Zurück Kriminalisierung von Geflüchteten ohne große Proteste beschlossen

Zu Gast im Knast

Die Bundesregierung will das Asylrecht erneut verschärfen. Anders als im Jahr 1993 ist kein großer außerparlamentarischer Widerstand zu erwarten.

Die Zugänge zum Bundestag werden von Tausenden Menschen blockiert, die sich gegen die Verschärfung der Asylgesetzgebung wenden. Auf den Straßen kommen die Bundestagsabgeordneten nicht weiter. Manche Antirassisten haben auch Boote gemietet, die mit Transparenten und Lautsprechern ausgestattet sind.

Solche Bilder gab es am 26. Mai 1993 in der Umgebung des Bonner Parlaments zu sehen. Doch Antirassisten aus der ganzen Republik konnten nicht verhindern, dass vor mehr als 22 Jahren eine ganz große Koalition aus SPD, FDP und CDU/CSU das Asylrecht derart verschärfte, dass es faktisch abgeschafft wurde. Die Proteste konnten die Abstimmung allerdings um viele Stunden verzögern. Zudem war die antirassistische Gegenwehr das bestimmende Thema in der in- und noch mehr in der ausländischen Presse. Vor allem in Deutschlands Nachbarländern wurden die Anliegen der Kritiker verstanden. Während in west- und vor allem ostdeutschen Städten ein Bündnis aus Neonazis und Wutbürgern Flüchtlingsheime attackierte, zeigten die Politiker der führenden Parteien, dass sie die vermeintlichen Sorgen der deutschen Bevölkerung ernstnahmen.

Mehr als zwei Jahrzehnte später haben die »Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes« und ihre regionalen Ableger das Erbe der Vorkämpfer aus den frühen neunziger Jahren ebenso angetreten wie die lokalen »Nein-zum-Heim-Initiativen«, die es in der ganzen Republik gibt. Und wieder zeigen bundesdeutsche Politiker großes Verständnis für die Anliegen derartiger Zusammenschlüsse, und wollen das Asylrecht abermals verschärfen.

Für den 2. Juli ist die zweite und dritte Lesung des Gesetzes zur »Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung« im Bundestag angesetzt. Das Gesetz würde eine umfassende Ausweitung der Abschiebehaft für Flüchtlinge bedeuten. Die Haft soll möglich sein, wenn jemand »unter Umgehung einer Grenzkontrolle eingereist« ist, Identitätspapiere wie Ausweise vernichtet oder »eindeutig unstimmige oder falsche Angaben gemacht« hat, wie es im Gesetzentwurf heißt. Abschiebehaft droht auch, wenn Geflüchtete vor der Einreise nach Deutschland bereits in einem anderen EU-Land registriert wurden, wenn Identitätspapiere fehlen oder die Behörden der Ansicht sind, sie würden über die Identität des Asylsuchenden getäuscht. Zudem droht Abschiebehaft, wenn Geld für Fluchthelfer bezahlt wurde und wenn der Flüchtling »Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität verweigert oder unterlassen hat«. Eine fünfjährige Einreise- und Aufenthaltssperre soll Flüchtlingen drohen, deren Asylantrag im Schengen-Raum bereits abgelehnt wurde, die ihrer Ausreisepflicht nicht in der »gesetzten Ausreisefrist« nachgekommen sind oder »in das Bundesgebiet eingereist sind, um öffentliche Leistungen zu beziehen«.

Die Formulierungen des Gesetzes machen deutlich, dass eine erhebliche Kriminalisierung von Flüchtlingen möglich wäre. Die Delikte sind so vage formuliert, dass sehr viele Menschen betroffen sein könnten. So soll die Bezahlung von Fluchthelfern zu einer strafbaren Handlung erklärt werden, obwohl dies für viele Menschen die einzige Möglichkeit ist, überhaupt nach Europa zu kommen. Statt, wie von humanitären und zivilgesellschaftlichen Organisationen wie Pro Asyl seit Langem gefordert, den in vielen Ländern Nordafrikas festsitzenden Flüchtlingen gefahrlose Transfermöglichkeiten zu öffnen, damit sie nicht mehr den Weg über das Mittelmeer nehmen müssen, sollen sie nun kriminalisiert werden.

Diese umfassenden Pläne zur Kriminalisierung von Flüchtlingen fallen in eine Zeit, in der die Empörung über die Tausenden toten Flüchtlinge an der Außengrenze Europas auch in Deutschland gewachsen ist. Das zeigte sich beispielsweise am 20. Juni, als anlässlich des »Gedenktags für die Opfer von Flucht und Vertreibung« das Kunstkollektiv »Zentrum für politische Schönheit« unter dem Motto »Die Toten kommen« symbolisch tote Flüchtlinge in Deutschland beerdigte. Während das Gräberfeld auf der Wiese vor dem Bundestag schon nach wenigen Stunden von der Gartenbaubehörde eingeebnet wurde, gibt es in den Grünanlagen zahlreicher deutscher Städte mittlerweile symbolische Gräber, mit denen der unbekannten Flüchtlinge gedacht werden soll, die im Mittelmeer ertrunken sind.

Allerdings spielen die tödlichen Folgen der bundesdeutschen Flüchtlingspolitik in der Kampagne des Künstlerkollektivs keine Rolle. Dabei liefert seit mehr als 20 Jahren eine Arbeitsgruppe der Antirassistischen Initiative Berlin in einer jährlich aktualisierten Dokumentation der tödlichen Folgen der bundesdeutschen Flüchtlingspolitik immer wieder stichhaltige Beweise. Dort sind zahlreiche Suizide von Flüchtlingen dokumentiert, die es in den Heimen nicht mehr aushielten oder Angst vor der Abschiebung hatten.

Tritt das geplante neue Gesetz in Kraft, droht auch eine Zunahme solcher Verzweiflungstaten. Auf den Zusammenhang zwischen den tödlichen Folgen der Flüchtlingspolitik an den EU-Grenzen und denen in Deutschland hat in den vergangenen Wochen die Kampagne »Asylrechtsverschärfung stoppen« hingewiesen. Sie ruft unter dem Motto »Wer nicht ertrinkt, wird eingesperrt« zum Widerstand gegen das Gesetz auf. Allerdings wird es Anfang Juli wohl zu keiner Parlamentsblockade wie im Mai 1993 in Bonn kommen. Das ist auch ein e Folge der Schwächung der außerparlamentarischen Linken in den vergangenen zwei Jahrzehnten. So verlegten sich Antirassisten bisher auf symbolische Taten wie das Einfärben zweier Brunnen in Berlin. »Wir haben die Farbe Rot gewählt, um an das Blut der Menschen zu erinnern, die an den Außengrenzen der EU ihr Leben verloren haben und die aufgrund von bürokratischen Entscheidungen und unmenschlichen Gesetzen in ihrer Existenz bedroht sind. Das mag vielleicht ein wenig pathetisch sein, aber für eine andere Farbe reichte unsere Phantasie leider nicht aus«, heißt es in der Pressemitteilung eines antirassistischen Bündnisses.

Am rechten Rand wird hingegen schon für weitere Asylrechtsverschärfungen getrommelt. So besetzten Mitglieder der rechtsextremen »Identitären Bewegung« am 28. Juni SPD-Büros in Hamburg und Berlin, um gegen einen »Bevölkerungsaustausch« zu protestieren. Die SPD trage Verantwortung, »dass wir als Deutsche in nur wenigen Jahrzehnten zur Minderheit im eigenen Land werden«, heißt es der klassischen rechten Diktion in einer Pressemitteilung. Auch der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hat in einem Interview mit dem Münchner Merkur eine neue Kampagne gegen den angeblichen Asylmissbrauch angeleiert.

Dabei richtete er sich auch gegen eine Passage in der Rede von Bundespräsident Joachim Gauck, die dieser am »Tag der Opfer von Flucht und Vertreibung« im Deutschen Historischen Museum in Berlin gehalten hatte. Gaucks Publikum bestand aus Mitgliedern und Sympathisanten des Bundes der Vertriebenen, für den der Gedenktag installiert wurde.

Gauck redete auch ganz nach dem Geschmack dieser Klientel, besang das Lied von den Heimatvertriebenen als deutschen Opfern und beklagte, dass es zeitweise tabu gewesen sei, »Heimatlieder« zu singen. In einer Passage zog er jedoch auch eine Verbindung zu den derzeitigen Flüchtlingen. »Ich weiß aus vielen Gesprächen mit Heimatvertriebenen, dass sie solche Vergleiche nicht gerne hören. Die Ursachen sind jetzt andere, jetzt geht es auch um massenhaften Asylmissbrauch. Ich finde diese Diskussion nicht angezeigt«, sagte Seehofer dazu. Damit dürfte er die Stimmung im Umfeld der Vertriebenenverbände gut erfasst haben.

Seehofers Schelte macht Gaucks Rede aber nicht akzeptabel. Denn es ist geradezu grotesk, Menschen, die wegen einer Notlage aus ihrem Herkunftsland fliehen müssen, mit einem Personenkreis in Verbindung zu bringen, der vor 1945 mehrheitlich die NS-Politik begeistert unterstützte und im Zuge der deutschen Niederlage die Verwirklichung der Parole »Heim ins Reich« etwas anders als gedacht erlebte.

http://jungle-world.com/artikel/2015/27/52232.html

Peter Nowak

Nicht deutsch genug, um als Heimatvertriebene zu gelten

Eine Passage der Gauck-Rede zum Gedenktag für Flucht und Vertreibung sorgt für Diskussionen

Am 20. Juni wurde erstmals ein Gedenktag für Flucht und Vertreibung [1] bundesweit begangen. Spontan fällt einem kritischen Zeitgenossen ein, dass es ist natürlich sinnvoll ist, an die vielen Opfern der europäischen und speziell auch deutschen Flüchtlingspolitik zu erinnern.

Täglich erfahren wir, dass Geflüchtete im Mittelmeer ertrinken oder schon vorher auf den Transitwegen in Afrika ausgeraubt und ermordet werden. Wer es bis nach Deutschland schafft, ist vor Angriffen von Pegida-Deutschen der unterschiedlichen Couleur nicht sicher, wie sich in diesen Tagen im sächsischen Freital zeigte [2], wo schließlich zivilgesellschaftliche Initiativen verhinderten [3], dass sich Szenen, wie wir sie vor mehr als zwei Jahrzehnten in Hoyerswerda, Rostock etc. gesehen haben, wiederholten. Dort wurden Flüchtlingsheime unter dem Beifall von applaudierenden Wutbürgern attackiert und in Brand gesetzt.

Zu gedenken wäre auch den Opfern einer staatlichen Flüchtlingspolitik, die aus Angst vor Abschiebungen, oder weil sie Stigmatisierungen und Abschiebedrohungen nicht mehr aushielten, die Pulsadern aufschnitten, sich erhängten oder durch das Trinken von giftiger Chemikalien ihren Leben ein Ende setzten. Seit mehr als 20 Jahren liefert eine Arbeitsgruppe der Berliner Antirassistischen Initiative mit einer jährlich aktualisierten Dokumentation der tödlichen Folgen der bundesdeutschen Flüchtlingspolitik Nachweise [4] für solche Verzweiflungstaten.

Dieser Aspekt kam auch bei den vom Zentrum für politische Schönheit [5] initiierten Kampagne „Die Toten kommen“ zu kurz. In vielen deutschen Städten sind Gräber ausgehoben worden, an denen den unbekannten Toten im Mittelmeer gedacht wird. Nicht überall sind die Gräber gleich wieder eingeebnet worden wie vor dem Bundestag.

Wer nicht ertrinkt, wird eingesperrt

In Berlin tauchen Plakate und Flugblätter [6] auf, die in wenigen Worten den Kerngehalt der bundesdeutschen Flüchtlingspolitik auf den Punkt brachten: „Wer nicht ertrinkt, wird eingesperrt“. Damit wird nicht nur ein Ist-Zustand beschrieben, sondern für Protestaktionen [7] gegen die für den 2 Juli geplante zweite und dritte Lesung einer Asylrechtsverschärfung geworben, die bisher wenig bekannt ist.

Das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung [8] bedeutet eine wesentliche Ausweitung der Abschiebehaft. Sie kann dann verhängt werden, wenn die Einreise „unter Umgehung einer Grenzkontrolle“ erfolgte, wenn die Geflüchteten über ein anderes EU-Land eingereist sind, wenn Identitätspapiere fehlen bzw. über die Behörden über die Identität getäuscht wurden, wenn Geld für Fluchthelfer bezahlt wurde.

Auch wer „Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität verweigert oder unterlassen hat“, kann in Abschiebehaft genommen worden. Es ist abzusehen, dass sich dann die Zahl der Opfer der bundesdeutschen Flüchtlingspolitik noch erhöht. Nur sind genau das nicht die Themen, die nach dem Gedenktag für Flucht und Vertreibung in einem großen Teil der Medien die zentrale Rolle spielen.

Geflüchtete damals und heute?

Das hängt zunächst einmal damit zusammen, dass dieser Tag von der Bundesregierung gar nicht zum Gedenken an die aktuellen Flüchtlinge konzipiert war. Vielmehr sollten den deutschen Staatsbürgern gedacht werden, die im europäischen Ausland lebten, sich dort oft als eifrige Protagonisten der deutschnationalen Volkstumspolitik gerierten und bald auch Vorkämpfer der Nazis wurden. Nach deren Niederlage war es damit vorbei.

Viele flohen am Ende des 2. Weltkriegs, weil sie berechtigte Angst hatten, für ihre eigenen Verbrechen zur Verantwortung gezogen zu werden. Andere wurden in Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Potsdamer Abkommens nach Kerndeutschland umgesiedelt. In Westdeutschland gerierten sie sich bald als große Opfergruppe, die von den Gründen ihrer Vertreibung nicht reden wollten.

Auf die Initiative des umtriebigen Bundes der Vertriebenen [9] geht auch der Gedenktag zurück. Bundespräsident Gauck hielt im Deutschen Historischen Museum in Berlin die Ansprache [10] und sorgte mit einigen Passagen für Widerspruch im konservativen Lager. Gauck begann seine Rede mit den Worten:

Über Entwurzelte wollen wir heute sprechen. Über Flüchtlinge und Vertriebene, zwangsweise Emigrierte. Über Heimatlose einst und Heimatlose heute und morgen. Über Menschen, die nicht mehr dort sind und auch noch nicht ganz hier. Über Menschen, die etwas vermissen und gleichzeitig froh sind, nicht dort leben zu müssen, wohin das Heimweh ihre Gedanken lenkt. Über Entwurzelte wollen wir heute sprechen. Über Menschen – gleichgültig ob schwarz oder weiß, ob jung oder alt, ob Mann oder Frau, ob Christ, Jude oder Muslim – über Menschen, die alle tief in der Seele dieselbe schmerzliche Erfahrung machten, die der Schriftsteller Jean Améry, Flüchtling vor Nazi-Deutschland und Überlebender von Bergen-Belsen, in die einfache, für die einen tröstliche, für die anderen bedrückende Formel fasste: „Man muss Heimat haben, um sie nicht nötig zu haben.“

Nachdem er dann ausgiebig über deutsche Opfer von Flucht und Vertreibung und von einer angeblichen Tabuisierung von Heimatliedern geredet hatte, und damit eigentlich dem Bund der Vertriebenen aus dem Herzen gesprochen hatte, kam Gauck noch einmal auf die Gegenwart zu sprechen:

Wir stehen vor einer großen Herausforderung, einer Herausforderung von neuer Art und neuer Dimension. In den letzten fünf Jahren sind mindestens fünfzehn neue Konflikte entflammt oder wieder ausgebrochen – in Afrika, im Nahen Osten und auch in Europa. Die staatlichen Strukturen ganzer Regionen drohen zu zerfallen. Je länger Bürgerkriege, islamistischer Terror, bewaffnete Konflikte zwischen Regierungen und Rebellen oder Separatisten dauern, je mehr sich Anarchie, Armut, Korruption und Perspektivlosigkeit breit machen, desto mehr Menschen werden ihre Familie, ihre Freunde, ihre Heimat verlassen. Die Flüchtlingszahlen dürften – auch mittelfristig – weiter steigen.
Angesichts dieser dramatischen Entwicklung haben wir unseren Blick zu weiten. Flüchtlingspolitik ist längst mehr als Innenpolitik. Flüchtlingspolitik reicht längst hinein in unsere Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik.
Beginnen wir mit dem, was selbstverständlich sein sollte: Es ist meines Erachtens eine moralische Pflicht aller Staaten Europas, Flüchtlinge vor dem Tod im Mittelmeer zu retten. Wir würden unsere Selbstachtung verlieren, wenn wir Menschen, die vor den Toren unseres Kontinents auf dem Wasser treiben, sich selbst überließen.

Flüchtlingsunterstützung ist kein Heimatschutz

Solche Aktualisierungen meint der Bund der Vertriebenen nicht, wenn es auf dessen Homepage heißt: „In Deutschland sehen wir, dass heute vieles gesagt werden kann, was vor 25 Jahren noch unmöglich gewesen wäre.“

Dort hält man sich zu Gaucks Aktualisierungen bedeckt. Dafür hat sich mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer der Politiker zu Wort gemeldet, dessen Bundesland sich seit 1945 als besondere Schutzmacht aller deutschen Flüchtlinge und Vertriebenen versteht. Ihre Nachkommen sind auch heute noch ein wichtige Wählerbasis seiner CSU.

Im Münchner Merkur tat Seehofer kund [11], was der Verband der Vertriebenen denkt, aber nicht so offen ausspricht. Auf die Gauck-Rede angesprochen, sagte der bayerische Ministerpräsident:

Ich weiß aus vielen Gesprächen mit Heimatvertriebenen, dass sie solche Vergleiche nicht gerne hören. Die Ursachen sind jetzt andere, jetzt geht es auch um massenhaften Asylmissbrauch. Ich finde diese Diskussion nicht angezeigt.

Im Interview hat Seehofer weitere Überlegungen angestellt, wie man Geflüchtete abschreckt. Viele nichtdeutsche Geflüchtete konnten davon bereits in den letzten Jahren in Bayern solche Erfahrungen machen. Es ist schließlich kein Zufall, dass die neue Bewegung der Geflüchteten in Deutschland in Bayern seinen Ausgang nahm, nachdem sich ein Flüchtling in Abschiebehaft umbrachte.

Die linksliberale Taz übte heftige Kritik [12] an Seehofers Gauck-Schelte, auch Grüne und Linke warf Seehofer vor, er wolle die Diskurshoheit über bayerischen Stammtische behalten.

Dabei wird selten erwähnt, dass Seehofer nur ausspricht, was im Umfeld der verschiedenen Vertriebenenverbände gedacht wurde. Als auf einer großen Gedenkveranstaltung zum 50ten Jahrestag des Baus der Berliner Mauer ein Redner an die Mauern erinnerte, die die Geflüchteten von heute oft das Leben kosten, gab es in Berlin aus der Zuhörerschaft empörte Zwischenrufe.

Zudem müsste eigentlich die Kritik an Gaucks Flüchtlingsvergleich an einer ganz anderen Stelle ansetzen. Denn eigentlich müssen sich die heutigen Flüchtlinge und ihre Unterstützer dagegen verwahren, mit einem Personenkreis in Verbindung gebracht zu werden, der vor 1945 zu nicht kleinen Teilen die NS-Politik begeistert mittrug und nach dem Untergang dann die von ihm unterstützte Parole „Heim ins Reich“ etwas anders als gedacht erlebten.

Die Selbstorganisationen der Geflüchteten und ihre Unterstützer treten auch nicht das Erbe des Bundes der Vertriebenen an. Selbst eine Kooperation wird es nicht geben. Dass hat Seehofer mit seinen Interview noch einmal erfreulich klargestellt.

http://www.heise.de/tp/news/Nicht-deutsch-genug-um-als-Heimatvertriebene-zu-gelten-2730700.html?view=print

Peter Nowak

Links:

[1]

https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/2014/08/gedenktag-fuer-die-opfer-von-flucht-und-vertreibung.html

[2]

https://www.facebook.com/pages/Widerstand-Freital/1591614877753731?fref=nf

[3]

https://www.facebook.com/pages/Organisation-f%C3%BCr-Weltoffenheit-und-Toleranz-Freital-und-Umgebung/471571042990797

[4]

http://www.ari-berlin.org/doku/titel.htm

[5]

http://www.politicalbeauty.de/

[6]

http://www.asylrechtsverschaerfung-stoppen.de/?page_id=92

[7]

http://www.asylrechtsverschaerfung-stoppen.de/

[8]

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/040/1804097.pdf

[9]

http://www.bund-der-vertriebenen.de/

[10]

http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Joachim-Gauck/Reden/2015/06/150620-Gedenktag-Flucht-Vertreibung.html;jsessionid=C8FE84AF4D25C8C1DE2475C2E613FA99.2_cid293

[11]

http://www.merkur.de/politik/horst-seehofer-asyl-merkel-ernste-lage-erkannt-5165954.html

»Wer nicht ertrinkt, wird eingesperrt«

Antirassistische Gruppen wollen ihre Proteste gegen die Verschärfung der Asylgesetze ausweiten

Antirassistische Initiativen wollen das Abschiebegesetz stoppen, das der Bundestag in der kommenden Woche beschließen will. Geplant sind Mahnwachen, Demonstrationen und vielleicht noch mehr…

Vor der Sommerpause will die Bundesregierung eine weitere Verschärfung des Asylrechts durch das Parlament bringen. Für den 2. Juli ist im Bundestag die zweite und dritte Lesung eines Gesetzes geplant, das vor allem die Abschiebehaft massiv ausweitet. Demnach sollen Flüchtlinge künftig inhaftiert werden, die »unter Umgehung einer Grenzkontrolle« eingereist sind, Identitätspapiere vernichtet oder »eindeutig unstimmige oder falsche Angaben« gemacht haben, heißt es im Gesetzentwurf. Aus Sicht der Kritiker kann damit künftig fast jeder Geflüchtete inhaftiert werden. Eigentlich sollte die Entscheidung bereits Anfang Juni fallen. Gerüchten zufolge gab es kritische Stimmen innerhalb der SPD, weshalb die Abstimmung verschoben wurde. Die scheinen die schärfste Änderung des Asylgrundrecht seit 1993 nun offenbar nicht mehr aufzuhalten.

Unter dem Motto »Wer nicht ertrinkt, wird eingesperrt« fordern Flüchtlings- und Antirassismusgruppen die Ablehnung des Gesetzes im Bundestag. Mit ihrer Kampagne knüpfen sie an die Empörung an, die das tägliche Sterben von Flüchtlingen im Mittelmeer in großen Teilen der Gesellschaft ausgelöst hat. Zuletzt hat die Aktion »Die Toten kommen« des Zentrums für politische Schönheit für bundesweite Aufmerksamkeit gesorgt. Das Bündnis »Asylrechtsverschärfungen stoppen« will diese Debatte zuspitzen. »Es ist nicht nur abstrakt die EU dafür verantwortlich, dass Flüchtlinge im Mittelmeer sterben. Es waren und sind die Bundesregierungen, die seit Jahrzehnten dafür sorgen, dass es den Menschen immer schwerer gemacht wird, nach Deutschland zu kommen – und wenn sie es doch schaffen, bleiben zu können«, betont eine Aktivistin des Bündnisses gegenüber »nd«. Mit dem Vorhaben spielen sie rassistischen Bewegungen wie Pegida in die Hände, warnen die Gegner, und setzten deren Forderungen sogar in Gesetz um.

Am Dienstag protestierten junge Menschen in Magdeburg vor dem Tagungsort der Fraktionsvorsitzenden und Innenpolitiker der Union. Diese blieben jedoch unbeeindruckt und sprachen sich für schnellere Abschiebungen von Flüchtlingen aus.

Am Freitag laden Studierende und Schüler zu einem bundesweiten Jugendkongress »Flucht, Migration, Vertreibung« an die Technische Universität Berlin ein. Dort sollen auch die Proteste gegen die Verschärfung des Asylrechts koordiniert werden.

Geplant ist bislang eine Mahnwache vor der Bundeszentrale der SPD am Tag vor der Abstimmung. Mit dem Motto »Wir hätten Willy abgeschoben« wollen die Aktivisten an die Biografie des SPD-Idols Willi Brandt erinnern. Der langjährige Parteivorsitzende hatte auf der Flucht vor den Nazis in Schweden Asyl gefunden.

Am 2. Juli, wenn die Asylverschärfung im Bundestag ansteht, soll der Protest ins Regierungsviertel verlagert werden. Die Aktivisten wollen versuchen, die Abstimmung zu verhindern. Auch ein Schülerstreik ist in der Diskussion. Bereits in den vergangenen Jahren haben sich vor allem in Berlin Tausende Schüler mit Demonstrationen und Besetzungen für die Rechte von Migranten eingesetzt.

Ein Teil der heutigen Aktivisten war bereits 1993 dabei, als Tausende Bürger aus der ganzen Republik stundenlang die Zugänge zum Bundestag in Bonn blockierten. Sie konnten dennoch nicht verhindern, dass eine große Koalition aus SPD, FDP und CDU/CSU das bis dahin geltende Asylrecht in Deutschland faktisch abschaffte.

www.asylrechtsverschaerfung-stoppen.de

Asylbewerber in Haft

Das geplante »Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung« beinhaltet:

eine Ausweitung der Abschiebehaft:

    – bei Einreise »unter Umgehung einer Grenzkontrolle«

    – bei Einreise über ein anderes EU-Land bzw. für alle, die in einem anderen EU-Land registriert sind

    – wenn Identitätspapiere fehlen bzw. über die Behörden über die Identität getäuscht wurden

    – wenn Geld für Fluchthelfer bezahlt wurde

    – für jeden, der »Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität verweigert oder unterlassen hat«

    • eine 5-jährige Einreise- und Aufenthaltssperre

    – bei einem abgelehnten Asylantrag im Schengen-Raum

    – wer »seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist«

    – wer »in das Bundesgebiet eingereist ist, um öffentliche Leistungen zu beziehen«

    • Erleichterte Ausweisung auch bei Menschen mit Aufenthaltstitel, bei Straffälligkeit oder bei Verletzung der »Grundordnung«
    • ein sogenanntes Bleiberecht für alle restlichen langjährig Geduldeten, die nicht von einem der neuen Paragrafen erfasst werden                                                                                                                                                    http://www.neues-deutschland.de/artikel/975536.wer-nicht-ertrinkt-wird-eingesperrt.html                                                                             Peter Nowak