In Davos hat das World Economic Forum (WEF) begonnen – ein Treffen von Kapitel und Politik in den Schweizer Bergen. Einen Hauch von Davos gibt es auch aktuell auch rund um das Berliner Congress Center am Alexanderplatz. Dort lädt das wirtschaftsnahe Berliner Handelsblatt zum großspurig „Energiegipfel“ genannten Vernetzungstreffen von Kapital, Medien und Politik ein. Der Eintritt – beziehungsweise ein Präsenzticket für zwei Tage inklusive digitaler Teilnahme am dritten Tag – kostet …
„Handelsblatt-Konferenz: Ein Hauch von Davos am Berliner Alexanderplatz“ weiterlesenSchlagwort: WEF
Dem Weltwirtschaftsforum gehen Kritiker aus
Auch die zivilgesellschaftichen Gruppen verabschieden sich von ihrer öffentlich geäußerten WEF-Kritik
Wenn dereinst Historiker und Bewegungsforscher den Aufstieg und den Niedergang der globalisierungskritischen Bewegung eruieren wollen, würden sich die Proteste gegen das Weltwirtschaftsforum [1] in Davos dafür gut anbieten.
Jahrelang wurde dieses Treffen der Elite aus Politik und Wirtschaft von der kritischen Öffentlichkeit nicht wahrgenommen. Das änderte sich dann 1999. Mit den Protesten von Seattle [2] war die kurze Phase der Gipfelproteste angebrochen. In den folgenden Jahren waren das WEF und die Gegenaktionen dann wochenlang das zentrale Thema in der Schweiz. Es wurde sogar Polizeiunterstützung aus Deutschland angefordert.
Nachdem das WEF dann 2002 für ein Jahr aus der Schweiz nach New York übersiedelte, offiziell aus Solidarität mit den von den islamistischen Terroranschlägen Betroffenen, dachten schon manche, auf diese Weise hätten sich die WEF-Verantwortlichen auf eleganten Wege einen Abgang aus der Schweiz verschafft. Zu dieser Zeit hätte kaum jemand diesen Treffen eine Träne nachgeweint.
Die Proteste hatten tatsächlich in dem Land, ein Klima geschaffen, in dem viele sagten, soll doch dieses esoterisch angehauchte Elitentreffen aus der Schweiz verschwinden, wenn dann auch die Proteste wegbleiben und im Alpenland wieder Ruhe einkehrt. Doch das WEF kam wieder und änderte seien Taktik. Es war die Zeit des Niedergangs der globalisierungskritischen Bewegung weltweit.
Repression und Integration
So ging die bewährte Taktik auf, die Bewegung mit Repression und Integration kleinzukriegen. Für die erste Strategie stand der Kessel von Landquart [3] am 24. Januar 2004, wo hunderte Demonstrierende stundenlang bei Minustemperaturen festgehalten wurden. In Davos konnten dafür die ersten Vertreter von zivilgesellschaftlichen Organisationen an den WEF-Treffen teilnehmen. Die saßen damals noch am Katzentisch. Doch die Kooperation mit der Zivilgesellschaft, von denen die erschöpften Eliten neue Anregungen wollten, wurde verstärkt, wie auch die Repression der WEF-Proteste.
Vor 10 Jahren war die Stadt Bern eine Polizeifestung [4], aber noch prägte die Opposition die Straßen und die Reden und Gespräche. Im folgenden Jahr waren die konsequenten WEF-Gegner schon in der Defensive [5]. In den Medien dominierte ein Dinner des Sängers Bono mit dem WEF-Gründer Klaus Schwab. In den nachfolgenden Jahre wurden die Proteste immer marginaler. Im letzten Jahr tagte es fast ohne Proteste [6].
Das kann man auch für dieses Jahr sagen. Auf der Homepage der Revolutionären Jugend Schweiz [7], die zu den aktivistischen Gruppen in der Alpenrepublik gehört, findet sich kein Hinweis auf das WEF. Auch im linken Schweizer Vorwärts, einer sehr bewegungsnahen Zeitung, findet man keinen Hinweis auf den Gipfel der Eliten. Sie hatte in der Zeit der Bewegungseuphorie sogar Sondernummern zum WEF-Protest herausgebracht.
Wer genauer suchte, konnte immerhin feststellen, dass die Revolutionäre Jugend ein Anti-WEF-Fest in der Berner Reitschule organisiert [8] hat. Die Zahl der Teilnehmer soll nicht besonders hoch [9] gewesen sein.
Auch die Zivilgesellschaft verabschiedet sich vom WEF
Nicht nur der radikalere Widerstand gegen das WEF, auch die zivilgesellschaftichen Gruppen verabschieden sich von ihrer öffentlich geäußerten WEF-Kritik. Das Weltsozialforum, das einst als Gegen-WEF gegründet wurde und dann manchem Politiker als Brücke zum WEF diente, hat seinen Terminplan schon lange von dem Elitentreffen abgekoppelt. Es wird im März in Tunis tagen [10].
Diese Entscheidung ist durchaus vernünftig, weil es damit die Pose der bloßen Reaktion auf die Mächtigen aufgibt. Jetzt stellt auch die Schweizer zivilgesellschaftliche Organisation Public Eye Award [11] die Arbeit ein. In diesem Jahr wurde das letzte Mal der Negativpreis verliehen – an den Konzern Chevron. Zur Perspektive schreibt die zivilgesellschaftliche Organisation:
Die Organisatoren wollen nun ihre Arbeit für die Ethik im Kapitalismus in Vereinsform fortsetzen. Die Ziele werden wohl in der Allgemeinheit auch vom WEF getragen. Schließlich hat es der WEF-Gründer Schwab schon immer bei den mondänen Treffen am Kamin von Moral und Ethik geredet. In diesem Jahr haben die ca. 2500 Teilnehmer über soziale Ungerechtigkeit, Klimawandel und die Zukunft des Internets gesprochen. Alles Themen, die auch die zivilgesellschaftlichen WEF-Kritiker interessieren dürfte.
Ihre Lösungsvorschläge werden vielleicht in Akzenten, nicht aber grundsätzlich mit den WEF-Vorschlägen variieren. „Wachstum ist die beste Antwort, um die gesellschaftliche Ungleichheit zu reduzieren“, erklärte [13] der brasilianische Banker Roberto Egydio Setubal beim WEF. Der Präsident der Weltbank, Jim Yong Kim, ergänzte: „Das globale Wachstum muss sich stärker auf die Armen auswirken.“
Bundeskanzlerin Merkel betonte, dass die Austeritätspolitik und Wachstum keine Gegensätze sind und beschwor die Notwendigkeit der „soliden fiskalischen Politik“. Es wird sich zeigen, ob beim nächsten WEF nauch der griechische Linkspolitiker Alexis Tsipras auf den Spuren des ehemaligen brasilianischen Linkspräsidenten Lula wandelt. Der versuchte vor mehr als 10 Jahren einen Brückenschlag zwischen Weltsozialforum und WEF [14] und beschwor den sozialen Kapitalismus.
http://www.heise.de/tp/news/Dem-Weltwirtschaftsforum-gehen-Kritiker-aus-2528216.html
Peter Nowak
Links:
[1]
[2]
[3]
[4]
[5]
[6]
[7]
[8]
[9]
[10]
[11]
[12]
[13]
[14]
Weltwirtschaftsforum tagte fast ohne Protest
Krise, welche Krise? Wenn man das Davoser Weltwirtschaftsforum zum Maßstab nimmt, überwiegt bei den Eliten der Wirtschaft und Politik Optimismus
„Die existenzielle Bedrohung des Euro sei abgewendet und der Prozess der Erholung habe begonnen, wird EU-Währungskommissar Olli Rehn in der FAZ zitiert. Ähnlich haben sich in den letzten Tagen beim World Economic Forum (WEF) viele der Elitenvertreter geäußert.
Für die Wirtschaftsvertreter gab und gibt es auch keine Krise. Sie können auch dank der von ihnen durchgesetzten Austeritätspolitik wieder auf kräftige Gewinne hoffen. Bundesfinanzminister Schäuble kündigte schon mal weitere Belastungen an. „Wir müssen die Probleme durch finanzielle Disziplin bei gleichzeitigen Strukturreformen lösen“, erklärte er. Als Thermometer der Weltwirtschaft bezeichnete ein Taz-Kommentator das WEF mit einen Rückblick auf die letzten fünf Jahre: „Die Stimmung beim diesjährigen Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos war deutlich besser als in den Vorjahren. 2009 und 2010 stand die akute Finanzkrise im Mittelpunkt, danach ging es um die Reparaturmaßnahmen. 2013 dann herrschte eine Stimmung von Verschnaufen und Durchatmen. Nun lautete die zentrale Botschaft: Manches liegt im Argen, aber vieles wird auch besser.“ Auch er vergisst natürlich zu erwähnen, dass hier die Stimmung der Eliten und nicht der von der Krisenpolitik Betroffenen beschrieben wird.
Vor einer Annäherung des Iran an den Westen
In den meisten Medien wurde das WEF in diesem Jahr als ereignisarm dargestellt. Lediglich die Rede des iranischen Präsidenten Rohani sorgte weltweit für größere Aufmerksamkeit. Er hat sein Land als Wirtschaftspartner für den Westen angeboten. Relevante Teile der Eliten in diesen Ländern würde das Angebot gerne annehmen.
Das WEF hat schon immer mit dabei zu beigetragen, in der Schweizer Bergwelt Kooperationen anzubahnen, die in manchen Ländern politisch noch nicht durchzusetzen sind. Vor allem in den USA wird die Frage des Umgangs mit dem Iran noch länger Gegenstand größerer innenpolitischer Debatten bleiben.
Erstmals war auch die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff Teilnehmerin des WEF. Die Protagonistin der gemäßigten lateinamerikanischen Linken wurde dort mit offenen Armen aufgenommen. Zwischen dem WEF und Brasilien gab es immer eine besondere Beziehung. Schließlich ging vom brasilianischen Porto Alegre mit dem Weltsozialforum eine Gegenbewegung zum WEF aus, die vom ehemaligen brasilianischen Präsidenten Lula protegiert wurde. Der aber reiste nach seiner Eröffnungsrede beim Weltsozialforum nach Davos und verkündete dort vor den versammelten Eliten, dass er Brücken bauen wolle.
Mit dem Niedergang der Anti-WEF-Bewegung änderte sich auch der mediale Diskurs
Seit Anfang den 1990er Jahren gab es neben den Sozialforen auch große, medial beachtete Proteste gegen das WEF. Die Schweizer Polizei reagierte darauf mit massiver Repression und wurde von Deutschland unterstützt. 2014 sind die Proteste gegen das WEF nicht ganz verschwunden, aber fast nicht mehr wahrnehmbar.
An Aufstieg und Niedergang des Widerstands gegen das WEF wird auch deutlich, wie sich dadurch Diskurse verändert wurden. Während der Hochzeit der Anti-WEF-Proteste wurde auch in einem Großteil der Medien zunehmend kritischer über das WEF berichtet. Von einem Elitentreffen mit esoterischem Einschlag war die Rede. Es wurde offen darüber diskutiert, ob für ein solches Stelldichein ein solch großer und teurer Polizeieinsatz nötig ist.
2002 fand erstmals kein WEF in Davos statt. Die offizielle Begründung lautete, es sei aus Solidarität mit den USA nach den Anschlägen vom 11. September nach New York verlegt worden. Damals wurde in vielen Medien spekuliert, ob mit dem Ortswechsel ein Abschied von Davos eingeleitet wurde. Das Szenario trat nie ein. Denn der Niedergang der Anti-WEF-Bewegung setzte damals ein. An der von den Davoser Grünen organisierten NoWEF-Rally und anderen Aktionen nahmen lediglich 30-50 Personen teil, dafür gab es ein Großaufgebot der Polizei. Die Veranstalter sprechen von 100 Teilnehmern.
Die Mini-Proteste werden höchstens noch in den lokalen Medien erwähnt. Auch die grünennahe Taz erwähnt sie nicht mehr. „Beim Weltwirtschaftsforum treffen sich die mächtigsten Konzerneliten und neuerdings auch junge Kreative, die eine bessere Welt wollen“ schreibt etwa der Taz- Wirtschaftsredakteur Hannes Koch. Dabei könnte man den Sachverhalt ganz anders beschreiben. Die globalen Eliten betätigen sich neben hier als Mäzene, die einige findige Subalterne aus dem globalen Süden in ihre Festung Davos einladen, auszeichnen und damit ihre scheinbar grenzenlose Macht demonstrieren. Dass dieses klassische Mäzenatentum dann selbst in der Taz zum Beitrag für eine bessere Welt veredelt wird, macht eines deutlich. Wenn es wahrnehmbaren Proteste gibt, gewinnen die alten Eliten ihre Hegemonie in der öffentlichen Meinung zurück und selbst die Berichterstattung in linksliberalen Medien liest sich so, als wäre sie vom WEF-Pressesprecher verfasst.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/155755
Peter Nowak
Links
[1]
http://www.faz.net/agenturmeldungen/adhoc/optimismus-ueberwiegt-beim-weltwirtschaftsforum-2014-zweifel-bleiben-12770172.html
[2]
http://www.weforum.org/
[3]
http://www.taz.de/Weltwirtschaftsforum-in-Davos/!131658/
[4]
http://weltsozialforum.org/
[5]
http://www.heise.de/tp/artikel/19/19302/1.html
[6]
http://www.heise.de/tp/artikel/4/4638/1.html
[7]
http://www.heise.de/tp/artikel/11/11079/1.html
[8]
http://nowef.noblogs.org/post/2014/01/25/communique-zur-anti-wef-rally-2014/
[9]
http://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/wef/Griechenland-hat-gewisse-Personen-nie-besteuert/story/28001463?dossier_id=2521
[10]
http://www.taz.de/Weltwirtschaftsforum-in-Davos/!131684/