Pro Soluta

Konfliktlösung im Sinne des Vermieters

„Vor vier Jahren erhielten wir die ersten Briefe zum Verkauf unseres Hauses und Einladungen der angeblichen Mieterberatung Pro Soluta. Ein Vermesser kündigte sich auch an, erschien dann aber nur bei wenigen Mietern. Relativ schnell wurde uns klar, dass nun auch dieses Haus im spekulativen Verwertungs-Roulette gelandet ist. “ Die Erfahrungen der Bewohner/innen der Willibald-Alexis-Straße 34 in Kreuzberg teilen viele Mieter/innen in Berlin. Wenn ein Brief von Pro Soluta kommt, zeigt sich bald, dass die Eigentümer die Mieter/innen möglichst schnell loswerden wollen.

Die Briefe sind in der Regel in einem sehr moderaten Ton verfasst. Man wünsche einen Termin für ein Gespräch, welches dem „einvernehmlichen Miteinander“ und „der Vermittlung zwischen Mietern und Eigentümern“ dienen solle, teilt Pro Soluta mit und vergisst nicht zu erwähnen, dass eine Vollmacht des Eigentümers auf Verlangen vorgezeigt werden kann. Auch auf der Homepage von Pro Soluta hat man zunächst den Eindruck, man hätte es mit einem leicht esoterisch angehauchten Verein von Sozialarbeiterinnen zu tun: „Kommunikation ist ein universelles Phänomen, das in alle Bereiche individuellen wie sozialen Lebens hineinreicht. Gesellschaft ist ohne Kommunikation nicht denkbar, das Individuum ist ohne Kommunikation nicht lebensfähig“, heißt es dort. Gleich darunter findet sich ein Zitat des Philosophen Karl Jaspers: „Dass wir miteinander reden, macht uns zum Menschen.“ Wenn Mieter/innen aber ihr Recht gebrauchen, die Bitte um einen Gesprächstermin abzulehnen oder zu ignorieren, wird der Druck auf sie erhöht. Immer wieder berichten Betroffene, dass sie mit ständigen Anrufen konfrontiert werden. Insbesondere ältere Mieter/innen fühlen sich häufig von Pro Soluta zum schnellen Auszug gedrängt, weil sie sich später die Wohnung doch nicht mehr leisten könnten.

Profiling von Mieter/innen

Gegründet wurde Pro Soluta von Birgit Schreiber, die sich auf der Firmenhomepage als Immobilienfachwirtin und Wirtschaftsmediatorin vorstellt. Ihr Unternehmen verdient Geld, indem es versucht, mögliche Mietkonflikte im Sinne der Hauseigentümer zu lösen. Mit der frühzeitigen Ansprache durch Pro Soluta sollen die Mieter/innen vereinzelt werden, um ein gemeinsames Handeln zu erschweren. Daneben dient die Kontaktaufnahme von Pro Soluta auch dem Profiling. Durch die Gespräche erhält Pro Soluta Informationen über Alter, Familienstruktur, Zeit und Ort der Erreichbarkeit sowie häufig auch über die wirtschaftliche Situation der Mieter/innen. Mit solchen Informationen können Vermieter leichter das Verhalten der Mieter/innen beeinflussen und diese einfacher – beispielsweise durch sehr geringe Abfindungen – zum Auszug bewegen. Mieter/innen sollten sich darüber im Klaren sein, dass sie Schreiben und Gesprächswünsche von Pro Soluta ignorieren können, ohne dass ihnen dadurch rechtliche Nachteile entstehen. Die Berliner MieterGemeinschaft empfiehlt, dass sich die betroffenen Mieter/innen untereinander austauschen, um den scheinbar sanften Entmietern von Pro Soluta nicht einzeln gegenüberzustehen.

Aufruf an Betroffene von Pro Soluta

Erfahrungsaustausch und Vernetzung von Mieter/innen

Die Firma Pro Soluta tritt seit einigen Jahren vermehrt in Erscheinung. Offiziell handelt es bei ihr um einen Dienstleister für „Mediation“ , der zwischen Mieter- und Vermieterseite bei Eigentümerwechseln vermittelt. Häufig entpuppte sich Pro Soluta jedoch als Entmietungsspezialist, der von den Hauseigentümern zu diesem Zweck beauftragt wurde. Das Unterbreiten fragwürdiger Abfindungsangebote sowie das Streuen falscher Informationen und das Drohen mit juristischen Auseinandersetzungen kennzeichnen laut Berichten von Betroffenen die mieterfeindlichen Praktiken dieser Firma.

Infolge der wiederholten Berichterstattung des MieterEchos (zuletzt Mieter-Echo Nr. 371/ Dezember 2014) erreichten die Redaktion mehrere Zuschriften von Mieter/innen verschiedener Häuser und Bezirke, die einen Erfahrungsaustausch und eine Vernetzung mit anderen Betroffenen anregten. Dieses Anliegen ist sehr zu begrüßen, denn solch ein Austausch kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Strategien von Pro Soluta sowie ähnlicher Unternehmen offenzulegen und geeignete Formen der Gegenwehr zu entwickeln.

Alle Mieter/innen, die Erfahrungen mit Pro Soluta gemacht haben und Interesse an einem Austausch und einer Vernetzung mit anderen Betroffenen haben, sind herzlich dazu aufgerufen, mit der Redaktion des MieterEchos in Kontakt zu treten. Schicken Sie dazu bitte eine E-Mail mit dem Betreff „Pro Soluta“ an die Redaktionsadresse me@bmgev.de.

Teilen Sie uns bitte auch die Adresse Ihres Hauses und in knappen Sätzen Ihre bisherigen Erfahrungen mit der Firma Pro Soluta mit. Die Redaktion wird anschließend die Weitervermittlung der Kontakte in die Wege leiten.

http://www.bmgev.de/mieterecho/archiv/2015/me-single/article/pro-soluta.html

Peter Nowak

Wem gehört Kreuzberg?

Im Chamissokiez wehren sich Mieter/innen gegen Verdrängung

„Leerstand verhindern“ und „Spekulanten raus“, solche Parolen prangten mehrere Wochen an der Fassade eines Wohnhauses in der Kopischstraße im Chamissokiez in Kreuzberg. Das hätte man in einer Gegend nicht erwartet, die mit charakteristischem Kopfsteinpflaster und altmodischen Laternen den Eindruck erweckt, als befinde man sich in einem Freilichtmuseum für das gründerzeitliche Berlin. Doch genau durch diese historische Kulisse sind die Probleme im Kiez gewachsen, denn immer mehr Immobilienfirmen zeigen Interesse an den Stuckaltbauten.
 
 
Die von Mieterhöhungen und Verdrängung betroffenen Mieter/innen beginnen sich zu organisieren. Anwohnertreffen sind überfüllt, und alle haben ähnliche Geschichten zu erzählen. „In der Arndtstraße 38 stehen von 9 Wohnungen 4 leer“, berichtet eine Mieterin aus diesem Gebäude. Die ALW-Immobilien GmbH aus Baden-Baden, die das Haus gekauft hatte, kündigte ihr wegen der verspäteten Zahlung der Kaution. Die gerichtliche Entscheidung steht noch aus. Auch die 27 Mieterparteien in der Katzbachstraße 17 sind nach einem Eigentümerwechsel zur Goldenzeil Immobilien GmbH verunsichert. Weil sich Alt- und Neueigentümer um die Ölrechnungen stritten und deswegen offenbar Rechnungen nicht beglichen wurden, fiel im letzten Winter mehrmals die Heizung aus, berichtet ein Mieter. Trotz der Größe des Hauses und der Unterschiedlichkeit der Mieter/innen habe es mittlerweile erste gemeinsame Treffen gegeben, berichtet er.
 

Wohnungen dem Spekulationsmarkt entziehen
 
Die Mieter/innen der Willibald-Alexis-Straße 34 (Wax34) sind da schon weiter. Nachdem ihr Haus im Herbst 2010 an die Willibald Alexis GmbH & Co. KG verkauft worden war, setzten sie sich zusammen und formulierten ihre Ziele. In einem offenen Brief an Politiker aller Parteien und den Senat heißt es: „Wir wollen das Haus mithilfe passender Projekt- und Finanzierungsstrukturen dem Spekulationsmarkt entziehen und gemeinschaftliches, kieznahes Wohnen organisieren. Wir sind im Gespräch mit Stiftungen, Genossenschaften und Mietshäuser Syndikat, die das Haus erwerben würden.“
 
Den Mieter/innen geht es dabei nicht nur um den Erhalt von bezahlbarem Wohnraum in ihrem Haus, sondern sie haben auch ein erstes Mietertreffen im Chamissokiez mitorganisiert, bei dem die Initiative „Wem gehört Kreuzberg?“ gegründet wurde. „Dort treffen sich Menschen, die sich gegen den Verkauf von Wohnungen und die Verdrängung aus ihren Wohnquartieren in Berlin wehren“, beschreibt Wax34-Bewohner Stephan Thiele das Ziel der von ihm mitbegründeten Initiative.
 

Problem Ferienwohnung
 
In fünf Arbeitsgruppen recherchieren die Mieter/innen die Eigentumsverhältnisse von Häusern im Kiez und bereiten Veranstaltungen, juristische Beratungen und Stadtspaziergänge vor. Eine Arbeitsgruppe befasst sich mit Ferienwohnungen. Nicht nur Mieter/innen sehen in der wachsenden Zahl von Ferienwohnungen eine Ursache für die Probleme im Stadtteil. „Da Touristen bereit sind, im beliebten Kiez in der Nähe der Bergmannstraße 50 Euro pro Nacht und mehr zu zahlen, werden schnell Gelddruckmaschinen aus Räumen, in denen sich aufgrund der hohen Miete keine Kneipe mehr wirtschaftlich betreiben lässt“, klagt ein Autor im Lokalblatt „Kiez und Kneipe“, in dem auch gleich zum „Kampf gegen die Touri-Monster“ aufgerufen wird. Doch Mitglieder der Kiezinitiative warnen davor, in den Ruf „Hilfe, die Touristen kommen“ einzustimmen. „Nicht die Touristen sind das Problem, sondern die Verwertung von Wohnraum, egal ob für teure Eigentums- oder Ferienwohnungen“, betont eine Stadtteilaktivistin. Im Frühsommer soll mit einem Kiezspaziergang die Forderung nach dem Erhalt bezahlbarer Wohnungen in Kreuzberg bekräftigt werden. An eine im Stadtteil altbewährte Protestform wurde im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung erinnert. Der Vorschlag „Wir können ja auch wieder Häuser besetzten“ erhielt spontan Beifall, und die Adressen von leer stehenden Gebäuden im Kiez wurden umgehend genannt.
 http://www.bmgev.de/mieterecho/archiv/2011/detailansicht/article/wem-gehoert-kreuzberg.html

Peter Nowak

Initiative „Wem gehört Kreuzberg?“
www.wemgehoertkreuzberg.de
 
Mietergemeinschaft Willibald-Alexis-Str. 34
www.willibald-alexis-strasse34.blogspot.com
 
Mietshäuser-Syndikat
www.syndikat.org

Briefe schreiben gegen die Verdrängung

GENTRIFIZIERUNG In Kreuzberg wollen die Mieter eines exbesetzten Hauses den Neueigentümern trotzen
Wer durch den Kreuzberger Chamisso-Kiez geht, findet kaum noch Spuren der Instandbesetzungen aus den frühen 80ern. Die Willibald-Alexis-Straße 34 („WAX 34“) ist eine Ausnahme. Die Tür ist unverschlossen, im Treppenhaus des Seitenflügels hängen politische Plakate, auf einer Tafel sind mit Kreide aktuelle Termine angeschrieben. Unterm Dach haben MieterInnen einen Wintergarten eingerichtet. „Schon im Frühjahr, wenn die Sonne scheint, ist das hier ein angenehmes Plätzchen“, schwärmt Bewohner Jörg Seifert* (Name geändert).

Wie lange sich Seifert daran noch erfreuen kann, ist offen. Seit dem Eigentümerwechsel im September ändert sich viel. Auf dem Schwarzen Brett wurde der Beginn von Baumaßnahmen für November 2011 angekündigt, im Hof ein Gerüst aufgestellt. „Eine von den Eigentümern beauftragte Moderatorin bietet Auszugswilligen Abfindungen an“, erzählt Mieter Wolfgang Steinke* (Name geändert).

Einige gingen darauf ein, die Mehrheit entschied sich anders: Sie schickten offene Briefe an die Medien, BezirkspolitikerInnen und den Regierenden Bürgermeister. „Wir in der Willibald-Alexis-Straße 34 wollen hier wohnen bleiben und nicht nur das. Wir wollen das Haus dem Spekulationsmarkt entziehen und gemeinsames Wohnen organisieren und darüber hinaus ökologisch und sozial sanieren und somit auch im Sinne der oben zitierten Milieuschutzsatzung ,kieznah‘ erhalten“, heißt es.

Der Sprecher der grünen BVV-Fraktion in Kreuzberg, Daniel Wesener, begrüßt das: Die Grünen setzten sich für die Verbesserung des MieterInnenschutzes ein. So soll die 2011 auslaufende Regelung, die MieterInnen bei Umwandlung ihrer Wohnungen in Eigentumswohnungen 7 Jahre vor Eigenbedarfskündigungen schützt, verlängert und die Frist auf 10 Jahre ausgeweitet werden.

Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) kritisiert, dass der Senat eine vom Baugesetzbuch vorgesehene Verordnung, die die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Milieuschutzgebieten genehmigungspflichtig machen würde, noch immer nicht erlassen hat. Das wäre „ein wirkungsvolles Instrument zur Durchsetzung von MieterInneninteressen“. Die Willibald-Alexis-Straße 34 GmbH und Co.KG, eine Investorengruppe, die sich auf den Kauf von Altbauten spezialisiert hat, erklärt in einer Stellungnahme, MieterInnen würden von ihnen niemals ohne Grund gekündigt. Den BewohnerInnen der WAX 34 werfen sie „Profit durch Untervermietungen“ vor. Ihnen gehe es darum, „für wenig Miete in einem gefragten Kiez zu leben“.

Über die Zukunft des Hauses wird am heutigen Dienstag um 19.30 Uhr auf einer Stadtteilveranstaltung im Wasserturm geredet.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2011%2F02%2F08%2Fa0159&cHash=3743baeed0

PETER NOWAK