Zufriedenheit statt Aufstand

Einer neuen Studie zufolge sind deutsche Praktikanten trotz der nach wie vor schlechten Arbeitsbedingungen zufrieden mit ihrer Lage. Die linken Hoffnungen auf den Widerstand der »Generation Praktikum« haben sich nicht erfüllt.

In Deutschland ist die Zufriedenheit mit den politischen Verhältnissen groß. Das zeigen nicht nur das Ergebnis der Bundestagswahl und die große Zustimmung für Angela Merkel. Auch zahlreiche Umfragen belegen, dass schlechte Arbeitsbedingungen eine große Mehrheit der Bevölkerung von ihrer Zustimmung zu den Verhältnissen hierzulande nicht abbringen können.

Auch die Generation Praktikum ist davon nicht ausgenommen, wie die Veröffentlichung des Praktikantenspiegels 2014 deutlich macht. Für die von der Jobbörse Absolventa Jobnet und dem Beratungsunternehmen Clevis vorgelegt Studie wurden 7 500 akademische Praktikanten befragt. Und diese sind zufrieden. »Praktikanten als mies bezahlte Selbstausbeuter? Das war einmal«, fasste Spiegel Online die Ergebnisse der Studie zusammen. »Zufrieden und mobil« sei die neue »Generation Praktikum«.

Wer die Studie genauer liest, kann schnell feststellen, dass sich die Arbeitsbedingungen nicht wesentlich verbessert haben. Jeder zweite Befragte sagte, sein Praktikum habe sechs Monate oder länger gedauert. Nur drei Prozent gaben an, ein Praktikum von einem Monat gemacht zu haben. Neun Prozent der Befragten nannten zwei Monate, 15 Prozent drei Monate als Praktikumsdauer. Trotz des Langzeiteinsatzes erhielt nur ungefähr jeder zehnte Befragte im Anschluss einen Arbeitsplatz. Mehr als 20 Prozent der Befragten gaben an, sie hätten keinen Kontakt mehr zu der Firma, in der sie ihr Praktikum absolviert hatten.

Diese Bedingungen werden nun offenbar akzeptiert, als alternativlos hingenommen oder sogar gerechtfertigt. Damit unterscheiden sich die Praktikanten nicht von der Mehrzahl der Lohnabhängigen in Deutschland, die häufig bereit sind, Verschlechterungen ihrer Arbeits- und Einkommenssituation als notwendiges Opfer für den Standort Deutschland hinzunehmen.

Vor einem Jahrzehnt gab es in linken Kreisen die Hoffnung, dass vor allem die Praktikanten mit akademischem Hintergrund eher bereit sein könnten, für ihre Interessen einzutreten, und dadurch vielleicht sogar ein antikapitalistisches Bewusstsein entwickeln würden. Aufgegriffen wurden solche Vorstellungen in dem Film »Résiste – Aufstand der Praktikanten«, der 2009 Premiere hatte. Der Regisseur Jonas Grosch erzählt darin vom erwachenden Widerstandsgeist des Nachwuchses. Gut ausgebildete Menschen, die von einer gut bezahlten Ausbildung träumen und mit immer neuen Praktika vertröstet werden, proben den Aufstand, treten in den Generalstreik und kommen zu der Überzeugung, dass nicht der Boss, sondern der Kapitalismus das Problem ist.

Der Film fand auch deshalb in linken Kreisen viele Zuschauer, weil die Politisierung der Praktikanten auch im richtigen Leben möglich schien. Vereinzelt gab es organisierte Arbeitskämpfe unzufriedener Praktikanten. Im Rahmen des Euromayday, mit dem soziale Initiativen und postautonome Gruppen in verschiedenen Städten den 1. Mai repolitisieren wollten, spielte die Selbstorganisation von Praktikanten eine große Rolle. Schließlich hatte die »Generation Praktikum« in Spanien und Italien großen Anteil an der Entstehung der Euromayday-Bewegung. Weil sich die großen Gewerkschaften auf die Vertretung von Vollzeitbeschäftigten konzentrierten, schufen Praktikanten mit dem Mayday eine eigene Protestform.

Diese gibt es mittlerweile nur noch in wenigen Städten. Zumindest in Deutschland ist der Aufstand der Praktikanten vorüber. Dass die Bewegung in den Ländern der europäischen Peripherie einen ähnlichen Weg geht, ist wahrscheinlich. In Italien sind einige politisch engagierte Praktikanten mittlerweile sogar bei der rechtspopulistischen Bewegung des Beppe Grillo gelandet.

http://jungle-world.com/artikel/2013/50/48979.html

Peter Nowak