Thaden Matthias, Migration und Innere Sicherheit, Kroatische Exilgruppen in der Bundesrepublik Deutschland 1945-1980, Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, De Gruyter Verlag, ISBN: 978-3-11-077400-9

Ethnisierter Nationalismus« − Peter Nowak* rezensiert Matthias Thadens Buch über exilkroatischen Rechtsextremismus

Mit Verweis auf das Antifaschistische Infoblatt erwähnt Thaden, dass in den 1990er Jahren Neonazis aus Deutschland auf Seiten Kroatiens gegen die jugoslawische Armee kämpften.Damals wurden mit der von Deutschland vorangetriebenen Politik der Zerschlagung Jugoslawiens ein zentrales Ziel der rechten Exilkroat*innen doch noch erreicht: ein eigener Staat, der sich in der Gedenkpolitik positiv auch auf Gestalten aus dem Ustascha-Regime bezieht.

Sie warfen die Sprengkörper in die jugoslawische Handelsmission. Dann übergossen sie Möbel, Teppiche und Akten mit Benzin, so dass binnen weniger Minuten alles in Flammen stand. Der Hausmeister der Handelsmission wurde im Beisein seines 12jährigen Sohnes durch einen Lungenschuss getötet. Dieser Anschlag ereignete sich am 29. November 1962 in Mehlem bei Bonn und war der Höhepunkt der Terrorwelle von rechten exilkroatischen Gruppen. Heute ist er vergessen. In den 1960er und 1970er Jahren waren die Boulevardmeiden voll von oft reißerischen Berichten über Gewalt von Kroatien. Sie wurde entpolitisiert und ethnisiert. Nicht von rechten Terror war dann die Rede. Dafür wurde die Gewalt als „Ausländerkriminalität ethnisiert. Bisher ist über die rechten Strukturen der Exilkroat*innen wenig geforscht worden. Da hat der Historiker Matthias Thaden mit seinen Buch …

… „Migration und innere Sicherheit – kroatische Exilgruppen in der Bundesrepublik 1945 -1980 Pionierarbeit geleistet. Es ist auch ein Stück verspätete Geschichtsaufarbeitung. 

Schließich handelte es sich bei den rechten Kroat*innen größtenteils um Anhänger*innen des kroatischen Ustascha-Regimes, eines engen Bündnispartner von Hitlerdeutschland. Nachdem die jugoslawische Partisan*innenbewegung unter Tito die kroatischen Faschisten vertrieben hatte, fanden führende ihrer Funktionär*innen im Nazideutschland Zuflucht. München wurde ihre inoffizielle Hauptstadt. „Lange Zeit waren kroatische Nationalisten, unter ihnen Anhänger des faschistischen Ustascha-Regimes, eine der aktivsten Exilgruppen in der Bundesrepublik Deutschland. Global eng vernetzt und untereinander zum Teil spinnefeind, den manche Akteuere auch mit politischer Gewalt austrugen“, schreibt Thaden im Klappentext des Buches. Er beginnt mit einen Exkurs zu den Ustascha-Staat, der sich Unabhängiger Staat Kroatien (NDH) nannte und an der Seite von Nazideutschland und dem faschistischen Italien stand. In den zwei Jahren der Ustaschaherrschaft zwischen 1941 und 1943 wurden nach neuesten Schätzungen 310000 Serb*innen, ca. 26000 Jüdinnen und Juden und 20000 Angehörige der Romaminderheit ermordet. Nicht wenige der Täter*innen, denen die Flucht vor der siegreichen Partisan*innenbewegung gelang, konnten sich in der BRD im beginnenden kalten Krieg bald wieder im alten Sinne betätigen. Selbst Mitglieder der wegen ihrer Mordaktionen besonders berüchtigten Mitglieder der Waffen-SS-Division Handzar konnten in der BRD unbehelligt agieren. Unterstützt wurden sie vom Klerus und politisch hielt das Bundesvertriebenenministerium. 

Auch in der kroatischen Exilstrukturen sorgte die Frage, ob man zumindest taktische Zugeständnisse an die neue Zeit machen sollte, für Zerwürfnisse und Spaltungen. So bemühte sich das Kroatische Nationalkomitee (HNO) nach dem Vorbild vieler Exnazis in Deutschland als Kämpfer*innen für Abendland gegen den Bolschewismus aufzutreten und die NS-Bezüge zurückzustellen. Dagegen standen die Vereinigten Kroatien Deutschlands (UHNj), die ein ungebrochen positives Verhältnis zur faschistischen Vergangenheit Kroatiens propagierten und selbst taktische Neuausrichtungen als Verrat bezeichneten. Thaden zeigt aber auch an verschiedenen Beispielen, dass auch die angeblich gemäßigtere HNO enge Kontakte zu Altnazis hatten. 

Lange wurden diese Aktivitäten auch von den westdeutschen Behörden zumindest toleriert. Das änderte sich in den 1960er Plötzlich wurde über Ausländerkriminalität gesprochen. Der oben beschriebene rechte Terroranschlag von Mehlem hat sicherlich zu dem Umschwung in der Debatte beigetragen. Doch auch die weltpolitische Situation hatte sich geändert. Die sogenannte Entspannungspolitik warf ihre Schatten voraus. In den 1960er Jahren dämmerte auch vielen Politiker*innen der Union, dass das nominalsozialistische Lager nicht einfach zusammenbricht. Die Politik des Rollback war vorerst gescheitert und rechte Exilgruppen, die davon träumten, bald wieder in ihrer alten Heimat den Ton anzugeben, wurden zur Belastung für eine neue Außenpolitik der BRD, die auch in Osteuropa Absatzmärkte suchte. Das blockfreie Jugoslawien wurde zum Partner der BRD und da passten die Aktionen der Ewiggestrigen nicht mehr so ins Bild. Die blieben aber weiter aktiv und terrorisierten zunehmend auch jugoslawische Arbeitsmigrant*innen, die in zunehmend in der BRD dafür sorgen, dass das sogenannte „deutsche Wirtschaftswunder“ erhalten bleibt. Thaden zeigt auf, dass es unter ihnen die rechten kroatischen Exilorganisationen Nachwuchs rekrutierten: „Bei vielen der überdurchschnittlich jungen und unterdurchschnittlich ausgebildeten Arbeiter dürften die Exilakteure vor Ort tatsächlich eine gewisse Orientierung gestiftet und so Eingang in den Alltag gefunden haben“( S.88), beschreibt der Autor die Situation Anfang der 1960er Jahre. Wer mit dem kroatischen Nationalist*innen nichts zu tun haben wollte und sich gar positiv auf den Bundesstaat Jugoslawien bezog, wurde von den rechten Organisationen bedroht. „Durch ihr herrisches Auftreten sorgten sie vielfach für Angst und Schrecken in den kroatischen und jugoslawischen Begegnungsorten und waren so in einigen Orten zu zweifelhaften Ansehen gekommen“ (S.199,) schreibt Thaden. Die „Drangsalierungen und Nötigungen jugoslawischer Arbeitsmigranten“ (S.203) wurden auch von jugoslawischen Behörden immer wieder angeprangert. Auch in der BRD wandten sich in den 1970er Jahren der DGB, verschiedene Einzelgewerkschaften, Teile der SPD und linksliberale Medien wie die Frankfurter Rundschau zunehmend gegen den rechten kroatischen Terror. Daher ist es um so unverständlicher, dass der weitgehend aus dem Gedächtnis verschwunden war. Umso verdienstvoller ist Thadens materialreiche Studie, die 1980 endet. Nur an einen Punkt geht sie darüber hinaus. 

Mit Verweis auf das Antifaschistische Infoblatt erwähnt Thaden, dass in den 1990er Jahren Neonazis aus Deutschland auf Seiten Kroatiens gegen die jugoslawische Armee kämpften.Damals wurden mit der von Deutschland vorangetriebenen Politik der Zerschlagung Jugoslawiens ein zentrales Ziel der rechten Exilkroat*innen doch noch erreicht: ein eigener Staat, der sich in der Gedenkpolitik positiv auch auf Gestalten aus dem Ustascha-Regime bezieht. Das Buch ist mit Gewinn zu lesen, weil es aufzeigt, wie der weitgehend vergessene rechte Terror der kroatischen Nationalist*innen zunächst staatlich gefördert, dann bagatellisiert und später ethnisiert und zur Begründung für eine repressive Gesetzgebung gegen sogenannte Ausländer*innen wurde, von denen auch wieder vor allem Linke besonders betroffen waren.

Peter Nowak 

Erstveröffentlichungsort:
https://www.labournet.de/express/