Kungerkiez wird teurer

SOZIALE STADT MieterInnen einer landeseigenen Wohnungsgesellschaft protestieren gegen Mieterhöhungen
„Treppe rauf – Mieten runter“ und „Mieten streichen“, lauten die Parolen auf Plakaten, mit denen die Wohnungsbaugesellschaft „Stadt und Land“ um MieterInnen wirbt. „Die Poster könnten wir jetzt gut gebrauchen“, sagt Karl Richter und lacht. Er ist einer von rund 30 MieterInnen aus dem Alt-Treptower Kungerkiez, die am Montagvormittag die Geschäftsführung von „Stadt und Land“ zur Rücknahme der Mieterhöhungen für 332 BewohnerInnen aufforderten.

„Zum 1. April 2010 soll die Durchschnittsmiete dieser Wohnungen um 0,37 Euro pro Quadratmeter steigen, was einer durchschnittlichen Erhöhung von etwa 9 Prozent entspricht“, bestätigt Andrea Setzepfandt der taz. Sie ist bei der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.

„Innerhalb von zweieinhalb Jahren hat sich meine Miete um 50 Euro erhöht“, berichtet eine ältere Frau am Montag. Ein Ehepaar klagt, seit ihrem Einzug im Jahr 1994 sei die Wohnung nicht saniert, die Miete aber kräftig erhöht worden. Hartz-IV-Empfänger könnten so ihre Wohnungen verlieren, weil das Jobcenter die volle Miete nicht mehr übernimmt, befürchteten mehrere Protestierende. In Härtefällen sei die Wohnungsbaugesellschaft zu individuellen Lösungen bereit, meine der Prokurist von „Stadt und Land“, Bernhard Schütze, der eine Protestnote der Mieter entgegennahm. Zusagen über eine Rücknahme der Mieterhöhungen wollte er nicht machen. „Die Erhöhungen liegen im Rahmen des Mietspiegels“, argumentierte er. Fragen nach Unternehmensgewinnen von 7,8 Millionen Euro im letzten Jahr wollte er nicht beantworten.

„Die Wut der MieterInnen ist groß“, betonte eine Aktivistin der Treptower Stadtteilinitiative Karla Pappel, die die Mieter unterstützt. Ihre Gruppe sieht auch die sechs Baugruppen rund um den Kungerkiez als Teil einer Begünstigung einer mittelschichtsorientierten Stadtteilpolitik zum Nachteil von Menschen mit geringem Einkommen.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2010%2F03%2F09%2Fa0069&cHash=46dc08c172

PETER NOWAK

Generation Mauerpark wieder auf der Straße

Protest gegen die geplante Bebauung Peter Nowak
Viele hatten nicht damit gerechnet, dass in Prenzlauer Berg noch gegen
Gentrifizierung protestiert würde. Doch dann demonstrierten im Herbst mehr als 2000 Menschen gegen den geplanten Bau von Wohnungen für den vermögenden
Mittelstand zwischen Wedding und Prenzlauer Berg.
Christian Rippel ist Pressesprecher der Initiative
„Mauerpark Fertigstellen“, die in den
letzten Monaten Lobbyarbeit für den Mauerpark
gemacht hat. Zu ihren Aktionen gehörten
Feste im Mauerpark, Anwohnerversammlungen
und als Höhepunkt die Demonstration.
Rippel betont, dass die Initiative nicht nur
gegen die Bebauungspläne des Bezirks Mitte
ist, sondern vielmehr fordert, dass der Mauerpark
endlich vollendet werde. Dabei hat sie
Mitglieder der Parteien Die Linke, Bündnis
90/Die Grünen und sogar der CDU auf ihrer
Seite. So heißt es in den vom CDU-Ortsverband
Brunnenstraße verfassten Text „10 Punkte zu
Mauerpark und Brunnenviertel“: „Die Fertigstellung
des Mauerparks auf der Weddinger
Seite muss nach 15 Jahren Verzögerung endlich
realisiert werden. (…) Der voranschreitende
Weiterverkauf der zur Fertigstellung des
Parks benötigten Grundstücke an private
Investoren führt zu immer neuen Ansprechpartnern
und immer komplexeren Interessenlagen.“
Initiative verweist auf die finanziellen
Einbußen, falls sich die Fertigstellung des
Mauerparks weiter verzögere. Die Allianz-
Umweltstiftung förderte vor 15 Jahren den von
Stadtteilinitiativen geforderten und im Zuge
der damaligen Olympia-Bewerbung realisierten
Ausbau des Mauerparks als städtische
Grünfläche mit 4,5 Millionen DM. Damit war
allerdings die Auflage verbunden, den Park bis
2010 auf mindestens zehn Hektar zu vergrößern.
Bis heute fehlen zwei Hektar, und nun
soll ein etwa 30 Meter breiter Streifen mit
sechsgeschossigen Häusern bebaut werden.
Ein Bruch der Vereinbarung würde bedeuten,
dass die Allianz-Umweltstiftung die Förderung
zurückverlangen könnte. Angesichts leerer
Kassen würde das die Bezirksverwaltung gewaltig
unter Druck setzen.
Unterschiedliche Protestgründe
Vor allem drei Gründe mobilisieren die Menschen:
Erstens würde die Trennung zwischen den Stadtteilen noch verstärkt. Schon jetzt ist
das soziale Gefälle zwischen dem neuen Mittelstand
in Prenzlauer Berg und den Arbeiterfamilien,
oft mit Migrationshintergrund, im
Wedding groß. „Wenn die geplante Bebauung
Realität würde, könnten die Weddinger in die
Klofenster der neuen Reichen blicken“, bringt
es Rippel auf den Punkt. Der zweite Grund für
den Protest ist die drohende Zerstörung einer
Grünfläche, und drittens droht der Verlust
eines Raums für Kultur. Der Mauerpark ist seit
Mitte der 90er Jahre ein Ort, wo musiziert,
getrommelt und gefeiert werden kann, ohne
dass gleich die Polizei einschreitet. Das dürfte
sich mit den neuen Anwohner/innen schnell
ändern, befürchtet nicht nur Rippel.
Er zählt sich selbst zur „Generation Mauerpark“
– zu jenen, die aus Prenzlauer Berg,
Pankow oder Mitte stammend, in den 90er
Jahren als Jugendliche ihre Freizeit im Mauerpark
verbrachten. Damals hatten Einrichtungen
wie eine legale Sprayer-Wand und das
subkulturelle Flair des Stadtteils eine große
Ausstrahlungskraft. Obwohl viele heute in
anderen Stadtteilen wohnen, beteiligen sie
sich am Protest gegen die Baupläne. Und auch
den in den letzten Jahren zugezogenen Eltern
ist der Park wichtig und sie beteiligen sich an
den Aktionen.
Rippel betont, dass seine Initiative auf einen
Mauerpark ohne Polizei Wert legt. Auch privat
organisierte Kiezstreifen würden nicht akzeptiert
und seien sowieso völlig unnötig. Bisher
seien die Nutzer/innen ohne Ordnungskräfte
klargekommen, Probleme habe man ohne
polizeiliche Maßnahmen geregelt, und das
solle auch künftig so bleiben.
Rolle der Vivico
Auf einer Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung
in Mitte am 25. November 2009,
bei der Politiker der Parteien Die Linke und
Bündnis 90/Die Grünen die Freunde des
Mauerparks unterstützten, wurde die Entscheidung
über die Bebauung vertagt. Einstweilen
will die Initiative die Rolle der Immobiliengesellschaft
Vivico Real Estate stärker
thematisieren. Die Vivico ist die Eigentümerin
der Fläche des Mauerparks und wurde 2008
vom Bund an eine österreichische Immobiliengruppe
verkauft. Das Ziel der Vivico ist, einen
möglichst großen Teil des Areals als Bauland
auszuweisen und gewinnbringend zu verkaufen.
Somit ist die Vivico die eigentliche
Kontrahentin der Mauerpark-Freund/innen.

http://www.bmgev.de/mieterecho/mepdf/me338heft.pdf

Peter Nowak

Wenn Wohnen zum Luxus wird

Aktivisten wollen sich gegen die Verdrängung von erwerbslosen Mietern in Bezirken wehren

In der Aula des Leibniz-Gymnasiums in Kreuzberg berieten Donnerstagabend Aktivisten von Mieterinitiativen und Stadtteilgruppen mit Politikern, Stadtforschern und Wissenschaftlern über die Frage, ob das Wohnen in der Innenstadt bald zum Privileg der Besserverdienenden wird. Eingeladen hatten u.a. die Stadtplanungsgesellschaft Topos, das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg und der Stadtteilausschuss Kreuzberg.

Schnell war man sich über den Befund einig, dass junge Familien und Alleinerziehende in bestimmten Stadtteilen Schwierigkeiten haben, eine Wohnung zu finden. Insgesamt 428 Erwerbslose waren in den ersten neun Monaten des letzten Jahres von Zwangsumzügen betroffen, berichtete der Staatssekretär für Soziales Rainer-Maria Fritsch. 2008 waren es 597. Anne Seeck gehörte dazu. Die Aktivistin des Neuköllner Erwerbslosentreffpunktes musste ihre Neuköllner Wohnung räumen, weil das Jobcenter die Miete für die Hartz- IV-Empfängerin nicht übernahm.

»Ich hatte rechtliche Hilfe, aber führte den Kampf individuell, weil es im Haus keinen Zusammenhalt gab. Beim nächsten Mal werde ich mich nicht so leicht verdrängen lassen«, betonte Seeck unter Applaus. Die zahlreichen Transparente und Aufrufe gegen Mietsteigerung und Verdrängung machten deutlich, dass sie damit nicht allein ist. Die Wut über die Wohnungsmisere nimmt zu.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/163630.wenn-wohnen-zum-luxus-wird.html