Rückkehr der Läusepensionen

Mieter- und Erwerbslosenverbände zogen vernichtendes Fazit der Wohnungspolitik
In Berlin ändert sich die Regierungskoalition. Doch was bedeutet das für die Wohnungspolitik? Diese Frage stelle die „Kampagne gegen Zwangsumzüge nach Hartz IV“ auf einerr Podiumsdiskussion mit Vertretern von zwei Berliner  Mieterorganisationen und einem Mitglied der Landesarmutskonferenz am Donnerstagabend. Anlass war der weltweite Aktionstag für das Recht auf Wohnen und Land am 6.Oktober. Während der Termin in vielen Ländern Anlass für große Proteste ist, beteiligten sich an der Debatte in Berlin ca. 40 Menschen überwiegend aus der Mieter- und Erwerbslosenbewegung.
Die muss noch stärker werden, egal wer in Berlin regiert. Darin waren Publikum und Podium einig. 
Besonders hart rechnete Joachim Oellrich  von der Berliner Mietergemeinschaft mit der Wohnungspolitik der bisherigen Koalition ab. „Schlimmer kann es unter keiner anderen Regierungskonstellation kommen“, erklärte  er mit Verweis auf  Statistiken. So sei im letzten Jahrzehnt in Berlin nicht nur der soziale Wohnungsbau abgeschafft worden. Ein Großteil des kommunalen Wohnungsbestands sei privatisiert worden und auch die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften arbeiten nach marktwirtschaftlichen Kriterien. An einer solchen Wohnungspolitik hätte selbst die FDP gefallen, so Oellrich. Diesen Befund mochte auch Eugen Koch vom Berliner Mieterverband  nicht widersprechen. Er stellte auch die Frage, ob die Lösung der Berliner Wohnungskrise ein zurück zum sozialen Wohnungsbau bedeuten müsse. Der habe schließlich mit zur Verschuldung der Kommune beigetragen. Ihm stimmte Karin Baumert von der Kampagne gegen Zwangsumzüge zu.  Sie erinnerte daran, dass der soziale Wohnungsbau  ein „Gesundbrunnen für die Banken“ gewesen sei.
Auch aus dem Publikum wurden diese Einwände aufgegriffen. So stelle ein Aktivist einer Kreuzberger Mieterinitiative die Frage, ob es sich lohnt, dafür zu kämpfen, dass  Hartz IV-Empfänger mehr Geld für die Unterkunft zu gestanden wird, wenn das Geld doch nur an die Vermieter geht. „Da wäre es doch sinnvoller gegen hohe Mieten zu kämpfen“, meinte er unter Zustimmung.  Marco Schulze von der Fachgruppe Wohnungslose Menschen sprach von einer Rückkehr der Läusepensionen in Berlin. Durch die Verkleinerung der Haushalte und den Zuzug in die Stadt, sinke der Anteil leerstehender Wohnungen. Davon seien besonders Menschen mit niedrigen Einkommen betroffen. „Während die Zahl der Wohnungslosen wächst, sinken die Integrationsangebote“, beschreibt Schulze die soziale Polarisierung in      der Stadt.
Zu den von allen an der Podiumsdiskussion beteiligten Initiativen und Verbänden geteilten Forderungen gehört die Anpassung der AV Wohnen an die tatsächliche Wohnungsmarktentwicklung, die Stärkung des landesweiten Wohnungsbestandes, die Ausweitung des geschützten Marktsegments im Wohnungsbau, der für Menschen mit geringen Einkommen freigehalten werden soll, sowie der Neubau von Wohnungen Zudem  müsse Wohnungsverlusten bei Hartz IV-Empfängern entgegen gewirkt werden. Diese Forderung wurde aus dem Publikum ausdrücklich unterstützt. Ein Mann berichtete, er werde nach einer Mieterhöhung über den für Erwerbslose vorgesehenen Betrag liegen und fürchte schon jetzt, ob er in seiner Wohnung bleiben kann.

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Peter Nowak