Über eine geschichtspolitische Zeitenwende, die auch rechte Kameradschaften rehabilitiert

Asow oder die wandlungsfähigen Nazis

Nun konnte man denken, dass Tax-Korrespondent Bernhard Clasen mit seinem Faktenwissen über die rechten Kameradschaften klar kritisiert, wie rechte Kameradschaften normalisiert werden. Doch Fehlanzeige. Clasen hat nämlich Gewährsleute in der Ukraine parat, die Asow bescheinigen, sich gewandelt zu haben. "Vor nicht allzu langer Zeit hat Asow sogar erklärt, dass sie keine Nazis, sondern Patrioten seien. Und der einzige Nazi sei Putin", hat der ukrainische Gewährsmann die Zauberformel entdeckt, die auch in Nachkriegsdeutschland schon zur großen Weißwäsche der braunen Volksgemeinschaft führte.

Es ist nun wahrlich nichts Neues, dass die westliche Welt gerade in Kriegszeiten auf die äußerte Rechte zurückgreift. Meistens wird das aber vor allem in liberalen Medien deutlich, die sich in der Nähe von Ultrarechten unwohl fühlen. Das hat sich im Ukraine-Krieg geändert, zumal sich nicht mehr bestreiten lässt, dass ein Großteil der Verteidiger im Stahlwerk bei Mariopul zum Asow-Regiment gehörten. Die linksliberale taz schreibt allerdings schon sehr vorsichtig über „rechtsradikale Wurzeln“ dieses Regiments. Kann man daraus schließen, dass die Blüten und Blätter trotzdem Teil der diversen Kultur sein können, die in der taz so gerne gefeiert wird? Eigentlich verbietet sich das, denn der taz-Journalist Bernhard Clasen beschreibt korrekt: …

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Über richtige Lehren, Irrtümer und Mythen

Scheiterte die globalisierungskritische Bewegung vor 20 Jahren in Genua?

Erst diese Niederlage schuf die rechte Hegemonie in Italien, gegen die sich in Genua die außerparlamentarische Bewegung stellte. Der Berlusconismus, der von ihr herausgefordert wurde und in Genua vor 20 Jahren mit der "chilenischen Nacht" blutig zurückschlug, hat die italienische Gesellschaft massiv verändert.

Dass die aktuelle US-Regierung auf außenpolitischem Gebiet die Trump-Regierung rechts überholen kann, zeigt sich bei den neuen Sanktionen gegen Kuba, die von der Biden-Administration verhängt wurden (Was ist los in Kuba?). Von den politischen Kräften, die der Meinung waren, Biden werde zu Obamas Taktik des Wandels durch Annäherung zurückkehren, hört man kaum Kritik, dass Biden die Sanktionen jetzt noch verschärft. Schließlich wird eine sicherlich berechtigte Protestbewegung gegen reale Missstände auf Kuba vereinnahmt. Da wird dann von der US-Regierung gleich von niedergeschlagenen Massenprotesten halluziniert. Dabei jährte sich am 20. Juli zum zwanzigsten Mal der Jahrestag gegen einen brutal niedergeschlagenen Massenprotest, der den die Verantwortlichen…

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Dem Weltwirtschaftsforum gehen Kritiker aus

Traum von der afrikanischen Renaissance

Senegal, Gastgeber des nächsten Weltsozialforums, besinnt sich seiner Wurzeln
Der Hüne blickt siegesgewiss in die Zukunft. Mit der linken Hand reckt er ein Kind in die Höhe, mit der Rechten hält er eine Frau im Arm. Das »Monument der afrikanischen Renaissance« in der senegalesischen Hauptstadt Dakar ist unübersehbar.
Das Prestigeprojekt des Präsidenten Abdoulaye Wade wurde zum 50. Jahrestag der Unabhängigkeit des Landes mit großem Pomp eingeweiht. Doch vor allem unter Künstlern und Intellektuellen reißt der Spott nicht ab. »Wieso muss ein Denkmal der afrikanischen
Renaissance im Stil des sozialistischen Realismus errichtet werden? «, fragt der zwischen seiner Heimatstadt Dakar und Berlin pendelnde Künstler Mansour Ciss.
Die Frage ist leicht zu beantworten. Weil Präsident Wade auf seine unabhängige Außenpolitik Wert legt, hat er auch gute Kontakte zu
Staaten wie der Koreanischen Demokratischen Volksrepublik, aber auch zu Iran. Damit hat Wade mit der Politik von Leopold Senghor, der von 1960-80 Senegals Präsident war, gebrochen. Der erklärte Freund Frankreichs orientierte sich damals an der ehemaligen Kolonialmacht.  Auch in der Innenpolitik setzt Wade andere Akzente als Senghor, in dem er die Wolof, die Umgangssprache des Landes, aktiv förderte.
Während diese Sprache in großen Teilen der ländlichen Bevölkerung weit verbreitet ist, kommunizierte die Elite des Landes auf französisch. So war es eine Sensation, als der senegalesische UniversalgelehrteCheikh Anta Diop als Präsidentschaftskandidat einen Wahlkampf rein auf Wolof führte. Viele Stimmen bekam er übrigens nicht. Doch im heutigen Dakar ist nicht nur die größte Universität des Landes nach dem 1986 verstorbenen Diop benannt. Viele Wissenschaftler versuchen, seine Thesen der afrikanischen Renaissance zu aktualisieren. Die Cheikh-Anta-Diop-Universität in Dakar wird im Februar Treffpunkt für tausende Aktivisten aus aller Welt werden, wenn dort das 10. Weltsozialforum stattfindet.
Die in Senegal sehr aktive Zivilgesellschaft bereitet sich intensiv darauf vor. Viele ihrer Aktivisten sind Anhänger einer afrikanischen Renaissance. Anders als Wade verstehen sie darunter allerdings mehr als eine unabhängige Außenpolitik und die
Förderung von Wolof. Vor allem auf ökonomischem Gebiet könne von einer Unabhängigkeit keine Rede sein, meint Mansour Ciss. So
ist es kein Zufall, dass die Währung in Senegal wie in ganz Westafrika noch immer Franc heißt und an den Euro gekoppelt ist.
Mit seinem Afro-Projekt hat Ciss seine Kritik auf künstlerische Weise verarbeitet. Nach dem Vorbild  des Euros hat er Geldscheine einer nicht existierenden afrikanischen Gemeinschaftswährung gestaltet.
Auf mehreren Scheinen ist das Konterfei von Thomas Sankara abgebildet. Der Protagonist eines afrikanischen Sozialismus war von
1983 bis zu seiner Ermordung  1987 Präsident des westafrikanischen Staats Burkina Faso. Seine Popularität in der afrikanischen
Jugend, aber auch bei den sozialen Bewegungen ist ungebrochen. Besuchern des Sozialforums dürfte das Konterfei des afrikanischen
Che Guevara häufig begegnen. Nicht nur die Abschaffung von Luxusautos für die politische  Elite des Landes machte Sankara populär. Vor allem sein Konzept, für die Textilindustrie seines Landes traditionelle Stoffe des Landes statt europäischer Importe zu verwenden, stößt auf viel Unterstützung. Soziale Aktivisten Senegals sehen in diesem Konzept einer wirtschaftlichen Unabhängigkeit die Voraussetzung für eine afrikanische Renaissance, die sich nicht auf Symbolpolitik beschränkt.

 

Neues Deutschland, 22.6.2010