Meine DNA bleibt hier

Anders als gegen die Vorratsdatenspeicherung regt sich gegen DNA-Datenbanken bislang kaum Protest. Ein Aktionsbündnis will das nun ändern

Die Lobby für den Datenschutz wächst in Deutschland. Gegen die Vorratsdatenspeicherung sind in den letzten Jahren Zehntausende auf die Straße gegangen. Die Expansion der DNA-Datenbanken scheint dagegen nur wenige zu stören. Ein Bündnis bürgerrechtlicher Gruppen will das jetzt ändern. Pünktlich zum Tag der Menschenrechte, am 23. Mai, starteten sie eine Kampagne „wider die DNA-Sammelwut“. Dem Bundesjustizministerium wurde ein offener Brief übergeben, in dem einige zentrale Forderungen aufgeschrieben sind. Dazu gehört eine bessere Kontrolle und Beschränkung der DNA-Datenbanken beim Bundeskriminalamt (BKA), eine Revision des umstrittenen Gesetzes von 2005, das zu deren drastischen Expansion führte, sowie ein Verbot, mittels DNA-Tests Verwandtschaftsbeziehungen und persönliche Eigenschaften zu ermitteln.

Kriminalistische Wunderwaffe des 21. Jahrhunderts?

Susanne Schultz vom Gen-ethischen Netzwerk, das federführend an der Kampagne beteiligt ist, nennt zwei Zahlen, die die Expansion der DNA-Banken verdeutlichen. „In Deutschland sind mittlerweile über 700.000 Personendatensätze und 180.000 Spurenprofile gespeichert.“ Damit liegt das Land an fünfter Stelle der DNA-Sammelstaaten; an der Spitze steht Großbritannien, wo 1995 die weltweit erste nationale Datenbank eingerichtet wurde. Mittlerweile seien dort etwa zehn Prozent der Bevölkerung in Datenbanken erfasst,erklärt Eric Töpfer von der Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei/CILIP. Immer wieder machen in Großbritannien, aber auch in den Niederlande, Politiker Schlagzeilen, in dem sie eine flächendeckende Erfassung aller Neugeborenen fordern. Die Vorstöße sorgen regelmäßig für Empörung und werden schnell wieder zurückgezogen.

Doch es gibt durchaus auch Akzeptanz für solche Forderungen. Schließlich gibt die DNA-Analyse als kriminalistische Wunderwaffe des 21. Jahrhunderts. Auch Organisationen  wie die verdi-Jugend, die die Expansion der Datenbanken durchaus kritisch sehen, wollen auf die Untersuchungsmethode nicht ganz verzichten, wenn sie doch der Verbrechensaufklärung dient. Susanne Schultz kennt diese Argumente und weiß, wie schwer dagegen zu argumentieren ist. Dabei sind unter den Delikten, die über DNA-Datenbanktreffer beim BKA ermittelt wurden, nur vier Prozent Kapitalverbrechen. Gesammelt wird dagegen immer weiter: „DNA-Proben werden bei jeder sich bietenden Gelegenheit entnommen, etwa bei Wohnungseinbrüchen, Diebstählen oder sogar Fällen von Beleidigung, und oft auch im Rahmen von Massengentests“, heißt es im Offenen Brief.

„Unseres Erachtens wiegen selbst einige spektakuläre Erfolge die Gefahren der Totalüberwachung durch DNA-Datenbanken nicht auf“, fasst Schultz die Position des Bündnisses zusammen. Sie erinnert daran, dass noch in den neunziger Jahren feministische Antigewalt-Gruppen die Einrichtung der DNA-Datenbank beim BKA als Mittel zur Aufklärung von Sexualdelikten abgelehnt und als trojanisches Pferd für den Überwachungsstaat bezeichnet haben. Die Entwicklung der letzten Jahre gibt ihnen Recht. „Immer häufiger wird bei der Aufklärung von Einbruchs- oder Sachbeschädigungsdelikten auf DNA-Analysen zurück gegriffen“, sagt Eric Töpfer.

Wie schwer es ist, einmal gespeicherte Daten wieder löschen zu lassen, zeigte die Klage von zwei Briten, die vor Gericht gezogen sind, weil ihre DNA gespeichert wurde, obwohl sie nie wegen einer Straftat verurteilt wurden. Der Europäische Gerichtshof entschied zwar, dass die Speicherung Unschuldiger gegen die Menschenrechte verstößt. Doch hat die britische Regierung die Daten nicht vernichtet, sondern bastelt an einem Gesetz, das die Datenerfassung Unschuldiger zumindest zeitlich befristet ermöglicht. Deshalb wird in dem Offenen Brief der Datenschützer auch ein Ausstieg aus dem globalen Datenverbund gefordert. Damit wenden sich die Bürgerrechtler gegen Pläne, bis Ende August dieses Jahres sämtliche europäischen Datenbanken zu vernetzten.

Kein Kampf gegen Windmühlen

Auf Veranstaltungen werden die Aktivisten schon mal gefragt, ob sie angesichts der fortschreitenden technischen Möglichkeiten nicht auf verlorenen Posten stehen. Diesen Pessimismus teilt Schultz nicht. Die Bewegung gegen die Vorratsdatenspeicherung zeige, dass auch in einer gläsernen Gesellschaft Datenschutzforderungen nicht auf taube Ohren stießen. Schwieriger ist heute schon eine generelle Kritik an Biomaterialbanken. Die Fortschritte in der Medizin haben eine Kritik an Gendateien und Genomanalysen, die noch vor 20 Jahren  verbreitet war, weitgehend marginalisiert. Die Sorge vor dem Ausverkauf der Ressource Mensch ist durchaus noch vorhanden, spielt aber kaum eine politische Rolle. Die Kampagne gegen die DNA-Sammelwut könnte hier zur Sensibilisierung beitragen. Schließlich gibt es kaum individuelle Möglichkeiten, biologische Daten zu schützen. Man kann sie weder verschlüsseln wie eine Email, noch einfach ausschalten wie ein Handy.

www.freitag.de/politik/1120-meine-dna-bleibt-hier

Peter Nowak

„Die beste DNA ist die, die nicht abgegeben wurde“

Kampagne „Wider die DNA-Sammelwut“ fordert strengere Kontrollen und Einschränkungen der Datenbanken und langfristig deren Auflösung 

Am Montag startet das Gen-ethische Netzwerk mit weiteren Organisationen eine Kampagne „Wider die DNA-Sammelwut“. In einem Offenen Brief werden noch einmal die Gründe aufgezählt, die aus Sicht der Kritiker schwerer wiegen als einige medial herausgestellte Kriminalfälle, die mittels DNA-Tests aufgeklärt worden sind .

 „Längst geht es nicht mehr nur um Kapitalverbrechen wie Mord oder Vergewaltigung – wenn das jemals die alleinige Zielsetzung der polizeilichen Erfassung biologischer Merkmale gewesen ist. DNA-Proben werden bei jeder sich bietenden Gelegenheit entnommen, etwa bei Wohnungseinbrüchen, Diebstählen oder sogar Fällen von Beleidigung, und oft auch im Rahmen von Massengentests“, monieren die Kritiker in dem Offenen Brief.

„Wir sehen hier die Tendenz der Etablierung eines präventiven Überwachungsstaates, in dem jeder, gegen den ermittelt wurde, mittels biologischer Spuren überwacht werden soll“, erklärt die Mitarbeiterin des Gen-ethische Netzwerkes Susanne Schultz gegenüber Telepolis. Das Fernziel der Kampagne ist die Auflösung aller Datenbanken. Als kurz- und mittelfristige Ziele werden eine unabhängige, regelmäßige Kontrolle der Datenbanken, eine Revision des umstrittenen Gesetzes von 2005, das zu einer drastischen Expansion der DNA-Datenbank beim BKA geführt hat, ein Verbot mittels DNA-Tests Verwandtschaftsbeziehungen und persönliche Eigenschaften zu ermitteln und ein Ausstieg aus dem globalen Datenaustausch gefordert.

Die letzte Forderung bezieht sich auf den sogenannten Prozess von Prüm, nach den alle europäischen DNA-Datenbanken bis zum 26. August vernetzt werden sollen. Susanne SchuItz weist darauf hin, dass in einigen Ländern die rechtlichen Bedingungen bei der DNA-Entnahme noch schlechter als in Deutschland sind. So stellte der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EuGH) fest, dass die britische Polizei mit ihrer DNA-Datenbank das Grundrecht auf Datenschutz sehr weitgehend verletzt hat. Dort wurden sogar bei einer Festnahme ohne Ermittlungsverfahren und bei jedem Bagatelldelikt auch die Daten von Kindern auf Dauer gespeichert.

Das Thema DNA-Datenschutz ist nach Ansicht von Schultz auch in zivilgesellschaftlichen Organisationen noch längst nicht so präsent, wie beispielsweise der Kampf gegen die Vorratsdatenspeicherung. Das liegt sicherlich auch daran, dass ein selbstorganisierter Datenschutz fast unmöglich ist. Man kann schließlich seine DNA nicht zu Hause lassen wie ein Handy und das DNA-Profil kann auch nicht verschlüsselt werden. Allerdings wird noch immer zu wenig beachtet, dass eine DNA-Entnahme nur mit einer richterlichen Anordnung erfolgen darf. Obwohl juristische Klagen zur Löschung einer unrechtmäßig entnommen DNA führen können, plädiert Schultz für vorausschauenden Datenschutz: „Die beste DNA ist die, die nicht abgegeben wurde.“

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149883 

Peter Nowak