Merkels Weg zum Bonapartismus

Mehr Bürgerbeteiligung ist eine Forderung, die auch von rechts geäußert wird
Bürgerbeteiligung ist nicht nur eine Forderung, die von Links kommt. Das jedenfalls meint der Soziologe Thomas Wagner. Auch rechte Parteien versuchen damit zu punkten.
»Ihre Ideen und Vorschläge sind mir wichtig. Ich freue mich auf Ihre Ideen.« Dieses Zitat von Kanzlerin Angela Merkel kann man auf der Homepage https://www.dialog-ueber-deutschland.de nachlesen. Drei Fragen sollen im Mittelpunk stehen: Wie wollen wir zusammen leben? Wovon wollen wir leben? Wie wollen wir lernen? Merkel: „Jeder kann seine Ideen vorschlagen oder auf gute Praxisbeispiele hinweisen. Diese Vorschläge können dann wiederum kommentiert und bewertet werden,“ so Merkel.
Für den Publizisten Thomas Wagner ist dieser Bürgerdialog im Internet eine Form das Beispiel eines „demokratisch verkleideten autoritären Regierungsstils“. „Ein zentrales Kennzeichen dieser seit den Tagen von Napoleon III vor mehr als 150 Jahren wird diese Form des direkten Dialogs zwischen Regierenden und der Bevölkerung auch Bonapartismus genannt“, erklärte Wagner am Mittwochabend auf einer Veranstaltung in Berlin. „Deutschlands sanfter Weg in den Bonapartismus“ lautet auch der Titel des Buches, das Wagner2011 im Papyrossa-Verlag veröffentlicht hat. Dort hat er sich kritisch mit verschiedenen Modellen der Bürgerbeteiligung auseinandergesetzt, die sich parteiübergreifend großer Beliebtheit erfreuen. So gratulierten dem Verein „Mehr Demokratie e.V.“, der sich für mehr Volksentscheide einsetzt nicht nur Politiker der Linken und der Grünen, sondern auch führende Vertreter der FDP und der Union zu ihrem 20ten Jubiläum.
Für eine Direktwahl des Bundespräsidenten gibt es Unterstützung plädiert der konservative Parteienkritiker Hans Herbert von Arnim. Er fordert zudem einen deutlichen Machtzuwachs des Staatsoberhauptes. Diese Forderung wird seit Jahren von verschiedenen Rechtsaußenparteien wie der NPD erhoben. „Unserer Ansicht nach sollte der Bundespräsident auch nehr als nur eine repräsentative Form Funktion habe
Pn, um ein Gegengewicht gegen den von zahlreichen Sonderinteressen beherrschten Parteienstaat bilden zu können“, erklärte der parlamentarische Geschäftsführer der sächsische NPD-Fraktion Johannes Müller im Jahr 2007.
Diese Polemik wird von vielen konservativen Parteienkritiker immer wieder erhoben. Einer der bekanntesten Stimmen ist dort der ehemalige Wirtschaftslobbyist Olaf Henkel. Wagner nennt eine solche Form der Parlamentskritik eine „plebiszitär abgesicherte Elitenherrschaft“.. Dabei gehe es vor allem darum, den Einfluss organisierter Intereressenvertretung von Lohnabhängigen oder Erwerbslosen zu minimieren, betont Wagner. Bürgerbeteiligung als Vehikel für eine Verfestigung von Elitenherrschaft, mag auf den ersten Blick paradox klingen. Doch Wagner zeigte an verschiedenen Beispielen auf, wie in rechtskonservativen Kreisen mit dem Verweis auf die schweigende Mehrheit der Bürger soziale Regelungen, Forderungen von Gewerkschaften, aber auch von sozialen Initiativen und Umweltverbänden ausgehebelt werden sollen. Der Parteienstaat, der unterschiedliche Interessen austarieren müsse,, hindert am kraftvollen Durchregieren, lamentieren schon rechtskonservative Parlamentskritiker in der Weimarer Republik.
Ein fragwürdiges Plädoyer für mehr Bürgerbeteiligung kam 2008 vom damaligen Vorsitzenden des CDU-nahen Studierendenverbands RCDS Gottfried Ludewig. Er schlug 2ein doppeltes Wahl- und Stimmrecht für sogenannte Leistungsträger vor. Damit sollte auch der Einfluss der neu ins Parlament eingezogenen Linkspartei begrenzt werden, so Wagner. Bejubelt wurde der Vorschlag von der Rechtsaußenpostille Blaue Narzisse mit den deutlichen Worten. Ludewigs Vorschlag, sei in sich schlüssig, denn er richte sich gegen den „systemimmanenten Fehler der Demokratie, die parasitäre Existenzen bevorzuge“. Gottfried Ludewig hat sich nicht nur theoretisch mit der Einschränkung der Demokratie befasst. Als kurzzeitiger Vorsitzender einer rechten Stupa-Mehrheit im AStA der Technischen Universität Berlin (TU-Berlin) sorgte er für die Zerschlagung einer über lange Jahre aufgebauten linken Infrastruktur. So wurde die AStA-Druckerei verkauft. Nach knapp einem Jahr wurde der rechte AStA wieder abgewählt. Aber Ludewig und Col. Dachte nicht daran, den Posten zu räumen. Schließlich hatte er die Zerstörung der Infrastruktur noch nicht beendet. Mit allen juristischen Tricks versuchte der abgewählte AStA kommissarisch im Amt zu bleiben: http://astawatch.wordpress.com/2008/01/13/asta-der-tu-weiterhin-lahmgelegt/
Thomas Wagner: Direkte Demokratie als Mogelpackung. Deutschlands sanfter Weg in den Bonapartismus, Köln 2011, Papyrossa-Verlag, 142 Seiten, 11,90 Euro, ISBN: 978-3-89438-470-8

https://www.neues-deutschland.de/artikel/217557.
merkels-weg-zum-bonapartismus.html
Peter Nowak

Ein Hauch Bonapartismus in Berlin?

Merkels Zukunftsdialoge über Deutschland stoßen nicht nur auf Zustimmung

„Ihre Ideen und Vorschläge sind mir wichtig. Ich freue mich auf Ihre Ideen.“ Dieses Zitat von Bundeskanzlerin Merkel kann man auf der Website Dialog über Deutschland lesen, die am 1. Februar online geschaltet wurde. Drei Fragen sollen im Mittelpunk stehen: Wie wollen wir zusammen leben? Wovon wollen wir leben? Wie wollen wir lernen? Merkel: „Jeder kann seine Ideen vorschlagen oder auf gute Praxisbeispiele hinweisen. Diese Vorschläge können dann wiederum kommentiert und bewertet werden“, so Merkel.

SPD und Grüne sorgten sich nach dem Start des Online-Bürgerdialogs, ob auch die Trennung zwischen Regierung und Partei gewahrt bleibt. Es dürfe nicht sein, dass sich Merkel durch den Zukunftsdialog „mit viel Steuergeld, großem Stab und vielen Mitarbeitern“ auf den Wahlkampf 2013 vorbereite, mäkelt der SPD-Politiker Oppermann. Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck ist gespannt, ob es dabei um „echte und nicht nur PR-orientierte, simulierte Bürgerbeteiligung geht“. Diese Äußerungen lassen auch den Neid derer erkennen, die gerne selber an Merkels Stelle die Fragen stellen würden.

Bürgerbeteiligung als Absicherung von Elitenherrschaft

Grundsätzlichere Einwände gegen Merkels Online-Dialog hat der Kultursoziologe und Publizist Thomas Wagner. Er sieht darin das Kennzeichen eines „demokratisch verkleideten autoritären Regierungsstils“. Dieser direkte Dialog zwischen Regierenden und der Bevölkerung werde „seit den Tagen von Napoleon III vor mehr als 150 Jahren auch Bonapartismus genannt „, erklärte Wagner am Mittwochabend auf einer Veranstaltung in Berlin, wo er sein im Papyrossa Verlag herausgegebene Buch Deutschlands sanfter Weg in den Bonapartismus vorstellte.

Dort befasst er sich kritisch mit verschiedenen Herrschaftsmethoden, die sich als Bürgerbeteiligung ausgeben, aber in Wagners Augen Formen einer „plebiszitär abgesicherten Elitenherrschaft“ sind. Dabei nimmt die direkte Ansprache an die Bürger ohne Vermittlung durch Parlamente oder Gewerkschaften ebenso eine zentrale Rolle ein wie die Forderungen nach Volksbefragungen. Solche Modelle erfreuen sich nicht nur in allen politischen Parteien, sondern auch in der außerparlamentarischen Bewegung einer großen Beliebtheit.

Übernimmt Merkel Rolle des Bundespräsidenten mit

So wurde die Forderung nach einer Direktwahl des Bundespräsidenten von Politikern der Linkspartei genau so erhoben wie von dem konservativen Parteienkritiker Hans Herbert von Arnim. Der plädiert zudem für einen deutlichen Machtzuwachs des Staatsoberhauptes und findet Unterstützung bei verschiedenen Rechtsaußenparteien wie der NPD. „Unserer Ansicht nach sollte der Bundespräsident mehr als nur eine repräsentative Funktion haben, um ein Gegengewicht gegen den von zahlreichen Sonderinteressen beherrschten Parteienstaat bilden zu können“, zitiert Wagner den parlamentarischen Geschäftsführer der sächsische NPD-Fraktion Johannes Müller. Der Parteienstaat, der unterschiedliche Interessen austarieren müsse, hindere am kraftvollen Durchregieren, lamentierten schon rechtskonservative Parlamentskritiker in der Weimarer Republik. Wagner sieht in dieser Polemik in erster Linie einen Versuch, den Einfluss organisierter Interessenvertretung von Lohnabhängigen oder Erwerbslosen auf die Politik zu minimieren.

In einer Zeit, in der der ins Gerede gekommene Bundespräsident als Prototyp eines starken Politikers ausfällt, scheint Merkel diese Rolle mit zu übernehmen. Ihre Beliebtheitswerte steigen und mit dem Bürgerdialog inszeniert sie sich als Politikerin, die über das Parlament hinweg direkt mit dem Bürger kommuniziert. „Das kann der Beginn von etwas ganz Großem werden“, lautete ein Eintrag auf Kommentarspalte der Zukunftsdialoge. Scheinbar sehnen sich manche nach etwas Bonapartismus in Berlin.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151356
Peter Nowak