Streit um Ausschluss von Gewerkschaftern

IG-Metaller weiter im Konflikt mit IG Metall
In Berlin konnte man am Donnerstag eine Premiere erleben. Gewerkschafter organisierten vor dem Berliner IG-Metallhaus eine Kundgebung.  „Kein Ausschluss kämpferischer Gewerkschafter“ lautet das Motto.  Die protestierenden Gewerkschafter wanden sich damit gegen die Empfehlung eines gewerkschaftsinternen Untersuchungsausschuss, der vor wenigen Tagen den Ausschluss von Mustafe Efe, Fehmiye Utku und Martin Franke aus der IG-Metall empfohlen hat. 15 weitere Gewerkschafter sollen eine Rüge erhalten. Die 18 IG-Metall-Mitglieder arbeiten beim Daimler-Werk in Berlin-Marienfelde und haben bei der letzten Betriebsratswahl auf der Liste der „Alternativen Metaller“    kandidiert und 5 von 21 Sitzen im Betriebsrat enthalten. Da die Liste neben der offiziellen IG-Metall-Liste kandiert hat, wird den Kandidaten gewerkschaftsschädigendes Verhalten bewertet.
Unterschiedliche Gewerkschaftspolitik
Ein Mitglied des Solidaritätskreises mit der Alternative sieht in der Auseinandersetzung hingegen unterschiedliche Vorstellungen von der gewerkschaftlichen Arbeit. „Während die IG-Metall-Mehrheit eher auf das Comanagement setzt, verficht die Alternative eine Politik der kämpferischen Interessenvertretung“.       
Gegen den drohenden Ausschluss setzten sich bundesweit Gewerkschafter und gewerkschaftsnahe Wissenschaftler, wie der emeritierte Berliner Politologe Bodo Zeuner, ein.
„Innergewerkschaftliche Demokratie heißt auch, dass die Gewerkschaft als Organisation verschiedenen Meinungen ein Diskursfeld eröffnet“, heißt es in einen von ihnen unterschriebenen  Offenen Brief an die IG-Metallverwaltung Berlin und den IG-Metall-Vorstand. Die Unterzeichner einen Rückfall in die 70er Jahre als die SPD-nahe Gewerkschafsführung gegen linke Kritiker mit Ausschlüssen reagiert hat.  In einer Erklärung auf diesen Offenen Brief haben Gewerkschafter aus dem  Mittelbau, darunter mehrere Mitglieder der Berliner IG-Metallortsverwaltung, zur Versachlichung der Debatte aufgerufen. Sie werben dafür, dass „unsere Kolleginnen und Kollegen bei Daimler – und zwar alle – die Chance erhalten, ihren Konflikt mit Unterstützung unserer IG-Metall konstruktiv zu lösen“. 
    Dieses Schreiben macht deutlich, dass es in der IG-Metallortsverwaltung noch Diskussion über den Umgang mit den Kritikern zu  geben scheint. Sie muss sich in den nächsten Tagen mit der Empfehlung der Untersuchungskommission befassen. Das letzte Wort hat dann der IG-Metall-Vorstand unter Berthold Huber. Weder die Berliner Ortsverwaltung noch der IG-Metall-Vorstand  wollten  zu dem Vorgang gegenüber ND Stellung nehmen.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/174373.streit-um-ausschluss-von-gewerkschaftern.html?sstr=IG|Metall|Daimler|Auschluss

Peter Nowak

IG Metall vs. Abweichler

STREIT Ausschluss wegen Kandidatur auf eigener Liste. Kundgebung am heutigen Donnerstag

In den letzten Monaten haben Mitglieder der Industriegewerkschaft IG Metall häufig gegen Arbeitsplatzabbau und für höhere Löhne demonstriert. Doch am heutigen Donnerstag wollen Berliner IG-Metall-Mitglieder um 15 Uhr vor dem Sitz der eigenen Gewerkschaft in der Alten Jakobstraße 149 gegen die „Ausschlüsse kämpferischer Gewerkschafter“ protestieren.

Grund des Unmuts ist die Empfehlung eines IG-Metall-internen Untersuchungsausschusses. Danach sollen Mustafe Efe, Fehmiye Utku und Martin Franke wegen „gewerkschaftsschädigenden Verhaltens“ aus der IG Metall ausgeschlossen werden. 15 weiteren Metallern soll eine Rüge erteilt werden. Die 18 GewerkschafterInnen sind bei Daimler-Marienfelde beschäftigt und haben bei der letzten Betriebsratswahl als „Alternative Metaller“ neben der offiziellen IG-Metall-Liste kandidiert. 520 Beschäftigte von Daimler haben der Opposition die Stimme gegeben, sodass die Liste 5 von 21 Sitzen im Betriebsrat bekommen hat.

Während die Mehrheit des Untersuchungsausschusses die Eigenkandidatur als für die Geschlossenheit der IG Metall schädlich ansieht, betont der Spitzenkandidat der Alternativen, Mustafe Efe, dass es in dem Werk seit Jahren einen Streit zwischen einer kämpferischen gewerkschaftlichen Interessenvertretung und einer Politik des Komanagements gebe.

„Nicht die Eigenkandidatur, sondern die drohenden Ausschlüsse könnten die Gewerkschaft schwächen“, befürchtet Efe, der weiterhin Mitglieder für die IG Metall wirbt. Unterstützung erhält er von gewerkschaftsnahen WissenschaftlerInnen wie dem emeritierten Berliner Politologen Bodo Zeuner.

Der IG-Metall-Vorstand muss in letzter Instanz über den Ausschluss entscheiden. Bis zum Redaktionsschluss gab es keine Stellungnahme.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2010%2F07%2F01%2Fa0183&cHash=e46f4e6515

PETER NOWAK

Gefahr des »gläsernen Kollegen« besteht

Entwurf eines Beschäftigungsschutzgesetzes von Gewerkschaften und Datenschützern kritisiert

Arbeitnehmer sind teilweise nur schlecht gegen die Verwendung ihrer Daten durch die Arbeitgeber geschützt. Ein neuer Entwurf eines Beschäftigtendatenschutzgesetzes soll das nun ändern. Das Papier wird jedoch bereits heftig von Gewerkschaften und Datenschützern kritisiert.

Über den Datenschutz wurde in der letzten Zeit viel geredet. Aber besonders auf dem Gebiet der Arbeitswelt ist dieser Themenkomplex eine oft noch völlig ungeregelte Zone. Ein neues Beschäftigungsgesetz soll das nun ändern. Seit den 1980er Jahren wurde von Gewerkschaften, Datenschützern, aber auch von verschiedenen Politikern ein verbesserter Datenschutz in der Arbeitswelt gefordert. Im Koalitionsvertrag haben sich Union und FDP sogar ausdrücklich zu einer Verbesserung des Arbeitnehmerdatenschutzes bekannt.

»Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird die seit Jahrzehnten diskutierte Schaffung umfassender Regelungen für den Arbeitnehmerdatenschutz verwirklicht“, heißt es in einem Referentenentwurf der Koalition, der seit Ende Mai vorliegt und seitdem für heftige Diskussionen und Kontroversen sorgt.

Für die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di ist der Entwurf »vollkommen untauglich«: »Das Gesetz, bietet nicht mehr Schutz für die Beschäftigten, sondern fällt hinter die geltende Rechtsprechung zurück«, moniert ver.di-Vorstandsmitglied Gerd Herzberg. Auch die Expertin für Arbeitsrecht bei ver.di, Kerstin Jerschel, sieht das so. »Nach der geplanten Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes soll es zukünftig möglich sein, von Bewerbern und Beschäftigten Daten über deren Vermögensverhältnisse oder deren Gesundheitszustand zu speichern. Dies geht weit über die derzeit zulässige Datenerfassung und die Speicherung nach der aktuellen Rechtsprechung hinaus«, präzisiert sie gegenüber ND die Kritik der Gewerkschaft. Jerchel und ihre ver.di-Kollegen lehnen den aktuellen Gesetzentwurf daher komplett ab.

»Was lange währt, sollte doch eigentlich gut werden!« überschrieb der Datenschutzbeauftragte des Bundes, Peter Schaar, seinen Kommentar zum Entwurf, in dem er erhebliche Verbesserungen anmahnt. Er moniert vor allem, dass die Unternehmen auch weiter Mitarbeiterdaten zur Erforschung »undichter Stellen« auswerten dürfen. So findet sich im Entwurf der Passus: »Der Arbeitgeber darf Beschäftigtendaten auch verarbeiten und nutzen, soweit dies erforderlich und verhältnismäßig ist, um die Begehung von Vertragsverletzungen zu seinen Lasten, Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten durch den Beschäftigten im Beschäftigungsverhältnis zu verhindern oder aufzudecken.«

Zudem ist es nach dem vorliegenden Entwurf Personalchefs auch weiterhin möglich, über das Internet gesammelte Daten über Bewerber zu sammeln. »In Zukunft dürften Arbeitgeber zwar Bewerber auch weiterhin nicht nach einer eventuellen Schwangerschaft fragen, die Forschung in einschlägigen Selbsthilfeforen und sozialen Netzwerken nach entsprechenden Hinweisen wäre ihnen allerdings erlaubt, und sie müssten die Betroffenen nicht einmal darüber informieren, dass sie entsprechende Recherchen angestellt haben«, kritisiert Schaar. Er verweist darauf, dass es sich um einen mit den anderen Ressorts noch nicht abgestimmten Referentenentwurf handelt, der noch erheblich verbessert werden muss. Am Freitag fand im Bundesinnenministerium eine Anhörung zum Entwurf statt, auf der die Kritik vorgetragen wurde.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/173481.gefahr-des-glaesernen-kollegen-besteht.html

Peter Nowak

Datenschutz-Gesetzentwurf für Arbeitnehmer nur Mogelpackung?

Unternehmen sollen u.a. weiterhin Mitarbeiterdaten zur Erforschung „undichter Stellen“ auswerten dürfen – scharfe Kritik von Gewerkschaften und Datenschützern
Den Datenschutz im Arbeitsleben soll ein Gesetzentwurf verbessern, zu dem gestern im Bundesinnenministerium die erste Anhörung stattfand.

„Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird die seit Jahrzehnten diskutierte Schaffung umfassender gesetzlicher Regelungen für den Arbeitnehmerdatenschutz verwirklicht“, schreiben die Verfasser in den Entwurf. Dem widersprechen Datenschützer und Gewerkschaften heftig.

So sieht der Bundesbeauftrage für Datenschutz Peter Schaar erheblichen Verbesserungsbedarf an dem noch nicht mit den Ministerien abgestimmten Referentenentwurf. Schaar moniert besonders, dass die Unternehmen weiterhin Mitarbeiterdaten zur Erforschung „undichter Stellen“ auswerten dürfen. So findet sich in dem Entwurf der Passus:

„Der Arbeitgeber darf Beschäftigtendaten auch verarbeiten und nutzen, soweit dies erforderlich und verhältnismäßig ist, um die Begehung von Vertragsverletzungen zu seinen Lasten, Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten durch den Beschäftigten im Beschäftigungsverhältnis zu verhindern oder aufzudecken.“

Zudem können nach dem Entwurf Personalchefs weiterhin über das Internet Daten über Bewerber sammeln. „In Zukunft dürften Arbeitgeber zwar Bewerber auch weiterhin nicht nach einer eventuellen Schwangerschaft fragen, die Forschung in einschlägigen Selbsthilfeforen und sozialen Netzwerken nach entsprechenden Hinweisen wäre ihnen allerdings erlaubt, und sie müssten die Betroffenen nicht einmal darüber informieren, dass sie entsprechende Recherchen angestellt haben“, so Schaar.

verdi: Entwurf ist völlig unbrauchbar

Noch härter ist die Kritik der Dienstleistungsgewerkschaft verdi an dem Referentenentwurf. „Ein Gesetz, das nicht mehr Schutz für die Beschäftigten bietet und sogar noch hinter die geltende Rechtsprechung zurückfällt, wird von den Gewerkschaften abgelehnt“, sagte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Gerd Herzberg.

„Nach der geplanten Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes soll es zukünftig möglich sein, von Bewerbern und Beschäftigten Daten über deren Vermögensverhältnisse oder deren Gesundheitszustand zu speichern. Dies geht weit über die derzeit zulässige Datenerfassung und die Speicherung nach der aktuellen Rechtsprechung hinaus“, präzisiert die Expertin für Arbeitsrecht bei verdi, Kerstin Jerchel, gegenüber Telepolis diese Kritik.

Zudem fällt der Entwurf hinter ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 2004 zurück, das die Einführung einer Videoüberwachung am Arbeitsplatz unter das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats stellt. Die Gewerkschaft lehnt den aktuellen Gesetzentwurf komplett ab, betonte Jerchel gegenüber Telepolis.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/147852

Peter Nowak

Treffpunkt für Erwerbslose

Initiativen wollen mehr zusammen agieren
Im Berliner Kulturzentrum Mehringhof trafen sich vor wenigen Tagen Aktivisten aus den unterschiedlichen Spektren der Berliner Erwerbslosenbewegung. Dass diese sonst nicht viel miteinander zu tun haben, zeigte sich, als Ulla Pingel vom ver.di-Erwerbslosen- ausschuss und Paul Decruppe vom Arbeitskreis Arbeitslosigkeit der IG Metall ihre Arbeit vorstellten. Dazu gehören regelmäßige Infostände vor Arbeitsagenturen. »Ich habe von der gewerkschaftlichen Erwerbslosenarbeit gehört, aber jetzt sehe ich endlich mal Personen, die dort mitmachen«, meinte ein Aktivist der Initiative »Keiner muss allein zum Amt«, die seit fast einem Jahr Erwerbslose bei ihren Terminen im Jobcenter begleitet. Ihr geht es nicht um Sozialarbeit, sondern um Unterstützung zur Selbstermächtigung, wurde betont.

Um die Zersplitterung unter den Initiativen zu überwinden, planen Aktivisten ein selbstverwaltetes Erwerbslosenzentrum als »niedrigschwelligen Treffpunkt«. Damit soll ein Raum geschaffen werden, in dem Erwerbslose sich selber organisieren können. Zur Zeit werden die Modalitäten für ein solches Zentrum geklärt.

Mittlerweile gilt das niedersächsische Oldenburg als Modell für erfolgreiche Erwerbslosenarbeit. Dort organisiert die Arbeitslosenselbsthilfe (ALSO) seit Jahren regelmäßige Beratungen und begleitet Erwerbslose auf das Amt. Für Aktivist Guido Grüner ist ein Geheimnis des Erfolges, sich von politischen Konjunkturen ferngehalten zu haben. »Die Krisen von Erwerbslosen haben wenig mit den Krisen an der Börse zu tun«, so Grüner. So habe sich die Initiative auf eine Kampagne zur Verbesserung der Situation von Kindern im Sozialhilfebezug konzentriert. Für den 10. Oktober ist in Oldenburg eine überregionale Protestaktion von Erwerbslosen geplant.

Einen anderen Akzent setzte Rainer Wahls von der AG Soziales im Berliner Sozialforum. Der Mitverfasser der im Internet heiß diskutierten »16 Thesen zu Krise und Sozialprotest« sieht in den Krisenprotesten den neuen Rahmen, in dem soziale Bewegungen agieren müssen. Wahls betonte dabei das Zusammenspiel von Erwerbslosenaktivitäten mit betrieblichen Protesten und Bildungsstreiks.

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/173241.treffpunkt-fuer-erwerbslose.html

Peter Nowak

Gerichte stärken Arbeitnehmerrechte

Siege für Emmely und FAU
In den Medien hatte die Kassiererin Emmely schon lange gewonnen, am 10.Juni hat sie nun auch vom Bundesarbeitsgericht Recht bekommen. Es hat die Kündigung aufgehoben, die der Discounter Kaiser’s gegen sie nach über 30jähriger Betriebszugehörigkeit aussprach. Emmely war beschuldigt worden, fremde Flaschenbons im Wert von 1 Euro 30 eingelöst zu haben, was sie bestreitet. Das Bundesarbeitsgericht hat nun geurteilt, dass die Kündigung unrechtmäßig war. Das Gericht ging aber wie die Vorinstanz davon aus, dass Emmely die Bons tatsächlich eingelöst hat. Trotzdem hat es die Entlassung aufgehoben. In der Begründung heißt es:

„Letztlich überwiegen angesichts der mit einer Kündigung verbundenen schwerwiegenden Einbußen die zu Gunsten der Klägerin in die Abwägung einzustellenden Gesichtspunkte. Dazu gehört insbesondere die über drei Jahrzehnte ohne rechtlich relevante Störungen verlaufene Beschäftigung, durch die sich die Klägerin ein hohes Maß an Vertrauen erwarb.“

Neben Emmely feierte auch das Solidaritätskomitee, das den Fall in den letzten Monaten populär gemacht hat. Selbst in den Bundestagswahlkampf war Emmely ohne ihr Zutun geraten, weil SPD-Politiker ihren Fall als Sinnbild für Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft aufgegriffen hatten. Mit dem Richterspruch wurde nun ein Urteil korrigiert, dass von großen Teilen der Medien und Bevölkerung vehement abgelehnt wurde.

FAU darf sich Gewerkschaft nennen

Auch die anarchosyndikalistische Freie Arbeiter-Union konnte am 10. Juni einen juristischen Erfolg verbuchen. Das Berliner Kammergericht hat eine einstweilige Verfügung der Vorinstanz aufgehoben, die der FAU unter Androhung hoher Ordnungsstrafen und sogar Haft für Sekretäre verboten hatte, sich Gewerkschaft zu nennen. Den Antrag auf die einstweilige Verfügung hatte die Geschäftsführung des Kinos Babylon Mitte im Dezember 2009 gestellt. In dem Kino hatte eine FAU-Betriebsgruppe einen Haustarifvertrag ausgearbeitet.

Die Geschäftsführung lehnte Verhandlungen mit der Begründung ab, dass die FAU keine Gewerkschaft sei. Das Kammergericht betonte jetzt, dass es zur Meinungsfreiheit gehört, sich Gewerkschaft zu nennen. Das Kriterium der Vorinstanz, die Tariffähigkeit, wertete es dagegen als nicht so entscheidend.

„Jetzt können wir im Kino Babylon wieder unsere Gewerkschaftsrechte wahrnehmen“, kommentierte eine zufriedene FAU-Sprecherin Milena Führte gegenüber Telepolis das Urteil. Dazu gehört vor allem die Beteiligung an Betriebsversammlungen.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/147798

Peter Nowak

FAU darf sich doch Gewerkschaft nennen

RECHT Amtsgericht hebt einstweilige Verfügung gegen anarchosyndikalistische Gewerkschaft auf
Die anarchosyndikalistische Freie ArbeiterInnen Union (FAU) darf sich wieder Gewerkschaft nennen. Am Donnerstag hat das Berliner Amtsgericht eine einstweilige Verfügung des Kammergerichts aufgehoben, die der FAU das unter Androhung hoher Ordnungsstrafen und sogar Haft für Sekretäre verboten hatte.

Den Antrag auf die einstweilige Verfügung hatte die Geschäftsführung des Kinos Babylon Mitte im Dezember 2009 gestellt. In dem Kino hatte eine FAU-Betriebsgruppe einen Haustarifvertrag ausgearbeitet. Die Geschäftsführung lehnte Verhandlungen mit der Begründung ab, dass die FAU keine Gewerkschaft sei. Das Berliner Kammergericht schloss sich dieser Auffassung an und gab der einstweiligen Verfügung statt. Die FAU sei wegen ihrer mangelnden Verankerung nicht tariffähig und daher keine Gewerkschaft, so die Begründung.

Die FAU ging in die nächste Instanz, wo sie nun Erfolg hatte. Richter Stefan Neuhaus betonte in seiner Begründung, dass das Recht sich Gewerkschaft zu nennen unter die Meinungsfreiheit falle. Dem Kriterium der Tariffähigkeit sprach er eine untergeordnete Bedeutung zu. Der Berliner FAU-Sekretär Lars Röhm war hocherfreut: „Das Urteil ermöglicht es kämpferischen Gewerkschaften, aktiv zu sein. Es hat außerdem gezeigt, dass das Mittel der einstweiligen Verfügung nicht ausreichen darf, um einen Arbeitskampf lahmzulegen“, sagte er der taz. „Jetzt können wir im Kino Babylon wieder unsere Gewerkschaftsrechte wahrnehmen“, meinte auch FAU-Sprecherin Milena Fehrte. Dazu gehört vor allem die Beteiligung an Betriebsversammlungen.

Zufrieden zeigte sich auch Jochen Gester vom Solidaritätskomitee für Gewerkschaftsfreiheit, in dem sich auch Mitglieder von DGB-Gewerkschaften engagieren. „Es geht uns nicht um das Programm der FAU, sondern um das Recht der Gewerkschaften, selber zu entscheiden, wie sie ich organisieren“, betont Gester. Von der Geschäftsführung des Kinos war niemand für eine Stellungnahme zu erreichen.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2010%2F06%2F11%2Fa0224&cHash=f177beffa8

Peter Nowak

Sixt bremst Betriebsräte aus

Der Autovermieter  Sixt bezeichnet sich als  „Deutschlands führender Mobilitätsdienstleister“. Bei Arbeitnehmerrechen hinkt das Unternehmen aber weit hinterher.

4 Beschäftigte, die als Callcenter-Agents bei Sixt in Rostock gearbeitet haben, sind in den letzten Wochen entlassen worden. Sie sehen den Rausschmiss im  Zusammenhang mit ihrer gewerkschaftlichen Tätigkeit.  
Zunächst wurde Torsten Sting entlassen, der sich in  Rostock mehrmals für die Gründung eines Betriebsrates eingesetzt hatte. Neben einer fristgerechten wurde ihm „wegen massiver Pflichtverletzungen“  noch eine fristlose Kündigung zugesandt. Zu  den Gründen soll auch das Tragen eines T-Shirts mit der Parole „Wir sind keine Zitronen“ gehört haben.  Auch 3 weitere Callcenter-Mitarbeiter, die sich nach Stings Entlassung weiter für die Gründung eines Betriebsrats einsetzten, bekamen mittlerweile die Kündigung. Das Unternehmen bestreitet jeden Zusammenhang mit der gewerkschaftlichen Tätigkeit.    
Die IG-Metall-Verwaltungsstelle Rostock hatte  Sixt schon im März zu Gesprächen wegen der Gründung eines Betriebsrats aufgefordert.  Das Unternehmen hat daraufhin erklärt,  die  IG-Metall sei nicht zuständig. Doch vielleicht vom  Management erhoffte Kompetenzstreitigkeiten zwischen verdi und der IG-Metall wollen die Gewerkschafter gar nicht erst aufkommen lassen.  Deshalb soll sich jetzt der DGB-Rostock um das Prozedere der Betriebsratswahl kümmern.  
Die Frage ist, ob sich genügend Kollegen dafür finden. Ein Sixt Mitarbeiter, der nicht namentlich  genannt werden will, spricht vom Klima der Angst. Die Mitarbeiter seien mit den Arbeitsbedingungen sehr unzufrieden. Deshalb stößt die Etablierung eines Betriebsrates auf offene Ohren. Nach den Kündigungen sei bei der Belegschaft allerdings auch die Angst gewachsen. Denn ihren Arbeitsplatz wollen viele nicht riskieren.
Am kommenden Dienstag urteilt das Rostocker Arbeitsgericht über die Rechtmäßigkeit der fristlosen Kündigung von Torsten Frings. Seine Anwältin siehe gute Chanen für ihren Mandanten. Ein positives Urteil für ihn könnte die Aktivitäten für eine baldige Betriebsratswahl  beschleunigen. Das wäre ein Novum bei Sixt. In der Vergangenheit sind Versuche von Mitarbeitern in anderen Sixt-Standorten, einen Betriebsrat aufzubauen, immer gescheitert.
Nach Betriebsrat Werk geschlossen?
Die arweService GmbH erbringt überwiegend Serviceleistungen für Sixt. Im April wurden die 28 Mitarbeiter der Bonner Filiale entlassen und das gesamte Werk wurde geschlossen. Einen Tag zuvor hatten die Beschäftigten einen Betriebsrat gewählt.    „Es ist unfassbar, wie Arbeitgeber heute immer noch versuchen, Betriebsräte zu verhindern. Damit setzt die arwe die Existenz der Arbeitnehmer bewusst aufs Spiel“, moniert der zuständige verdi-Sekretär Özcan Özdemir.  Er hält die ökonomischen Gründe, die die Geschäftsleitung für die Schließung anführt, für vorgeschoben. 
„Die Aufträge sind da, durch die Verlagerung auf den Subunternehmer entstehen der arwe bis zum Ablauf der Kündigungsfrist sogar doppelte Kosten“, betont Özdemir und verweist auf die Internet-Seite der arwe-Service GmbH. Dort bezeichnet man sich als „ein organisch gewachsenes, wirtschaftlich gesundes und innovationsgesteuertes Unternehmen“.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/172544.sixt-bremst-betriebsraete-aus.html?sstr=Sixt
Peter Nowak

Vom aufrechten Gang

Gewerkschafterin Inken Wanzek berichtet über Widerstand bei Siemens
Seit Siemens Inken Wanzek und viele ihrer Ex-Kollegen aus dem Unternehmen warf, kämpfen die Betroffenen für ihre Rechte. Mit ihrer Homepage und einem Roman wollen sie Widerstand leisten, Mut machen und helfen.
Im Jahr 2002 versuchte der Siemens-Konzern in seiner Münchner Filiale, über 2500 Angestellte aus dem Telekommunikationsbereich zu entlassen. Die meisten Betroffenen waren fast 50 Jahre alt. Widerstand war von ihnen scheinbar nicht zu erwarten. Doch die Siemens-Verantwortlichen sollten sich täuschen: Nach jahrelangen sozialen und juristischen Ausein-andersetzungen mit dem Konzern willigte Inken Wanzek, eine der Betroffenen, zwar in einen Vergleich ein, aber zur Ruhe hat sie sich noch lange nicht gesetzt. Jetzt hat sie ihre Erfahrungen im betrieblichen Widerstand in einem Roman verarbeitet, der unter dem Titel »Der Widerspruch des Gerry Gollmann … und anderer, die den Mut fanden, nicht aufzugeben«, erschien. Am Montagabend stellte sie ihn auf Einladung des Arbeitskreises »Geschichte sozialer Bewegungen Ost/West« in Berlin vor.

Wanzek schildert in ihrem Buch die Gefühle der Angestellten, nachdem ihnen die Entlassung angekündigt wurde. Viele suchten die Schuld bei sich und wollten sich zurückziehen. Wanzek organisierte mit Kollegen Gesprächskreise, wo sich Betroffene aussprechen konnten, Rechtstipps bekamen und auch erste Gegenstrategien berieten. Eine wichtige Rolle spielte die von Wanzek mitgegründete Homepage www.nci-net.de. Sie entwickelte sich schnell zum Kristallisationspunkt des Widerstands.

Auch die Repressionen gegen die »Aufmüpfigen« spielen eine zentrale Rolle in Wanzeks Buch. Sie wurden öffentlich gemobbt und verklagt. In dieser Auseinandersetzung entwickelten sich viele zu Hobbyjuristen, die Broschüren und Bücher für ihre Kollegen in anderen Städten schrieben. Tatsächlich stieß der Kampf der Münchner Angestellten auch an anderen Siemens-Standorten auf Interesse.

Die IG Metall, die den Kampf am Anfang unterstützt hatte, zog sich zu diesem Zeitpunkt zurück – die Kollegen führten ihren Kampf weiter. »Ihr werdet den Kampf nicht gewinnen«, verkündete da noch ein Siemens-Manager, der wohl nicht mit der Beharrlichkeit der Ex-Siemensianer gerechnet hatte.

Die Homepage hat mittlerweile mehrere hundert Zugriffe pro Tag. Die Medien suchen dort nach interessanten Themen. Für Wanzek und ihre Kollegen bleibt die Selbstermächtigung der Beschäftigten zentrales Ziel, dem sie mit der Veröffentlichung des Buches näherkommen will. Und der Kampf geht weiter: Ihre Kollegin Christine Rosenboom ist vor Kurzem als Betriebsrätin zurückgetreten, weil die IG Metall von ihr verlangte, sich von der Homepage zu trennen. Sie entschied sich dagegen.

Inken Wanzek: Der Widerspruch des Gerry Gollmann. Books on Demand, 2009, 700 S., 39,90 Euro.

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/172136.vom-aufrechten-gang.html

Peter Nowak

Widerstand gegen Gewerkschaftsausschlüsse

Alternative Kandidaturen für den Betriebsrat sind bei der IG Metall scheinbar nicht erwünscht
Mehr als 150 Gewerkschafter hatten sich am Samstagabend im ND-Haus in Berlin auf einer Veranstaltung mit oppositionellen Gewerkschaftern solidarisiert. Anlass sind drohende Ausschlüsse von Gewerkschaftern aus ihren Organisationen in den Daimler-Standorten Berlin, Kassel und Sindelfingen.
Die Berliner IG Metall hat kürzlich ein Untersuchungsverfahren gegen  Mitglieder aus dem Daimler-Werk in Berlin-Marienfelde eingeleitet, weil diese auf alternativen Listen zur offiziellen IG-Metall-Liste zum Betriebsrat kandidiert hatten. Die »Alternative offene Liste« zog mit fünf von 21 Sitzen in den Betriebsrat ein. Auch die Liste »Faire Basis« konnte einen Sitz erringen. Alle IG-Metall-Mitglieder, die auf diesen oppositionellen Listen kandierten, müssen nun mit Funktionsverboten oder gar einem Gewerkschaftsausschluss rechnen.

Hakan Göggoz, einer der Betriebsräte der Alternativen, ist davon nicht betroffen. Er hat erst nach seiner Kandidatur die IG-Mitgliedschaft beantragt, aber bisher keine Antwort erhalten. Göggoz berichtet, dass die IG-Metall-Mehrheit den oppositionellen Vertrauensleuten die Bestätigung verweigert. Felix Weitenhagen, Betriebsratsmitglied beim Berliner Siemens-Schaltwerk, nannte die Unvereinbarkeitsbeschlüsse der IG Metall gegen linke Organisationen ein Relikt des Kalten Krieges, das innerhalb der Gewerkschaften auch zunehmend in die Kritik gerate. Trotzdem sei diese Praxis in der letzten Zeit noch verschärft worden.

Der Journalist und langjährige Gewerkschafter Eckart Spoo setzte sich auf der Veranstaltung mit dem Vorwurf auseinander, die Oppositionellen würden die Einheit der Gewerkschaft gefährden. Zur Einheitsgewerkschaft gehörten historisch gesehen auch sozialistische und kommunistische Positionen. Wenn aber die IG-Metall-Mehrheit im Betriebsrätewahlkampf den Oppositionellen Antikapitalismus vorwerfe, würde diese Einheit von rechts in Frage gestellt, so Spoo.

Auch Tom Adler widersprach dem Vorwurf, eine kämpferische Politik schade der Gewerkschaft. Im Gegenteil hätte die IG Metall überall dort gute Ergebnisse abgeschnitten, wo kämpferische Positionen vertreten wurden, sagte der Untertürkheimer Daimler-Betriebsrat. Wo die Gewerkschaft für Co-Management bekannt sei, hätte sie dagegen schlechte Ergebnisse erzielt. Dass in Untertürkheim die Oppositionellen wieder auf der IG-Metall-Liste kandierten, sei das Ergebnis von Kompromissen beider Seiten. Adler wehrte sich gegen den Versuch, die gemeinsame Liste gegen die Oppositionellen in Berlin auszuspielen.

Gewerkschafter aus dem Publikum bekundeten ihre Unterstützung für die Oppositionellen und betonten ihre Forderung nach einer kämpferischen Gewerkschaftspolitik. »Viele Kollegen erklären, dass sie für die Durchsetzung von Lohnkürzungen keine Gewerkschaften brauchen. Für die Verteidigung von Arbeiterrechten aber sehr wohl«, brachte ein IG-Metaller die Stimmung der Basis auf den Punkt. Als eine zentrale Frage sehen die linken Gewerkschafter die Wiederaufnahme des Kampfes um eine Verringerung der Arbeitszeit. Die Forderung nach der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich prangte denn auch auf einem Transparent gleich neben dem Podium.

Unterstützung bekommen die Oppositionellen aber nicht nur aus dem Gewerkschaftsspektrum. Der Sprecher des Bündnisses »Wir zahlen nicht für Eure Krise«, Michael Prütz, kündigte an, die Gewerkschaftslinken würden am 12. Juni an der Spitze der Krisendemonstration in Berlin gehen, und einen zentralen Redner stellen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/171967.widerstand-gegen-gewerkschaftsausschluesse.html
Peter Nowak

Haustarif und Mindestlohn

Der Kampf um den Mindestlohn in der Postbranche geht weiter
Ver.di will Haustarifverträge in der Briefdienstbranche abschließen. Der Postmindestlohn ist deshalb nicht vom Tisch.
Ver.di will Haustarifverträge für Briefzusteller. »Wir werden die Unternehmen der Briefdienstebranche, bei denen wir auseinandersetzungsfähig sind, zu Verhandlungen über Haustarifverträge auffordern«, kündigte die stellvertretende ver.di-Vorsitzende, Andrea Kocsis am Mittwoch an. Den entsprechenden Beschluss habe die Tarifkommission gefasst, nachdem die Vertreter des Arbeitgeberverbandes Neue Brief- und Zustelldienste (AGV NBZ) einer Einladung zu Tarifverhandlungen vorige Woche nicht gefolgt waren.

Nach einer Erhebung der Bundesnetzagentur sind Stundenlöhne von bis zu 5,50 Euro bei den Briefdiensten nichts Ungewöhnliches. Der von der Bundesregierung verordnete Branchenmindestlohn für Briefzusteller von 9,80 pro Stunde war Ende Januar vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wegen eines Verfahrensfehlers gekippt worden. Mit dem Auslaufen der Mindestlohnverordnung zum 30. April hatte die Bundesregierung die Tarifparteien beauftragt, die vertraglichen Voraussetzungen für eine neue Verordnung zu schaffen.

Am vergangenen Donnerstag hatte ver.di einen neuen Anlauf gestartet, doch der Stuhl des NBZ-Präsidenten Florian Gerster blieb leer. Der ehemalige SPD-Politiker und spätere Chef der Bundesarbeitsagentur erklärte gegenüber der Tageszeitung »Welt«, er sei grundsätzlich zu Gesprächen bereit, wenn ver.di von seinen Lohnforderungen abgeht. Ver.di versicherte dagegen, noch keine Lohnforderungen gestellt zu haben. »Das Nichterscheinen von Herrn Gerster oder seiner Mannschaft lässt uns ernsthaft an der Bereitschaft des AGV NBZ zweifeln, mit uns tatsächlich einen Tarifvertrag abzuschließen», monierte Andrea Kocsis.

Die Zweifel hat Florian Gerster bestärkt, als er in der »Welt« androhte, sein Verband könne jederzeit mit einer anderen Gewerkschaft verhandeln. Schon in der Vergangenheit versuchten die Unternehmerverbände durch Verhandlungen mit kleinen Gewerkschaften, der Auseinandersetzung mit ver.di aus dem Weg zu gehen und die Löhne zu drücken. In dem Zusammenhang geriet auch die heutige niedersächsische Sozialministerin Aygül Özkan (CDU) in die Kritik. Sie soll laut Medienberichten vor zwei Jahren für die deutsche Tochter des niederländischen TNT-Konzerns einen Tariflohn von 7,50 Euro in der Stunde ausgehandelt haben. Sie führte die Verhandlungen mit der Christlichen Gewerkschaft Postservice und Telekommunikation. Ver.di hatte jedoch den seinerzeit geltenden Mindestlohn von 9,80 Euro mit der Post ausgehandelt. »Da ihr als Juristin bekannt gewesen sein muss, dass damals ein Postmindestlohn von 9,80 Euro galt, hat Özkan mit ihren Löhnen die Grenze zur Sittenwidrigkeit überschritten«, kritisierte der Frankfurter Arbeitsrechtler Otto Ernst Kempen.

»Durch immer höhere Zielvorgaben, weniger Personal und steigende Krankenstände wächst der Druck«, zitiert die Gewerkschaftszeitung ver.di-Publik Mitarbeiter der Zustellbranche. Auch der Bundesvorsitzende der nicht bei ver.di organisierten Kommunikationsgewerkschaft DPV (DPVKOM) Volker Geyer warnte vor einer Verschärfung des Lohn- und Sozialdumping in der Zustellbranche. Der DPV sammelte kürzlich rund 20 000 Unterschriften für einen neuen Mindestlohn.

Die Frage wird nun sein, ob die Gewerkschaften auch zu schärferen Kampfmitteln greifen. Die jüngste Forderung nach Haustarifverträgen klingt eher defensiv, auch wenn verbal am Mindestlohn festgehalten wird.

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/171792.haustarif-und-mindestlohn.html

Peter Nowak

Gegen die Rezepte des Doktor Rösler

Die Bundesregierung zeigt sich noch unschlüssig über Umfang und Tempo der Umgestaltung des Gesundheitssystems. Sie befürchtet mit Recht Widerstand aus der Bevölkerung gegen die wirtschaftsliberalen Rezepte des Doktor Rösler. Dass allein der Begriff Kopfpauschale ein mobilisierendes Potenzial hat, können die Mitarbeiter des Online-Kampagnendienstes Campact bestätigen.
Deren auch von ver.di unterstützte Unterschriftenaktion gegen die Kopfpauschale ist auf eine sehr gute Resonanz gestoßen. Der DGB bereitet zurzeit auch eine Kampagne gegen die Kopfpauschale vor. Manche Kollegen an der Basis bedauern, dass die nicht schon am Laufen ist.
Die Geschäftsführerin des Vereins Demokratischer Ärztinnen und Ärzte Nadja Rakowitz wagt die Prognose, dass der Widerstand gegen die Gesundheitsreform ein größeres Mobilisierungspotential als die Proteste gegen die Agenda 2010 haben könnte. Denn von der Kopfpauschale fühlen sich mehr Menschen direkt betroffen, als von der Einführung von Hartz IV. Rakowitz, die in den letzten Wochen auf vielen Veranstaltungen gegen die Gesundheitsreform aufgetreten ist, rät allerdings davon ab, sich nur auf den Kampf gegen die Kopfpauschale zu beschränken. Dann bestünde die Gefahr, dass die von der Bundesregierung diskutierten Modelle einer stufenweisen Umgestaltung des Gesundheitswesens als kleines Übel akzeptiert und nicht gleichfalls als unsoziale Zurichtung wahrgenommen werden. Zum anderen dürften auch die ökonomischen Hintergründe nicht ausgeblendet werden, die Doktor Röslers Rezepten zugrunde liegen.
Es ist der Trend zur Ökonomisierung des Gesundheitswesens, der durch die Wirtschaftskrise beschleunigt wird, weil das anlagesuchende Geldkapitel im Gesundheitsmarkt Verwertungsmöglichkeiten sieht. Schließlich gibt es im
deutschen Gesundheitswesen noch große Bereiche, die nicht vollständig in das Kapitalverhältnis einbezogen sind.
Dass das Thema Gesundheit in vielerlei Hinsicht Potenzial für politischen Widerstand hat, zeigte sich auch Mitte April bei einem Treffen der AG Gesundheitspolitik des Berliner Bündnisses »Wir zahlen nicht für Eure Krise« in den Räumen von ver.di. Dort hatte sich ein Kreis von sozialen und gesundheitspolitischen Gruppen zusammengefunden, die bisher selten gemeinsam agiert haben.Ihre Anregungen sollten in eine mögliche Kampagne einfließen. So betont Ole Baumann vom Berliner Büro für medizinische Flüchtlingshilfe, die sich um die gesundheitliche Versorgung von Menschen ohne Papiere kümmert, bei den Warnungen vor einer Zweiklassenmedizin werde ausgeblendet,dass es heute im Flüchtlingsbereich in Deutschland bereits eine Drei- oder Vierklassenmedizin gebe. Die Vorsitzende der Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung Pro Familia Gisela Notz plädierte für die Einbeziehung der Forderung nach kostenfreiem Zugang zu Verhütungsmitteln in eine geplante Kampagne. Eine der wenig beachteten Nebenwirkungen von Hartz IV ist die Einschränkung, der vor allem Frauen mit geringen Einkommen aus finanziellen Gründen bei der Familienplanung unterworfen sind.
Weil eine große Mehrheit der Bevölkerung die ökonomische Zurichtung des Gesundheitswesens ablehnt, besteht hier ein guter Ausgangspunkt für Widerstand. Und es schließt sich unmittelbar die Frage an, warum andere Bereiche der Gesellschaft, von der Bildung bis zum Arbeitsmarkt, nach kapitalistischen Wirkungsmechanismen funktionieren müssen.
http://dju-berlinbb.verdi.de/publikationen/sprachrohr-ausgaben-2010/data/Sprachrohr-02_2010-als-PDF.pdf

Peter Nowak

Alternativen sind nötig

Der Vorstand der Berliner IG Metall hat Ende April die Weichen für den Ausschluss von oppositionellen Mitgliedern bei Daimler in Berlin-Marienfelde gestellt. In den Augen des Vorstands haben sie sich gewerkschaftsschädlich verhalten, weil sie bei der Betriebsratswahl auf einer eigenen Liste mit dem Titel »Alternative Metaller« kandidiert haben. Sie haben fünf Sitze und die offizielle IG-Metall-Liste 15 Sitze bekommen. Damit wird erstmals auch im Betriebsrat deutlich, dass in dem Werk kämpferische Gewerkschafter agieren, die sich gegen zu viele Zugeständnisse an das Unternehmen wehren.

Eigentlich müsste die IG Metall über solche Mitglieder froh sein. Denn gerade die Alternativen Metaller haben schon einige Überzeugungsarbeit leisten müssen, um vom Kurs der Mehrheitsströmung frustrierte Kollegen vom Gewerkschaftsaustritt abzubringen. Außerdem ist es durchaus keine Seltenheit, dass in einem Betrieb Mitglieder einer Gewerkschaft auf verschiedenen Listen kandieren. Damit wurde auch immer die innergewerkschaftliche Diskussion über die Zukunft der Gewerkschaftspolitik angeregt.

Eine Gewerkschaft, in der über die Perspektiven gestritten wird, hat Chancen, gerade auch von jüngeren Beschäftigten als Interessenvertretung akzeptiert zu werden. Einige Gewerkschaften haben mit Organizing-Kampagnen und einer stärken Kooperation mit sozialen Bewegungen erste Konsequenzen aus dem von vielen Gewerkschaftsforschern bestätigten Befund gezogen. Die Einleitung der Ausschlussverfahren bei der IG Metall hingegen führen in eine völlig falsche Richtung. Die IG Metall, die bei der letzten Tarifrunde nicht einmal Forderungen gestellt hat, braucht Alternativen auch innerhalb der Organisation. Diese Überzeugung teilen viele Mitglieder an der Basis. In dem Solidaritätskreis, der sich gegen die Ausschlüsse wendet, sind zahlreiche Betriebsräte und Vertrauensleute vertreten. Ein Aufruf gegen die Verfahren wurde in wenigen Tagen von über 400 Kollegen unterschrieben, und die Unterschriftensammlungen gehen weiter. So könnten die Ausschlussdrohungen doch etwas Positives bewirken: die innergewerkschaftliche Opposition meldet sich zu Wort und sucht Möglichkeiten der besseren Kooperation.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/170544.alternativen-sind-noetig.html

Peter Nowak

86 Stunden hinterm Steuer

Gewerkschaften: EU weicht Arbeitszeitrichtlinie für Lkw-Fahrer auf
Die Europäische Transportarbeiterföderation (ETF), in der europäische Gewerkschaften, darunter auch ver.di, zusammengeschlossen sind, schlägt Alarm. Sie befürchtet, dass das Europäische Parlament die Arbeitssituation für selbstständige Lkw-Fahrer massiv verschlechtern könnte. 
 
Es geht um eine Verordnung, die die Lenk- und Ruhezeiten für die Fahrer von Lkw über 3,5 Tonnen regelt. Ihre Arbeitszeit darf zurzeit 48 Wochenstunden in der Regel nicht überschreiten. Ausnahmsweise allerdings darf sie auf 60 Wochenstunden ausgedehnt werden, wenn sie im Anschluss vier Monate lang wieder 48 Stunden beträgt. Seit dem 22. März 2009 fallen auch selbstständige Lkw-Fahrer unter diese Verordnung. Dagegen mobilisieren die Verbandsvertreter der Transportwirtschaft seit Monaten. In der letzten Legislaturperiode konnten sie die EU-Kommission auf ihre Seite ziehen. Allerdings wies das EU-Parlament im Mai 2009 den Kommissionsvorschlag zurück, die privaten Lkw-Fahrer aus der Verordnung herauszunehmen.

Laut Geschäftsordnung müssen zurückgewiesene Anträge noch einmal beraten werden. Deshalb steht das Thema demnächst erneut auf der Tagesordnung des EU-Parlaments. Die Gewerkschafter sehen die Abstimmung mit Sorge: »Bei der Neuwahl des EU-Parlaments wurden die konservativen und wirtschaftsliberalen Kräfte gestärkt. Deshalb ist eine neue Ablehnung der Verordnung nicht gesichert«, sagte Malene Volkers vom ver.di-Bundesvorstand gegenüber ND. Bei ihrer Lobbyarbeit in den letzten Wochen sei ihr zudem aufgefallen, dass sich viele neue Europaabgeordnete nicht genügend in die komplexe Materie eingearbeitet haben. »Es bestehen teilweise gravierende Informationslücken über die Folgen, wenn private Lkw-Fahrer bis zu 86 Wochenstunden hinter dem Lenkrad sitzen dürfen«, so Volkers.

An erster Stelle nennt sie Sicherheitsbedenken für das europäische Transportwesen. Schließlich habe der Sekundenschlaf von Fahrern in der Vergangenheit gravierende Unfälle verursacht. Bei einer Annahme der Verordnung würde zudem der Druck auf die Fahrer zunehmen, als Scheinselbstständige zu arbeiten, befürchtet die Gewerkschafterin. Schon heute sind von den rund 52 000 Unternehmen im gewerblichen Güterkraftverkehr in Deutschland sieben Prozent Einzelunternehmer und 60 Prozent Kleinstbetriebe. »Das Ziel muss sein, alle Lkw-Fahrer vor Selbstausbeutung zu schützen, ob Scheinselbstständige oder Selbstständige«, betont Volkers. Die Annahme der EU-Verordnung würde das gegenteilige Signal aussenden. Dagegen wollen Gewerkschaften europaweit mobilisieren.

Ver.di beteiligt sich an einem Lkw-Konvoi, mit dem die ETF gegen die Verwässerung der Arbeitszeitrichtlinie protestiert. Er startete am Montag im niederländischen Utrecht und machte am Nachmittag in Düsseldorf Station. Am Mittwoch, wenn die EU über die Richtlinie entscheidet, sollen die Lkw in Brüssel ankommen. Weitere Stationen auf der Fahrt durch sechs europäische Länder sind Schengen und Paris.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/169900.86-stunden-hinterm-steuer.html

Peter Nowak

Junge Erwerbslose im Visier

Von der Leyen stellt Innovationspaket für den Arbeitsmarkt vor

 Arbeitsministerin Ursula von der Leyen sucht nach Lösungen für den Arbeitsmarkt: Laut einer aktuellen Beschäftigungsinitiative müssen erwerbslose Jugendliche bald mit neuen Härten rechnen. Hartz-IV-Empfänger, die jünger als 25 sind, sollen nach dem Willen von FDP-Chef Guido Westerwelle binnen sechs Wochen nach Beginn der Erwerbslosigkeit ein verpflichtendes Arbeits- oder Fortbildungsangebot erhalten. Wenn sie das ablehnen, sollen ihnen die Bezüge gekürzt werden. »Wer jung ist, wer gesund ist, wer keine eigenen Angehörigen zu versorgen hat, dem ist es zumutbar, dass er für das, was er vom Staat bekommt, auch eine Gegenleistung erbringt«, erklärte Westerwelle in der »Bild am Sonntag«. Wenn der Staat ein Angebot mache, könne er erwarten, dass es angenommen werde. Auch Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) erklärte am Wochenende der »Welt am Sonntag«, dass sich Jugendliche nicht an die Arbeitslosigkeit gewöhnen dürften: Entweder solle der Schul- oder Berufsabschluss nachgeholt werden oder sie müssten einen Arbeitsplatz erhalten. Bei einigen müssten auch »Probleme wie Sucht« »konsequent angegangen« werden, so die Ministerin. Jedem Jugendlichen solle ein Ansprechpartner zur Seite gestellt werden, »der ihn beim schwierigen Übergang von der Schule in die Ausbildung bis in den Beruf hinein an die Hand nimmt.« Von der Leyen will mit ihrem »Innovationspaket« auch ältere Menschen und alleinerziehende Mütter aus der Arbeitslosigkeit holen. Alleinerziehenden Müttern sollten die Jobcenter bei der Organisation der Kinderbetreuung helfen, sagte sie. Für Über-50-Jährige komme eine öffentliche Beschäftigung nach dem Vorbild der Bürgerarbeit in Betracht. Am Mittwoch will die Regierung bei einer Kabinettsitzung die Initiative beschließen. Neu an den Vorstößen aus dem Regierungslager ist nur die Pflicht, die jungen Erwerbslosen für die Annahme des Angebots auferlegt werden soll. Denn schon heute gehören Hartz-IV-Bezieher zwischen 15 und 25 Jahren »zu einer besonders diskriminierten Hartz-IV-Gruppe«, wie es auf einer Internetseite von Hartz-IV-Gegnern heißt. So sind Erwerbslose nach Vollendung des 15. Lebensjahrs für die Arbeitsagenturen nach geltender Rechtslage sofort vermittelbar. Wenn sie Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes benötigen, müssen sie jede Arbeit oder Arbeitsgelegenheit annehmen. Ein Recht auf Berufsausbildung haben sie nicht. Zudem kann Erwerbslosen unter 25 vom Jobcenter der Bezug einer eigenen Wohnung verwehrt werden. Schon 2006 zog daher die DGB-Jugend Brandenburg ein ernüchterndes Fazit: Demnach würden Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren unter Androhung harter Sanktionen gefördert, aber hauptsächlich gefordert. Kritik an den Vorstößen der Regierungskoalition kam von Erwerbslosengruppen und der Linkspartei. Deren stellvertretender Vorsitzender Klaus Ernst nannte Westerwelles Äußerungen eine »Heiße-Luft-Politik«. Die Sanktionsdrohungen seien schon heute geltendes Recht. Auch das Erwerbslosen Forum Deutschland kritisierte die Initiative heftig und sprach von »Zwangsarbeit« und »Verfolgungsbetreuung«, die mittels »Aushungern« durchgesetzt werden solle. Der Sprecher des Erwerbslosenforums, Martin Behrsing, erklärte: »Erneut müssen junge Menschen als Zielscheibe für puren Populismus herhalten. Es hört sich so an, als ob junge Menschen die Probleme mangelnder Ausbildungs- und Arbeitsplätze oder das Versagen des Schulsystems selbst verursacht hätten.« Behrsing kündigte zudem die juristische Unterstützung junger Erwerbsloser an, wenn sie unterbezahlte Arbeiten oder überflüssige Fortbildungen annehmen müssten.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/169431.junge-erwerbslose-im-visier.html

Peter Nowak