Ein Steinhaufen wird zum Termitenhügel,  weiße Lacken auf dem Rasen  sollen eine  Bleiche darstellen .In einem Haus finden sich ein gutes Dutzend Wecker und in einem anderen sitzen einige Menschen beim Stricken im Kreis. Auch der Bürgermeister von Neuhardenberg ist dabei, wenn die Künstlerin Erika Stürmer-Alex zur „Strickstunde“ einlädt“. Mir fiel gleich beim Eintritt in den Raum ein etwas weniger betulicher Titel ein: „Grüner Partei 1980“. Aber das ist wahrscheinlich den Künstlerinnen zu provokativ.  Das hat nur den Nachteil, dass der Betrachter viele der Installationen nett findet, und schnell wieder vergisst.
 Sehr beeindruckend ist die Totenklage einer Frau, um den in einen Krieg umgekommenen Sohn, die in   Video zu sehen ist, dass in einen ehemaligen Bunker zu sehen ist. Am Eingang eines  Häuserkomplexes werden Kopfhörer gereicht. Auf Kassette  kann man sich sehr kritische  Gespräche mit ehemaligen NVA-Soldaten anhören, die dort stationiert waren.    Die Installation von Silvia Beck hätte ein Statement gegen das Zwangssystem des Militärs werden können und verbleibt doch im nach über 20 Jahren wohlfeilen DDR-Bashing. Denn leider versäumt ein Gesprächspartner auch nicht, penetrant darauf hinzuweisen, dass die NVA ja so unterdrückerisch die Bundeswehr aber ganz anders  ist.
 Bemerkenswert ist auch die Installation On Top von Angela Lubic, eine Tafel, die das ehemalige Flughafengelände an kaufkräftige Investoren vermakeln will. Sky-Penthouses werden dort imaginiert und Grundstücke die  3004.700 Euro kostensollen.    Wer in der als Informationshalle hergerichteten  Eingangshalle die Pressestimmen zur Zukunft des Flughafengeländes liest, wird merken, dass die Realität oft die Imagination der Künstlerinnen übertrifft. Dort gibt es  seitenlange Berichte der Märkisch-Oderzeitung  aus dem Jahr 2003, dass demnächst der Aufbau des modernen Flughafens in Neuhardenberg beginnen soll. Danach kann man sich vorstellen, dass sich auch  für Lubics  Sky-Penthouses manche Lokalpolitiker erwärmen können.
Man muss nur die verstreuten  Gegenstände auf dem Neuhardenberger Areal zusammenbringen,  unabhängig, ob sie nun Installationen sind oder nicht. Das ist die wahre Kunst  und dann wird der Wochenendausflug nach Neuhardenberg auch wirklich kurzweilig.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/201648.wo-die-kunst-beginnt.html
Peter Nowak

 
„Abgeräumt. Imbiss geplant. Führungen ins Universum“, Sa. und So 10 – 18 Uhr