Quasi soziale Selektion

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat unlängst die schlechten Karriere- und Verdienstmöglichkeiten im Wissenschaftsbetrieb kritisiert. »Wir brauchen eine Reform der Karrierewege und eine Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen«, erklärte der Hochschulexperte der GEW Andreas Keller bei einer Anhörung im Bundestag. Die Kritik ist berechtigt. In der vielzitierten Wissensgesellschaft sind junge Akademiker zunehmend damit konfrontiert, sich von einem schlecht oder gar nicht bezahlten Projekt zum Nächsten zu hangeln und auf eine Festanstellung zu hoffen. Andererseits gibt es durchaus Beispiele, dass auch ohne offizielle Weihen Wissenschaft möglich ist. Bundesweit existieren selbstverwaltete Institute. Doch auch für diese gilt: In der Regel wird un- oder unterbezahlt gearbeitet wird. Wer auf ein regelmäßiges Einkommen angewiesen ist, wird sich daher eher selten in diesen Strukturen etablieren. Übrig bleiben die Wissenschaftler, die anderweitige Möglichkeiten haben, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Das wiederum führt zu einer quasi sozialen Selektion. So besteht gerade in alternativen Wissenschaftsstrukturen das Dilemma, dass Akademiker aus dem Arbeitermilieu nicht besonders häufig zu finden sind, weil sie sich die unbezahlte Arbeit nicht leisten können. Auch in linken Wissenschaftskreisen wäre es daher wichtig, sich die Bedeutung des gewerkschaftlichen Engagements in Erinnerung zu rufen. Während es vor einigen Jahrzehnten Studierendengruppen gab, die auf die Bezeichnung »gewerkschaftliche Orientierung« bestanden, sehen es heute sogar manche linken Wissenschaftsarbeiter als karriereschädigend an, sich zur Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen an eine Gewerkschaft wenden.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/223907.quasi-soziale-selektion.html
Peter Nowak

Behinderung bei Bildung?

Kampagne für jugendliche Flüchtlinge / Rena Huseinova ist Sprecherin der 2005 gegründeten Initiative Jugendliche ohne Grenzen (JoG)

nd: Was ist das Ziel der gestern gestarteten Kampagne Bildung(s)los?
Huseinova: Wir wollen damit anlässlich der in Berlin tagenden Kultusministerkonferenz die Forderung nach freier Bildung und Ausbildung für alle Jugendliche mit Flüchtlingshintergrund unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus erreichen.
Wer unterstützt die Forderung?
In dem Bündnis sind unter anderem die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), der AWO Bundesverband, die Grüne Jugend, die Jusos, Flüchtlingsräte und Migrantenselbstorganisationen vertreten. Unterstützt werden wir auch von
Bildungsexperten wie Lothar Krappmann, der bis Frühjahr 2011 Mitglied des UN-Ausschusses für die Rechte des Kindes war und im Max-Planck-Institut für Bildungsforschung tätig ist. Er betont die
Bedeutung der Lebensumstände von Kindern und Jugendlichen mit Flüchtlingshintergrund auf ihre Bildungschancen.
Wo bestehen bisher die Hürden beim Bildungszugang dieser
Jugendlichen?

Viele Flüchtlinge sind sehr isoliert in Heimen untergebracht. Durch die Residenzpflicht und Wohnrechtsauflagen werden sie gehindert, den Landkreis des für sie zuständigen Ausländeramtes zu verlassen. Dadurch können Jugendliche in
zahlreichen Fällen Schulen, Ausbildungs- oder Praktikumsplätze nicht erreichen. Davon sind bundesweit ca. 47000 Kinder und Jugendliche betroffen. Die offiziellen Stellen, wie aktuell die Kultusministerkonferenz betonen einerseits, wie wichtig eine Ausbildung
für die Jugendlichen ist, anderseits erteilen die Ausländerbehörden Ausbildungs- Arbeits- und Studienverbote, das ist doch absurd.
Gibt es dabei Unterschiede in den Bundesländern?
Ja, in einigen Bundesländern wie in Berlin gibt es erkennbare Versuche, die Bildungsmöglichkeiten für
alle Jugendlichen umzusetzen. Besonders restriktiv ist die Situation in Niedersachsen. Aktuell ist uns ein Geschwisterpaar bekannt, dass einen Ausbildungsplatz nicht antreten kann, weil das Ausländeramt keine Beschäftigungserlaubnis gibt.
Sind Ihnen Fälle bekannt, wo sich Jugendliche über das Verbot hinweg gesetzt haben, um an Bildungsmaßnahmen teilzunehmen und deswegen bestraft wurden?
Nein, das Problem ist, dass die Einstellung mit bestimmten Kriterien verbunden ist. Kein Arbeitgeber oder Bildungsträger stellt Jugendliche ein, wenn das Ausländeramt nicht
zustimmt. Das gilt übrigens auch für unbezahlte Praktika. Es handelt sich also hier um eine massive Benachteiligung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund.
Was ist im Rahmen der Kampagne geplant?
Wir haben am 8.März der Kultusministerkonferenz unseren Forderungskatalog übergeben. Dafür werden auf unser Kampagnenhomepage www.bildung.jogspace.net
Unterschriften gesammelt. Über weiter Schritte entscheiden wir auf unserer Bildungskonferenz, die wir parallel zur Kultusministerkonferenz an der Humboldtuniversität in Berlin veranstalten.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/220751.behinderung-bei-bildung.html
Interview: Peter Nowak

Solidarität statt Elite

„Erfolge in der Exzellenzinitiative“ vermeldet die Homepage der Freien Universität Berlin. (FUI Die Hochschulleitung unter Präsident Peter-André Alt.spricht von einem wichtigen Zukunftskonzept, das sie unbedingt erfolgreich weiter führen will. Darüber entscheidet auch eine Gutachterkommission, die die Hochschule am 2. Februar besuchte. An diesen Termin zeigte sich auch, dass es noch studentische Kritiker gibt. Sie organisierten rund um den 2. Februar eine Aktionswoche gegen die Exzellenzinitiative an der FU. Dort veranstalteten die kritischen Kommilitonen auch eine „Exzellenziade, auf die die Exzellenzinitiative als sportlichern Wettkampf zwischen den Berliner Hochschulen nachgestellt. Beim Hürdenlauf mussten die studentischen Sportfreunde zunächst die kritische Wissenschaft und manche Bibliotheken entsorgen, um zum Erfolg zu kommen Als die Kommilitonen zum Hauptgebäude zogen, wo die Exzellenzgutachter tagten, wurde ihnen der Einlass verwehrt. Die Hochschulleitung hatte extra einen Wachdienst engagiert, der bestimmte Teile des Campus zur protestfreien Zone machten wollte. Das war aber nicht gelungen. Die studentischen Aktivisten berichten, dass die starken Sicherheitsmaßnahmen eher noch die Protestbereitschaft mancher Kommilitonen förderte. Am Ende verließen die Gutachter das Gebäude schließlich durch einen Seitenausgang.
Die kritischen Kommilitonen waren mit der Aktion zufrieden. Es habe sich gezeigt, dass auch jenseits der an die Grenzen gestoßenen bundesweiten Bildungsproteste Widerstand am Campus möglich ist. Mit dem Protest gegen die Exzellenzinitiative zeigen die Aktivisten zudem, dass es noch immer Studierende gibt, die Bildung eher mit Solidarität als mit Elite in Verbindung bringen. Allerdings dürften solche Positionen auch unter den Kommilitonen in der Minderheit sein.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/218016.solidaritaet-statt-elite.html

Gegen ein plumpes Bankenbashing

Broschüre der Rosa-Luxemburg-Stiftung zur Kapitalismuskritik in der Bildungsarbeit
In Zeiten der Eurokrise haben Verschwörungstheorien Konjunktur. Seriös aufklären will die AG Politische Ökonomie im Jugendbildungsnetzwerk der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit der Broschüre »Bildung zu Kapitalismus und Kapitalismuskritik«.

Die drei Euro für die hundertseitige Broschüre sind gut investiert. Denn die Autoren beweisen, dass es möglich ist, Kapitalismuskritik allgemein verständlich darzustellen, ohne in Klischees zu verfallen. Unter den Überschriften »Der Ablauf der Finanzkrise«, »Durchschnittsvermögen in Deutschland«, »Über Ökonomie reden« werden einige Methoden vorstellt, mit denen Menschen Informationen über ökonomische Mechanismen vermittelt werden sollen. Hinter der Überschrift »Warum der Markt mehr leistet« verbirgt sich keine Marktwirtschaftspropaganda.
Vielmehr werden Zitate des Ökonomienobelpreisträgers und Marktideologen Friedrich August von Hayek einer kritischen Prüfung unterzogen. »Der vorherrschende Glaube an die soziale Marktwirtschaft ist gegenwärtig wahrscheinlich die schwerste Bedrohung einer freien Zivilisation«, erklärte Hayek in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts.

Die Materialien sollen die Teilnehmer von Kursen in der politischen Bildungsarbeit zu kritischem Hinterfragen der vorgestellten Thesen befähigen. Daher werden immer wieder auch gegensätzliche Standpunkte gegenübergestellt. So kommen in den Methoden zu den Sonderwirtschaftszonen in Zentralamerika Stimmen zu Wort, die sich über die schlechten Arbeitsbedingungen und Löhne beklagen. Daneben betonen Beschäftigte, dass sie froh sind, diese Arbeit überhaupt bekommen zu haben. Die Kursteilnehmer werden zusammen mit den Teamern herausarbeiten, dass solche Stellungnahmen Ausdruck der prekären Lebensverhältnisse vieler Menschen im globalen Süden sind. Ein Kapitel widmet sich in der Broschüre der völkischen Kapitalismuskritik rechter Gruppen. Dabei soll beschrieben werden, inwieweit sich deren Ansatz von linker Kritik unterscheidet, aber auch wo es Schnittpunkte gibt. Die sehen die Verfasser vor allem beim plumpen Bankenbashing und einer personifizierenden Kapitalismuskritik.

Die kann sich in der auch in linken Kreisen beliebten Parole »Das große Geld beherrscht die Welt« ausdrücken, die im ersten Kapitel der Broschüre mit Bild und Text kritisiert wird. Das Kapitel ist den Fallstricken gewidmet, die nicht nur in der Bildungsarbeit zum Thema Kapitalismuskritik beachtet werden sollen. Wenn man manche Parolen auf Protestflugblättern und -transparenten liest, könnte auch dort eine Lektüre der Broschüre nichts schaden.

Der Bedarf an derart politischer Bildungsarbeit ist offenbar groß. Die im Oktober 2011 herausgegebene Broschüre der Rosa-Luxemburg-Stiftung ist ausverkauft und wird gerade nachgedruckt.

Hier kann der Inhalt der Broschüre eingesehen werden:

poloek.arranca.de/wiki/start Bestellungen für die zweite Auflage der Broschüre können an bb@arranca.de gerichtet werden.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/
217384.gegen-ein-plumpes-bankenbashing.html
Peter Nowak

Occupy, Studenten und Schulden

Um die Occupy-Bewegung ist es letzter Zeit in Deutschland stiller geworden. Anders in den USA. Hier findet die Occupy Student Debt Campagne immer mehr Anhänger. Die Bewegung fordert die Streichung der Schulden, die in den USA viele Studierende immer stärker belasten. Dass es sich dabei tatsächlich um ein Problem handelt, das die große Mehrzahl der Studenten betrifft, machen einige Zahlen deutlich. Laut »New York Times« belaufen sich die Schulden aus Studienkrediten mittlerweile in den gesamten USA auf knapp eine Billion Dollar (siehe auch ND vom 14.10.11).

Mit der Kampagne treten die Betroffenen jetzt an die Öffentlichkeit und erklären, weder in der Lage noch bereit zu sein, diese Schulden zu bezahlen. Zudem fordern sie ein gebührenfreies Studium und eine Kontrolle der privaten Firmen, die Studierendenkredite angeboten haben. Schließlich seien die politischen Rahmenbedingungen für das Anwachsen der Bildungsblase verantwortlich, argumentieren die Aktivisten. So sind die Bildungsausgaben seit 2008 USA-weit um acht 8, im Hochschulbereich sogar um bis zu 14 Prozent gesunken. andererseits erhöhte allein die University of California ihre Gebühren in den letzten zwei Jahren um über 30 Prozent. Da immer mehr Hochschulabsolventen keinen Job finden, kann inzwischen jeder dritte seine Kredite nicht oder nicht mehr pünktlich bedienen.

Die Schuldenverweigungskampagne der USA sollte von Kommilitonen in Deutschland genau beobachtet werden. Auch hier verschulden sich immer mehr Studierende und wissen nicht, wie sie die Forderungen begleichen sollen. Die Forderung einer Schuldenstreichung könnte durchaus hierzulande ebenfalls zum Thema werden.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/214812.occupy-studenten-und-schulden.html
Peter Nowak

Grünroter-Tabubruch

Baden-Württemberg: Streit zwischen Landesregierung und Friedensbewegung um Verbot militärischer Forschung
In Baden-Württemberg ist ein Streit zwischen der Friedensbewegung und der Landesregierung entbrannt. Grund: SPD und Grüne sperren sich gegen ein allgemeines Verbot militärischer Forschung an Hochschulen.

Das Beiratsmitglied der »Naturwissenschaftler-Initiative für Frieden und Zukunftsfähigkeit«, Dietrich Schulze, ist empört. Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Bildungsministerin Theresia Bauer (beide Grüne) hätten grüne Wahlkampfversprechen gebrochen. Auch die Teilnehmer eines Internationalen Zivilklauselkongresses, der Ende November in Tübingen stattfand, richteten klare Worte an die Landesregierung: Mitglieder der jetzigen Regierungsparteien hätten in Oppositionszeiten Aufrufe zur Einführung einer verbindlichen Klausel mit unterzeichnet, die alle Hochschulen verpflichtet, keine militärische Forschung zu betreiben (sogenannte Zivilklausel). »Wenn das Landeshochschulgesetz novelliert wird, muss diese eine klare verbindliche Zivilklausel für alle Hochschulen vorsehen«, heißt es in der Abschlusserklärung des Kongresses.
neues deutschland – neues design

Grund der Kritik: Lange Zeit gehörten führende grüne Politiker wie Kretschmann und Bauer zu den Befürwortern einer Zivilklausel. Doch in Regierungsverantwortung sind andere Töne von ihnen zu vernehmen. Nach einem Besuch im Karlsruher Institut für Technologie (KIT) bekennt sich Bauer in einer Pressemitteilung zur »Forschung für friedliche Zwecke, aber auch zur Freiheit der Wissenschaft«. Dietrich Schulze dagegen fürchtet, dass damit beim KIT auf Dauer Kernforschung und Waffenforschung unter einem Dach angesiedelt werden. »Mit diesem Tabubruch wird letztlich der deutsche Verzicht auf Atomwaffenforschung in Frage gestellt.« Auf Kritik, die u.a. von Landtagsabgeordneten der Grünen sowie den Jugendorganisationen beider Regierungsparteien kam, erwiderte Bauer: »Es ist ein Unterschied, ob man für Zivilklauseln im Sinne einer Selbstverpflichtung der Hochschulen eintritt, wie ich es immer befürwortet habe, oder ob man ein Gebot durch den Gesetzgeber will.« Ähnliche Positionen hat der grüne Ministerpräsident Kretschmann bei einem Bürgerdialog im Karlsruher Rathaus vertreten.

Eine generelle Ablehnung einer gesetzlichen Zivilklausel möchte der SPD-Landtagsabgeordnete Johannes Stober zwar nicht mittragen, will diese aber ähnlich wie Bauer zunächst im Konsens mit den Hochschulgremien durchsetzen. Die Landesregierung habe eine politische Agenda abzuarbeiten und dort stehe die Zivilklausel nicht an erster Stelle, betonte der Politiker gegenüber »nd«.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/213477.gruen-roter-tabubruch.html

Peter Nowak

Mit Stempeluhr in den Unterricht

Bundesamt verschärft Kontrollmaßnahmen bei Deutschkursen für Migranten
Wie viel ist dem deutschen Staat die Integration von Einwanderern wert? Offenbar nicht viel, denn gerade die sogenannten Integrationskurse sind seit Jahren unterfinanziert. Gleichzeitig sind die Anforderungen an die Träger wie an die Teilnehmer hoch – und sie sollen jetzt noch erhöht werden.

Angefangen hat es mit einem TV-Bericht: Das ARD-Magazin »Report Mainz« berichtete im Sommer über angeblich lasche Anwesenheitskontrollen bei den Integrationskursen, in denen Einwanderer – teilweise verpflichtend – die deutsche Sprache erlernen. Das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) reagierte prompt: Seit dem 1. August muss jeder Teilnehmer von Integrationskursen neben den bisher üblichen Anwesenheitslisten in einem weiteren Papier unterschriftlich bestätigen, während der gesamten Dauer des Kurses anwesend gewesen zu sein. Zudem sollen die Lehrkräfte auf die Minute genau dokumentieren, wenn Teilnehmer den Kurs vorzeitig verlassen oder verspätet zum Unterricht erscheinen. In einem Merkblatt des BAMF werden die Träger der Integrationsmaßnahmen belehrt, wann eine Nichtteilnahme an Integrationskursen als unentschuldigt gilt. So wird die Fehlzeit eines Kursteilnehmers wegen der Teilnahme an einer Hochzeit von Verwandten oder wegen eigener Eheschließung ebenso als unentschuldigt klassifiziert wie die Teilnahme an der Beerdigung eines Verwandten ab dem zweiten Grad oder ein Wohnungswechsel. In einem Rundschreiben weist das BAMF die Träger darauf hin, dass ihnen der Widerruf ihrer Zulassung drohen kann, wenn sie die Regelungen nicht oder mangelhaft umsetzen.

Die Kontrollmaßnahmen stoßen jedoch nicht nur bei den Migranten, sondern auch bei vielen Trägern dieser Maßnahmen auf heftige Kritik. In der letzten Woche begründeten 15 Sprachschulen in einem Offenen Brief an das BAMF die Argumente für ihre Ablehnung. »In den Kursen wird so ein Klima des Misstrauens und der Entfremdung geschaffen«, monieren die Bildungsträger und warnen vor gravierenden Folgen. »Das würde die für den Lernerfolg der Kursteilnehmer essenzielle Atmosphäre des Vertrauens und der Lust am Erlernen der deutschen Sprache und der Auseinandersetzung mit der deutschen Gesellschaft zerstören.« Im Gespräch mit »nd« nennt Kay Wendel von der Berliner Sprachschule Babylonia e.V. die Kontrollmaßnahmen einen Versuch, den Kursen die Methoden einer deutschen Fabrikgesellschaft aufzuzwingen. Damit werde verkannt, dass Bildungseinrichtungen nicht nach den Kriterien von Misstrauen und totaler Kontrolle funktionieren können.

In dem Offenen Brief werden Vorschläge für eine bessere Integrationsarbeit formuliert: »Statt den irrigen Weg einer ›perfekten‹ Kontrolle zu gehen, sollte ein neues Abrechnungssystem für die Integrationskurse geschaffen werden, das die kulturellen Gepflogenheiten der Kursteilnehmer berücksichtigt und den Kursträgern ein kostendeckendes Wirtschaften ermöglicht«.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/212913.mit-stempeluhr-in-den-unterricht.html
Peter Nowak

Studentenstreik – war da was?

Bildungsproteste blieben in diesem Jahr hinter den Erwartungen der Organisatoren zurück
Mehr als eine Woche nach dem bundesweiten Bildungsprotesttag fällt die Bilanz nüchtern aus. Von einem von manchen Kommilitonen erhofften Auftakt zu neuen Protesten an den Hochschulen kann keine Rede sein. Vielmehr blieben die Teilnehmerzahlen bei den Kundgebungen fast überall hinter den Erwartungen der Organisatoren zurück.

Zuletzt setzten die studentischen Aktivisten auf den »Occupy«-Effekt. Doch auch die von manchen erwarteten Impulse der Occupy-Bewegung auf die Hochschulproteste waren kaum spürbar, obwohl seit Wochen der Versuch eines Brückenschlags probiert wurde. Die Versuche gehen weiter. »Occupy FU gibt nicht auf«, heißt es unverdrossen in einer Pressemitteilung einer Berliner Initiative, die mittlerweile 400 Unterschriften für den Rücktritt des Präsidenten der Berliner Freien Universität (FU), Peter-André Alt, gesammelt hat. Der hatte Mitte November die Zustimmung zur polizeilichen Räumung eines nach einer Vollversammlung besetzten Hörsaals der FU gegeben. Damit wurde erstmals seit Jahrzehnten Polizei auf den FU-Campus eingesetzt. Doch nur der emeritierte Politologie Peter Grottian wies darauf hin, dass es lange Zeit an der Uni guter Brauch war, Besetzungen als Teil der politischen Protestkultur zu tolerieren. Trotzdem erregte die Räumung weder am Campus noch außerhalb große Aufmerksamkeit. Auch die Zahl der studentischen Unterstützer der Rücktrittsforderung an Alt ist verglichen mit der Zahl der Kommilitonen eher bescheiden. Bei nicht wenigen stieß Alt gar auf Verständnis, weil er die Räumung mit der Sicherung des »störungsfreien Ablaufs des Universitätsbetriebs« begründete und dabei auch auf die räumlichen Probleme wegen der gestiegenen Zahl der Studierenden hinwies.

Das starke Anwachsen der Studierendenzahlen, das im aktuellen Semester durch die Abschaffung der Wehrpflicht begünstigt wurde, hatte aber noch vor einem Jahr bei manchen Mitorganisatoren der Bildungsproteste die Hoffnung auf wachsenden Widerstand am Campus geweckt. Im Studierendenverband »LINKE.SDS« wurde damals sogar über das Mittel eines Besetzungsstreiks diskutiert, mit dem der Universitätsbetrieb behindert werden sollte. Mittlerweile ist davon keine Rede mehr. Denn die hohen Studienanfängerzahlen, die mit oft völlig überfüllten Hörsälen, zu wenig verfügbaren Studienmaterialien und fehlenden Wohnungen für Studierende verknüpft ist, führt oft zu Anpassung und begünstigt Versuche, sich individuell im Hochschulalltag durchzuschlagen. In Zeiten, in denen es wenig Beispiele für erfolgreichen kollektiven Widerstand gibt, ist es eine erklärbare Handlungsweise.

Die studentischen Aktivisten wären gut beraten, bevor sie einen neuen Protesttag ausrufen, gründlicher über Möglichkeiten und Bedingungen erfolgreicher Hochschulproteste zu diskutieren. Die Konzentration auf eine konkrete Forderung könnte sinnvoller sein als allgemein gehaltene Appelle, wie sich in Frankfurt am Main zeigte. Dort fand die Besetzung eines leerstehenden Unigebäudes als Protest gegen die studentische Wohnungsnot breite Unterstützung, die nach der polizeilichen Räumung noch zunahm.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/211860.studentenstreik-war-da-was.html

Bundeswehr raus aus dem Klassenzimmer

»Schüler sollen aus Gewissensgründen einer Bundeswehr-Veranstaltung in den Schulen fern bleiben können. Sie werden währenddessen anderweitig beschult.« Diese Forderung ist der Kern einer Petition, die der bayerische Elternverband eingereicht hat und die in der letzten Woche im Bildungsausschuss des bayerischen Landtags beraten wurde. In der Petition wird auch gefordert, dass in dem aus Lehrern, Eltern- und Schülervertretern zusammengesetzten Schulforum entschieden wird, ob Jugendoffiziere in die Schule eingeladen werden. Bisher lag das allein in der Verantwortung der Schulleitungen.

In der Begründung der Petition wird auf den Kooperationsvertrag zwischen den Schulbehörden und der Bundeswehr verwiesen, der dem Militär Einfluss auf die politische Bildung, sowie die Aus- und Fortbildung sichert. Dagegen regt sich zunehmend bei Schüler- und Elterngruppen, aber auch der GEW Widerstand. Daher hat die bayerische Petition auch bundesweit Beachtung gefunden. Organisationen wie »terre des hommes« zeigten Interesse an der antimilitaristischen Basisarbeit, die vom bayerischen Elternverband sowie der AG »Friedliche Schule« der Münchner GEW und vielen Friedensorganisationen geleistet wird. So soll am 23. November im Münchner DGB-Haus im Rahmen der antimilitaristischen Wochen eine Podiumsdiskussion unter dem Motto »Schule und Hochschule ohne Militär« stattfinden.

Zudem hat der bayerische Elternverband einen Musterantrag entwickelt, mit den Eltern die Befreiung vom Bundeswehrunterricht erklären können. Eine solche bundesweite Initiative könnte ein Kristallisationspunkt für eine antimilitaristische Arbeit an den Bildungseinrichtungen werden.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/211371.bundeswehr-raus-aus-dem-klassenzimmer.html

Peter Nowak

Umkämpfte Studienplätze

Studierst Du schon oder klagst Du noch? Dieses Bonmot könnte in den nächsten Wochen auf dem Campus die Runde machen. Immer mehr Studierende versuchen, auf den Klageweg das Studienfach ihrer Wahl durchzusetzen. Diese Entwicklung ist nicht unproblematisch. Denn es sind in erster Linie Kommilitonen aus der Mittelschicht, die oft mit Unterstützung ihrer Eltern den Klageweg beschreiten. Klagen statt streiken ist aber die falsche politische Strategie. Schon haben Universitätsleitungen angekündigt, der verstärkten Klagewelle ihrerseits juristisch begegnen zu wollen. Spätestens hier wird deutlich, dass das Recht kein neutrales Instrument sondern ein umkämpfter Raum ist. Deshalb ist es auch wichtig, den Zusammenhang von juristischen Schritten und gesellschaftlichem Protest deutlich zu machen. Wenn erst die Klagemöglichkeiten eingeschränkt werden, ist es dafür zu spät.

Da können die Studierende von den Erwerbslosen lernen. Nach der Einführung von »Hartz IV« ist die Zahl der Klagen vor den Sozialgerichten sprunghaft gestiegen. Das ist auch eine Spätfolge der Proteste gegen »Hartz IV«. Für eine emanzipative Studierendenbewegung könnte die Klagewelle also der Anlass sein, auf die chronische Unterfinanzierung des Bildungswesens hinzuweisen und dagegen Protest zu mobilisieren. Auch das Onlineportal www.einklage.de, das von Studentenvertretungen aus Berlin und Brandenburg eingerichtet wurde, ist eine begrüßenswerte Entwicklung hin zum Weg zu mehr Chancengerechtigkeit beim individuellen Kampf um einen Studienplatz. Dort gibt es Tipps und Informationen für das Prozedere des Einklagens. So können auch Studierende ohne viel Geld im Hintergrund zu ihren Recht kommen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/208849.umkaempfte-studienplaetze.html

Peter Nowak

Freie Schulen – eine Alternative?

Schule geht auch anders, lautet der inoffizielle Leitspruch der bundesweit 85 Freien Alternativschulen mit knapp 5700 Schülern, die sich am kommenden Wochenende in Berlin treffen. Diese Woche wurde auf einer Veranstaltung der anarchosyndikalistischen Freien Arbeiterunion (FAU) diskutiert, ob diese Schulen eine Alternative zum bisherigen Bildungssystem sind. Bei der selbstkritischen Debatte kamen nicht nur die Pluspunkte, wie flache Hierarchien, ein egalitärer Anspruch und basisdemokratische Entscheidungsstrukturen, zur Sprache. Dass die dort angestellten Lehrer ca. ein Drittel weniger als ihre Kollegen an staatlichen Schulen verdienen, liegt primär an den von dem Pädagogen Oliver Horn kritisierten staatlichen Förderkriterien. Trotzdem möchte man in den Ruf nach dem Ende des staatlichen Bildungsmonopols nicht einstimmen. Bisher schicken überwiegend Eltern aus dem Mittelstand ihre Kinder in Freie Schulen, oft auch mit dem durchaus nicht so alternativen Hintergedanken, dass diese dort schneller und besser lernen als an staatlichen Schulen, wie Ines Philipp vom Bundesverband Freier Alternativschulen kritisch anmerkte. Sollen die Kinder aus der viel geschmähten Unterschicht also sehen, wo sie bleiben?

Dass es an sozialer Sensibilität nicht fehlt, machte Nerine Buhlert vom Vorstand der Alternativschule am Berliner Mauerpark deutlich. Die wirbt gezielt – allerdings mit mäßigem Erfolg – um Kinder aus dem weniger wohlhabenden Wedding. In Bezug auf die Alternativbetriebe kam der Buchautor Arndt Neumann zu dem Fazit, sie hätten ihre politischen Ziele nicht umsetzen können, wurden aber gegen ihren Willen zum Vorreiter einer neoliberaler Deregulierung der Arbeitsbeziehungen. Um solche Effekte im Bildungsbereich zu vermeiden, sollte bei aller Unterstützung freier Schulen der Staat nicht aus der Verantwortung für eine gute Bildung für alle entlassen werden..

http://www.neues-deutschland.de/artikel/207363.freie-schulen-eine-alternative.html

Peter Nowak

Striktes Werbeverbot nicht hilfreich

Die Goethe Universität in Frankfurt am Main verzichtet in Zeiten chronisch leerer Klassen auf 130 000 Euro. So viel wollte sich der Mercedes-Konzern eine großflächige Werbung während der in der Mainmetropole tagenden internationalen Automobilausstellung vom 15. bis 25. September auf dem 116 Meter hohen AFE-Turm kosten lassen. Nachdem der Plan durch einen Bericht der »Frankfurter Rundschau« bekannt geworden war, war die Aufregung groß. Universitätssprecher Werner Müller-Esterl bekundete, wie schwer es ihm gefallen sei, den AFE-Turm, das Domizil der Frankfurter Geisteswissenschaftler, für Werbezwecke freizugeben. Auch der zuständige stellvertretende Leiter der Frankfurter Bauaufsicht, Rainer Kling, fragte sich, ob ausgerechnet an einem Unigebäude für Autos geworben werden soll. Nun hat Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) mit dem Statement »Geld ist nicht alles« Mercedes eine Absage erteilt.

Die meisten studentischen Gruppen werden ihrer OB applaudieren. Denn die haben sich kategorisch dagegen ausgesprochen, dass der AFE-Turm zur Litfaßsäule wird, wie es in einer Erklärung der Juso-Hochschulgruppe hieß. Etwas Differenzierter äußerte sich die Fachschaft Geisteswissenschaften. Auch dort wurde eine »Zweckentfremdung« des AFE-Turms und anderer Unigebäude durch Werbung abgelehnt. Aber es wurde auch daran erinnert, dass der Unicampus durch Werbung der unterschiedlichsten Art schon längst einer Fußgängerzone gleicht. Daher muss man sich schon fragen, wie sinnvoll es für linke Unigruppen ist in Zeiten, in denen Bildung zur Ware geworden ist und viele Unis ohne Sponsoren aus der Wirtschaft nicht mehr auskommen, ein striktes Werbeverbot zu propagieren? Wäre es nicht ehrlicher und auch subversiver zu fordern, die Sponsoren sollen sich durch Werbung an den Gebäuden kenntlich und damit auch kritisierbar machen?

http://www.neues-deutschland.de/artikel/205782.striktes-werbeverbot-nicht-hilfreich.html

Peter Nowak

Wächst jetzt die Angst?

Bilge Gecer über Zwangsexmatrikulationen an der Universität Köln / Bilge Gecer ist Referentin für die Hochschulpolitik und Bildung beim AStA der Universität Köln

ND: Vor einigen Tagen sorgte die Exmatrikulation von 32 Studierenden an der Kölner Universität für Aufsehen. Warum wurden die Kommilitonen exmatrikuliert?

Gecer: Die Studienordnung der 32 Diplom- und Magisteranwärter war ausgelaufen. Sie hatten die Frist für die Magisterzwischenprüfung zum Ende Wintersemester 2010 / 2011 nicht eingehalten. Die Universitätsverwaltung war nicht bereit, diese Frist zu verlängern. Die Universitätsleitung hatte schon im Frühjahr die Exmatrikulationen angekündigt und in den vergangenen Tage die Bescheide rausgeschickt.

Im Frühjahr war noch von bis 1600 Kommilitonen die Rede, die von der Exmatrikulierung betroffen sind. Ist es da nicht ein Erfolg, dass sie jetzt nur bei 32 Studierenden umgesetzt wurde?

Darin kann ich keinen Erfolg sehen. Studierende sind keine Nummern. Es kommt uns auf jeden einzelnen Fall an. Zudem werden über die unmittelbar Betroffenen hinaus alle Kommilitonen unter Druck gesetzt. Die Angst vor einem Versäumen der Fristen wächst. Unter diesen Umständen erhöht sich die Gefahr, bei wichtigen Prüfungen und Klausuren zu versagen, noch zusätzlich.

Warum konnten die Studierenden die Fristen nicht einhalten?

Die Gründe dafür sind sehr unterschiedlich. Einige haben sich hochschulpolitisch engagiert, das heißt, sie haben sich für andere Kommilitonen eingesetzt; das kostet Zeit. Andere mussten nebenbei arbeiten, um sich überhaupt ein Studium leisten zu können. Auch Studierende mit Behinderungen oder mit Kind gehören zu den Exmatrikulierten.

Was bedeutet das für die Betroffenen?

Sie sind erst einmal aus der Hochschule raus. Einige von ihnen haben es vielleicht geschafft, sich an anderen Hochschulen zu bewerben, wo sie ihr Studium fortsetzen können. Aber dann müssen sie aus der Stadt wegziehen, und ob das als die beste Lösung bezeichnet werden kann, ist sehr fragwürdig. Schließlich haben sich die Studierenden zum Studienbeginn für die Universität Köln entschieden, mit der Absicht ihr Studium hier erfolgreich abzuschließen. Es wird wohl bitter: Einigen Betroffene droht wahrscheinlich die Arbeitslosigkeit als Perspektive.

Wie können sich die Gemaßregelten wehren?

Wenn die Exmatrikulation erst einmal ausgesprochen ist, ist das schwierig. Aber: Juristisch mag die Maßnahme einwandfrei sein, trotzdem ist der Umgang mit den Studierenden nicht hinnehmbar. Es handelt sich hier schließlich nicht um Daten, die einfach so aus der Kartei genommen werden können, sondern um Menschen. Wir sind weiterhin bemüht, einen politischen Druck gegen die Exmatrikulationen aufzubauen.

Gibt es schon konkrete Projekte?

Mittlerweile wurde unter exmatrikulation.blogsport.de eine Internetseite eingerichtet, auf der Informationen zum Thema zusammengetragen werden, um eine Solidaritätserklärung zu verfassen, die online unterschrieben werden kann. Es haben sich neben verschiedenen studentischen Initiativen auch gewerkschaftliche Gremien gegen die Exmatrikulationen ausgesprochen.

Drohen an anderen Universitäten ähnliche Maßnahmen?

Köln ist keine Ausnahme. Es gibt Befürchtungen von Studierenden, dass auch an anderen Hochschulen solche Restriktionen geplant sind. Auch aus diesem Grund setzen wir uns für die Rücknahme der Exmatrikulationen in Köln ein. Wir wollen verhindern, dass daraus eine Pilotprojekt wird.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/205676.waechst-jetzt-die-angst.html

Interview: Peter Nowak

Solidemo für Roma

KREUZBERG Kundgebung gegen Forderung nach schneller Räumung des Görlitzer Parks

Mit einer Videokundgebung wollen sich antirassistische Gruppen am heutigen Montagabend mit den Roma solidarisieren, die seit einigen Wochen im Görlitzer Park leben. Sonja Wissel vom Protestbündnis erklärte, mit der Kundgebung wolle man auf den Druck von PolitikerInnen und Kreuzberger BewohnerInnen reagieren, die eine schnelle Räumung fordern. „Statt punktuell zu helfen, nötigen einige potenzielle WählerInnen das Bezirksamt Kreuzberg, aktiv zu werden“, kritisiert Wissel die Haltung mancher NachbarInnen. Das Bezirksamt Kreuzberg schiebe wiederum die Verantwortung an den Nachbarbezirk Mitte ab. Dort mussten die Roma ihre Wohnungen räumen.

Die Bezirke Mitte und Kreuzberg sind nach Gesprächen mit dem Senat seit gut zehn Tagen auf der Suche nach Alternativ-Wohnungen für die Familien – bislang ohne Erfolg.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2011%2F08%2F29%2Fa0146&cHash=799f27b8dd

Peter Nowak

Demo 19.30 Uhr, Eingang Görlitzer Park an der Skalitzer Straße

Wer nicht schnell studiert, fliegt

Die Kölner Universität will Studierende aus Diplom- und Magisterstudiengängen exmatrikulieren, weil sie ihre Studienzeit überzogen haben. Studentenvertreter fürchten, dass das Beispiel Schule macht

Die Universität Köln will 32 Studierende aus Diplom- und Magisterstudiengängen exmatrikulieren, weil sie ihre Studienzeit überzogen haben. Damit hat die Universitätsverwaltung vor, eine Drohung umzusetzen, die schon seit Monaten im Raum stand. Im Frühjahr war noch von bis zu 1.600 Studierenden die Rede, denen die Exmatrikulation droht, wenn sie sich nicht mit dem Studium beeilen.

Hintergrund ist die Umstellung auf das Bachelor- und Mastersystem, das im Zuge des Bologna-Prozesses die bisherigen Studiengänge ersetzen soll. Dort sind klare Termine für den Studienablauf festgelegt. Daran sei nicht zu rütteln, sagt ein Sprecher der Uni gegenüber der Süddeutschen Zeitung.

„Die meisten Studenten könnten ja in einen Bachelor-Studiengang wechseln.“

Studierendenverbände schlagen Alarm und sehen sich in ihrer grundsätzlichen Kritik an der Bachelor- und Masterregelung bestätigt. Der Freie Zusammenschluss von StudentInnenschaften (fzs) sieht in der Maßnahme der Kölner Universität eine neue Eskalationsstufe.

„Dass die Umstellung auf das Bachelor-/Mastersystem zu Lasten der Studierenden abläuft, ist nichts Neues. Mit den Zwangsexmatrikulationen ist nun jedoch eine Stufe erreicht, die Studierendenvertretungen nicht hinnehmen werden.“

Die Aktivsten weisen darauf hin, dass von der drohende Exmatrikulation Gruppen besonders betroffen sind, die schon bisher geringere Chancen hatten. „Studierende mit chronischen Krankheiten, mit Kindern, Studierende, die Angehörige pflegen oder auch gesellschaftlich engagierte Studierende müssen von den Hochschulen gefördert und nicht herausgeworfen werden“, heißt es in der Erklärung des fzs. Mehrere politisch aktive Studierende befinden sich in der von der Exmatrikulation bedrohten Gruppe.

Damit werde gesellschaftliches Engagement mit Füßen getreten, moniert die Berliner Landesastenkonferenz. Tatsächlich dürfte mit den Exmatrikulationsdrohungen die schon bisher nicht besonders stark ausgeprägte Bereitschaft zum politischen Engagement an der Hochschulen, nicht gefördert werden.

Daher ist auch der Protest von aktiven Studierenden bundesweit groß. Selbst mitten in den Semesterferien haben sich sofort die AstAs einiger Hochschulen mit Kritik an der Kölner Maßnahme zu Wort gemeldet. „Hier geht es nicht um die Frage, in welcher Ordnung welche Regeln wie angewendet werden können, sondern um etwas Grundlegendes. Die Lehrenden haben nicht zu entscheiden, ob Studierende weiterstudieren dürfen oder nicht. Die Studierenden maßen sich auch nicht an, den Lehrenden das Lehren zu verbieten“, so Hannah Eberle, Referentin für Bildungspolitik im AStA der TU Berlin.

Pilotprojekt Köln?

Manche Studierende fürchten, dass die Kölner Entscheidung, wenn sie Bestand haben sollte, ein Pilotprojekt sein könnte, das auch an anderen Hochschulstandorten Nachahmer finden könnte. So hatte bereits im Mai 2011 der Brandenburger Landesausschusses der Studierenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft vor Zwangsexmatrikulationen an der Potsdamer Universität gewarnt.

4.300 Studierende und damit ein Fünftel aller derzeitigen Studierenden der Uni sei vom Auslaufen der traditionellen Abschlüsse Magister und Diplom ab dem Jahr 2012 betroffen. Die Potsdamer Hochschuöleitung hatte diese Befürchtungen sofort zurückgewiesen.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/150380

Peter Nowak