Kampf um ein deutsches Europa mit Bild, Glotze und BamS

Kampf um ein deutsches Europa mit Bild, Glotze und BamS
Das von Wolfgang Schäuble ins Gespräch gebrachte Referendum ist vor allem Populismus

Den Bundestagsabgeordneten wurde in die Sommerpause ein ungewöhnlicher Ratschlag mitgegeben. Sie sollen nicht so weit raus schwimmen und immer das Handgepäck griffbereit haben. Schließlich ist der ESM-Vertrag und der Fiskalpakt noch nicht in trockenen Tüchern, auch wenn am Freitag kurz vor Mitternacht eine große Mehrheit zugestimmt hat. Doch weil auf dem EU-Gipfel in Brüssel wenige Stunden zuvor gegen Merkels hinhaltenden Widerstand beschlossen wurde, dass auch strauchelnde Banken unter den Rettungsschirm schlüpfen können, muss das Parlament bald erneut entscheiden. Zudem fragen sich viele, wie das Bundesverfassungsgericht entscheiden wird, das unmittelbar nach der Abstimmung am Freitag in Sachen ESM von rechten und linken Politikern angerufen wurde. Es geht schlicht und einfach darum, dass die deutsche Verfassung eben rein nationalstaatlich ausgelegt war und mit den Erfordernissen einer europäischen Politik kollidiert.

Dieses Dilemma haben auch führende Politiker wie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble erkannt, der in die Sommerloch-Debatte den Vorschlag einer Volksabstimmung ins Gespräch brachte, mit das Grundgesetz so umgestaltet werden kann, dass Befugnisse auf die EU-Ebene übertragen werden können.

Populistische EU-Kritik

Nun ist es schon ein seltsamer Vorgang, dass ein Vertreter der Unionsparteien CDU/CSU, die immer gegen Volksabstimmungen aufgetreten sind und sich beharrlich dagegen gesperrt haben, dass für Deutschlands Reunion eine neue in einer Volksabstimmung beglaubigte Verfassung erarbeitet wird, auf einmal einen solchen Vorschlag in die Debatte wirft. Da es überhaupt noch keine erarbeiteten Gesetzentwürfe gibt, die zur Abstimmung gestellt werden, verfolgt Schäuble damit durchaus wahltaktische Züge.

Der in breiten Kreisen der Bevölkerung vorhandene Unmut über das intransparente Prozedere der EU-Gesetzgebung soll hier populistisch genutzt werden. Der Soziologe Thomas Wagner hat aufgezeigt, wie angeblich basisdemokratisches Instrumente, wie die Volksabstimmung schon längst Tools für populistische Regierungspraktiken geworden sind (Ein Hauch Bonapartismus in Berlin?).

Besonders, wenn solche Referenden von amtierenden Politikern lanciert werden, liegt der Verdacht nahe. Beispiele aus der Schweiz und Österreich gibt es in den letzten Jahren dafür genug. Dort sind es häufig rechtspopulistische Organisationen und Parteien, die solche Volksabstimmungen für ihre Politik nutzen. Daran knüpfen auch bundesdeutsche Rechtsparteien an. So sprach sich ein Redner der NPD am vergangenen Freitag auf einer Kundgebung in Berlin für eine Volksabstimmung zum ESM und zum Fiskalpakt aus. Nur wenige hundert Meter demonstrierte das linksreformerische Spektrum von Attac bis Linken und Grünen gegen ESM und Fiskalpakt und forderten ebenfalls eine Volksabstimmung. Nun ist es manchmal nicht zu vermeiden, fast die gleichen Forderungen wie die NPD zu haben. Wenn aber eine Attac-Gruppe auf Postkarten die Abstimmung über den Fiskalpakt mit den Ermächtigungsgesetz der Nazis 1933 vergleicht, was die Organisationen mittlerweile bedauert und die gleiche Kritik aus dem Mund von NPD-Funktionären kommt, ist es schon kein Zufall mehr, sondern Ergebnis einer verkürzten und ungenauen EU-Kritik.

Die wird auch in einem Interview mit der ehemaligen sozialdemokratischen Justizministerin Herta Däubler-Gmelin deutlich, die eine der Kläger gegen den EMS und Fiskalpakt ist. Dort betont sie einerseits für ein besseres Europa zu sein, beklagt aber heftig, dass dem Bundestag durch diese Verträge Kompetenzen entzogen werden.

Kein Wort wird dagegen darüber geäußert, dass Parlamenten in Italien, Portugal und vor allem Griechenland in den letzten Monaten durch die wesentlich von Deutschland forcierte europäische Sparpolitik massiv Kompetenzen entzogen worden sind. Ein Großteil der jetzigen Kritiker des Kompetenzverlustes des deutschen Bundestags haben dazu geschwiegen, als der damalige sozialdemokratische Ministerpräsident Griechenlands von der EU-Troika geradezu genötigt wurde, sein angekündigtes Referendum zu den Sparbeschlüssen zurück zu nehmen und selber zurückzutreten.

An der Spitze der Politiker, die sich vehement gegen eine solche Befragung der Bevölkerung wandten, gehörte auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Das ist aber nicht verwunderlich. Denn, dass die Bevölkerung über die ihnen zugemuteten sozialen Zumutungen abstimmen kann, ist auch im Schäuble Vorschlag nicht vorgesehen. Es geht vielmehr darum, dafür zu sorgen, dass der Einfluss Deutschlands in Europa erhalten bleibt.

Gerade in den letzten Wochen nach der Wahl eines Präsidenten in Frankreich, der sich im Gegensatz zu seinen Vorgänger gegen das deutsche Sparmodell ausgesprochen hat, kann Merkel nicht mehr schalten und walten, wie sie will in der EU. Das wurde beim Brüsseler Gipfel vor wenigen Tagen schon deutlich, wo Spanien und Italien den neuen Wind aus Frankreich genutzt haben, um Merkel bei ihrem Spardiktat Paroli zu bieten (Allein gegen den Rest Europas).

Stimmung entfachen

Schäuble selbst hat das neue Selbstbewusstsein der anderen EU-Partner zu spüren bekommen. Er konnte nicht zum Leiter der EU-Gruppe ernannt werden, was die Bundesregierung scheinbar schon als selbstverständlich vorausgesetzt hatte. In Kommentaren war nach dem Gipfel in Brüssel schon von zwei Niederlagen Deutschlands die Rede, einer im Fußball und einer beim EU-Gipfel. In einer solchen Situation bekommen populistische Strömungen nicht nur am rechten Rand Auftrieb, die darüber lamentieren, dass Deutschland Zahlmeister Europas sei und dann noch überstimmt werde.

Mit einer Volksabstimmung kann eine solche Stimmung erst richtig entfacht werden. Deutsche Politiker können gegen eine weitere Aufweichung der deutschen Linie in der EU ins Feld führen, dass sie dann zu Hause um ihre Mehrheiten fürchten müssen und eine EU wohl ohne Griechenland, nicht aber ohne Deutschland funktionieren würde. Wenn nach dem Brüssel-Gipfel in regierungsnahen Zeitungen kommentiert wurde, Merkel habe dort eine Schlacht, aber nicht den Krieg verloren, ist das ernst zu nehmen. Jetzt soll der Kampf um ein deutsches Europa auch mit Bild, BamS und Glotze geführt werden.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/152315
Peter Nowak