Gleiche Pflege, ungleicher Lohn

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit in Ost und West- dafür streiken die Beschäftigten der Alpenland Pflege GmbH seit Mitte August.

Alpenland – der Name erinnert an die Berge. Doch die Pflegefirma mit diesem Namen liegt am Fuße des Biesdorfer Schlosses in Berlin-Marzahn. Der Grund, warum die bayerische Firma dort ein Unternehmen aufgebaut hat, ist äußerst profan. Im Osten Berlins sind die Löhne immer noch niedriger als im Westteil der Stadt. Der Unterschied beläuft sich monatlich auf bis zu 170 Euro, rechnet Meike Jäger vor. Die ver.di-Sekretärin hat mittlerweile Hausverbot im Marzahner Pflegeheim. Denn dort ist die Belegschaft seit dem 18. August im Streik. Die Angleichung der Löhne auf das Westniveau gehört zu den zentralen Forderungen. Daneben wollen die Beschäftigten verhindern, dass ihre Arbeitszeit weiter flexibilisiert wird. »Bisher können wir über unsere Arbeitseinsätze entscheiden. Das soll auch so bleiben«, meint eine Beschäftigte, die in eine dicke Decke eingehüllt gegenüber dem Eingang des Pflegeheims in Biesdorf auf einer Holzbank sitzt. Sie gehört zum harten Kern von rund 40 Beschäftigten, die dort täglich die Streikwache stellen.

Die Stimmung ist gelöst. Doch, wenn sie auf den Grund ihres Ausstands zu sprechen kommen, ist ihnen nicht nach Scherzen zumute. »Wir sind seit 63 Tagen im Streik. Wo bleibt die Öffentlichkeit«, fragt eine Frau. Auch Jäger beklagt die Schwierigkeiten, die Forderungen der Beschäftigten bekannt zu machen. Schließlich handelt es scheinbar nur um einen Ausstand in einem Pflegeheim am Rande Berlins.

Doch tatsächlich hat der Ausstand eine viel grundsätzlichere Bedeutung, meint Norbert Paas. Der ver.di-Sekretär aus Frankfurt/Oder unterstützt die Streikenden in Marzahn. Das Grundproblem besteht für ihn darin, dass die Pflege mittlerweile immer stärker Profitinteressen unterworfen wird. Das bekommen die Beschäftigten ebenso zu spüren wie die Menschen, die in den Pflegeheimen leben. Auch in Frankfurt/Oder gibt es Probleme in Pflegeeinrichtungen der Arbeiterwohlfahrt AWO ebenso wie in städtischen Einrichtungen. Auch die von den Unternehmern gewollte Aufspaltung der Belegschaft sieht Paas kritisch »Wenn Neueingestellte 500 Euro mehr verdienen als Beschäftigte, die länger arbeiten, ist Solidarität schwer herzustellen.« Dabei betont Paas, dass er den Neueingestellten die bessere Bezahlung gönnt. Er fragt aber, warum nicht alle Beschäftigten davon profitieren.

Auch bei Alpenland ist die Solidarität unter den Beschäftigten immer ein Thema. Den 40 regelmäßigen Streikaktiven steht eine fast gleich große Zahl von Beschäftigten gegenüber, die individuelle Verträge mit den Unternehmen geschlossen haben und sich am Ausstand nicht beteiligen. Dabei haben sie sich aber zusichern lassen, dass sie davon partizipieren werden, wenn es den Streikenden gelingt, sich mit ihren Forderungen durchzusetzen. Daneben gibt es eine schweigende Mehrheit in der Belegschaft, die weder einen individuellen Vertrag unterschrieben hat, sich aber auch nicht am Streik beteiligt. »Da wird die Solidarität der aktiven Kollegen schon stark strapaziert«, betont Jäger.

Umso wichtiger sei da deiUnterstützung von außen. So war die Freude groß, als sich die ver.di-Senioren anmeldeten. Gerade jetzt, wo die Temperaturen fallen und bald eine Feuertonne für Wärme bei der Streikwache sorgen wird, fragen sich viele, wie lange sie noch durchhalten werden. Doch noch sagt die Mehrheit der Aktiven, wir lassen uns nicht unterkriegen, wenn der Unternehmer sich nicht bewegt. Nach mehr als einem Monat wurden gestern die Verhandlungen mit Alpenland fortgesetzt. Sie dauerten bei Redaktionsschluss dieser Seite an.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/209390.gleiche-pflege-ungleicher-lohn.html

Peter Nowak