Linke Gruppen haben sich Regeln zum Outing von V-Leuten gegeben. Das soll falschen Verdächtigungen vorbeugen
Anschuldigungen müssen bewiesen werden. Was vor Gericht selbstverständlich ist, gilt in der linken Szene nicht unbedingt, wenn es um Spitzel geht. Ein Kodex soll das ändern.
Sehr bürokratisch hört sich der Titel eines Textes an, der von mehreren linken Gruppen in Berlin unterschrieben und kürzlich veröffentlicht wurde: »Richtlinien zum Outing von Spitzeln in linken Zusammenhängen.« Gleich am Anfang wird darin festgestellt: »Vermutungen über angebliche Spitzel dürfen auf keinen Fall leichtfertig in die Welt gesetzt und verbreitet werden. Denn solche Gerüchte erzeugen Unruhe, Misstrauen und politische Spaltungen.« Eine Gruppe, die Spitzelvorwürfe erhebe, müsse sich Nachfragen stellen und Kontaktmöglichkeiten anbieten. Zudem müsse ein Spitzelouting eindeutige Beweise enthalten. Berichte vom Hörensagen hätten dort nichts zu suchen.
Die ungewöhnliche Regelungsoffensive hat ein Vorspiel. Vor einem Jahr hatte eine autonome Gruppe auf der linken Internetplattform Indymedia eine Person aus der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB) verdächtigt, die Szene für den Verfassungsschutz auszuspionieren. Angeblich habe die Betroffene die Vorwürfe zugeben, hieß es in dem Text. Zudem seien einige Mitglieder der ALB über die Vorwürfe informiert worden. Die ALB bestreitet das jedoch. Man sei weder kontaktiert noch anderweitig informiert worden. »Insofern wurden uns bislang auch keine Beweise, die diesen Vorwurf untermauern, vorgelegt«, erklärte die Berliner Antifagruppe im März 2012. Einige Wochen und zeitaufwendige Recherchen später ist die ALB überzeugt, dass die Spitzelvorwürfe falsch waren. »Niemand hat Beweise vorgelegt und wir haben durch eigene Recherche keine gefunden«, lautet ihr Fazit. Für sie ist die Sache damit vom Tisch.
Aus Sicht des Berliner Ermittlungsausschusses (EA) sind sie hingegen ungeklärt. Die linke Rechtshilfestruktur kritisiert die anonyme Anklage ebenfalls: »Ein Spitzelouting auf einer Plattform wie Indymedia, ohne ansprechbar zu sein, ist vollkommen inakzeptabel. Um ein Spitzelouting unangreifbar zu machen, hätten zudem veröffentlichbare Beweise gesichert werden müssen.« Der EA appelliert an beide Seiten, weitere Kampagnen gegen die denunzierte Person ebenso zu unterlassen wie Nachforschungen über die ominöse autonome Gruppe, die die Anschuldigung in die Welt setzte. Für den EA handelt es sich dabei entweder um einen Kreis von gut über die linke Szene informierten V-Leuten oder um eine Diffamierungskampagne von Menschen, die gut in die linke Szene integriert sind. Der EA schließt jedoch auch nicht aus, dass die autonome Gruppe als linke Struktur tatsächlich existiert.
Als gelungenes Beispiel für die Enttarnung eines V-Mannes gilt vielen hingegen der Fall von Simon B. Zwei bekannte linke Gruppen in Heidelberg hatten den Kontakt Ende 2010 öffentlich gemacht. Sie legten Beweise vor und verfassten Pressemitteilungen. Ein solches Vorgehen soll durch die Richtlinien gefördert werden, hoffen die unterzeichnenden Gruppen.
Der Streit über den Umgang mit Spitzelvorwürfen in linken Zusammenhängen ist nicht neu. Der Historiker Markus Mohr hat vor einigen Jahren eine kleine Sozialgeschichte des Spitzels herausgegeben. Darin beschreibt er auch, wie Spitzelvorwürfe in der linken Geschichte immer wieder genutzt wurden, um politische Kontrahenten zu diskreditieren.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/819698.recherchieren-statt-diffamieren.html
Am heutigen Montag beginnt vor dem Potsdamer Amtsgericht der Prozess gegen einen AKW-Gegner. Ihm wird vorgeworfen, 2010 in der Nähe von Kassel zwei Personen unterstützt zu haben, die mit Seilen an einer ICE-Strecke gegen den damaligen Castortransport protestiert haben. Der zweite Vorwurf ist bereits fünf Jahre alt. Beim Castortransport 2008 soll der Angeklagte in der Pfalz Aktivisten unterstützt haben, die sich in einem Betonblock anketteten und damit den Atomzug 12 Stunden aufhielten. Der Vorgang ist in mehrerlei Hinsicht bizarr. Zum einen ist es der Gerichtsort, der weder mit dem vermeintlichen Tatort noch dem Wohnort des angeblichen Täters zu tun hat. Denn seit einer internen Reform der Bundespolizei werden sämtliche Verfahren zu Ordnungswidrigkeiten im Bereich der Bahnanlagen nur noch vor dem Potsdamer Amtsgericht verhandelt. Zum anderen moniert der Beschuldigte, er habe sich beide Male lediglich in der Nähe einer Aktion zivilen Ungehorsams befunden.
Fracking
Die merkwürdige Regelung über den Gerichtsort bringt nicht nur lange Anfahrtswege für Beklagte – im aktuellen Fall 500 Kilometer, mit sich. Juristen sehen auch eine Beeinträchtigung der Rechte der Angeklagten, wenn der Gerichtsort für sämtliche Verfahren Potsdam ist. Nun regt sich Widerstand: Bereits im Februar organisieren zahlreiche außerparlamentarische Gruppen in der brandenburgischen Landeshauptstadt Aktionstage gegen Repression und enterten in diesem Rahmen auch das Brandenburger Tor in Potsdam.
Immerhin konnte in der vergangenen Woche die Robin-Wood-Aktivistin Cecile Lecomte, die wegen ihrer Kletteraktionen Eichhörnchen genannt wird, vor Gericht einen Erfolg erzielen. Sie war am 17. Mai 2011 bei einer Protestaktion gegen die Tagung des Deutschen Atomforums in Berlin von der Polizei festgenommen worden. Jetzt hat ihr die Polizei schriftlich bestätigt, dass ihre Festnahme ebenso rechtswidrig war wie der anschließende Platzverweis. Ob das Verfahren heute in Potsdam ebenso ausgeht, wird sich zeigen.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/816061.castorgegner-vor-gericht.html
Peter Nowak
Am 16. März wird im Stadtteilzentrum »Centro Sociale« die Ausstellung »Kultur und Widerstand von 1967 bis heute« eröffnet. Bis zum 24. März wird es dort Filme, Lesungen, Diskussionsveranstaltungen zu Repression gegen Fußballfans, der Kriminalisierung kurdischen Widerstands oder auch zum massiven Polizeiaufgebot gegen AKW-Gegner in der BRD vor 30 Jahren geben. Eine Veranstaltung wird sich der Geschichte des 1981 im Hungerstreik gestorbenen Gefangenen Sigurd Debus widmen. »Die Ausstellung will einen Beitrag zur Popularisierung einer politisch engagierten Kultur leisten«, sagt Wolfgang Lettow von der Zeitschrift »Gefangeneninfo«. Sie soll in den nächsten Monaten in Berlin, Stuttgart und Magdeburg gezeigt werden. political-prisoners.net
Im März 1919 wurde in Berlin ein Generalstreik von Militär und Freikorps blutig niedergeschlagen. Der Historiker Dietmar Lange liefert einen tiefen Einblick in ein weitgehend unbekanntes Kapitel der deutschen Geschichte.
Unter dem Motto »Zerstörte Vielfalt« erinnern staatliche Stellen 2013 an mehrere Jahrestage des NS-Terrors, von der Machtübernahme bis zur Reichspogromnacht. Mit dem Titel wird suggeriert, dass es in Deutschland bis 1933 eine weitgehend heile Welt gegeben habe, die von den Nazis zerstört wurde. Der Publizist Sebastian Haffner, der während der NS-Zeit im Exil lebte, eröffnete in seinem 1969 erschienenen Buch »Die verratene Revolution 1918/19« eine ganz andere Perspektive auf die Geschichte vor 1933. Dort bezeichnet er die von rechten Freikorps mit Unterstützung der SPD-Führung verübten Morde an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht als »Auftakt zu den tausendfachen Morden in den folgenden Monaten der Noske-Zeit und den millionenfachen Morden in den folgenden Jahrzehnten der Hitlerzeit«.
Der Berliner Historiker Dietmar Lange widmet sich in seinem bei Edition Assemblage veröffentlichten Buch »Massenstreik und Schießbefehl« einem weniger bekannten Kapitel der deutschen Zwischenkriegsgeschichte und setzt sich intensiv mit dem Generalstreik und den Kämpfen in Berlin im März 1919 auseinander. Der Streik war einerseits ein letzter Versuch, die Ziele der Revolution wie die »Sozialisierung der Schlüsselindustrien« und die Etablierung von Räten durchzusetzen. Andererseits ging es aber auch schlicht um die Verbesserung der miserablen Lebensbedingungen der Arbeiterschaft. Lange führt in diesem Zusammenhang Aussagen von Sozial- und Gesundheitsexperten an, denen zufolge mehr als die Hälfte der Todesfälle in den Berliner Krankenhäusern in den ersten Wochen des Jahres 1919 auf Unterernährung zurückzuführen sind.
Das Bürgertum wappnete sich auf seine Weise für die Konfrontation. Am 10. Januar 1919 trafen sich »40 bis 50 Vertreter von Banken, Industrie und Gewerbe (…), wo nach einem Vortrag des führenden antikommunistischen Agitators und Vorsitzenden der antibolschewistischen Liga, Edward Stadler, ein Fonds zur Niederschlagung der Revolution mit mehreren Millionen Mark ausgestattet wurde«, zitiert Lange ein historisches Dokument. Dieses Geld wurde vor allem zum weiteren Aufbau der Freikorpsverbände und Bürgerwehren genutzt, die an der blutigen Niederschlagung der Aufstände im März 1919 beteiligt waren.
Lange geht detailliert auf die Straßengewalt ein, die sich parallel zum Generalstreik in einigen Berliner Stadtteilen entwickelte und von der sich sämtliche politische Gruppen – auch die junge KPD – distanzierten. Der Historiker verweist auf verbreitete Thesen, dass diese Aktionen von der Konterrevolution bezahlt wurden, um die Streikbewegung zu diskreditieren und schließlich zu zerschlagen. Er beschreibt aber auch die soziale und politische Anspannung auf den Straßen Berlins, die durch die schlechte wirtschaftliche Situation verschärft wurde. Tatsächlich traten mit Verweis auf die Unruhen Sondergesetze in Kraft, die den Arbeitskampf von Anfang an erheblich behinderten. Selbst die Herausgabe einer Streikzeitung wurde verboten.
Auch nachdem der Ausstand in Berlin nach sechs Tagen abgebrochen wurde, wütete der Terror der Freikorps und Bürgerwehren noch wochenlang weiter. Zu den Opfern gehörte neben vielen anderen Leo Jogiches, ein langjähriger Weggefährte Rosa Luxemburgs und Mitbegründer des Spartakusbundes. Nach der Ermordung Luxemburgs und Liebknechts war Jogiches Parteivorsitzender der KPD geworden, doch hatte er diesen Posten ebenfalls nur kurze Zeit inne. Im März 1919 wurde er aus seiner Neuköllner Wohnung verschleppt und kurz darauf, am 10. März, im Untersuchungsgefängnis Moabit durch einen Kopfschuss getötet. Vor allem seine Recherchen zur Ermordung Luxemburgs und Liebknechts waren Militär und Freikorps ein Dorn im Auge gewesen. In den Akten heißt es, er sei auf der Flucht erschossen worden.
Jogiches war nicht der einzige Oppositionelle, der ermordet oder Repressalien ausgesetzt wurde. Die Freikorps durchkämmten die Berliner Arbeiterviertel mit Listen, auf denen Personen verzeichnet waren, die sich gegen den Krieg ausgesprochen hatten oder die in den Tagen der Novemberrevolution in Räten aktiv geworden waren. Auch missliebige Intellektuelle und dadaistische Künstler gehörten zu den Opfern des »Weißen Terrors«. Einer von ihnen war der Schriftsteller Wieland Herzfelde, der Bruder des Künstlers John Heartfield, der wegen der Herausgabe einer satirischen Zeitschrift inhaftiert wurde. »Diese Lynchungen«, zitiert Lange den Publizisten, beruhten »nicht auf Erregung, sondern auf System und Instruktion.«
In den Arbeitervierteln Berlins wurden Standgerichte eingesetzt, um unliebsame Oppositionelle ad hoc verurteilen zu können. Lange referiert in seinem Buch auf die damaligen Akten und führt erschreckende Beispiele an. So wurde etwa der Zigarettenhändler Johannes Müller denunziert und vor ein Standgericht gestellt, weil er als revolutionär geltende Bücher besaß. In der Andreasstraße in Friedrichshain wurden ein Vater und sein 19jähriger Sohn erschossen, weil sie zwei Handgranatenstiele von ihrer Arbeitsstelle mitgebracht hatten.
Der Schießbefehlerlass wurde erst am 16. März aufgehoben. Nach einem offiziellen Bericht des Reichswehrministers Gustav Noske (SPD) sind in Berlin insgesamt 1 200 Menschen ums Leben gekommen. Der überwiegende Teil von ihnen ist jedoch nicht bei den Kämpfen gestorben, sondern von Standgerichten erschossen worden. Lange schätzt die Zahlen Noskes allerdings als zu niedrig ein, da ein Teil der Opfer in Massengräbern verscharrt oder in die Spree geworfen wurde. Noch im Sommer 1919 wurden Berichten zufolge vereinzelt aufgedunsene Leichen ans Ufer geschwemmt.
Als sich die Nationalversammlung am 27. März 1919 mit dem Geschehen befasste, erklärte Noske unter dem Beifall sämtlicher Parteien von der SPD bis hin zur äußersten Rechten: »Da gelten Paragraphen nichts, da gilt lediglich der Erfolg, und der war auf meiner Seite.« Schon der Historiker Sebastian Haffner hat 1969 in seinem Buch einen Zusammenhang zwischen dem Terror der Freikorps gegen die Novemberrevolution und den Massenmorden des NS-Regimes hergestellt. Langes Erkenntnisse stützen diese Einschätzung anhand zahlreicher Beispiele und untermauern auch die Worte, die der Rechtshistoriker Otmar Jung in einer Ausgabe der Militärhistorischen Mitteilungen von 1989 für die Geschehnisse des März 1919 fand: »Noskes Erschießungsbefehl reiht sich so als unwürdiges Glied in eine Kette (prä)faschistischer deutscher Gewaltpolitik ein, welche die Welt nicht zu Unrecht ›hunnisch‹ nannte.«
Lange widerlegt mit seinem Buch die These von der 1933 durch die Nazis zerstörten Vielfalt und zeigt am Beispiel des März 1919 auf, was sich bei der Niederschlagung der Bayerischen Räterepublik im April 1919, des Ruhraufstands 1920 und auch des Hamburger Aufstands 1923 in ähnlicher Form wiederholte. Für den 14. März dieses Jahres planen linke Gruppen eine Veranstaltung mit dem Autoren des Buchs, bei der auch die Frage diskutiert werden soll, weshalb es bis heute keinen einzigen Gedenkort für die Opfer dieses Terrors gibt.
http://jungle-world.com/artikel/2013/07/47138.html
Peter Nowak
Kritiker fürchten, dass mit der Videoüberwachung von Demonstrationen die Versammlungsfreiheit in Gefahr gerät
Da in Berlin fast täglich Demonstrationen stattfinden, kann es auf den ersten Blick erstaunen, dass sich ausgerechnet dort kürzlich ein „Berliner Bündnis für Versammlungsfreiheit“ gegründet hat.
Neben Einzelpersonen arbeiten dort Vertreter der drei Oppositionsparteien Linke, Piraten und Grüne im Abgeordnetenhaus, die Dienstleistungsgewerkschaft verdi und zahlreiche zivilgesellschaftliche Gruppen vor allem aus dem Datenschutzbereich mit. Den Initiatoren geht es um Datenschutz auch auf Demonstrationen.
Der Protest des Bündnisses richtet sich gegen eine Gesetzesvorlage der in Berlin regierenden Koalition aus SPD und CDU, die den Titel trägt: „Gesetz zu Übersichtaufnahmen zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes bei Demonstrationen und Aufzügen. Hintergrund dieser Gesetzesvorlage, über die demnächst entschieden werden soll, ist ein Urteil des Berliner Verwaltungsgerichtes von 2010. Danach erfolgt die Verwendung von Videoaufnahmen der Polizei ohne Rechtsgrundlage und ist daher rechtswidrig. Mit der Gesetzesvorlage wollen nun die Regierungsparteien eine solche Rechtsgrundlage schaffen und die Praxis der Videoaufnahmen legalisieren. Der Verzicht auf diese Maßnahme sei „wegen der Bedeutung des Instrumentariums für eine erfolgreiche Einsatzbewältigung nicht hinnehmbar“, heißt es zur Begründung.
Werden Demonstranten abgeschreckt?
Die Kritiker monieren hingegen, dass es dem Senat bei dem Gesetz weniger um Übersichtsaufnahmen als um die konkrete Bespitzelung von Versammlungsteilnehmern geht. Schließlich werde in der Gesetzesvorlage von einem Kamera-Wagen gesprochen, aus dem keine Übersichtsaufnahmen angefertigt können. Die Berliner Polizei habe solche Aufnahmen bereits in der Vergangenheit ohne gesetzliche Grundlage angefertigt.
Das Bündnis verweist auf den Abschreckungswirkung für potentielle Versammlungsteilnehmer durch die Videoüberwachung und beruft sich dabei auf das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts:
„Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. Wer damit rechnet, dass etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative behördlich registriert wird und dass ihm dadurch Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte (Art. 8, 9 GG) verzichten.“
Daher sieht das Bündnis die Versammlungsfreiheit in Gefahr, sollten die Pläne der Berliner Regierungskoalition in Kraft treten. Die will eine schnelle Entscheidung herbeiführen, sodass bereits in wenigen Monaten in Berlin Versammlungen wieder mit einer Rechtsgrundlage von der Polizei gefilmt werden könnten. Ob die aber Bestand hat, dürfte wieder eine Frage der Justiz sein. Das Bündnis hat schon weitere Klagen angekündigt, sollte die Landesregierung nicht doch noch der erstarken Protestbewegung nachgeben und ihre Pläne auf Eis legen.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/153757
Peter Nowak
Eine Klage von Veolia gegen den Verleih von „Water makes Money“ könnte für den Konzern selbst zum Bumerang zu werden
Am kommenden Dienstag wird auf Arte mit Water makes Money ein Film ausgestrahlt, der besonders viel Aufmerksamkeit erfahren dürfte . Schließlich ist es ungewiss, ob der Film noch nach lange in dieser Version gezeigt werden kann.
Am 14. Februar beginnt im Pariser Justizpalast der Prozess des französischen Konzerns Veolia gegen den Verleih La Mare aux Canards, der den Film vertreibt. Der Konzern gibt an, in dem Film mit Korruption in Verbindung gebracht zu werden und dadurch beleidigt worden zu sein.
Der Film läuft am kommenden Dienstag im Rahmen eines Themenabends, der sich mit dem Lobbyismus großer Konzerne befasst. Die Titel der anderen Beiträge lauten: „Die Macht der Lobbyisten“ und im „Vorzimmer der Macht“. Tatsächlich zeigt der Film sehr prägnant, wie im Zuge der neoliberalen Regulationsphase mächtige Konzerne verstanden haben, mit dem lebenswichtigen Wasser große Profite zu machen (Trinkwasser als Geschäftsmodell).
„Seit ‚New Labour‘, Blair und Schröder – seit viele die Folgen der Privatisierungen am eigenen Leib verspüren, ist es aber unschicklich geworden, von Privatisierung zu sprechen. Seither klopfen Heere von Beraterfirmen bei finanziell klammen Kommunen an und versprechen neue Geschäftsmodelle: PublicPrivatePartnership, Crossborder leasing, Franchising und vieles dergleichen mehr“, heißt es im Filmmaterial.
Diese Zauberworte des Wirtschaftsliberalismus, die ein Peer Steinbrück genau so selbstverständlich verwendet wie ein Friedrich Merz oder ein Philipp Rösler werden in dem Film kenntlich als Geldmaschine für wenige Konzerne und Enteignung von Millionen Kunden in vielen Ländern. Die Filmemacher dokumentieren, wie französische Kommunen, seien sie von den Kommunisten oder den Konservativen regiert, der Marketingstrategie von Veolia und Co. folgen. Der Film geht ins Detail und dokumentiert, wie Wirtschaftsliberalismus im Kleinen groß funktioniert (Tröpfchen für Tröpfchen Qualität).
Inhaltliche Fehler werden dem Film nicht vorgeworfen:
„Nicht die im Film gezeigten Fakten werden bestritten, nur ‚Korruption‘ hätte man sie nicht nennen dürfen“, erklären Leslie Franke, Herdolor Lorenz und Lissi Dobbler, die den konzernkritischen Film gemeinsam produziert haben. In einer Erklärung gibt sich ein Veolia-Sprecher konziliant und beteuert, den Film nicht verbieten zu wollen und sich der Diskussion stellen zu wollen.
Die Konzernkritiker fragen, wie diese Erklärung dazu passt, dass nun eine Verleihfirma vor Gericht gezogen wird. Zudem scheiterte der französische Konzern mit einer Klage gegen die Filmregisseure Leslie Franke und Herdolor Lorenz, weil die deutschen Behörden sich verweigert und die deutsche Veolia-Tochter sich der Klage nicht anschließen wollte.
http://www.heise.de/tp/blogs/6/153706
Peter Nowak
Die Durchsuchung der Wohnungen mehrerer Fotografen sorgt für scharfe Kritik und wird noch die Gerichte beschäftigen
Die deutsche Journalistenunion bei der Dienstleistungsgewerkschaft verdi) wirft dem Landeskriminalämtern und der Polizei einen Verstoß gegen die Pressefreiheit vor. Anlass war eine Hausdurchsuchung bei acht Pressefotografen am Morgen des 6. Februars, die für die Frankfurter Rundschau, die Deutsche Presse Agentur, den Tagesspiegel und andere Medien arbeiten.
Laut Durchsuchungsbeschluss war Ziel der Aktion, an Fotomaterial von einer Demonstration am 31.3.2012 in Frankfurt am Main zu kommen, die im Rahmen des internationalen antikapitalistischen Aktionstages gegen die autoritären Krisenlösungsmodelle organisiert worden war. Sie war der Beginn der europaweit koordinierten Krisenproteste des letzten Jahres.
Ein massives Polizeiaufgebot verhinderte damals, dass die Demonstration das angemeldete Ziel, die im Bau befindlichen Europäischen Zentralbank im Osten der Mainmetropole, erreichen konnte. Ein Teil der Demonstranten wurde über mehrere Stunden eingekesselt, nachdem es einzelne Attacken gegen Gebäude an der Demoroute gegeben hatte. Obwohl sich die Organisatoren um Deeskalation bemühten und die Demonstration vorzeitig auflösten, wurde im Anschluss in vielen Medien das Bild einer gewaltbereiten Masse gezeichnet. Im Zuge der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Frankfurt sollte bei den Durchsuchungen Fotomaterial sichergestellt werden, das einen Angriff auf einen Polizisten am Rande der Demonstration zeigen sollte.
Fotografen unter Druck gesetzt
Wie die Durchsuchungsaktion ablief, schilderte der u.a. für die Frankfurter Rundschau arbeitende Fotograf Björn Kietzmann gegenüber Telepolis: „Ich wurde vor die Alternative gestellt, dass mein gesamtes Arbeitsgerät einschließlich Kamera, Computer und Speichermedien beschlagnahmt wird oder ich die Polizisten die Fotos von der Demonstration sichten lasse.“ Kietzmann, der von der fraglichen Aktion keine Fotos hatte, ließ sich unter dem Druck darauf ein, dass einige Polizisten die Fotos des Tages in Augenschein nahmen. Bei ihm wurden 16 Fotos von der Demonstration beschlagnahmt, die alle nicht die gesuchte Szene zeigten. Bei anderen Fotografen wurde bis zu 1000 Fotos beschlagnahmt.
Beim dpa-Fotograf Thomas Rasslow, der sich während der Durchsuchung in Syrien aufhielt, wurde in seiner Abwesenheit die Wohnung aufgebrochen, zahlreiche Arbeitsgeräte wurden beschlagnahmt. Er hat den Durchsuchungsbeschluss auf Facebook gestellt. „Ich wollte damit das Ausmaß der Beschlagnahme deutlich machen, die bei einem Fotografen getätigt wurden, der im Dursuchungsbeschluss als Zeuge bezeichnet wurde“, erklärte der Fotograf gegenüber Telepolis.
Wie Journalisten zu Linksaktivisten werden
Nachdem sowohl zahlreiche Journalisten- als auch Zeitungsredaktionen gegen die Maßnahme protestierten und bestätigten, dass es sich bei den Betroffenen um Pressefotografen handelt, erklärte die Frankfurter Staatanwaltschaft, dass sei ihrer Behörde nicht bekannt gewesen. Für Kietzmann ist diese Argumentation nicht nachvollziehbar. Er habe noch im letzten Jahr von der Berliner Pressestelle der Polizei eine Weihnachtskarte erhalten, die an der Behörde bekannte Journalisten versandt worden ist. Trotzdem sei im Durchsuchungsbeschluss weder erwähnt worden, dass es sich bei den Betroffenen um Journalisten handelt, noch dass ihre Arbeitsräume durchsucht wurden. „Wir wurden wie linke Aktivisten behandelt“, so Kietzmann. Dafür spricht auch das große Polizeiaufgebot. Vor seiner Wohnungstür standen ca. 50 Polizisten. Bei anderen Fotografen waren bis zu 100 Polizisten in Einsatz.
Die Aberkennung des Journalistenstatus hat gravierende rechtliche Folgen. Denn nach der als Cicero-Urteil bekannt gewordenen höchstrichterlichen Entscheidung von 2007 dürfen Pressevertreter nicht zu Hilfspolizisten gemacht werden. „Durchsuchungen und Beschlagnahmen in einem Ermittlungsverfahren gegen Presseangehörige sind verfassungsrechtlich unzulässig, wenn sie ausschließlich oder vorwiegend dem Zweck dienen, die Person des Informanten zu ermitteln“, heißt es dort.
Die von der Durchsuchung Betroffenen wollen juristische Schritte einleiten, um durchzusetzen, dass dieser besondere Schutz auch für freie Journalisten und Fotografen sowie deren Arbeitsräume anerkannt wird. Allerdings solle nicht vergessen werden, dass auch diese Maßnahme sich einreiht in eine autoritäre Krisenpolitik im europäischen Rahmen, von der Gewerkschafter und soziale Aktivisten in vielen Ländern ebenso betroffen sind wie die Medienvertreter.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/153692
Peter Nowak
BESCHERUNG Für Inhaftierte können kleine Gesten viel bedeuten, beispielsweise ein Weihnachtspaket von Unbekannten. Doch in fünf Bundesländern sind sie nun verboten: Die Kontrolle sei zu aufwendig
BERLIN taz „Leider habe ich keine Angehörigen, die mich unterstützen könnten. Daher würde ich mich über eine Spende sehr freuen.“ Diese Bitte richtete ein Insasse der Justizvollzugsanstalt Lingen an den Verein Freiabos e. V (www.freiabos.de). Der Verein vermittelt seit fast 30 Jahren Zeitungsabos und auch Paketwünsche von Häftlingen. Doch obwohl die Nachfrage nach den Paketen in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen ist, dürfen Gefangene in Niedersachsen, Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Sachsen keine Pakete mehr bekommen.
Diese Bundesländer haben Gesetze verabschiedet, die das Versenden von Paketen in die Gefängnisse untersagen. Begründet wurde das Verbot mit dem großen Verwaltungsaufwand. Schließlich müssten alle Sendungen auf gefährliche und auf im Gefängnis verbotene Gegenstände untersucht werden. Geldgeschenke für Häftlinge sind dagegen weiterhin erlaubt. Der Verein Freiabos wirbt für diesen Paketersatz und vermittelt SpenderInnen.
Doch Vereinsmitarbeiterin Annette Baginska äußerte Unverständnis dafür, dass aus verwaltungstechnischen Gründen die Rechte von Inhaftierten eingeschränkt werden. „Wenn man sich ein Gefängnis mal von innen angesehen hat, dann merkt man einfach, wie kleine Dinge plötzlich eine große Bedeutung bekommen und wie das Leben eines Gefangenen von sehr vielen Regeln, aber auch sehr viel Verzicht bestimmt wird“, meint Baginska.
Mit dem Paketverbot werde den Gefangenen die Möglichkeit genommen, sich über ein überraschendes Präsent zu freuen. Dabei gehe es nicht in erster Linie um Geschenke von großen materiellem Wert. Auch ein selbstgemaltes Bild, eine Bastelei oder ein Foto werde den Häftlingen vorenthalten.
Welche Bedeutung solche Gesten für sie haben können, drückt sich in den zahlreichen Dankesbriefen aus, die der Verein in Auszügen auf seiner Homepage veröffentlicht hat. „Vielen Dank, dass Sie es ermöglicht haben, dass ich hier im Gefängnis ein bisschen Weihnachten feiern konnte. Meine eigene Familie hat mich abgeschrieben“, schrieb ein Häftling nach dem Paketempfang. Und die Nachfrage ist weiterhin sehr groß. Zurzeit warten noch knapp 80 Häftlinge auf Pakete.
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=in&dig=2012%2F12%2F22%2Fa0136&cHash=069a96cfec3e839986f3cb640b2d9550
Eine massive Einschränkung für Gefängnisinsassen sorgte für keine kritische Diskussion in der Öffentlichkeit und zeigt, wie schwer es für Gefangene ist, Rechte durchzusetzen
„Sehr geehrte Spenderin! Vielen Dank, dass Sie es ermöglicht haben, dass ich hier im Gefängnis ein bisschen Weihnachten feiern konnte. Meine eigene Familie hat mich abgeschrieben.“ Diese Zeilen schrieb ein wegen Diebstahlsdelikten zu einer Haftstrafe verurteilter Mann an dem ihm unbekannten Spender eines Weihnachtspakets.
Den Kontakt hat die 1981 gegründete gemeinnützige Organisation Freiabonnements für Gefangene e.V. angebahnt. Auf der Homepage befindet sich auch ein Formular, auf dem sich Spender eintragen können. Man kann direkt ein Paket an den Gefangenen schicken oder einen Geldbetrag von 45 Euro überweisen. Mit dem Betrag werden dann von Vereinsmitarbeitern die Wünsche der Gefangenen erfüllt. Zurzeit warten noch knapp 80 Gefangene auf ein Weihnachtspaket. Seit Gründung des Vereins waren die Paketwünsche größer als die Spenden. Doch in den letzten Jahren haben die Paketwünsche „nicht dramatisch, aber stetig zugenommen“, erklärt die Vereinsgeschäftsführerin Sybill Knobloch gegenüber Telepolis.
Armut hinter Gittern
Ein Grund dafür ist auch die Zunahme von Armut im Gefängnis, weist ihre Kollegin Annette Baginska auf eine wenig bekannte Tatsache hin. Mit den 30 Euro Taschengeld, die ihnen monatlich zustehen, können sie sich kaum individuelle Wünsche erfüllen. Oft reicht der Betrag nicht einmal für die Begleichung der Telefonkosten mit Freunden und Verwandten. „Auf jeden Fall zeigt sich bei der Paketvermittlung der soziale und finanzielle Notstand der Gefangenen, sonst müssten sie sich nicht an uns wenden“, betont Knobloch.
Die soziale Notlage wird von den Häftlingen auch offen angesprochen. So schreibt ein Gefangener aus der JVA Lingen: „Leider habe ich keine Angehörigen, die mich unterstützen könnten. Daher würde ich mich über eine Spende sehr freuen.“ Er darf keine Pakete, sondern nur noch Geldspenden entgegennehmen. Niedersachsen gehört wie Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Sachsen zu den Bundesländern, die in den letzten drei Jahren im Zuge der Föderalismusreform Ländergesetze verabschiedet haben, nach denen keine Paketen mehr in die Gefängnisse geschickt werden können. Begründet wurde diese Maßnahme mit dem großen Verwaltungsaufwand, der damit für die Gefängnisse verbunden sei. Schließlich müssten alle Postsendungen auf verbotene Gegenstände untersucht werden.
Geldspenden sind den Gefangenen gestattet. Daher wirbt auch der Verein Freiabos e.V. für diese Paketersatzspenden. Natürlich wird es auch Gefangene geben, die lieber Bargeld statt Pakete bevorzugen. Doch Anette Baginska kritisiert das Paketverbot trotzdem scharf als Einschränkung der Rechte der Gefangenen:
„Wenn man sich ein Gefängnis mal von innen angesehen hat, dann merkt man einfach, wie kleine Dinge plötzlich eine große Bedeutung bekommen, und wie das Leben eines Gefangenen von sehr vielen Regeln, aber auch sehr viel Verzicht bestimmt wird.“
Mit dem Paketverbot wird den Gefangenen die Möglichkeit genommen, sich über ein überraschendes Präsent wie ein selbstgemaltes Bild oder ein Foto zu freuen. Welche Bedeutung eine solche Geste hinter Gittern haben kann, drückt sich in den zahlreichen Dankesbriefen aus, die der Verein in Auszügen auf seiner Homepage veröffentlicht hat. „Ich habe nicht gedacht, dass es möglich ist, da der Ruf außerhalb der JVA nicht der Beste ist und es auch Vorurteile gibt“, schreibt ein Gefangener, der ein Buchgeschenk erhalten hatte.
Hungerstreik gegen Einheitskleidung in der JVA Bochum
Diese Einschätzung dürfte sehr realistisch sein, was sich auch darin zeigt, dass das Paketverbot keine öffentliche Debatte in einer Zeit ausgelöst hat, in der viel über Menschenrechte gesprochen wird. Das macht wieder einmal deutlich, dass Häftlinge keine Lobby in der Gesellschaft besitzen und große Teile der Bevölkerung noch immer der Meinung sind, dass es den Gefängnisinsassen noch immer zu gut geht. Forderungen von Gefangenenorganisationen haben es schwer, in der Öffentlichkeit Gehör und noch schwerer Verständnis zu finden.
Das betrifft auch die Fragen zu der im Gefängnis vorgeschriebenen Kleidung. So hat der Häftling Sadi Özpolat in der JVA Bochum am 10. Dezember einen unbefristeten Hungerstreik gegen die dort verordnete Einheitskleidung begonnen. Diese Maßnahme erinnert den in der Türkei und im europäischen Exil politisch aktiven Mann an ähnliche mit großen Repressialien in der Türkei durchgesetzten Kleidungsmaßnahmen in den Gefängnissen. Weil kein Druck aus der Öffentlichkeit besteht, gibt es auch in der Politik niemand, der das Paketverbot infrage stellt. So wurde es in Baden-Württemberg noch von einer aus CDU und FDP bestehenden Landesregierung verabschiedet und von den grünroten Nachfolgern ohne Diskussionen weiter praktiziert.
Peter Nowak
http://www.heise.de/tp/blogs/8/153402
Ein Verein vermittelt Weihnachtspakete für Gefangene und sorgt so für ein bisschen Normalität hinter Gittern
Der Verein »Freiabonnements für Gefangene« bemüht sich um Kontakt nach draußen. Das ist wichtig, damit Straftäter nach der Haftzeit wieder Fuß fassen können. Doch verschärfte Gesetze erschweren die Resozialisierung. So dürfen Häftlinge in manchen Bundesländern seit Kurzem keine Pakete mehr empfangen.
»Sehr geehrte Spender/in! Vielen Dank, dass Sie es ermöglicht haben, dass ich hier im Gefängnis ein bisschen Weihnachten feiern konnte. Ich habe mich riesig über Ihr Paket gefreut. Meine eigene Familie hat mich abgeschrieben.« Diese Zeilen schrieb ein wegen Diebstahls verurteilter Mann an den ihm unbekannten Spender eines Weihnachtspakets. Den Kontakt hat die 1981 gegründete gemeinnützige Organisation »Freiabonnements für Gefangene« angebahnt. Neben Zeitungsabos vermittelt sie Briefkontakte und Pakete.
Weihnachten ist für Gefangene eine bedrückende Zeit. Der normale Gefängnisalltag ruht, es gibt wenig Abwechslung. Nach Hause dürfen nur wenige. Für diejenigen, die Weihnachten in der Haftanstalt verbringen müssen, ist die Einsamkeit besonders spürbar, weiß der Verein. Die Geschenke helfen bei der Resozialisierung. Sie bringen ein bisschen von der Welt draußen in das Leben der Inhaftierten zurück, geben ihnen das Gefühl, nicht vergessen zu werden und bauen eine Brücke zur Gesellschaft, so die Gefangenenhilfe.
Spender können ein Paket direkt an den Gefangenen schicken oder 45 Euro überweisen. Mit dem Betrag werden dann von Vereinsmitarbeitern die Wünsche der Gefangenen erfüllt. Auch kleinere Spenden sind willkommen. Über die diesjährige Weihnachtsaktion konnte 122 Gefangenen ein Weihnachtspaket vermittelt werden. Alle Pakete sind jetzt auf dem Weg.
Seit Gründung des Vereins gingen mehr Wünsche von Gefangenen ein, als erfüllt werden konnten. Doch in den letzten Jahren haben die Paketanfragen noch mal zugenommen, »nicht dramatisch aber stetig«, erklärt die Vereinsgeschäftsführerin Sybill Knobloch gegenüber »nd«. Ein Grund dafür ist die wachsende Armut im Gefängnis. Mit den 30 Euro Taschengeld monatlich können sie sich kaum individuelle Wünsche erfüllen. Oft reicht der Betrag nicht einmal für die Begleichung der Telefonkosten mit Freunden und Verwandten. »Auf jeden Fall zeigt sich bei der Paketvermittlung der soziale und finanzielle Notstand der Gefangenen, sonst müssten sie sich nicht an uns wenden«, betont Knobloch.
Die soziale Notlage wird von den Häftlingen offen angesprochen. So schreibt ein Gefangener aus der JVA Lingen: »Leider habe ich keine Angehörigen, die mich unterstützen könnten. Daher würde ich mich über eine Spende sehr freuen.« Er darf keine Pakete, sondern nur noch Geldspenden entgegennehmen. Denn Niedersachsen gehört wie Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Sachsen zu den Bundesländern, die in den letzten drei Jahren das Schicken von Paketen in die Gefängnisse verboten haben. Begründet wurde diese Maßnahme mit dem Verwaltungsaufwand, der damit für die Gefängnisse verbunden sei. Denn alle Postsendungen müssten auf verbotene Gegenstände untersucht werden.
Obwohl die Geldüberweisungen ein Ersatz sind, kritisiert Anette Baginska vom Freiabo-Verein das Paketverbot scharf: »Wenn man sich ein Gefängnis von innen angesehen hat, dann merkt man, wie kleine Dinge plötzlich eine große Bedeutung bekommen, und wie das Leben eines Gefangenen von sehr vielen Regeln, aber auch sehr viel Verzicht bestimmt wird.« Mit dem Paketverbot werde den Gefangenen auch noch die Freude über ein überraschendes Präsent genommen.
Welche Bedeutung eine solche Geste hinter Gittern haben kann, drückt sich in den Dankesbriefen aus, die der Verein auf seiner Homepage veröffentlicht. »Die Situation hier ist nicht einfach (und vor allem nicht unverschuldet), aber die menschliche Komponente Ihres Engagements macht es erträglicher«, schreibt etwa ein Gefangener, der ein Buchgeschenk erhalten hat. Und ein anderer: »Es ist nicht selbstverständlich, da der Ruf der Gefangenen außerhalb der JVA-Mauern nicht gerade der Beste ist und es viele Vorurteile gibt.«
Damit liegt der Mann nicht falsch. Kaum eine andere gesellschaftliche Gruppe hat so eine geringe Lobby wie Gefangene. Das Paketverbot hat keinerlei öffentliche Diskussionen ausgelöst. Auch die inzwischen in Baden-Württemberg regierenden Grünen und Sozialdemokraten stellen das von der Vorgängerregierung beschlossene Verbot nicht infrage.
Wird die Logik, die zur Verhaftung von El Masri führte, nicht auch heute noch angewandt?
Für die Zyniker der Macht waren es Kollateralschäden im Krieg gegen den Terror. Für die Betroffenen waren es Jahre des Schreckens, die sie bis zum körperlichen und geistigen Zusammenbruch trieben. Die Maßnahmen, mit denen die USA, unterstützt von verschiedenen europäischen Staaten, Menschen verhafteten und verschleppten. Jetzt hat einer der Betroffenen zumindest juristisch eine kleine Entschädigung bekommen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat dem Libanon geborenen deutschen Staatsbürger Khaled El Masri eine Entschädigung in Höhe von 60.000 Euro zugesprochen. Zahlen muss sie die mazedonische Regierung. Denn El Masri war Ende 2003 in der Hauptstadt des Balkanstaates Skopje verschleppt worden und erlebte eine kafkaeske Odyssee.
Nach seinen sehr detaillierten Aussagen, die sich später auch bestätigten, wurde El Masri von den mazedonischen Behörden zunächst 23 Tage unter Kontaktsperre in einem Hotel in Skopje festgehalten. Bei einem Fluchtversuch wurde ihm mit Erschießung gedroht. Danach wurde er vom US-amerikanischen Außengeheimdienst CIA nach Afghanistan entführt und dort über mehrere Monate festgehalten und auch gefoltert.
Als sich sein deutscher Pass, den die US-Behörden zunächst für gefälscht hielten, als echt erwies, wurden die deutschen Behörden informiert. El Masri wurde 2004 ohne finanzielle Mittel und ohne Informationen von Freunden und Bekannten auf einem Waldweg zwischen Albanien und Mazedonien ausgesetzt. Seine Papiere hat er am mazedonischen Grenzübergang wieder bekommen. Die Art seiner Freilassung bedeutete für den Betroffenen eine weitere Demütigung.
Denn zunächst wurden seinen Schilderungen auch in Deutschland mit Misstrauen begegnet. Das Opfer wurde zum Lügner gestempelt. Sicherlich hat diese Behandlung zu dem psychischen Zusammenbruch beigetragen. El Masri war strafrechtlichen Ermittlungen, einer Einweisung in die Psychiatrie und einer Pressekampagne ausgesetzt. Während die deutschen Behörden mittlerweile im Zusammenhang mit El Masris Verschleppung Haftbefehle gegen mehrere CIA-Mitarbeiter erlassen haben, hat die US-Justiz es auch in der höchsten Instanz abgelehnt, El Masris Antrag auf Schadenersatz anzunehmen.
Abweisung der Klage weitere Menschenrechtsverletzung
Das Europäische Gericht stufte die Darstellung El Masris als glaubwürdig ein. Seine Verschleppung in das Hotel in Skopje wurde als „unmenschliche und erniedrigende Behandlung“ klassifiziert, der Umgang mit ihm auf dem Flughafen von Skopje als Folter. Da dieses Prozedere auf mazedonischem Staatsgebiet und in Anwesenheit mazedonischer Beamter erfolgt sei, müsse dafür auch die mazedonische Regierung die Verantwortung übernehmen, so die Richter. Zudem sei den Behörden das Ziel des Fluges bekannt gewesen. Gerügt wurde schließlich auch die mazedonische Justiz, die alle Klagen El Masris abwies. Sie sei verpflichtet gewesen, eine effektive Untersuchung durchzuführen.
Das Gericht befand, es seien aus dem gleichen Grunde keine ernsthaften gerichtlichen Untersuchungen durchgeführt worden, wegen denen er auch unrechtmäßig inhaftiert worden war, was eine weitere Verletzung der Grundrechte von El-Masri darstellte. Mit dem Urteil hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erneut den Focus auf die massiven Menschenrechtsverletzungen auch auf europäischen Boden gerichtet, die unter dem Übergriff „Krieg gegen den Terror“ gelaufen sind.
Die Frage ist, ob jetzt auch andere Betroffene gegen europäische Staaten, vielleicht auch Deutschland, klagen werden. Schließlich haben auch Politiker in Deutschland im Fall des Bremers Murat Kurnaz, dessen Haft in den USA in die Länge gezogen. Daneben sollte der gut dokumentierte Fall El Masri die Frage aufwerfen, ob solche Menschenrechtsverletzungen auch heute noch möglich wären.
Beispiel Bonn – Salafistenfreund gleich Bombenleger?
Die offizielle Erklärung aus Washington lautet, El Masri sei Opfer einer Verwechslung mit einem Al Qaida-Mitglied gleichen Namens geworden. Die Verwechslungserklärung verdeckt, dass El Masri ins Visier der Behörden geriet, weil er im Libanon Kontakt zu einer islamistischen Gruppe gehabt haben soll, nach der er auch von den US-Beamten beim Verhör befragt worden war.
Zudem soll er in seinem deutschen Wohnort Neu-Ulm in einen Zentrum verkehrt haben, in dem sich auch Islamisten getroffen haben sollen. Hier wurde also nach der Logik des Verdachts verfahren, wer mit Islamisten verkehrt hat, kann auch Al Qaida-Mitglied sein. Wurde diese Logik nicht auch nach dem Fund einer zünderlosen Bombe am Bonner Hauptbahnhof vor wenigen Tagen angewandt, als die Festnahme zweier Männer erfolgte, denen Kontakte in die Salafistenszene nachgesagt wird? Sie mussten mittlerweile wieder freigelassen werden und ein politischer Hintergrund der mysteriösen Ansammlung von Bombenteilen steht auch noch längst nicht fest.
Mark Kennedy wegen Liebesaffären vor Gericht Der britische Zivilbeamte Mark Kennedy spionierte jahrelang in der linken Szene Europas. Nun verklagen ihn Frauen aus mehreren Ländern wegen sexueller Ausbeutung.
Dass Polizeibehörden von Menschen aus oppositionellen Zusammenhängen wegen Körperverletzung oder Freiheitsberaubung verklagt werden, kommt häufiger vor. Doch die Klage wegen sexueller Ausbeutung, die 10 Frauen aus verschiedenen europäischen Ländern gegen die britische Metropolitan Police und die halbprivate „Association of Chief Police Officers gestellt haben, dürfte eine Premiere sein. Die Polizeibehörden waren für den Einsatz der Zivilbeamten Mark Kennedy und eines Kollegen, der unter dem Namen Marco Jacobs bekannt ist, verantwortlich. Beide hatten sich in verschiedenen europäischen Ländern in linke Zusammenhänge eingeschleust und diese auspioniert. Dazu gehörte auch Mobilisierung gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 und gegen den NATO-Gipfel in Strasbourg 2009. Wie Kennedy mittlerweile zugab, ist er bei seinen Einsätzen sexuelle Beziehungen mit Frauen aus der linken Szene eingegangen.
Diese stützten ihre Klage auf die Verletzung mehrerer Grundsätze der Europäischen Menschenrechtskonvention. Danach darf niemand einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt werden. Dieses Prinzip sehen die Kläger verletzt, weil sie von stabilen, zukunftsfähigen Bindungen ausgegangen waren. Doch die zwischen sieben Monaten und sechs Jahren dauernden Beziehungen endeten mit dem plötzlichen Abtauchen der vermeintlichen Partner, wenn deren Einsatz abgebrochen wurde.
Noch ist unklar, ob die Verfahren öffentlich verhandelt werden, wie von den Verteidigern der Klägerinnen gefordert. Die Anwälte der Polizei wollen die Fälle in einem Geheimverfahren abwickeln, das für Klagen gegen den britischen Inlandsgeheimdienst MI5 vorgesehen ist. Dann dürften weder die Klägerinnen noch deren Anwälte an den Verhandlungen teilnehmen oder Zeugen hören.
Die polizeilichen Führer der Spitzel seien jederzeit informiert gewesen, wo diese bei ihren Einsätzen übernachteten, bestätigte Kennedy gegenüber der Presse die Version der Klägerinnen, die von „institutionalisierten Sexismus bei der Polizei“ sprechen. Kennedy stilisiert sich mit seinem Gang an die Öffentlichkeit selber zum Opfer und hat seine Vorgesetzten verklagt. Weil die ihn nicht an den sexuellen Affären und Beziehungen während seiner Spitzeltätigkeit gehindert hätten, sollen sie ihm den dadurch entstandenen posttraumatischen Stress mit rund 120.000 Euro vergüten. Ein Berliner Aktivist der globalisierungskritischen Bewegung, der sich seit Jahren mit der europaweiten Repression beschäftigt, bezeichnet Kennedy als „egozentrischen Selbstdarsteller“. „Jetzt nutzt er das Gerichtsverfahren der Frauen, um selbst Aufmerksamkeit zu erheischen.“
Dass Ausmaß der Kriminalisierungsversuche oppositioneller Bewegungen wird erst langsam bekannt.
„Es ist auffällig, dass Kennedy sich an Orten aufhielt, an denen es später zu größeren Razzien und Anklagen wegen abstruser Terrorismus-Vorwürfe kam. Alle Verfahren fielen bislang in sich zusammen“, erklärt der Aktivist gegen nd. Zurzeit könnte ein Verfahren gegen eine anarchistische Landkommune im französischen Ort Tarnac eingestellt . Auch sie hatte Kennedy mit militanten Aktionen in Verbindung gebracht.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/807299.spitzel-verlangt-schadenersatz.html
Peter Nowak
Kundgebungen für Aktivisten und Schwarzfahrer in Haft
Unter dem Motto »Fünf Finger sind eine Faust« haben Solidaritätsgruppen zu einem Aktionstag gegen Repression aufgerufen. Dezentrale Aktionen soll es am kommenden Sonnabend in verschiedenen deutschen Städten geben. In Berlin ist eine Kundgebung vor dem Sitz der Berliner Verkehrsbetriebe geplant. Damit soll dagegen protestiert werden, dass in der Hauptstadt immer mehr Menschen im Gefängnis sind, die wegen Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel ohne Ticket verurteilt wurden. Allein in der Haftanstalt Plötzensee sitzt ein Drittel der Häftlinge aus diesem Grund hinter Gittern.
Bei weiteren Veranstaltungen am 8. Dezember stehen politische Aktivisten, die im Gefängnis sitzen, im Mittelpunkt. In Hamburg soll es eine Kundgebung vor dem Untersuchungsgefängnis in den Wallanlagen geben, wo auch der kurdische Aktivist Ali Ihsan Kitay inhaftiert ist. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Organisation vor und hat ihn nach Paragraf 129b angeklagt. Kitay soll in Hamburg Kader der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) gewesen sein, die für politische Autonomie bzw. die Unabhängigkeit kurdisch besiedelter Gebiete in der Türkei kämpft.
Die Solidarität außerhalb der kurdischen Zusammenhänge ist gering. »Gerade türkische und kurdische Angeklagte bekommen oft sehr wenig Unterstützung. Auch deswegen organisieren wir den Aktionstag«, erklärt Wolfgang Lettow vom »Netzwerk für die Freiheit der politischen Gefangenen« gegenüber »nd«. Er verweist zudem auf das Verfahren gegen die türkische Linke Gülaferit Ünsal, gegen die seit Monaten ein 129b-Verfahren in Berlin läuft, das öffentlich kaum wahrgenommen werde. Die Verurteilung eines türkischen Zeugen, der die Aussage verweigert hatte, zu sechs Monaten Beugehaft, wurde erst durch einen Brief bekannt, den der Betroffene einem Unterstützer aus dem Gefängnis schrieb.
Aber auch hohe Haftstrafen gegen Antifaschisten, die vor einigen Jahren noch zu bundesweiten Protesten geführt hätten, sorgen heute selbst in linken Kreisen kaum noch für Reaktionen. So wurde in Nürnberg der Antifaschist Deniz K. zu einer Gefängnisstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt, weil er bei einer Demonstration einen Polizisten mit einer Fahnenstange geschlagen haben soll. In Stuttgart wurde ein Antifaschist, der in der Öffentlichkeit unter den Namen Smily bekannt ist, zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt, weil er sich auf Demonstrationen Rangeleien mit Neonazis geliefert haben soll.
Der Aktionstag soll keine Konkurrenz zum 18. März sein, der in vielen Ländern als Kampftag für die Freiheit der politischen Gefangenen begangen wird. Wolfgang Lettow erhofft sich auch nach dem 8. Dezember handlungsfähige Antirepressionsbündnisse in den verschiedenen Städten. Damit nicht wieder ein Zeuge in Beugehaft kommt und niemand davon erfährt. www.no129.info
http://www.neues-deutschland.de/artikel/806412.aktionstag-gegen-repression.html
Peter Nowak
Minister befassen sich nur mit »Asylmissbrauch«
Am Samstag begannen die Proteste gegen die am Mittwoch in Rostock beginnende Innenministerkonferenz.
Seit Monaten kämpfen Flüchtlinge aus ganz Deutschland für ihre Rechte. Doch ihr Marsch durch die Republik, ein Protestcamp in Berlin-Kreuzberg und Hungerstreiks am Brandenburger Tor werden von der Politik noch immer ignoriert. Auf der Innenministerkonferenz, die am 5. Dezember in Rostock beginnt, stehen ihre Anliegen nicht auf die Agenda. Doch die Betroffenen haben den Protest schon einige Tage vor Konferenzbeginn nach Rostock getragen. Der Block der Flüchtlinge und ihrer Unterstützer war auf der Demonstration von knapp 300 Menschen nicht zu überhören, mit der am Samstag die Proteste gegen die Innenministerkonferenz starteten. Andere Themen waren die Auflösung aller Geheimdienste nach der NSU-Affäre und die Einschränkung von Grundrechten auf Demonstrationen ebenso wie bei Fußballspielen.
Polizei schottete ab
Gegenüber »nd« begründet ein Sprecher der Flüchtlingsinitiativen seinen Unmut über die Konferenzagenda: »Zynischerweise befasst sich der einzige von 45 Tagungspunkten, der dieses Thema berührt, mit »Asylmissbrauch», der den Menschen aus Mazedonien und Serbien unterstellt wird. Wir alle wissen, dass damit Roma gemeint sind, die an vielen Orten bedroht und verfolgt werden.«
Auf der Demonstration machten die Flüchtlingsgruppen noch mal ihre Forderungen deutlich. Dazu gehören die Abschaffung der Residenzpflicht, die die Bewegungsfreiheit massiv einschränkt, die Auflösung der Heime und ein Abschiebestopp. Auf einem großen Transparent in zehn Metern Höhe an einem Parkhaus angebracht wurde zur Solidarität mit den Kämpfen der Flüchtlinge und zur Ablehnung jeder Form von Rassismus aufgerufen. Die Botschaft war auch für die Besucher des Rostocker Weihnachtsmarktes nicht zu übersehen. Ansonsten hatten es selbst interessierte Passanten schwer, die Inhalte der Demonstrationen zu erfahren. »Die Polizei schottete uns massiv von den Passanten ab, so dass es oft schwierig war, unsere Inhalte an die Bevölkerung zu vermitteln«, kritisierte Heiko Dorn vom Rostocker Bündnis gegen die Innenministerkonferenz die Polizeitaktik.
Kriminalisierung
Zudem sei eine Demonstrantengruppe ohne ersichtlichen Grund fast eine Stunde festgehalten worden, monierte Dorn. »Schon im Vorfeld sind die Proteste von der Rostocker Politik und der Lokalpresse kriminalisiert worden«, kritisierte Charlotte Hass, die ebenfalls im Rostocker Bündnis mitarbeitet. So habe der Rostocker Rathaussprecher Ulrich Kunze in einem Interview mit der Ostseezeitung vom Samstag gewarnt, dass es auf der Demonstration »Blut und Scherben« geben könne.
In den nächsten Tagen stehen verschiedene Themen der Innenministerkonferenz im Zentrum von Veranstaltungen. So wird heute im Peter-Weiss-Haus in Rostock über die Folgen ein möglichen NPD-Verbots auf die Naziszene besonders in Mecklenburg-Vorpommern diskutiert. Während der Konferenz wird es am kommenden Donnerstag und Freitag eine Mahnwache vor dem Tagungsort, dem Hotel Neptun geben. Für den 5. Dezember ruft die Initiative Jugend ohne Grenzen zu einer weiteren Demonstration für Flüchtlingsrechte auf, die um 17 Uhr am Hauptbahnhof beginnt. Weitere Termine finden sich auf der Homepage der Kampagne imkversenken2012.blogsport.de.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/806139.unerhoerte-fluechtlingsproteste.html
Peter Nowak
Eine von der Regierung geplante Verschärfung der Sexualgesetzgebung sorgt in letzter Zeit für Diskussionen.
Eigentlich ist schon länger bekannt, dass in Deutschland Sex mit Tieren bald wieder generell verboten werden soll. Das sieht eine Novelle des Tierschutzgesetzes vor, auf die sich die schwarz-gelbe Koalition geeinigt hat. Es drohen künftig Bußgelder von bis zu 25.000 Euro, wenn ein Tier zu „artfremden“ sexuellen Handlungen gezwungen werden sollen.
Mag die Verschärfung auch nur eine Minderheit betreffen, so handelt es sich bei der geplanten Verschärfung doch um eine Revision von Liberalisierung, die 1969 vollzogen wurden. Damals wurden bekanntlich in der Sexualgesetzgebung einige ganz alte Zöpfe abgeschnitten. Dazu gehörte auch die Strafbarkeit von „widernatürliche Unzucht“. So wurde lange Zeit sowohl der Geschlechtsverkehr zwischen Männern als auch der Sex zwischen Mensch und Tier genannt. Objektiver wird Sex mit Tieren Sodomie oder Zoophilie genannt. Mit der 1969 vollzogenen Liberalisierung war Sex mit Tieren nur noch strafbar, wenn dem Tier dabei erhebliche Verletzungen zugefügt werden. Die Vorschrift fand sich deshalb nicht mehr im allgemeinen Strafgesetzbuch, sondern im Tierschutzgesetz.
Dagegen liefen Tierfreunde der unterschiedlichen Couleur Sturm. Im Internet machen sie gegen Tiervergewaltiger mobil und haben einen Fragebogen entworfen, indem die Meinung über die Wiedereinführung des Straftatbestands Sex mit Tieren und Tierpornographie eine zentrale Rolle spielt.
Hund durch Zungenkuss genötigt?
Der Bund gegen Missbrauch der Tiere hat eine eigene Unterschriftensammlung für ein Zoophilieverbot gestartet. Wer hier vor allem eine mit Tierrechtsargumenten ummantelte Prüderie vermutet, kann auf der Seite der Tierfreunde auch fündig werden. So echauffiert man sich in einer Pressemitteilung über eine besondere Grenzüberschreitung.
„Berlin, 31.10.2012. Derzeit strahlt RTL die sechste Staffel von ‚Schwiegertochter gesucht‘ aus. Dabei kam es am Sonntag, 28. Oktober, zu einer Szene, die noch Tage später in den sozialen Netzwerken für Aufregung sorgt. Einer der Kandidaten gab vor laufender Kamera seiner Hündin einen intensiven Zungenkuss.“
Während im Internet von „übertriebener Tierliebe“ die Rede ist, bewertet der bmt den Vorfall als unzulässige Provokation. „Es geht hier nicht um Lob oder eine freundschaftliche Liebkosung des Hundes“, sagt Claudia Lotz, Leiterin der bmt-Geschäftsstelle Berlin, „sondern um einen Akt der Nötigung. Der Kandidat zwingt seine Schäferhündin durch beidseitig festen Griff um den Kopf, diese mehr als artwidrige ‚Intimität‘ zu erdulden.“
Sodann fordern die Sittenwächter Konsequenzen: „Es liegt in der Verantwortung des Senders, ihren Kandidaten keine Plattform für Bekenntnisse zu bieten, die auch nur ansatzweise mit zoophilen Handlungen oder Neigungen in Verbindung gebracht werden könnten“, so Claudia Lotz. Allein die Diktion klingt so, als handele es sich hier um Menschen, die sich gerne in fremde Angelegenheiten einmischen und nach den Paragraphen rufen, die ihnen die Handhabe dazu geveb. Wäre die Gesetzesverschärfung schon in Kraft, hätte es sicher einige Anzeigen gegen den Tierfreund und den Sender gegeben.
Gegen pauschale Kriminalisierung der Zoophilie
Sicher haben manche Kritiker der neuen Strafverschärfung solche Szenarien vor Augen. So wendet sich die Gruppe Zeta gegen eine „pauschale Kriminalisierung der Zoosexualität“.
„Tiere sind schon jetzt geschützt durch § 17 Tierschutzgesetz, wodurch ganz ungeachtet der Motivation jede Tierquälerei unter Strafe gestellt ist.“ Zudem wehrt sich die Initiative auch dagegen,jegliche sexuellen Kontakte mit Tieren nur als Missbrauch zu bewerten. „Warum sollen sexuelle Mensch-Tier-Kontakte unter Strafe gestellt werden, in denen das Tier Spaß daran hat? Wozu soll ein gesonderter Paragraph dienen, wenn nicht dazu, um eine subjektive Moralvorstellung in Stein zu meißeln?“ So die letzte Frage dieser Erklärung. Zuvor hat Zeta betont, dass Tiere sehr wohl ausdrücken können, ob sie an den menschlichen Annäherungen Gefallen finden oder nicht. Selbst, wenn man das in Zweifel zieht, muss man die Zoophilie-Gegnern ebenfalls fragen, ob Tierrechte, auf die sie sich immer berufen, nicht ein menschliches Konstrukt sind, das auf die Tierwelt übergestülpt wird.
Wo ökonomisches Interessen tangiert werden könnten, muss das Tierrecht hinten an stehen, wie die Grünen an der geplanten Gesetzesverschärfung kritisieren. So hat die Pferdezüchterlobby durchgesetzt, dass es nicht zu einem Verbot des Schenkelbrandes kommen wird. Auch bei der Ferkelkastration gibt es einen Kompromiss, der der Fleischindustrie entgegenkommt. Dabei stellt sich die Frage, ob nicht in erster Linie die Zurichtung zu Schlachtvieh und Versuchstieren die Felder sind, auf denen sich Kämpfer für die Tierrechte bewähren können. Aber hier ist der Gegendruck eben groß und die kleine Gruppe der Zoophilen hat keine große Lobby.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/153271
Peter Nowak