Erzählung zur Sache; Gespräch mit der Schriftstellerin Stephanie Bart

Wann:
18. Oktober 2024 um 19:30 – 22:30
2024-10-18T19:30:00+02:00
2024-10-18T22:30:00+02:00
Wo:
Buchladen Schwarze Risse
Gneisenaustr. 2a
Berlin
Preis:
Kostenlos

Lesung mit der Romanautorin Stephanie Bart. Anschließend kritische Befragung.
Für ältere Linke gilt der 18. Oktober als Tag, an dem im sogenannten Deutschen Herbst 1977 im Hochsicherheitstrakt Stuttgart-Stammheim drei Gefangene der Rote Armee Fraktion zu Tode gekommen sind. Mord oder Selbstmord – das war für viele Jahre ein linker Glaubensstreit. Heute verbinden vor allem Jüngere mit Stammheim eine Großdisco. Über die RAF schien spätestens dann alles gesagt, als Autor*innen wie Stefan Aust und Bettina Röhl die Diskurshoheit übernommen hatten. Doch auch ideologische Wetterlagen dauern nicht ewig, wie jedes Tiefdruckgebiet müssen sie irgendwann freundlicheren Lüften weichen.

Und so etwas scheint sich gerade anzubahnen. Vor einigen Monaten veröffentlichte Stephanie Bart ihren Roman „Erzählung zur Sache“, in dem sie auf 678 Seiten einen literarischen Zugang zur Geschichte der RAF gefunden hat. Nun liest man die sperrigen Texte der Organisation gerne, denn die Autorin verbindet sie mit anderen Stimmen von Freund*innen & Feind*innen, und die aus justiziellen Texten ertönende Arroganz der Staatsmacht und ihrer Lügen wird mit der realen Ausgeliefertsein der RAF-Gefangenen und deren Analyse der Situation konfrontiert. Hauptfigur des Romans ist die RAF-Mitbegründerin Gudrun Ensslin. An ihrem Kampf nicht nur um die minimalsten Grundlagen menschlicher Würde in einem Gefängnissystem, das auf die prinzipielle Negation politischer Subjektivität der Gefangenen orientiert ist, auch an ihrem Mühen um Zugang und Erhalt menschlicher & politischer Kontakte zu Freunden*innen und Genoss*innen außerhalb & innerhalb des Gefängnisses wird das zerstörerische Ausmaß staatlicher Repression fühlbar. Stephanie Bart zeigt uns eine Welt der komplex organisierten Staatsgewalt und des Widerstands dagegen. Wir bekommen mit, wie der damalige Gerichtsvorsitzende Prinzing jede zusammenhängende Erklärung der Angeklagten während der sogenannten „Verhandlung“ rigoros unterbindet und es den Angeklagten und ihrer Verteidigung wiederum gelingt, den von Prinzing geplanten „Verhandlungs“-Verlauf zu unterbinden.

Wir haben Stephanie Bart eingeladen, am 18. Oktober aus ihren Roman zu lesen, weil wir meinen, dass dieser einen wichtigen Beitrag für eine neue Motivation leistet, sich erneut mit der Geschichte der RAF und des bewaffneten Kampfes zu befassen.

Uns geht es nicht um linke Nostalgie, sondern um eine kritische Befragung der Geschichte. Deshalb wollen wir uns im Anschuss an die Lesung von Stephanie Bart sowohl den Kommentaren und Fragen aus dem Publikum, als auch drei Themenkomplexen widmen. Zunächst der Gewaltfrage, dem Antisemitismusvorwurf an die RAF und den nicht geklärten Glaubensstreit, die „Mord oder Selbstmord-Frage“ in der Stammheimer Todesnacht, die sich an diesem Tag zum 47. Mal jährt.