Die DDR erneut ausgespart

Ausstellung über die Militärdiktatur in Athen

Am 21. April 1967 übernahm in Griechenland eine Militärjunta die Macht. Sie verbot sogleich alle Parteien und Gewerkschaften. Oppositionelle wurden zunächst ins große Fußballstadion von Athen gesperrt und später in verschiedene Gefängnisse oder in Lager auf Inseln deportiert. 

Ein halbes Jahrzehnt danach erinnert eine von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung konzipierte Ausstellung im Kunstraum des Hauses der IG Metall an das heute weitgehend vergessene Kapitel der Geschichte. Auf 30 Tafeln werden die politischen Hintergründe des Staatsstreichs und des Widerstandes gegen diesen dokumentiert. Berichtet wird über die starke demokratische Massenbewegung, die von der Oberschicht als Gefahr für ihre Privilegien gesehen wurde und mit dem Putsch zerschlagen werden sollte. Was leider auch weitgehend gelang. Im Untergrund formierte sich jedoch bald eine neue Opposition. 

Die Exposition informiert ebenso über die sich unmittelbar nach dem Putsch in Westdeutschland entfaltenden Proteste gegen den Coup des Militärs. Sie wurden getragen von griechischen Arbeitsmigranten sowie der gerade entstehenden außerparlamentarischen Opposition und waren auch gegen die Bundesregierung und Wirtschaftsgewaltige gerichtet, wurde doch der Putsch der Obristen nicht nur von der NATO und den USA unterstützt. Mit ihm sympathisierten insbesondere Politiker der CDU und CSU. «Unser Faschismus nebenan», hieß ein damals viel gelesenes Buch, herausgegeben von den linken Journalisten Günter Wallraff und Eckart Spoo. Die Ausstellung zeigt die Bandbreite der Proteste, an denen sich Journalisten, Künstler, Studenten und Gewerkschaftler beteiligten. Unter der Schirmherrschaft des DGB wurden die ersten großen Massendemonstrationen organisiert. Auch viele Sozialdemokraten waren mit von der Partie. Sie kritisierten den wachsweichen Kurs der von der SPD getragenen Bundesregierung, deren Tolerierung eklatanter Verletzung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Griechenland. Wirtschaftliche Beziehungen, Waffenexport und Tourismus waren wichtiger als das Schicksal von in Gefängnissen und Zuchthäusern schmachtenden griechischen Demokraten.

Man fragt sich allerdings, warum die Ausstellung die DDR ausspart. Denn auch dort gab es eine machtvolle Solidaritätsbewegung mit den verfolgten, verschleppten, ermordeten Griechen. So forderte beispielsweise eine eindrucksvolle Kampagne über Jahre: «Freiheit für Mikis Theodorakis!» Der griechische Komponist, dessen Musik von den Militärs sofort verboten wurde – sogar der Besitz seiner Platten, das Singen und Hören seiner Lieder wurden mit Gefängnisstrafe geahndet -, schmachtete im Konzentrationslager Oropos, wo er schwer an Tuberkulose erkrankte. 

Die Ausstellung ist angesichts jüngster bundesdeutscher Überheblichkeit und Erpressungen der Syriza-Regierung hochaktuell. 

Solidarität und Widerstand – Deutsch-griechische Beziehungen während der griechischen Militärdiktatur 1967 – 1974«, bis 9. März, Dienstag bis Freitag 10 – 18 Uhr, Haus der IG Metall, Alte Jakobstraße 149, Kreuzberg

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1079076.die-ddr-erneut-ausgespart.html

Von Peter Nowak

Der „gute Mensch“ von Köln und die Justiz

Seit 30 Jahren gibt es Kritik an Günter Wallraff, doch eine eingeschworene Fangemeinde wehrt alle Angriffe ab

Der Kölner Enthüllungsjournalist und Buchautor Günter Wallraff ist seit Jahrzehnten immer wieder in den Medien und bisher machte er nie den Eindruck, als werde er die Publicity nicht genießen. Doch die Pressemeldungen der letzten Tage werden Wallraff gar nicht gefallen. Die Kölner Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet. Sie wirft ihm unter anderem Steuerbetrug und Urkundenfälschung vor.

Ein ehemaliger Mitarbeiter hatte sich selbst angezeigt und damit die Ermittlungen ausgelöst. Er soll als eine Art Privatsekretär Wallraffs fungiert und auch in seinem Haus gewohnt haben. Nachdem er sich mit seinem Freund und Arbeitgeber überworfen hat, sinnt er auf Rache. Über die Stichhaltigkeit der Beschuldigungen kann zur Zeit kein Urteil abgegeben werden. Dass aber der gekränkte Mitarbeiter Kontakt mit einer Großbäckerei aufgenommen hat, mit der Wallraff wegen seiner Enthüllungen über die Arbeitsbedingungen im politischen und juristischen Clinch liegt, spricht zumindest dafür, dass es längst nicht mehr nur um eine Einzelaktion geht. Wie immer, wenn sehr persönliche Beziehungen in die Brüche gehen, wird hinterher besonders viel schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit ausgebreitet. Dass sind eigentlich Stoffe, mit denen die Regenbogenpresse und auch das Boulevard ihre Seiten füllen.

Wenn „gute Menschen“ einander gram sind

Doch im Fall Wallraff wurde die Meldung über die Ermittlungen schnell zum Politikum. Schließlich gilt der Publizist bei manchen seiner Anhänger als guter Mensch von Köln und jede Ermittlung und jeder kritische Artikel kann dann nur dazu dienen, dieses Denkmal anzukratzen. Die Ermittlungen gegen Wallraff hat nun in der Süddeutschen Zeitung Hans Leyendecker bekannt gemacht, der in bestimmten Kreisen als Doyen des Enthüllungsjournalismus gilt und ebenfalls Denkmalstatus genießt. Er beschränkte sich nicht darauf, die Ermittlungen gegen seinen Kölner Kollegen zu vermelden, sondern konnte sich Anmerkungen zu dessen Biographie und moralischen Anspruch nicht verkneifen.

Doch manche Wallraff-Freunde sahen in den Leyendecker-Artikel eine Art Denkmalsbeschmutzung und holten zum Gegenschlag aus. Unter der Überschrift „Der Niedermacher“ knöpft sich Wallraffs Freund und Kollege Jürgen Roth Leyendecker vor, dem er vorwirft, auf Kosten eines Kollegen „das Image des Moralapostels zu pflegen“. Dabei ist die Causa Wallraff nur der Aufhänger. Mehr als die Hälfte des Artikels handelt von tatsächlichen oder vermeintlichen Verfehlungen in Leyendeckers journalistischer Laufbahn.

Interessant ist aber, dass Roth offen bekundet, dass es ihm egal ist, ob die Vorwürfe gegen Wallraff stimmen oder nicht. Vielmehr wendet er sich gegen „die gnadenlose Vorverurteilung eines Kollegen, der im Gegensatz zu seinen Kritikern eine politische Gradlinigkeit gezeigt hat, die heute leider nur noch bei wenigen Journalisten zu finden ist“. Hier vermischt Roth juristische Fragen und persönliche Sympathien. Der Artikel versucht krampfhaft, das Image des guten Menschen von Köln zu retten, das schon lange vor den jüngsten Ermittlungen angekratzt war.

Ein gutes Beispiel ist der Versuch Wallraffs, in dem Film „Schwarz auf Weiss“ als Somalier in Deutschland rassistische Diskriminierung aufzuspüren und dabei nach Meinung von Kritikern selber rassistische Stereotype zu verbreiten.

„Mann mit einem Doppelgesicht“

Schon 1987 nannten Levent Sinirlioglu und Taner Aday Wallraff, der damals mit dem Bestseller „Ganz unten“ auf Lesereise war, einen „Mann mit einem Doppelgesicht“, der in der Öffentlichkeit das Bild des selbstlosen Philanthropen pflege, während er im Kreis seiner Getreuen als ein auf seinen Erfolg bedachter Kapitalist agiere. Ebenfalls seit 25 Jahren ist bekannt, dass Wallraff neben dem Glaubwürdigkeits- vor allem ein Schreibproblem hat.

1987 enthüllte Konkret-Herausgeber Hermann L. Gremliza, dass er den Wallraff-Bestseller Der Mann, der bei Bild Hans Esser war verfasst hat. Gremliza vergab dem von ihn gestifteten Karl-Kraus-Preis an Wallraff, mit der Auflage, künftig keine Schreibversuche mehr zu unternehmen.

Wallraffs Fanclub sprach von „Schlägen unter die Gürtellinie“ und „der Vernichtung seiner schriftstellerischen Existenz“. Fast mit der gleichen Wortwahl verteidigt Roth den guten Menschen von Köln im Jahr 2012.

http://www.heise.de/tp/blogs/6/152582
Peter Nowak