„Der Kapitalismus muss weg“

Athanasios Karathanassis ist Lehrbeauftragter an der Universität Hannover. Im Jahr 2015 hat er im VSA-Verlag das Buch „Kapitalistische Naturverhältnisse. Ursachen von Naturzerstörungen – Begründungen einer Postwachstumsökonomie“ herausgegeben. Der vorwärts sprach mit dem Soziologen über den Pariser Klimagipfel, Naturzerstörung und den Kapitalismus.

vorwärts: Der Pariser Klimagipfel ist Geschichte und hinterher gaben sich fast alle zufrieden. Wie würden Sie im zeitlichen Abstand einiger Wochen die Ergebnisse beschreiben?
Athanasios Karathanassis: Angesichts des nicht mehr zu leugnenden Klimawandels musste es nach all den gescheiterten Verhandlungen das vordringlichste Ziel sein, Erfolge zu präsentieren. So wird ein Minimalkonsens auf Basis einer „freiwilligen Verbindlichkeit“
ohne Sanktionsmöglichkeiten als historischer Durchbruch interpretiert. Die Ergebnisse des Gipfels haben so den Charakter eines moralischen Imperativs. In der Praxis wird die Moral aufgrund mächtiger ökonomischer und politischer Interessen, die ihr entgegenstehen, aber in ihre Schranken verwiesen. Erfolg misst sich letztlich nicht daran, was ausgehandelt wird, sondern an konkreten praktischen Massnahmen. Und es sollte auch nicht – wie auf der COP 21 beschlossen – erst nach fünf Jahren überprüft werden, ob diese auch wirklich umgesetzt wurden. Wäre man vom Erfolg der Verhandlungen so überzeugt, wie es nach aussen scheint, wären Rücktrittsankündigungen verantwortlicher Politikerinnen und Unternehmensschliessungen nur konsequent, falls es in bestimmter Zeit nicht gelingt, klimarelevante Gase signifikant zu senken.
vorwärts: Was wäre für Sie der Massstab für einen Gipfelerfolg gewesen?
Athanasios Karathanassis: Eine wirklich historische Wende hin zu einer „Dekarbonisierung“ wäre etwas anderes gewesen: Das verbindliche Abschalten von Kohlekraftwerken, das sofortige Bereitstellen der erforderlichen finanziellen Mittel für den Aufbau regenerativer
Energiequellen, die ersetzend und nicht ergänzend zu fossilen eingesetzt werden und vieles mehr. Würden Dekarbonisierungsmassnahmen nicht umgesetzt, müssten spürbare und schnellstmögliche ökonomische Sanktionen folgen. Ein Grossteil der fossilen Energieträger musste also in der Erde bleiben; das bedeutete aber entgangene Profite. All das geschieht nicht oder nicht ausreichend, so dass sich auch hier mal wieder zeigt, wie mit zweierlei Mass gemessen wird. Im Zuge der globalen Wirtschaftskrise von 2008 war es äusserst schnell und unbürokratisch möglich, „Rettungsschirme“ in Milliardenhöhe für systemrelevante
Banken auf Kosten von Millionen von Menschen bereitzustellen. Die Menschen und die äussere Natur, die von der Klimakrise betroffen sind, scheinen nicht als systemrelevant zu gelten. Das System der Kapitalakkumulation hat also Priorität. Es scheint so, als müsse
man sich einer versachlichten, gottähnlichen Macht – der Macht der Kapitale – alternativlos beugen. Doch zumindest eines ist klar: Es gibt keine Alternativen zur Natur; es gibt auch keine Alternativen zur Ökonomie, aber es gibt Alternativen zur kapitalistischen Form der
Ökonomie.


vorwärts: In den Reihen der Klimabewegten wird auch der Kapitalismus kritisiert, zum Beispiel in dem Buch „Die Entscheidung: Kapitalismus vs. Klima“ von Naomi Klein. Wie tief geht deren Kapitalismuskritik?

Athanasios Karathanassis: Die Qualität von „Kapitalismus vs. Klima“ liegt darin, ein Türöffner für einen kritischen Blick auf kapitalistische Naturverhältnisse sein zu können. Es weist also in die richtige Richtung, bleibt aber zumeist bei einer Kritik am Neoliberalismus,
was eine Verkürzung ist, die nur eine Variante des Kapitalismus in den Vordergrund stellt. Fragen nach den gesellschaftlich-ökonomischen Ursachen des Klimawandels und weiteren krisenhaften Naturveränderungen lassen sich aber nur durch tiefer gehende Kritik an kapitalistischen Grundprinzipien, die in allen kapitalistischen Phasen existieren und in verschiedenen historischen Varianten ihrer Umsetzung ihre praktische Wirkkraft entfalten, beantworten. Hierzu gehört zuallererst die allen Kapitalismen innewohnende Masslosigkeit in einer begrenzten Welt.


vorwärts: Sie haben im VSA-Verlag ein Buch mit dem Titel „Kapitalistische Naturverhältnisse“ veröffentlicht. Was verstehen Sie darunter und welche Rolle spielt die marxsche Ökonomiektitik dabei?

Athanasios Karathanassis: Zunächst einmal sollte man betonen, dass Marx mehr als einen Blick für den kapitalistischen Umgang mit der Natur hatte. Das liesse sich mit einer Reihe von Zitaten belegen. Aber insbesondere seine Kritik der Politischen Ökonomie ist geeignet,
über die Analyse ökonomischer Gesetzmässigkeiten Verhältnisse von Kapital und Natur zu entschlüsseln. Diese Kritik ist zwar nicht ausreichend aber unerlässlich. In „kapitalistische Naturverhältnisse“ geht es, verkürzt gesagt um die Fragen, wie der Kapitalismus
mit der Natur umgeht, was die Gründe dafür sind, welche Folgen das hat und welche Bedeutung das letztlich für die Entwicklung gesellschaftlich-ökonomischer Alternativen hat. Eine Abgrenzung vom marxschen Fortschrittsglauben, wie zum Beispiel im „Kommunistischen Manifest“ beschrieben, ist hierbei insbesondere für die Skizzierung dieser Alternativen wichtig, da – anknüpfend an Walter Benjamins kritischen Verweis auf das marxsche Revolutions- und Fortschrittsverständnis – nicht nur die Geschwindigkeit der Entwicklung, sondern vor allem die Richtung des Fortschritts in Frage gestellt werden muss.


vorwärts: Ein Kapitel Ihres Buches befasst sich mit postfordistischen Naturverhältnissen. Was sind deren besondere Kennzeichen?

Athanasios Karathanassis: Postfordistische Naturverhältnisse sind zunächst nicht dadurch gekennzeichnet, dass mit wesentlichen fordistischen Wachstumstreibern, wie zum Beispiel der Steigerung der Produktivkräfte oder des Massenkonsums, gebrochen wird. Im
Gegenteil: Sie werden auf entwickelterer Stufe, etwa durch Mikroprozessoren gesteuerte Produktionssysteme und elektronische Massenwaren, weitergeführt, so dass Märkte durch Informations- und Kommunikationstechnologien erweitert und vertieft werden. Der Einzug von „Biotechnologien“ in Produktionsprozesse und die Zunahme gentechnisch veränderter Waren kennzeichnen ebenfalls eine neue Qualität im Umgang mit der Natur. Diese wird nicht mehr nur von aussen, sondern nun auch von innen nach renditeorientierten Kriterien verändert. Kriterien der Kapitalverwertung werden so der Natur innerlich. Ähnlich wie es zunehmend von Lohnarbeitenden gefordert wird, die Interessen des Unternehmens zu verinnerlichen, sich mit diesem bis zur Unkenntlichkeit ihres Selbst zu identifizieren,
werden der Natur ihr fremde „Gesetze“ aufgezwungen. Diese globalen Überformungen sind nur einige neue Schritte der Gestaltung von Gesellschaften und Natur nach den Massgaben der Kapitalrentabilität. So sind wir auf dem Weg zu einer globalen „Kapitalgesellschaft“, in der sowohl die Menschen als auch die äussere Natur zunehmend als Mittel zum Zweck der Profitmaximierung instrumentalisiert werden.


vorwärts: In den letzten Kapiteln sprechen Sie von einer Postwachstumsökonomie. Was verstehen Sie darunter?

Athanasios Karathanassis: Um nur einige Schlagworte zu nennen: Ökonomische Prozesse würden nicht mehr auf maximalen Output abzielen, sondern müssten nach Kriterien der Bedarfsdeckungslogik umgestaltet werden. Das heisst, dass die Ökonomie nicht überall
schrumpft, sondern nur das Übermass an Produktion, Verkehr und Konsum verschwindet. Das hätte auch ein gänzlich anderes Krisenverständnis zur Folge. Möglich wäre das nur, wenn an Stelle von Kapitallogiken Logiken der Bedarfsdeckung zur Praxis werden. Problematisch ist hierbei aber nicht nur die Bedarfsbestimmung; was Mensch wirklich braucht, ist nur eine von vielen Fragen einer damit verbundenen Konsumkritik. Entscheidend ist in einer Postwachstumsökonomie, dass weniger stoffgebundene ökonomische
Prozesse stattfinden, denn die Entkopplung von Wachstum und Naturverbrauch und -Zerstörung ist trotz Fortschritten in der Energie- und Materialeffizienz nicht möglich. Man braucht also eine umfassende Wende, sozusagen eine positive Krise, die nicht nur einen
Wertewandel anstrebt und politische Machtverhältnisse in Frage stellt; es ist insbesondere  eine andere Ökonomie notwendig, die nicht mehr auf massloses Wachstum abzielt und vortäuscht, Massenkonsum sei für das Wohl der Menschheit unumgänglich. Das reicht selbstverständlich nicht aus, eine Postwachstumsökonomie zu umreissen. Es kann nur die Richtung andeuten, vieles ist noch unklar, muss beforscht und praktisch entwickelt werden.
vorwärts: In ihren 16 Thesen zur Leipziger Degrowth-Konferenz im Jahr 2014 schreibt die Interessengemeinschaft Roboterkommunismus: „Der Kardinalfehler der gesamten Bewegung besteht in ihrer Überhöhung des Wachstums zum Inbegriff aller Übel, zum scheinbar letzten Grund gesellschaftlicher Prozesse und somit auch zum Hebelpunkt einer qualitativen politischen Veränderung.“ Würden Sie dieser These zustimmen?
Athanasios Karathanassis: Ein Defizit des „Degrowth-Mainstreams“ ist die nicht ausreichende Verknüpfung von Wachstums- und Kapitalismuskritik. Gäbe es diese, wäre es klarer, dass Kapitalismus ohne Wachstum und somit auch ohne wachsenden Ressourcenverbrauch und Schadstoffemissionen nicht möglich ist. Bisherige Effizienzfortschritte oder naturschonende Lebensweisen reichen nicht aus und werden von den kapitalistischen Wachstumsausmassen bei weitem überkompensiert. Eine Wachstumskritik, die auf halbem Weg verharrt, kann bestenfalls zur Entschleunigung aber nicht zur Verhinderung von Katastrophen beitragen.


vorwärts: Nach der Lektüre Ihres Buches muss man zu dem Fazit kommen: Im Kapitalismus ist ein Ende der Naturzerstörung nicht möglich. Wäre da eine Revolution nicht der beste Beitrag für den Umweltschutz?

Athanasios Karathanassis: Wenn Probleme letztlich nur dann gelöst werden können, wenn ihre Ursachen beseitigt werden, dann bedeutet das, dass gesellschaftliche Grosskrisen, wie die Ausmasse der Naturzerstörung oder Massenarmut nur dann gelöst werden können, wenn wesentliche Ursachen dieser beseitigt werden. Und damit ist klar: Der Kapitalismus muss weg und emanzipatorischer Widerstand ist im wahrsten Wortsinn notwendig. Offen ist jedoch, auf welchen Wegen das möglich sein wird, so dass die Postkapitalismen auch wirklich emanzipatorisch sein werden. Die Frage, inwieweit das realistisch ist, möchte ich mit Herbert Marcuse beantworten, der sagte: „Der unrealistische Klang dieser Behauptung deutet nicht auf ihren utopischen Charakter hin, sondern auf die Gewalt der Kräfte, die ihrer Verwirklichung im Wege stehen.“

Interview: Peter Nowak
Quelle:
vorwärts – die sozialistische Zeitung.
Nr. 05/06 – 72. Jahrgang – 12. Februar 2016, S. 5
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft vorwärts, PdAS
und ihre Deutschschweizer Sektionen
Redaktion: Vorwärts, Postfach 2469, 8026 Zürich
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Internet: www.vorwaerts.ch

»Man braucht eine positive Krise«

Der Politik- und Sozialwissenschaftler Athanasios Karathanassis lehrt an den Universitäten von Hannover und Hildesheim. Im vergangenen Jahr erschien im VSA-Verlag sein Buch »Kapitalistische Naturverhältnisse. Ursachen von Naturzerstörungen – Begründungen einer Postwachstumsökonomie«. Die Jungle World sprach mit Karathanassis über seine ­Kritik am Kapitalismus, an marxistischen Wachstumsfetischisten sowie an der ­Umweltbewegung.

Nach dem Pariser Klimagipfel (COP 21) Ende vergangenen Jahres gaben sich hinterher fast alle Teilnehmer zufrieden. Wie würden Sie, mit einigen Wochen zeitlichem Abstand die Ergebnisse beschreiben?

Angesichts des nicht mehr zu leugnenden Klimawandels musste es nach all den gescheiterten Verhandlungen das vordringlichste Ziel sein, Erfolge zu präsentieren. So wird ein Minimalkonsens auf der Basis einer »freiwilligen Verbindlichkeit« ohne Sanktionsmöglichkeiten als historischer Durchbruch interpretiert. Die Ergebnisse des Gipfels haben den Charakter eines moralischen Imperativs. In der Praxis wird die Moral aufgrund mächtiger ökonomischer und politischer Interessen, die ihr entgegenstehen, aber in ihre Schranken verwiesen.

Erfolg misst sich letztlich nicht daran, was ausgehandelt wird, sondern an konkreten praktischen Maßnahmen. Und es sollte auch nicht – wie auf der COP 21 beschlossen – erst nach fünf Jahren überprüft werden, ob diese auch wirklich umgesetzt wurden. Wäre man vom Erfolg der Verhandlungen so überzeugt, wie es nach außen scheint, wären Rücktrittsankündigungen verantwortlicher Politiker und Unternehmensschließungen nur konsequent, falls es in einer bestimmten Zeit nicht gelingt, den Ausstoß klima-relevanter Gase signifikant zu senken. Diese blieben bisher aus und der notwendige grundlegende Wandel wurde auch nicht beschlossen.

Was wäre für Sie der Maßstab für einen Gipfelerfolg gewesen?

Eine wirklich historische Wende hin zu einer »Dekarbonisierung« wäre etwas anderes gewesen: das verbindliche Abschalten von Kohlekraftwerken, das sofortige Bereitstellen der erforderlichen finanziellen Mittel für den Aufbau regenerativer Energiequellen, die ersetzend und nicht ergänzend zu fossilen eingesetzt werden, und vieles mehr. Würden Dekarbonisierungsmaßnahmen nicht umgesetzt, müssten spürbar und schnellstmöglich ökonomische Sanktionen folgen. Ein Großteil der fossilen Energieträger müsste also in der Erde bleiben; das würde aber entgangene Profite bedeuten. All das geschieht nicht oder nicht ausreichend, so dass sich auch hier wieder einmal zeigt, wie mit zweierlei Maß gemessen wird. Im Zuge der globalen Wirtschaftskrise von 2008 war es äußerst schnell und unbürokratisch möglich, »Rettungsschirme« in Milliardenhöhe für systemrelevante Banken auf Kosten von Millionen von Menschen bereitzustellen. Die Menschen und die äußere Natur, die von der Klimakrise betroffen sind, scheinen nicht als systemrelevant zu gelten. Das System der Kapitalakkumulation hat also Priorität. Es scheint so, als müsse man sich einer versachlichten, gottähnlichen Macht – der Macht der Kapitale – alternativlos beugen. Doch zumindest eines ist klar: Es gibt keine Alternativen zur Natur; es gibt auch keine Alternativen zur Ökonomie, aber es gibt Alternativen zur kapitalistischen Form der Ökonomie.

Sie haben im VSA-Verlag ein Buch mit dem Titel »Kapitalistische Naturverhältnisse« veröffentlicht. Was verstehen Sie darunter und welche Rolle spielt die Marxsche Ökonomiekritik dabei? Insbesondere da in der Umweltbewegung Marx vorgeworfen wird, ein Anhänger des kapitalistischen Fortschrittsdenkens gewesen zu sein und keinen Blick für die Probleme der Umwelt gehabt zu haben.

Zunächst einmal sollte man betonen, dass Marx mehr als einen Blick für den kapitalistischen Umgang mit der Natur hatte. Das ließe sich mit einer Reihe von Zitaten belegen. Aber insbesondere seine Kritik der politischen Ökonomie ist geeignet, über die Analyse ökonomischer Gesetzmäßigkeiten das Verhältnis von Kapital und Natur zu entschlüsseln. Diese Kritik ist zwar nicht ausreichend, aber unerlässlich.

In »Kapitalistische Naturverhältnisse« geht es verkürzt gesagt um die Frage, wie der Kapitalismus mit der Natur umgeht, was die Gründe dafür sind, welche Folgen das hat und welche Bedeutung das letztlich für die Entwicklung gesellschaftlich-ökonomischer Alternativen hat.

Eine Abgrenzung vom Marxschen Fortschrittsglauben, wie beispielsweise im »Kommunistischen Manifest« beschrieben, ist insbesondere für die Skizzierung dieser Alternativen wichtig, da – anknüpfend an Walter Benjamins kritischen Verweis auf das Marxsche Revolutions- und Fortschrittsverständnis – nicht nur die Geschwindigkeit der Entwicklung, sondern vor allem die Richtung des Fortschritts in Frage gestellt werden muss.

Ein Kapitel Ihres Buches befasst sich mit postfordistischen Naturverhältnissen. Was kennzeichnet diese?

Postfordistische Naturverhältnisse sind zunächst nicht dadurch gekennzeichnet, dass mit wesentlichen fordistischen Wachstumstreibern gebrochen wird, zum Beispiel der Steigerung der Produktivkräfte oder dem Massenkonsum. Im Gegenteil, sie werden auf höherentwickelter Stufe weitergeführt, etwa durch von Mikroprozessoren gesteuerte Produktionssysteme und elektronische Massenwaren, so dass Märkte durch Informations- und Kommunikationstechnologien erweitert werden. Der Einzug von »Biotechnologien« in Produktionsprozesse und die Zunahme gentechnisch veränderter Waren kennzeichnen ebenfalls eine neue Qualität im Umgang mit der Natur. Diese wird nicht mehr nur von außen, sondern nun auch von innen nach renditeorientierten Kriterien verändert. Kriterien der Kapitalverwertung werden so der Natur innerlich. Ähnlich wie es zunehmend von Lohnarbeitenden gefordert wird, die Interessen des Unternehmens zu verinnerlichen, sich mit diesem bis zur Unkenntlichkeit ihres Selbst zu identifizieren, werden der Natur ihr fremde »Gesetze« aufgezwungen.

Diese globalen Überformungen sind nur einige neue Schritte der Gestaltung von Gesellschaften und Natur nach Maßgabe der Kapitalrentabilität. So sind wir auf dem Weg zu einer globalen »Kapitalgesellschaft«, in der sowohl Menschen als auch die äußere Natur immer mehr als Mittel zum Zweck der Profitmaximierung instrumentalisiert werden, was eine Verkehrung von Verhältnissen ist, in denen sich immer mehr den Interessen der Kapitale unterordnen soll und nicht die Ökonomie primär den Interessen der Menschen dient.

In den letzten Kapiteln sprechen Sie von einer Postwachstumsökonomie. Was verstehen Sie darunter?

Um nur einige Schlagworte zu nennen: Ökonomische Prozesse würden nicht mehr auf maximalen Output abzielen, sondern müssten nach Kriterien der Bedarfsdeckung umgestaltet werden. Das heißt, dass die Ökonomie nicht überall schrumpft, sondern nur das Übermaß an Produktion, Verkehr und Konsum verschwindet. Das hätte auch ein gänzlich anderes Krisenverständnis zur Folge. Möglich wäre das nur, wenn an Stelle der Kapitallogik die Logik der Bedarfsdeckung zur Praxis wird. Problematisch ist hierbei aber nicht nur die Bedarfsbestimmung; was Menschen wirklich brauchen, ist nur eine von vielen Fragen einer damit verbundenen Konsumkritik.

Entscheidend ist in einer Postwachstumsökonomie, dass weniger stoffgebundene ökonomische Prozesse stattfinden, denn die Entkopplung von Wachstum und Naturverbrauch und -zerstörung ist trotz Fortschritten in der Energie- und Materialeffizienz nicht möglich. Man braucht also eine umfassende Wende, sozusagen eine positive Krise, die nicht nur einen Wertewandel anstrebt und politische Machtverhältnisse in Frage stellt; es ist insbesondere eine andere Ökonomie notwendig, die nicht mehr auf maßloses Wachstum abzielt und vortäuscht, Massenkonsum sei für das Wohl der Menschheit unumgänglich. Das reicht selbstverständlich nicht aus, eine Postwachstumsökonomie zu umreißen. Es kann nur die Richtung andeuten, vieles ist noch unklar, muss erforscht und praktisch entwickelt werden.

Die Interessensgemeinschaft Roboterkommunismus in ihren 16 Thesen zur Leipziger Degrowth-Konferenz im Jahr 2014: »Der Kardinalfehler der gesamten Bewegung besteht in ihrer Überhöhung des ›Wachstums‹ zum Inbegriff aller Übel, zum scheinbar letzten Grund gesellschaftlicher Prozesse und somit auch zum Hebelpunkt einer qualitativen politischen Veränderung.« Stimmen Sie dieser These zu?

Ein Defizit des »Degrowth-Mainstream« ist die nicht ausreichende Verknüpfung von Wachstums- und Kapitalismuskritik. Gäbe es diese, wäre es klarer, dass Kapitalismus ohne Wachstum und somit auch ohne wachsenden Ressourcenverbrauch und Schadstoffemissionen nicht möglich ist. Bisherige Effizienzfortschritte und die Natur schonende Lebensweisen reichen nicht aus und werden von den kapitalistischen Wachstumsausmaßen mehr als nur kompensiert. Eine Wachstumskritik, die auf halbem Weg verharrt, kann bestenfalls zur Entschleunigung, aber nicht zur Verhinderung von Katastrophen beitragen.

Nach der Lektüre Ihres Buches muss man zu dem Fazit kommen, im Kapitalismus sei ein Ende der Naturzerstörung nicht möglich. Wäre da eine Revolution nicht der beste Beitrag zum Umweltschutz?

Wenn Probleme letztlich nur gelöst werden können, wenn ihre Ursachen beseitigt werden, dann bedeutet das, dass gesellschaftliche Großkrisen, wie die Ausmaße der Naturzerstörung oder Massenarmut, nur gelöst werden können, wenn wesentliche Ursachen dieser Krisen beseitigt werden. Und damit ist klar: Der Kapitalismus muss weg und emanzipatorischer Widerstand ist im wahrsten Wortsinn notwendig. Offen ist jedoch, wie »gewährleistet« werden kann, dass die Postkapitalismen auch wirklich emanzipatorisch sein werden. Die Frage, inwieweit das realistisch ist, möchte ich mit Herbert Marcuse beantworten, der sagte: »Der unrealistische Klang dieser Behauptung deutet nicht auf ihren utopischen Charakter hin, sondern auf die Gewalt der Kräfte, die ihrer Verwirklichung im Wege stehen.«

http://jungle-world.com/artikel/2016/04/53406.html

Interview: Peter Nowak

Kapitalismus killt Klima und Umwelt

Diskussion Athanasios Karathanassis zeigt, wie das Profitstreben den Raubbau an der Natur vorantreibt

Viel wurde im Vorfeld des Pariser Klimagipfels über die Umwelt und den Klimawandel geredet. »Was aber zumeist ausblieb, ist eine explizite Auseinandersetzung mit dem Konnex Kapitallogiken, Kapitalstrategien, Wachstum und Naturzerstörung«, schreibt der Politologe Athanasios Karathanassis im Vorwort zu seinem kürzlich im VSA-Verlag erschienenen Buches »Kapitalistische Naturverhältnisse«.

Leider erwähnt er die wenigen Ausnahmen nicht. Dabei sorgte die kanadische Globalisierungskritikerin Naomi Klein mit ihrem im letzten Jahr erschienenen Buch »Die Entscheidung Kapitalismus versus Klima« für heftige Diskussionen in der Umweltbewegung. Auch Klein kam wie Karathanassis zu dem Schluss, dass es mit und im Kapitalismus keine Lösung der Klimakrise geben kann.

Wir haben aber keine Zeit mehr für eine Debatte über die Veränderung der Gesellschaft, antworten viele Umweltgruppen. Damit begründen sie, warum sie die Umweltprobleme mit den kapitalistischen Instrumenten und den Großkonzernen bewältigen wollen. Dagegen richtet sich Karathanassis` Streitschrift. Der Autor verortet die Ursachen der Naturzerstörungen in der kapitalistischen Produktionsweise und zeigt auf, wie illusionär es ist, die Umwelt mit den kapitalistischen Strukturen retten zu wollen.

Im ersten Kapitel widmet sich Karathanassis den Naturverhältnissen, analysiert Ökosysteme und gibt einen Einblick in das Entropiegesetz; damit wird die Transformation von verfügbarer in nicht nutzbare Energie bezeichnet. So entsteht bei der Verbrennung von Kohle und Gas Rauch, der nicht mehr in den Ausgangsstoff zurück verwandelt, also nicht mehr in den Naturkreislauf eingespeist werden kann. Karathanassis zeigt dann auch auf, wie im Laufe der menschlichen Entwicklung diese Entropie immer mehr angewachsen ist. Schon durch die Sesshaftwerdung der Menschen stiegen der Energieverbrauch und auch die Entropie stark an. Doch erst die industrielle Revolution schuf Grundlagen für eine massive Ausbreitung der Entropie. Nicht nur das absolute Ausmaß der Energienutzung, auch der Energiedurchlauf je Arbeitszeiteinheit wuchs enorm an.

In einem eigenen Kapitel zeigt Karathanassis die extensive Ressourcen- und Stoffnutzung am Beispiel von Öl, Kohle und Gas, aber auch an der Überfischung der Meere. An vielen Einzelbeispielen weist er nach, dass es der Drang nach Profit ist, der den Raubbau an der Natur vorantreibt. »Der sich verwertende Wert und die Verknüpfung der Wertsteigerung mit der Steigerung der Stoffnutzung sind kapitalistische Wesenselemente, die der Natur bzw. ökologischen Prozessen widersprechen. Hierdurch werden sie zu Ursachen von Raubbau und Naturzerstörung«, schreibt er.

Dennoch endet sein Buch nicht fatalistisch. In den letzten Jahren sei das Bewusstsein über die Naturzerstörung weltweit gewachsen, schreibt Karathanassis und verweist auf die Vielzahl der Publikationen zum Thema. »Es gibt Alternativen zur kapitalistischen Form der Ökonomie«, schreibt er im letzten Kapitel. Wer ein komplexes Programm erwartet, wird allerdings enttäuscht. Die Alternativen müssten von Basisinitiativen ausprobiert werden, betont Karathanassis. Prägnant begründet er, warum man vom Kapitalismus nicht schweigen kann, wenn es um die Umwelt geht.

Athanasios Karathanassis: Kapitalistische Naturverhältnisse. Ursachen von Naturzerstörungen, Begründungen einer Postwachstumsökonomie. VSA-Verlag, Hamburg 2015. 240 Seiten, 22,80 EUR.

analyse & kritik. Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 611 / 15.12.2015

https://www.akweb.de/

Von Peter Nowak

Baumbesetzung endet mit Geldstrafen

Nach ihrem Protest gegen den Weiterbau der Autobahn A 100 landeten Aktivisten vor Gericht

Im Januar 2013 besetzten Aktivisten im Protest gegen den Weiterbau A 100 mehrere Bäume. Der Prozess gegen einzelne Aktivisten endete, vorerst, am Mittwochabend.

Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte am Mittwochnachmittag zwei Gegner der Autobahn A 100 zu Geldstrafen in der Höhe von 350 bzw. 400 Euro. Sie hatten sich am Widerstand gegen den Weiterbau der Autobahn A 100 beteiligt.

Im Januar 2013 hatte das »Aktionsbündnis A 100 stoppen!« und die Umweltorganisation Robin Wood eine Baumbesetzung an der Grenzallee in Neukölln gestartet. Über ein Jahr blieben die Pappeln besetzt und wurden ein sichtbarer Ort des Widerstandes gegen die Stadtautobahn. Am 3. Februar beendete ein Großaufgebot der Polizei die Besetzung. Unmittelbar danach nahm die Stadt das Gelände in Besitz. Den Angeklagten wurde vorgeworfen, sich am Tag der Räumung auf dem Gelände aufgehalten und damit den Hausfrieden gebrochen zu haben. Zunächst hatten fünf A 100-Gegner Strafbefehle wegen Hausfriedensbruch erhalten und dagegen Einspruch eingelegt. Zwei Verfahren waren bereits vor Wochen eingestellt worden. Am Mittwoch war mit Peter Schwartz ein weiterer Angeklagter freigesprochen worden. »Durch öffentlich zugängliche Foto- und Videoaufnahmen war nachweisbar, dass ich mich außerhalb des Geländes aufgehalten hatte, sodass der Vorwurf Hausfriedensbruch haltlos war. Dies war zuvor im Zuge der Anklageerhebung ignoriert worden«, sagte Schwartz dem »nd« und kritisierte, dass er überhaupt angeklagt wurde.

In Prozesserklärungen haben die Angeklagten auf die politische Dimension des Verfahrens hingewiesen. Sie verwiesen darauf, dass für den Weiterbau der A 100 mittlerweile mehrere gut erhaltene Wohnhäuser in der Beermannstraße in Treptow gegen den Protest von Mietern und der Stadtteilinitiative Karla Pappel abgerissen werden (»nd« berichtete). Selbst der Senator für Gesundheit und Soziales Mario Czaja wollte die Gebäude für die Unterbringung von Geflüchteten nutzen.

Die Robin Wood-Pressesprecherin Ute Bertrand sagte, die Proteste gegen die A 100 seien mit großem Aufwand kriminalisiert worden.

Schließlich waren dafür vier Prozesstage angesetzt, was auch für die Angeklagten zusätzliche Belastungen über die Geldstrafen hinaus bedeutete. »Das gesamte Verfahren war nur möglich, da die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung noch unter Michael Müller (SPD), der inzwischen Regierender Bürgermeister von Berlin ist, einen Strafantrag gestellt hatte, den sie bis heute aufrechterhält«, kritisiert Bertrand.

Dabei hatte Müller in einem Brief an zwei Mitglieder der Grünenfraktion im Abgeordnetenhaus, Dirk Behrend und Harald Moritz, betont, dass der Senat nicht gegen alle Personen, die auf dem geräumten Grundstück angetroffen worden waren, Strafantrag stellt. Doch bereits am ersten Verhandlungstag lehnte der A 100-Projektleiter bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Arne Huhn, die Rücknahme der Anzeigen ab. Mit dem Urteil ist die Angelegenheit juristisch noch nicht beendet. Die beiden Verurteilten haben Rechtsmittel angekündigt.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/992730.baumbesetzung-endet-mit-geldstrafen.html

Peter Nowak

Wenn Konzerne zu Protestberatern werden

Eine Tagung in Berlin beschäftigte sich mit der Tatsache, dass auf der „Wiese der Zivilgesellschaft“ auch wirtschaftsfinanzierte und beeinflusste Akteure grasen

Wer den Beginn Astroturf [1] hört, denkt an Esoterik. Doch tatsächlich ist der Begriff mittlerweile in das Vokabular von Aktivisten von sozialen Bewegungen und Nichtregierungsorganisationen eingegangen. Damit wird die nicht überraschende Tatsache beschrieben, dass Konzerne und konzernnahe Institute eifrig auf den Feldern der Zivilgesellschaft mitmischen, sich dort also als Akteure aufspielen, wie es im NGO-Sprech heißt.

Sie unterstützen dabei natürlich Positionen, die den Interessen des entsprechenden Konzerns nützen. Nicht immer sind solche konzernbeeinflussten Initiativen so leicht zu erkennen wie beim Verein Bürger für Technik [2], deren Mitglieder in Leserbriefen an verschiedene Zeitungen regelmäßig Stimmung gegen die Energiewende machen [3].

Ein eifriger Leserbriefschreiber ist auch der Mitbegründer des Vereins Ludwig Lindner. Nach Angaben des lobbykritischen Nachschlagewerk Lobbypedia [4] war Linder bis 2004 Sprecher von „Nutzen der Kerntechnik“ bei der Kerntechnischen Gesellschaft [5].

Oft ist die Einflussnahme der Industrie nicht so einfach zu erkennen. Dabei ist das Tätigkeitsfeld sehr groß. Sie kümmern sich um die Wikipedia-Seiten bestimmter Konzerne ebenso wie um die Organisierung von Pro-Kohle oder Pro-AKW-Demonstrationen, bei denen die Mitarbeiter der Firmen und ihre Angehörigen eine große Rolle spielen.

Am gestrigen Samstag widmete sich im Rahmen der Linken Medienakademie [6] eine Tagung unter dem mehrdeutigen Titel „Konzernprotest“ [7] dem Phänomen des Kunstrasens, wie Astroturfing übersetzt heißt. Schon der Begriff ist voraussetzungsvoll.

Dahinter steht das Bild eines blühenden wildwachenden Rasens, der die soziale Bewegung und Zivilgesellschaft darstellen soll. Kunstrasen wird es nach dieser Vorstellung dann, wenn Konzerne und Wirtschaftslobbyisten diese Wiese ebenfalls abgrasen. Im Publikum, das überwiegend aus Aktivisten und NGO-Vertretern aus dem Umweltbereich bestand, wurde diesen einfachen Blick allerdings auch widersprochen.

Keine Marionetten der Wirtschaft

So warnte ein Teilnehmer davor, die Aktivisten dieser wirtschaftsnahen NGOs nur als Marionetten der Konzerne zusehen. Viele teilen die Überzeugungen der Wirtschaft und sehen in deren Unterstützung eine willkommene Hilfe. In den Arbeitsgruppen wurde deutlich, dass die Situation im Detail noch komplizierter sein kann.

Wenn Konzerne gemeinsam mit DGB-Gewerkschaften zur Großdemonstration für den Erhalt der Kohleindustrie nach Berlin aufrufen, spielt natürlich der Angst vor Arbeitsplatzverlusten für die Beschäftigten ebenso eine Rolle wie ein Standortnationalismus, der die Interessen der Konzerne unhinterfragt verinnerlicht.

Die Vorstellung, dass ein Beschäftigter von EON, Vattenfall und RWE nicht mit dem Konzern identisch ist sondern nur seine Arbeitskraft dort verkauft, ist vielen von ihnen fremd. Wenn nun Vattenfall in der Lausitz ganze Dörfer abbaggert und in der strukturschwachen Region als Sponsor von Schulen, Kindergärten und Bibliotheken auftritt, so wird deutlich, dass eine wirtschaftsliberale Politik, die sich im Zeitalter der Schuldenbremse selbst aus dem Erhalt einer minimalen sozialen Infrastruktur zurück zieht, die Konzerne geradezu einlädt, als Sponsoren aufzutreten und sich damit Einfluss und Macht in der Region zu sichern.

Denn, wenn die Konzernpläne nicht genug gewürdigt werden, drohen nicht nur Arbeitsplatzverluste, sondern auch die Schließung von Schulen und Bibliotheken. So wird schnell deutlich, dass das Problem weniger daran besteht, dass auch die Wirtschaft ihre Interessen im Rahmen der Zivilgesellschaft durchsetzen will.

Kritisiert werden müssten politische Verhältnisse, die es den Konzernen so leicht machen, diese Interessen umzusetzen, weil sie Macht und Einfluss haben. Unterschiedliche Teilnehmer sprachen auch das Wirtschaftssystem an. Ein Aktivist warb für die Stärkung der Umweltgewerkschaft [8], mit der eine verstärkte Kooperation zwischen Gewerkschaften und Umweltbewegung angestrebt wird.

Gewerkschafter fehlten auf der Tagung

Tatsächlich wurde als Manko der Tagung das Fehlen vor allem von Gewerkschaften genannt. Dabei geht es nicht um die Vorstände, sondern um engagierte kritische Gewerkschafter, die sich oft auch gegen die Vorstände ihrer eigenen Verbände durchsetzen müssen. Es gibt zwischen dem Astroturfing und der Unterstützung von Konzernen bei der Etablierung wirtschaftsfreundlicher Pseudogewerkschaften durchaus Parallelen.

Lange Zeit gab es in vielen großen Betrieben sogenannte „gelbe Gewerkschaften“, die mit dem Management und Teilen der Angestellten sowie wenigen Arbeitern vor allem in Betrieben eingerichtet wurden, wo kämpferische DGB-Gewerkschafter aktiv waren. In dem Buch „Der Fall BMW – Macht und Recht im Betrieb“ [9], das kürzlich im Verlag Die Buchmacherei [10] erschienen ist, wurde an einen langandauernden Arbeitskonflikt vor 30 Jahren erinnert, bei der diese Konzernstrategie eine wichtige Rolle spielte.

Es wäre sicher sinnvoll gewesen, zu der Tagung einige der aktiven Kollegen einzuladen, die jahrelang gegen die Etablierung konzerngesteuerter Gewerkschaften in ihren Betrieben nicht ohne Erfolg kämpften, wenn es darum gegangen wäre, den Kontakt zu Gewerkschaftern auszubauen. Aber das war sicher nicht das Hauptziel aller Teilnehmer.

So wurde von einigen auf die Beiträge der „Taz zum Wandel“ [11] am 5. September 2015 hingewiesen, in der gewerkschaftliche Kämpfe nur am Rande vorkamen. Stattdessen dominierte dort der Wunsch nach einem sanften Kapitalismus, garniert mit anthroposophischen Konzepten und Esoterik. Sicher haben diese Akteure weniger Einfluss und Macht als große Wirtschaftskonzerne. Doch auch eine Beeinflussung von NGOs durch sie wäre sicher kein Fortschritt.

Öfter mal eine Mitmachfalle umgehen

Viele Tagungsteilnehmer wehrten sich gegen den Eindruck einer allmächtigen Industrie, die nun auch noch die sozialen Netzwerke und die NGO-Szene kapert. Michael Wilk, der lange in der Bewegung gegen die Startbahn-West aktiv ist, beschreibt [12], wie Mediationen und andere Gesprächsangebote zu Instrumenten werden, die Ausbaupläne der Flughafenbetreiber widerstandsloser durchsetzen können.

Solche Erfahrungen mussten auch die Kritiker von Stuttgart 21 machen. Wilk rät selbstbewusst seinen Mitstreitern aus NGO und sozialen Initiativen, öfter mal nein zu sagen, und solche Mediationsangebote abzulehnen, wenn deutlich wird, dass nur die Wirtschaft davon profitiert.

Besonders großen Anklag fand ein Workshop des Berliner PENG-Kollektivs [13], auf dem Beispiele ihrer Kommunikationsguerilla gegen große Konzerne vorgestellt wurden. So endete ein von der Firma Shell gesponserter Science Slam, auf dem junge Wissenschaftler umweltfreundliche Produkte vorstellen sollten, im Chaos [14].

Bei der Vorführung explodierte scheinbar der Motor und verspritzte literweise Öl. „Mit dem Spruch, hier können sie den Stecker ziehen, in der Arktis nicht“, outeten sich die vermeintlichen Wissenschaftler als Umweltaktivisten. Die Aktion sorgte wie alle weiteren Kommunikationsguerilla-Aktion des Peng-Kollektivs für eine große Medienöffentlichkeit [15].

Shell-Kampagne vor 30 Jahren und heute

Allerdings machten die Aktivisten auch klar, dass eine zeitaufwendige Vorarbeit für diese Aktionen nötig gewesen sei. Die Tagungs-Teilnehmer waren begeistert. „Hier wird nicht darüber geklagt, wie schlimm die Konzerne sind. Hier drehen wir den Spieß um und stellen sie in der Öffentlichkeit bloß“, sagte ein Aktivist des Peng-Kollektivs unter großen Applaus.

So wurde das Bedürfnis vieler Teilnehmer befriedigt, endlich selber Themen zu setzen und nicht immer auf die Konzerne zu reagieren. Dabei muss man sich doch tatsächlich fragen, ob der Aufwand für die Aktion bei Shell die reale Wirkung lohnt. Schließlich kommt für viele Zeitungsleser nur rüber, hier wäre ein Motor explodiert und die Wissenschaftler waren gar nicht echt.

Wird hier wirklich für größere Teile der Bevölkerung Aufklärung über das Agieren des Konzern betrieben oder ist die Aktion so voraussetzungsvoll, dass nur Menschen, die sich beispielsweise mit Green-Washing-Strategien von Konzernen befasst haben, die Motivation verstehen, eine Veranstaltung zu chaotisieren, mit dem ein Konzern vorgeblich Forschung prämiert, die umweltfreundliche Produkte produzieren soll?

Schließlich könnte sich auch die Frage stellen, ob die außerparlamentarische Kampagne „Shell to Hell“, mit der in den 80er und 90er Jahren mit unterschiedlichen Aktionen gegen die Politik von Shell vor allem in Ländern des globalen Südens agiert [16] wurde, durchaus auch Erfolge zeigte und auch von Menschen praktiziert werden konnte, die eben nicht gleich Wissenschaftler und eingebettete Journalisten auftreiben können.

So wirft die Präsentation des Peng-Kollektivs und die große Zustimmung des Tagungspublikums auch Fragen hinsichtlich der Perspektive von außerparlamentarischen Protesten auf. Wenn der Aufwand so groß wird, braucht der auch Sponsoren und Förderer und ist daher auf solidarische Strukturen angewiesen.

Allerdings zeigte das Peng-Kollektiv mit einer gefakten Vattenfall-Erklärung [17] und noch mehr mit ihrer jüngsten sehr erfolgreichen Aktion Fluchthelfer.in [18], dass es auch Möglichkeiten gibt für Einzelpersonen oder keine Gruppen, sich an Aktionen zu beteiligen.

http://www.heise.de/tp/news/Wenn-Konzerne-zu-Protestberatern-werden-2826954.html

Peter Nowak

Links:

[1]

https://lobbypedia.de/wiki/Astroturfing

[2]

http://www.buerger-fuer-technik.de/

[3]

http://www.zeit.de/2008/17/Atomlobby

[4]

https://lobbypedia.de/wiki/B%C3%BCrger_f%C3%BCr_Technik

[5]

http://www.ktg.org/ktg/0

[6]

http://www.linkemedienakademie.de/

[7]

http://www.konzernprotest.de/

[8]

http://www.umweltgewerkschaft.org/index.php/de/

[9]

http://www.labournet.de/wp-content/uploads/2014/10/bmw_buch.pdf

[10]

http://diebuchmacherei.de/

[11]

http://www.taz.de/!160910/

[12]

http://umweltfairaendern.de/2014/03/lesen-wie-protestbewegungen-manipuliert-werden-ueber-mediationen-runde-tische-eine-bucherveroeffentlichung/

[13]

https://www.pen.gg/

[14]

http://www.peng-collective.net/press/slamshell_PR_deutsch.pdf

[15]

http://www.spiegel.de/wirtschaft/aktionen-gegen-konzerne-shell-als-opfer-beim-science-slam-a-965151.html

[16]

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-9198944.html

[17]

https://www.youtube.com/watch?v=Zp4Hx3ZTZ98

[18]

http://www.fluchthelfer.in/
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Der Artikel wurde auf Indymedia diskutiert:

https://linksunten.indymedia.org/de/node/154346

Stresstest bei AKWs in Deutschland mangelhaft

Hausbesuch bei Müller

A100 Der angehende Regierende Bürgermeister bekam Besuch umwelt- und stadtpolitischer Gruppen

Stadtentwicklungssenator Michael Müller ist nach seiner Wahl zum Wowereit-Nachfolger ein gefragter Mann. Doch die kleine Gruppe, die ihm in seinem Amtssitz am Fehrbelliner Platz am Montag einen unangekündigten Besuch abstattete, wollten ihm keine Glückwünsche überbringen. Zwölf Mitglieder aus umwelt- und stadtpolitischen Gruppen übergaben einen Forderungskatalog zu der heftig umstrittenen A100.

Müllers persönliche Referentin Katharina Jentsch und der Senatsmitarbeiter Robert Drawnicki nahmen anstelle des verhinderten Senators den Brief entgegen. Zu den Forderungen gehörte die Rücknahme der Strafanträgen gegen fünf Baumbesetzer des „Aktionsbündnisses A100 stoppen“. Sie hatten im Winter 2014 mehrere Bäume besetzt, die der Autobahntrasse zum Opfer fallen sollten. Nach der Räumung am 3. Februar erstattete die für das Bauvorhaben zuständige Behörde Anzeige gegen sie wegen Hausfriedensbruch. Die Aktivisten erhielten Strafbefehle in Höhe von bis zu 900 Euro, gegen die sie Widerspruch einlegten.

„Mit der Rücknahme der Anzeige können Sie deutlich machen, dass AutobahngegnerInnen keine Kriminellen sind“, erklärte Sven Lindner den Senatsmitarbeitern. Die blieben im Ton freundlich, in der Sache aber unverbindlich – man werde die Forderung weiterleiten.

Auch was weitere Anliegen angeht, blieb es beim Austausch von gegensätzlichen Standpunkten. Die Treptower Stadtaktivistin Karin Schuster warf der Senatsbehörde vor, Treptower Mieter und Kleingärtner enteignen zu wollen, um den Bau der umstrittenen Autobahn voranzutreiben.

Zehn Mieter in den Häusern Beermannstraße 20-22 hatten Briefe erhalten, in denen eine vorzeitige Besitzeinweisung ankündigt wurden. Mit dieser im Baurecht bei Projekten „des besonderen öffentlichen Interesses“ zulässigen Maßnahme verlieren die Mieter zahlreiche Rechte. Bisher sei eine vorzeitige Besitzeinweisung im Zusammenhang mit dem Bau der A100 gegen mehrere Gewerbetreibende erlassen worden. Nun seien erstmals Mieter davon betroffen.

Bevor die Aktivisten die Behörde verließen, kündigten sie an, dass der angehende Regierende Bürgermeister Müller – der sich SPD-intern stets für den Bau der A100 starkgemacht hatte – auch künftig mit Protesten vor Ort rechnen müsse. „Wenn er dachte, der Bau der A100 wäre kein Protestthema mehr“, erklärte Schuster zum Abschied, „hat er sich getäuscht.“

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2014%2F10%2F21%2Fa0118&cHash=665ec2b37b0fb

Peter Nowak

Die Kanzlerin darf fliegen

Im Zuge des jüngsten UN-Klimagipfels wurde deutlich: Vom Kapitalismus wollen deutsche Klimaschützer längst nicht mehr reden.

Die Demonstration verlief völlig lautlos. Allerdings tanzten zahlreiche Teilnehmer und zappelten mit den Armen. Manchmal applaudierten sie auch. Bei dem Umzug Ende September handelte es sich nach Angaben der Veranstalter um die bisher größte »Silent Climate Parade« in Berlin. Tage später wurde sie von den Veranstaltern immer noch beinahe wie ein religiöses Erweckungserlebnis gefeiert: »Nur wenige Tage ist es her, da wurde für uns der Traum Realität. Mehrere Tausend Menschen sind mit uns gemeinsam auf die Straße gegangen, um der Welt zu zeigen, dass uns Klimaschutz am Herzen liegt, dass man friedlich demonstrieren kann und dabei umso mehr gehört wird. Noch nie zuvor haben so viele Menschen bei der Silent Climate Parade mitgemacht!«

Wer wissen wollte, um was es bei dem stillen Aufzug in Berlin-Mitte ging, musste sich gegen Pfand einen Kopfhörer ausleihen. Vielleicht nahmen die Organisatoren mit dem stummen Protest auch nur Rücksicht auf die Passanten. Diesen blieb jedenfalls erspart, ununterbrochen von den Ansprachen belästigt zu werden, in denen die Zuhörer im Ton von Werbetextern aufgefordert wurden, bereit für etwas ganz, ganz Neues zu sein. Im nächsten Augenblick wurden die Demons­trationsteilnehmer animiert, doch mithilfe ihrer Mobiltelefone herauszufinden, wie viele Kämpfer für das Klima denn in New York auf der Straße seien.

Während der Abschlusskundgebung gab es auch kurze Redebeiträge von Klimaschützern aus der näheren und ferneren Umgebung. Sie wurden allerdings nicht nur auf die Kopfhörer übertragen. So konnten alle Teilnehmer und Passanten hören, wie ein Umweltschützer mindestens fünf Minuten lang die Vielfliegerei als besonders schädlich geißelte. Direkt danach wurden alle dazu animiert, die Parole »Merkel nach New York« zu skandieren, ein Großteil des Publikums stimmte ein. So entstand der Eindruck, Fliegen sei nur dann umweltschädlich, wenn es Menschen mit wenig Geld zu niedrigen Preisen tun. Setzt sich Merkel in die Kanzlermaschine, ist es anscheinend unbedenklich. Dass die Bundeskanzlerin allerdings trotz der Aufforderungen nicht persönlich zur UN-Klimakonferenz nach New York jettete, nehmen ihr die Umweltschützer übel. Schließlich könnte Deutschlands Ruf als Klimaretter Schaden nehmen.

Im Zuge des UN-Gipfels ging in Deutschland eine Umweltbewegung auf die Straße, die zufrieden gewesen wäre, wenn die Bundeskanzlerin höchstpersönlich deutsche Interessen in New York vertreten hätte. Fast vergessen scheint es zu sein, dass es einmal Teile der Umweltbewegung gab, die nicht nur die Stilllegung der AKW, sondern auch die »Stilllegung der herrschenden Klasse weltweit« forderte. So lautete längere Zeit die Parole einer linken Umweltbewegung in den achtziger Jahren, die sich nicht nur auf AKW konzentrierte, sondern mit der Nukleartechnologie auch die Destruktivität des kapitalistischen Verwertungszwangs bekämpfen wollte.

Doch spätestens als die Grünen den Atomausstieg im größtmöglichen Einklang mit der Atomindustrie zu ihrer Sache machten, verlor der linke Teil der Anti-AKW-Bewegung an Bedeutung. Anfangs schien es zwar, als könnte die unabhängige Umweltbewegung Zulauf bekommen. So waren in Gorleben grüne Mandatsträger nicht mehr gerne gesehen. Doch spätestens nach der Abwahl von Rot-Grün und dem Versuch von Union und FDP, die AKW-Laufzeiten zu verlängern, riefen viele Umweltaktivisten zur Verteidigung jenes »Atomkompromisses« auf, der vorher noch als indus­triefreundlich kritisiert worden war. Nach der Atomkatastrophe in Japan war dann in großen Teilen der Umweltbewegung wieder die Welt­rettung angesagt, über die Stilllegung des Kapitalismus wollte niemand reden. Auch auf der »Silent Climate Parade« in Berlin wurde ausgiebig und ohne Ironie über die Rettung der Welt, über den Kapitalismus jedoch überhaupt nicht geredet.

In Kanada und den USA, die einem großen Teil der deutschen Umweltbewegung als Hort der Klimaleugner und -sünder gelten, verläuft die Diskussion anders. Dort hat Naomi Klein, eine der Ikonen der kurzlebigen globalisierungskritischen Bewegung, unter dem Titel »This Changes Everything. Capitalism vs. The Climate« ein Buch veröffentlicht, in dem sie Thesen aufstellt, die man von der Klimabewegung in Deutschland nicht hört. Der Kapitalismus, nicht die Schadstoffbelastung der Luft, sei das eigentliche Problem, so Klein. Sie ruft die Klimabewegung dazu auf, dem Kapitalismus den Kampf anzusagen, und legt sich mit etablierten Umweltorganisationen an, die sich in Kooperation mit Konzernen am »Greenwashing« beteiligen. Wenn auch an vielen Stellen ihres Buches wieder einmal durchscheint, dass Klein eher eine Regulierung als eine Abschaffung des Kapitalismus anstrebt, sorgt sie doch dafür, dass in der Diskussion in Kanada und den USA das Kapitalverhältnis nicht ausgespart wird, wenn es um die Umwelt geht.

In Deutschland hingegen hat eine umweltbewusste Mittelschicht den Reiz des Verzichts und der »Schrumpfwirtschaft« entdeckt, wie etwa im September auf der »Degrowth-Konferenz« in Leipzig. Der Politikwissenschaftler Ulrich Brand äußert in einem Kommentar im Neuen Deutschland die Befürchtung, dass in der Umweltbewegung »eine junge ökolibertäre Mittelschicht mit geringer Sensibilität für sozialstrukturelle Ungleichheit und Machtfragen, bei der manchmal sogar eine Portion elitäres Unverständnis für die immer noch an der Konsum- und Wachstumsnadel hängenden Massen« hervorsteche, ein neues Betätigungsfeld finden könnte.

http://jungle-world.com/artikel/2014/41/50692.html

Peter Nowak

„Murks ist Teil der Logik der Produktion“

AUSSTELLUNG Stefan Schridde sammelt im Murks-Showroom für die Mülltonne gemachte Gegenstände

taz: Herr Schridde, in Ihrem Showroom versammeln Sie alte Schuhe, kaputte Waschmaschinen und gebrauchte Zahnbürsten. Warum soll man sich das ansehen?

Stefan Schridde: Wir wollen auf die sogenannte geplante Obsoleszenz aufmerksam machen. Das ist der Oberbegriff für Strategien und Methoden, die Lebensdauer eines Produkts zu verringern, um durch einen Neukauf den Profit zu steigern. Es geht uns um Ursachen und Methoden einer Produktion, die am Markt vorbeizielen.

Wie sehen solche Methoden aus?

Eine kleine Kohlebürste am Elektromotor von Staubsaugern sorgt etwa dafür, dass die Geräte kaputtgehen. Wir alle kennen auch das Problem von Schuhsohlen, die so schnell abgetreten sind, dass die Schuhe nicht mehr getragen werden können. Wir rufen dazu auf, solche abgetretenen Schuhsohlen im Murks-Showroom vorbeizubringen. Am Ende soll ein Kunstwerk der geplanten Obsoleszenz entstehen.

Die Ausstellung findet im Haus der IG Metall statt. Viele Unternehmen, die in der Gewerkschaft organisiert sind, dürften ebenfalls ihren Teil zur Wegwerfproduktion beitragen.

Wir haben mit der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen eine Partnerschaft geschlossen, um auch in den Betrieben über die geplante Obsoleszenz aufzuklären und Alternativen zu entwickeln. Denn der Murks, der produziert wird, ist nicht die Schuld der Beschäftigten, sondern Teil der herrschenden Produktionslogik.

Was hat Sie zu der Kampagne „Murks? Nein Danke!“ bewogen?

Es waren vor allem ethische Gründe. Ich bin Vater zweier Kinder. Bei meinen Besuchen in Afrika habe ich gesehen, wie Kinder auf Müllhalden herumklettern, die aus ausrangierten Waren aus Europa bestehen. Da wurde mir klar, dass wir den AfrikanerInnen nicht nur ihre Ressourcen entwenden, sondern bei ihnen auch unseren gesundheitsschädlichen Müll abladen.

INTERVIEW: PETER NOWAK

Der Showroom im Haus der IG Metall, Alte Jakobstr. 149, ist bis zum 25. April geöffnet. Mo.-Do. 9-18 Uhr, Fr. 9-14.30 Uhr. Eintritt frei. Immer mittwochs von 17 bis 19 Uhr gibt es vertiefende Fachvorträge

Stefan Schridde

Jahrgang 1961, ist Betriebswirt und Initiator der 2012 gegründeten Bürgerbewegung „Murks? Nein danke!“, die sich für Ressourceneffizienz einsetzt.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2014%2F04%2F02%2Fa0139&cHash=a5ce9f2c62b987b7612835512626fe41

Mitfahren statt schwarzfahren

ÖPNV Berliner NaturFreunde wollen mehr Solidarität im Nahverkehr und starten Ticketteilen-Kampagne

„Ticketteilen“ steht auf dem gelben Button, der demnächst in Berlin häufiger zu sehen sein soll. Der Button ist das Herzstück einer Kampagne, die am vergangenen Freitag vom Landesverband der Berliner NaturFreunde (NF) gestartet wurde. Neben den Plaketten sollen auch Tausende Flyer und Plakate über eine wenig bekannte Möglichkeit informieren, sich solidarisch zu zeigen und andere den öffentlichen Nahverkehr in Berlin kostenfrei nutzen zu lassen, und das ganz legal.

Nach den Beförderungsrichtlinien der BVG können nämlich auf einer Umweltkarte, die eine Woche oder einen Monat gültig ist, wochentags ab 20 Uhr und am Wochenende und an Feiertagen ganztägig ein Erwachsener und bis zu drei Kinder zwischen 6 und 14 Jahren mitfahren. Eine erste Infotour am Freitag rund um den U-Bahnhof Schlesisches Tor war ermutigend. Mehrere Fahrgäste waren sofort bereit, den Button zum Ticketteilen zu tragen.

„Damit kann jeder sofort erkennen, wer eine kostenfreie Mitfahrt anbietet oder sucht. Bei diesem Angebot handelt es sich nicht um ein Almosen, sondern um die Wahrnehmung eines Rechts“, betont Judith Demba, Geschäftsführerin der Berliner NaturFreunde. Einkommensschwache Bürger sollen nicht wie bisher um noch nicht abgelaufene Tickets betteln müssen. „Dass sich Menschen ein BVG-Ticket nicht leisten können, ist längst keine Ausnahme mehr“, betont Uwe Hiksch, stellvertretender Landesvorsitzender der Berliner NaturFreunde. „Wir wollen mit der Kampagne die Diskussion anregen, dass Mobilität ein Menschenrecht unabhängig vom Geldbeutel ist“, betont Hiksch die politische Komponente der Ticketteilen-Kampagne.

Heftige Kritik äußert er an den Plänen der BVG, die Zahl der Kontrolleure noch weiter zu erhöhen, um den Druck auf Fahrgäste ohne Fahrschein zu erhöhen. Dabei waren es in den letzten Jahren mehr als 30 Prozent der Insassen in der Justizvollzugsanstalt Plötzensee, die wegen Fahrens ohne Ticket verurteilt wurden und die Geldstrafe nicht zahlen konnten.

In der nächsten Zeit wollen die NaturFreunde den Service zum Ticketteilen ausbauen. So sollen auf der Kampagnen-Homepage von Abonnenten ungenutzte Umwelttickets angeboten werden. In einer zweiten Runde wollen sie politische Parteien als Unterstützer gewinnen. Als Kooperationspartner kann sich Hiksch Die Linke, die Grünen und die Piraten vorstellen.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2014%2F01%2F28%2Fa0135&cHash=c3dbdfd63b9297f7657e03d10a868ac6

Peter Nowak
ticketteilen.org

Wie ökologisch ist das grüne Baden-Württemberg?

Links

[1]

http://www.taz.de/!124566

[2]

http://baden-wuerttemberg.nabu.de/

[3]

http://www.bund.net/

[4]

http://www.iaa.de/

[5]

http://m.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.autoland-baden-wuerttemberg-weitere-millionen-fuer-elektromobilitaet.3d0c84da-130c-419c-8105-59b1be1318fc.html

[6]

http://www.kontextwochenzeitung.de/

[7]

http://www.bei-abriss-aufstand.de/

[8]

http://www.kontextwochenzeitung.de/denkbuehne/131/langer-atem-1761.html

[9]

http://scrap-the-euets.makenoise.org/

[10]

http://www2.warwick.ac.uk/fac/cross_fac/prizeforwriting/news/winner

[11]

http://green.wiwo.de/naomi-klein-umweltschuetzer-sind-schlimmer-als-klimaskeptiker

Der Markt bringt’s nicht

Peter Nowak über das Emissionshandelssystem der EU

»Es ist höchste Zeit, dass das ETS abgeschafft wird«, heißt es auf der kürzlich online geschalteten Homepage scrap-the-euets.makenoise.org. ETS – das ist das Emissionshandelssystem, mit dem die EU einst versprach, ganz marktkonform die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Die Idee, die Industrie durch finanzielle Anreize auf einen klimafreundlichen Weg zu bringen, sei gescheitert, argumentieren die Kritiker und berufen sich auf Statistiken, nach denen die Emissionen aus fossilen Brennstoffen 2011 und 2012 gestiegen sind. Hinter der Website und dem Online-Aufruf stecken zivilgesellschaftliche Organisationen aus Deutschland, Großbritannien, Portugal, Spanien, Frankreich, Italien und den Niederlanden. Ohne den Ausstieg aus dem europäischen Emissionshandel sehen sie inzwischen keine Chance mehr für wirksame Umweltschutzmaßnahmen. Die EU-Gremien hingegen wollen am ETS festhalten. Damit werde eine Wirtschaft subventioniert, die auf fossiler Energie basiert, monieren die Kritiker. Die Zeche würden schon heute die Menschen im globalen Süden zahlen.

Der Aufruf dürfte auch eine Kampfansage an jene Umweltgroßorganisationen sein, die weiter auf Kooperation mit der Industrie setzen. Man fragt sich, ob nicht auch das ein Grund dafür ist, dass aus Deutschland mit Ausnahme von Urgewald bisher kaum Umweltorganisationen auf der Unterzeichnerliste stehen, während etliche linke Gruppen wie das globalisierungskritische Netzwerk Attac dabei sind.

Der Aufruf könnte der Startschuss für eine von Parteien, Wirtschaft und staatlichen Organisationen unabhängige europäische Klimabewegung werden. Nach einer Kampagne zum UN-Klimagipfel in Kopenhagen 2010 hat man davon nicht mehr allzu viel gehört. Mit Naomi Klein unterstützt eine bekannte Theoretikern der globalisierungskritischen Bewegung diese neue Initiative. In ihrem neuesten Buch geht sie mit den Umweltgroßorganisationen wegen deren Kooperation mit der Wirtschaft hart ins Gericht. Den Aufruf zum Ausstieg aus dem ETS begrüßt sie ausdrücklich.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/835059.der-markt-bringt-039-s-nicht.html

Peter Nowak

„Revolution im Umweltrecht“?

Links

[1]

http://www.bverwg.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung.php?jahr=2013&nr=60

[2]

http://duh.de/pressemitteilung.html?&tx_ttnews[tt_news]=3171

[3]

http://www.aarhus-konvention.de

[4]

http://www.presseportal.de/pm/22521/2529037/bundeswirtschaftsminister-roesler-muss-einflussnahme-der-autolobby-auf-klimaschutzverordnung

[5]

http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:62011CJ0515:DE:HTML

[6]

http://www.heise.de/tp/blogs/6/154753

[7]

http://www.taz.de/!123146/

Kohle und Demokratie

Die weitere Ausbeutung der Braunkohlevorkommen in der Lausitz, in Mitteldeutschland und am Niederrhein ist heftig umstritten. Während die Landesregierungen und die Energiekonzerne gern den Untergang der Wirtschaft heraufbeschwören, falls nicht weitere Tagebaue eröffnet werden, kritisieren Klima- und Landschaftsverbände die Klima- und Landschaftsschäden durch Kohleabbau und Verbrennung.

Eine Woche lang wollen Umweltaktivisten aus Deutschland und  westeuropäischen Ländern in Manheim bei Köln mit einem Camp am Rande des größten Braunkohleabbaugebiets  Europas gegen die Kohleverstromung protestieren. Doch trotz Demonstrationsrecht  müssen sich die Aktivisten mit massiven Schikanen der Ordnungshüter auseinandersetzen. Die nämlich hatten den Aufbau von   Schlaf- und Essenszelte mit der Begründung untersagt, dass diese für eine politische Meinungskundgebung nicht notwendig seien.  Dabei hat das Umweltbündnis auch in den letzten beiden Jahren auf der gleichen Wiese ihr Camp veranstaltet, ohne dass es Probleme gab. Die behördlichen Schikanen haben zur Solidarisierung beigetragen. Eine Solidaritätskundgebung vor den Kölner Hauptbahnhof  und ein Aufruf der globalisierungskritischen Organisation Attac zur Beteiligung am Camp zeigte Wirkung.   Mittlerweile dürfen die Umweltaktivisten ihre  Essens- und Schlafzelte aufbauen.      Die schnelle  Solidarisierung gegen die Schikanen via Ordnungsrecht  dürfte auch eine Folge der Einkesselung der Abschlussdemonstration der Blockupy-Aktionstage im  Juni in Frankfurt/Main gewesen sein.     Die  Vorgänge um das Klimacamp von Manheim zeigen deutlich, dass Großprojekte bei der Kohle wie schon die Atomkraftwerke nicht nur Probleme für die Umwelt sondern auch für die Demokratie mit sich bringen.  Zuvor gab es bereits behördliche Hindernisse für ein Protestcamp in  der Lausitz beim Kohlekraftwerk Jänschwalde.   Dort wollte es sich offenbar niemand mit  dem Vattenfall-Konzern verscherzen, der Hauptsponsor   für   Schulen und Bibliotheken in der Region ist.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/831284.kohle-und-demokratie.html

Peter Nowak

Ponyreiten gegen den Großkonzern

Gegner des Braunkohletagebaus in Brandenburg versuchen, um öffentliche Unterstützung für ihr Anliegen zu werben. Doch auch die Verantwortlichen von Vattenfall wissen, wie man die Bevölkerung für sich gewinnt.

»Kein Land mehr für Kohle« – unter diesem Motto trafen sich Interessierte am vergangenen Wochenende zum dritten »Energie- und Klimacamp« in der Lausitz in Brandenburg. Eine Woche lang soll gegen den Braunkohletagebau protestiert werden. Das erste Camp dieser Art fand 2011 in Jänschwalde, das zweite 2012 in Cottbus statt.

Die Veranstalter legen großen Wert darauf, die Bewohner der Region für ihre Ziele zu gewinnen. »Vorträge, Zuckerwatte und Ponyreiten gegen den Klimawandel« lautet der Titel einer Pressemitteilung des Lausitzer Camps, die über das familienfreundliche Programm informieren soll. Auch Gottesdienste werden angeboten. Schließlich spielt die Kirche eine große Rolle beim Widerstand gegen die Verdrängung weiterer Lausitzer Dörfer zum Zwecke der Kohleförderung.

Weil der Konzern Vattenfall in dem neuen ­Tagebaufeld Welzow Süd II Braunkohle abbauen will, sollen einem Entwurf des Förderungsplans zufolge über 800 Menschen aus Welzow und Umgebung ihre Häuser verlassen. Im jüngsten Beteiligungsverfahren für den Braunkohleförderplan gab es knapp 5 000 Einwendungen. Sie betreffen Verfahrensfehler ebenso wie die möglichen Folgen der Kohleförderung für das Klima. Auch die Umsiedlungen sind in den betroffenen Regionen eine Quelle des Unmuts.

Doch ein größerer Widerstand ist nicht zu erwarten. Die Bevölkerung in der Region ist seit Jahrzehnten mit den Folgen des Kohleabbaus und der Stromerzeugung aus Kohle konfrontiert. Nach Angaben der Veranstalter des Klimacamps mussten in den vergangenen 80 Jahren 136 Dörfer und Ortsteile dem Braunkohletagebau weichen, mehr als 30 000 Menschen wurden um­gesiedelt.

Manche Bewohner haben sich mit dem unfreiwilligen Umzug abgefunden. Denn Vattenfall hat ihnen mehr zu bieten als Zuckerwatte und Pony­reiten. Der schwedische Konzern gehört mittlerweile zu den größten Sponsoren in der Lausitz, einer Region, in der in den vergangenen beiden Jahrzehnten ein großer Teil der sozialen Infrastruktur der Sparpolitik zum Opfer gefallen ist. Dort, wo sich die Politik zurückgezogen hat, füllt Vattenfall mit seinem Sponsoring die Lücken und verschafft sich so Sympathien in der Region.

So hat die von Vattenfall im Jahr 2004 gegründete Stiftung Lausitzer Braunkohle, deren Vermögen sich nach eigenen Angaben auf 5,3 Millionen Euro beläuft, im September sieben Stipendien an Studenten aus Sachsen vergeben. »Jungen Menschen verbesserte Perspektiven und Entwicklungschancen zu eröffnen«, nennt die Stiftung als ihr Ziel. Unter dem Motto »Stark für die Lausitz« hat sie bereits zum vierten Mal einen Förderpreis für Projekte im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit in der brandenburgischen und sächsischen Lausitz ausgelobt. Die Fördersumme beträgt insgesamt 17 500 Euro und wird auf drei Preisträger aufgeteilt – angesichts der dürftigen staatlichen Zuschüsse eine erhebliche Unterstützung für die Gewinner. Auch mit dem Olympiastandort Brandenburg hat die Stiftung im Mai einen neuen Vertrag zur Sportförderung abgeschlossen. Besonders eng sind die Verbindungen von Vattenfall zur Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus (BTU). So stellte der Konzern der BTU nach Angaben der Taz allein im Jahr 2011 mehr als 800 000 Euro an Drittmitteln zur Verfügung.

Die große Spendebereitschaft zahlt sich offenbar aus. Der Verein »Pro Lausitzer Braunkohle« sammelt unter dem Motto »Meine Stimme fürs Revier« seit Wochen Unterschriften für den weiteren Abbau. »Braunkohle ist der wirtschaftliche und industrielle Motor der Region«, führt er unter anderem als Argument an. Sein Vereinslogo ziert mittlerweile zwei Waggons des Vattenfall-Eisenbahnbetriebs. Ob die Teilnehmer und Veranstalter des Camps bei der Bevölkerung mit umweltpolitischen Argumenten Gehör finden werden, ist daher fraglich.

http://jungle-world.com/artikel/2013/29/48100.html

Peter Nowak